Nicht Apfel Nuß und Mandelkern, sondern Rosinen, Butter und Spezereien

Auf der Suche nach den besten Rezepte für weihnachtliches Gebäck entdeckte ich das Dr. Oetker-Backbuch „Backen macht Freude“ von 1960. Ein Buch, aus dem jahrzehntelang viel und gern gebacken wurde, das Küchengeschichte atmet, mit brüchigen und braunfleckigen Seiten und vielen Notizzetteln drin. Da kommt kein e-book mit...

Allein das Buch an sich ist schon nahrhaft, umso mehr die Rezepte darin. Das Rezept für einen ordentlichen Stollen verlangt neben viel Zucker auch eine Menge an Fett. Ohne Fett nämlich schmeckt der beste Stollen nicht. Außerdem mußte hinein - schließlich haben wir es mit einem Buch von Dr. Oetker Buch zu tun: Backin, Vanillinzucker, Bittermandelöl, Rumaroma, Zitronenbacköl. An Spezereien kamen Kardamom und Muskatblüte dazu.

Ein noch älteres Dr. Oetker-Kochbuch, das Schulkochbuch von 1937 dagegen mahnte: „Man beweise Verständnis für die Maßnahmen der Regierung im Kampf um die deutsche Nahrungsfreiheit und bevorzuge bodenständige Erzeugnisse.“ Schon zwei Jahre vor Kriegsbeginn sorgte man so dafür, daß der Küchenzettel vor allem Eintöpfe und fleischlose Gerichte enthielt, daß die gute Hausfrau dem Nationalsozialismus mit Sparsamkeit und Resteverwertung diente. Man schlug sogar gefüllte Gänsehälse vor, um auch diese noch zu verwerten.

Der Christstollen also mag zu jener Zeit mager ausgefallen sein, und mager war er in seinem Ursprung auch gedacht. Noch bis ins 15. Jahrhundert durfte nach den Regeln der römischen Kirche dafür fast nichts als Wasser, Hefe und Mehl verwendet werden. Butter, Milch, Sultaninen, Zitronat oder Mandeln - Fehlanzeige!

Als „zwei lange Weißbrote aus einem halben Scheffel Weizen“ dokumentiert das Naumburger Innungsprivileg aus dem Jahre 1329 die älteste schriftliche Erwähnung des Wortes Stollen. Der Naumburger Bischofs Heinrich I. von Grünberg setzte nämlich zur Gründung der Bäckerinnung in der Stadt eine Urkunde für sich auf: „haben sie sich vnd yrn Nachkommlingen alle Jar ewiglichen [...] an des heiligen Crist[us] Abende zwey lange weyssene Brothe, die man Stollen nennet, gemacht von eynem halben Scheffel Weysses vns vnd vnsern Nachkommlingen in unsern Hof gelobt haben verbunden zu geben und zu reichen.“

Dem Kurfürsten Ernst von Sachsen gefiel dieser butterlose Stollen nicht, und so schrieb er an Papst Nikolaus V. einen Brief, in dem er um die Aufhebung des Butter-Verbotes bat. Und schon ein paar Jahre später, anno 1491, traf der „Butterbrief“ des heiligen Vaters in Dresden ein, woraufhin die Elbstadt zur Stollenhochburg wurde - der Dresdner Striezelmarkt ist der älteste deutsche Weihnachtsmarkt, schon um 1500 gab es hier Christbrote zu Weihnachten zu kaufen. Der Butterbrief war ein sogeannter Ablaß, er gestattete den Verzehr von Milchprodukten auch während der Fastenzeit zwanzig Jahre lang gegen eine milde Gebühr in klingender Münze. Mochte Martin Luther auch gegen den Ablaßhandel wettern, ganz sicher war auch ihm ein ordentliches Stück Butter lieber als das zuvor im Stollen verwendete Rübenöl. Und so wird es wohl gekommen sein, daß das ehemalige Fastengebäck zur schwergewichtigen Leckerei mit dem Namen Stollen wurde. Denn Stollen bedeutet im Althochdeutschen soviel wie Pfosten oder Stütze.

August der Starke ließ einige Zeit später (1730) anläßlich eines prachtvollen Truppenaufmarsches den Zeithainer Riesenstollen auffahren. Auf dem Zeithainer Lustlager wurde der mehrere Meter lange Kuchen, Butter-Stollen oder Striezel genannt, serviert. 18 Scheffel Mehl, 82 Schock (=4920 Stück!) Eier, 3 Tonnen Milch, 1 Tonne Hefe und 1 Tonne Butter kamen zum Einsatz.

Welcher Rübezahl wohl diesen Teig kneten mußte?

Apfel Nuß und Mandelkern

Im Gedicht von Theodor Storm »Von drauß' vom Walde komm ich her; Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!« antwortet Knecht Rupprecht: »Das Säcklein, das ist hier:
Denn Äpfel, Nuß und Mandelkern Essen fromme Kinder gern.«

Der Duft der Kindheit: das Mandelschälen

Als Kind durfte ich helfen, die Mandeln zu schälen. Der große Küchentisch war voller Mehl, Eierschalen, Nüssen und Gewürzen, und ein kleines Plätzchen des Tisches war extra für mich reserviert. Neben mir knackte meine Oma die harten Mandelschalen auf, was gar nicht so leicht war. Aus den Trümmern suchte ich die braunen Mandeln, die dann in kochendem Wasser blanchiert wurden. So konnte ich sie, nachdem sie etwas abgekühlt waren, zwischen Daumen und Zeigefinger aus der braunen Haut flutschen lassen. Das machte Spaß, und nicht wenige Mandeln landeten in meinem Mund statt im Kuchen. Unvergeßlich ist der Geruch nach warmen Mandeln! Heute ist aller Zauber dahin: man reißt eine Tüte auf und schüttet gehäutete, gestiftelte, gehobelte, gehackte oder gemahlene Mandeln in den Kuchenteig. In meiner Kindheit aber war das Mandelschälen ein Erlebnis für alle Sinne! Wie hart waren die Schalen - wie Nüsse (schlimmer waren nur noch die Paranüsse, die es heute gar nicht mehr gibt, weil sie gesundheitsschädlich sind)!

Ist die Mandel wirklich eine Nuß?

Nein! Der Mandelbaum kommt aus Nahost und Asien und ist ein Rosengewächs, er trägt Früchte wie Aprikosen oder Pfirsiche, und im Fruchtfleisch steckt der Kern. Das ist die holzharte Schale, die sich so schwer knacken läßt. Erst wenn man diese öffnet, kommt man an den Kern heran. Es gibt mild aromatische Süßmandeln, leicht zu knackende Krachmandeln und giftige Bittermandeln, deren Blausäuregehalt schon in kleineren Mengen giftig wirkt.

Aber gesund ist die Mandel!

Die Süß- und Krachmandel enthält viel Eiweiß und Ballaststoffe, man muß sie gut kauen um alle Inhaltsstoffe aufzunehmen. Täglich eine Hand voll Mandeln erhält fit und gesund.

M. Hiller, Dezember 2014