Es stand im Durchblick im Jahr 1997:

In Bensheim am Marktplatz arbeitete bis vor wenigen Jahren der letzte Schirmmacher Hessens. Als Adolf Schröck sich zur Ruhe setzte, wurde Hessen wieder um einen anspruchsvollen handwerklichen Beruf ärmer.

Eigentlich hat der Schirmmacher drei Lehren absolviert: Schneider, Schreiner und Feinmechaniker. Die Lehre, die Adolf Schröck 1950 beim Großvater begann, dauerte daher ein Jahr länger als üblich: vier Jahre. Anschließend ging der Geselle auf die Walz, er lernte und arbeitete in Dieburg, Heppenheim und schließlich in der Schweiz in Freiburg. Seitdem hat er unzählige Stockschirme, Damenschirme, Taschenschirme, Trachtenschirme, Sonnenschirme und Wanderstöcke hergestellt. Einen Nachfolger für sein Handwerk fand er nicht, und die Fortführung der handwerklichen Schirmherstellung wurde aufgrund von Nachschubproblemen der Einzelbauteile immer schwieriger.

So schloß bereits ein Jahr vor dem Bensheimer Schröck der letzte bayrische Schirmmacher Diepolder in Sonthofen seine Werkstatt. Nach fünf Schirmmacher-Generationen bekam auch er keine Einzelbestandteile mehr. Besonders die Metallgabeln, die der Aufnahme der Speichen dienen, werden nicht mehr hergestellt und müßten im Auftrag als Sonderanfertigung gebaut werden. Das aber wäre viel zu teuer.

Adolf Schröck hat zwar noch zahlreiche alte Konservendosen voller Schräubchen, Käppchen, Nieten, Gabeln und sonstiger Ersatzteile, aber die deutschen Webereien haben ebenfalls nach und nach ihre Tätigkeit eingestellt und so ist es heute schwierig, die passenden Stoffe zum Bespannen zu bekommen. Bei ausländischen Webereien müßten große Mengen abgenommen werden, und dann würden plötzlich alle mit dem gleichen Schirm herumlaufen - das geht natürlich nicht. So schrumpfte die Musterauswahl zusammen.

Konfektionsschirme zu reparieren ist auch nicht gerade einfach: es gibt soviele verschiedene Modelle mit über hundert verschiedenen Sorten Bauteilen, die alle vorrätig sein müßten bzw. ebenfalls nur in großen Mengen bezogen werden könnten. Und ein fehlendes Bauteil selbst anzufertigen - das würde selbst bei sehr moderatem Meisterlohn oft teurer als ein neuer Schirm.

Das persönliche Hobby von Adolf Schröck ist das Anfertigen von Stöcken. So lehnt in einer Ecke der kleinen Werkstatt ein Schäferstock: ein gleichmäßig gedrehtes Stück Schößling, dessen oberes Ende Schröck zwei Tage gekocht hat, um es zu einer Rundung zu biegen. Mit diesem Haken holen üblicherweise die Schäfer ihre Schafe bei, sozusagen als Armverlöängerung. Am unteren Ende des Schäferstockes hat Herr Schröck eine kleine Schippe angebracht, die zum Werfen von Erdklumpen dient. Zahlreiche weitere Stöcke aus Eberesche oder aus unzerbrechlichem Rohr warten in der Werkstatt auf Abnehmer - der Schäferstock dagegen ist wohl unverkäuflich, von ihm trennt sich der ehemalige Schirmmacher nicht.

Griffknäufe aus Horn oder aus einem ganzen Abwurfgeweih, alles auf Spaziergängen im Wald zusammengetragen, zieren die Stöcke. Den Schäferstock-Rohling fand Adolf Schröck übrigens in der Nähe des Ohlyturmes auf dem Felsberg.

Nun, da die Werkstatt ihre Türen schloß, wird Herr Schröck nicht ganz untätig werden: seit etwa zehn Jahren betreibt seine Frau in der früheren, ehemaligen Werkstatt über dem Schaufenster ein kleines Gaststübchen, das - wie könnte es anders sein - "Zum Parapluie" heißt. Das Innenfachwerk wurde teils von Putz freigelegt und verglast, und in der Fensterecke hängt ein handgearbeiteteter (!) Regenschirm aus Kupfer. Das Prachtstück wiegt 40 Kilogramm, und die Schröcks mußten lange suchen, bis sie im Gastraum einen Balken fanden, der dieses Gewicht trägt. Der Wagnerfan Schröck, der bei "Alt-Bensem", einer Unterabteilung der Bürgerwehr "Joseph Stoll" in Bensheim, in historischer Uniform bei Umzügen, Trachtenfesten und historischen Märkten mitwirkt, zapft natürlich ein Kulmbacher Bier - wegen der Nähe zum Wagner-Schauplatz Bayreuth. So konnten wir uns seine Geschichte bei einem gut gezapften kühlen Mönchshof Pils (dunkel!) anhören und niederschreiben.

Marieta Hiller

Schirmmachermeister Hans-Adolf Schröck wrude im Juni 1936 geboren und verstarb am 8. Februar 2017.