Ist Kunst sinnfrei?

Man neigt ja immer dazu, auch mit künstlerischen Mitteln eine Botschaft zu verbinden.
Da gibt es Literature engagée, die afrikanische Literaturbewegung negritude und Heinrich Böll. Auch Gemälde wie Picassos 'Guernica' tragen ganz sicher eine Botschaft.

Doch auch das Sinnfreie ist in der Kunst erlaubt und zuhause. Das fiel mir kürzlich auf, als ich durch Brensbach fuhr.

Da entdeckte ich eine Graffity, auch Wandschmiererei genannt, über die ich noch bis weit nach Höllerbach lachen mußte. Was hier - vermutlich nicht selbst erdacht sondern nach weitverbreiteten Vorlagen in asozialen Medien, mit geklauter Sprühfarbe und in Tathergang mit Hausfriedensbruch bei Nacht und Nebel - an die Hauswand gesprüht wurde, sorgt trotz allem für Fröhlichkeit, wenn man die Botschaft bedenkt.

Sinnfreie Kunst mit Botschaft? Ja klar:
Der namenlose Künstler teilt hier ganz klar mit: "Things I hate" - Dinge die ich nicht leiden kann. Dann folgt eine Liste 1-2-3. Punkt 1: "lists" (Listen); Punkt 2 "vandalism" (Vandalismus); Punkt 3 "irony" (Ironie).

Das was hier passiert ist nennt man autoreferentielle Kommunikation, auf gut deutsch eine auf sich selbst bezogene Mitteilung. Noch einfacher machte es sich vor vielen Jahren ein ebenso namenloser Künstler in Norddeutschland, der eine Hauswand in Wilster mit der Inschrift "Ich war das" verzierte.

Autoreferentieller geht es nicht mehr. Der Künstler setzt voraus, daß ein Passant die dazu passende Frage stellt "welche Sau hat die Wand verschmiert?" und greift mit seiner Antwort zukunftssicher vorweg. Nur: wo ist hier die Botschaft? Was will der Künstler uns damit sagen?

Wohl dem, der über so etwas herzhaft lachen kann - es war ja nicht meine Wand... Immerhin bekam der Brensbacher Künstler noch vor dem Absteigen vom Dach Gewissensbisse, denn er sprühte gleich nebendran "sorry about your wall".

Dann ist ja alles gut. M. Hiller