Viele Menschen ernähren sich vegetarisch oder vegan, weil sie keinem Tier Leid zufügen wollen. Aber jede Heidelbeere, jeder Salat, den Menschen essen, fehlt einem Tier. Irgendjemand leidet immer, und gar nichts mehr essen ist auch keine Lösung. Dazu erhielten wir im Winter 2017 einen Leserbrief von H. Dreger aus Beedenkirchen:

»... so einen Unsinn, wie in den wenigen Zeilen abgedruckt, habe ich schon seit Jahren nicht mehr gelesen. Als würden die Vegetarier die Wiesen und Weiden zur Nahrungsaufnahme abgrasen um dadurch den Tieren das Futter zu stehlen. Unglaublich!!
Oder handelt es sich hier um einen vorgezogenen Aprilscherz? Es könnte auch sein, dass der Fleischindustrie wieder etwas neues eingefallen ist, wie man den stetig abnehmenden Fleischkonsum wieder ankurbelt. Da ist sich sicherlich der letzte vor Schwachsinn strotzende Slogan mit der "Steinzeitdiät" schon wieder verflogen. Jetzt muß wohl ein neuer Blödsinn her?«

Die Redaktion meint dazu: Nein, unsere Zeitschrift wird leider nicht monatlich mit fünfstelligen Beträgen von der Fleischindustrie versorgt. Dagegen tragen unsere örtlichen Metzgerbetriebe mit einem kleinen regelmäßigen Inserat zum Erscheinen des Heftes bei, sonst könnte niemand unseren „Unsinn“ lesen. Zudem spricht sich die Redaktion für ausgewogene Ernährung aus, was selbstverständlich auch Fleisch beinhaltet. Denn betrachtet man den Menschen entwicklungsgeschichtlich, so hat er mit Entdeckung des Feuers und damit der Erschließung von gegartem Fleisch seine Hirnmasse um ein Vielfaches vergrößert.

Nicht aus dem Blick verlieren darf man dabei, daß der Steinzeitmensch körperlich extrem aktiv war.

Daraus folgt, daß wir heutigen Menschen mit vorwiegend sitzenden Tätigkeiten uns anders ernähren müssen als unsere Vorfahren. Noch im Spätmittelalter aß man im Durchschnitt über 100 Kilogramm Fleisch, im 19. Jahrhundert dagegen nur noch 14 kg Fleisch. Die Freßwelle der Wirtschaftswunderzeit bescherte uns wieder jährlich rund 90 kg pro Person. Für 2012 und 2013 gibt der Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie ca. 88 kg an. 4 kg Fleisch ißt man in Bangladesch und Indien, 120 kg in den USA. Weltweit sind es etwa 42 kg. Der Fleischatlas der Heinrich-Böll-Stiftung besagt, daß der durchschnittliche Deutsche fast 700 Tiere verzehrt in seinem Leben.

Ich zähle mich zur Gruppe der „Schlachtplattenvegetarier“, das heißt ich esse sehr gern und mit Genuß Fleisch vom Metzger meines Vertrauens. Aber nur zweimal die Woche. Damit versorge ich mich mit allem was mein Körper braucht in ausgewogenem Maß, ich trage so dazu bei, daß weniger Tiere zur Fleischproduktion gehalten werden müssen und sorge durch mein Einkaufsverhalten dafür, daß kein Fleisch aus Massenhaltung auf meinen Teller kommt.

Was ich nicht verstehen kann, das ist vegane Wurst oder Hähnchenschenkel „mit echtem Knochen“ aus irgendwelchem Laborgebastel, Ersatzlebensmittel in hoch verarbeiteter Form. Je weiter man ein Lebensmittel „umformt“, desto mehr degeneriert es zum bloßen Nahrungsmittel. Solche Ersatzfüllstoffe haben nach meiner Überzeugung keine Daseinsberechtigung auf dem Teller. Wer vegetarisch oder vegan ißt und seine Lebensmittel frisch aus den Grundprodukten Obst, Gemüse, Getreide, Öl zubereitet, der lebt gesünder als wer sich mit Konvenienzprodukten ernährt, ganz egal ob er es lieber mit oder ohne Fleisch mag. Wen es nach Hähnchenschenkeln gelüstet, der möge sich welche braten: aber bitte aus Freilandhaltung. Wer braucht wirklich vegane Pfälzer Leberwurst? Warum muß aus solch leckeren Zutaten wie Sojabohnen und Kidneybohnen ein Kunstprodukt geschaffen werden, das unsere vielfältige Leberwursttradition verhöhnt?

