Legendär waren die Christstollen meiner Schwiegermutter Elisabeth:

sie nahm 4 Pfd Mehl, 900 g Fett (500 Mararine + 400 Rinderfett), 350gr Zucker, 100gr Zitronat 100 gr Orangeat, 150 gr Hefe, 1 Backin, 15 gr Salz, Rum (!!!), 1/2 ltr Milch, 700g Mandeln 100 g Nüsse, 500g Sultaninen 125g Korinthen, Buttter zum Pinseln und Puderzucker zum Bestreuen. Leider gibt ihr handschriftliches Rezept keine Backzeit und Temperatur an, doch das ist sowieso bei jedem Backofen anders.

Schon Anfang Oktober fuhr sie nach Bensheim zu Aldi (den gab es damals in Reichenbach noch nicht), um die Dauervorräte fürs Stollenbacken einzukaufen. Denn sie hatte Panik, daß später nicht mehr alles verfügbar sein würde. Spätestens Anfang November wurden die Stollen gebacken und danach in mehrere Schichten Alufolie fest eingewickelt und auf dem Schrank im Schlafzimmer zur Ruhe gebracht. Erst an Weihnachten durfte der erste Stollen angeschnitten werden, er war dann auch schon sehr gut durchgezogen und schmeckte köstlich.

Dank der klugen Vorratshaltung meiner Schwiegermutter gab es die letzten Stollen im Sommer, kurz bevor der Einkaufsstreß wieder losging...

Vor einigen Jahren begann ich mit dem Rezept zu experimentieren:

- ich nahm statt Weißmehl Dinkel, der in unserer Getreidemühle fein gemahlen wurde;
- den Zucker ersetzte ich durch wesentlich weniger Honig;
- ich wußte, daß die in 80% Stroh-Rum (meine Schwiegermutter neigte nicht zu halben Sachen) eingeweichten Rosinen einen Ackergaul umwerfen konnten, trotzdem legte ich sie drei Tage lang ein - das Ergebnis war köstlich!
- beim ersten Mal wurden die Stollen bei 150 Grad 85 Minuten im Umluftbackofen gebacken, das war aber zu lange, sie waren etwas trocken. Also reduzierte ich im Jahr darauf sowohl Backzeit als auch Temperatur auf 140 Grad und 75 Minuten. Aus Angst, daß die Stollen nicht ganz durchgebacken sein könnten, mußte ich dann leider einen sofort anschneiden und probieren. Der erlebte dann kein Weihnachten mehr...
- ich ersetzte die Alufolie (die setzt man schließlich besser als Hut auf den Kopf) durch Butterbrotpapier und zwei Schichten Gefriertüten, danach fror ich die gut verpackten Stollen ein. Und so kann auch ich jetzt Christstollen genießen, wenn die Mandeln an der Bergstraße blühen, und wenn es Zeit für die Stolleneinkäufe wird.

M. Hiller, November 2017