Eine sehr gesunde Ernährungsregel ist deshalb: alle Lebensmittel so naturbelassen wie möglich einkaufen und frisch zubereiten. Je mehr Zusatzstoffe, je höher der Verarbeitungsgrad eines Lebensmittels ist, desto mehr Unverträglichkeiten drohen uns.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat hierzu eine wissenschaftlich untermauerte Position zur veganen Ernährung veröffentlicht und kommt zu dem Schluß, daß bei einer rein pflanzlicher Ernährung die Versorgung mit einigen Nährstoffen nicht oder nur schwer möglich ist, vor allem Vitamin B12, Protein, unentbehrliche Aminosäuren und langkettige n-3 Fettsäuren  und weitere Vitamine und Mineralstoffe. Die DGE rät deshalb von veganer Ernährung für Schwangere, Stillende, Säuglinge, Kinder und Jugendliche ab. Hier finden Sie die wichtigsten Fragen und Antworten. Die Fachgesellschaft empfiehlt vollwertige Mischkost-Ernährung mit wenig tierischen Lebensmitteln. Eine vegetarische Ernährung mit Michprodukten und Ei sei als Dauerernährung ebenfalls geeignet.

Wichtig ist der ökologisch sinnvolle Umgang mit Lebensmitteln: Massenprodukte vermeiden, auf natürliche Lebensweise tierischer und pflanzlicher Lebensmittel achten, ausgewogenes Verhältnis pflanzliche / tierische Produkte.

Weideland ist für unser Ökosystem enorm wichtig: wird aus Weideland Ackerland, so fehlen wichtige Flächen für unzählige Lebewesen: auf und unter einem Apfelbaum auf einer Streuobstwiese leben 300 Tierarten, die nicht darunter leiden, wenn Kühe dort grasen. Wo über lange Zeit Nahrungspflanzen angebaut werden, wird Boden degradiert bis hin zur Desertifikation (Wüste), besonders bei konventionellem Anbau mit Herbiziden und Pflanzenschutzmitteln. Immer öfter sieht man im Odenwald Weiden mit robusten alten Rindersorgen wie die zotteligen rotbraunen Highlands, mit richtigen Hörnern. Auch die Freilandschweinehaltung findet allmählich wieder Einzug in unsere Kulturlandschaft. Ganzjahres-Freilandhaltung mit robusten regionalen Rassen ist tiergerecht und ökologisch nachhaltig.

Keine Sorge: die Tiere erfrieren im Winter nicht draußen! Ihre Wohlfühltemparatur liegt im einstelligen Plusgradbereich, sie haben ein sehr gutes Regulationsvermögen für ihre Körpertemperatur. Schweine, die im Freiland leben - mit einem mobilen Schutz vor Sonne & Regen - fressen Grünfutter  und Getreide, haben ein gutes Sozialverhalten mit viel Bewegungsfreiheit, und riechen nicht unangenehm. Sie sind gesünder und robuster und liefern so auch eine bessere Fleischqualität, denn sie dürfen sich mehr Zeit lassen für ihr Wachstum.

Wer sich für die Freilandhaltung von Schweinen interessiert: Infos gibt es bei Alexander Kern aus Modautal, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Bei Rindern, Schafen oder Pferden sind bei ganzjähriger Weidehaltung weitere Voraussetzungen wichtig: Trittschäden und Zerstörung der Grasnarbe muß vermieden werden, sie brauchen eine sichere Wasserversorgung und Witterungsschutz gegen Wind und Nässe mit weichem, trockenem Liegeplatz. Meist muß Rauhfutter zugefüttert werden, und sie brauchen tägliche Kontrolle, da hartnäckige Krankheiten entstehen, wenn die Hufe ständig im Nassen stehen. Wer jetzt Lust hat, sich noch weiter darüber zu ärgern, daß wir mit jeder Heidelbeere die wir im Wald pflücken und genießen, einem Tier Hunger bescheren, der kann sich auf dieser Seite weiter vergnügen: www.urgeschmack.de/verursachen-vegetarier-mehr-blutvergiessen-als-fleischesser.

Derweil werde ich mir jetzt ein deftiges Schwartemagenbrot machen. Mit Gürkchen, wegen der Ausgewogenheit. So ist das Leben, ein Kreislauf aus Fressen und gefressen werden, und mir ist es recht, solange ich nicht die Wurst sein muß. M. Hiller, im Januar 2017