Kultur ist ein teurer Spaß, das haben in den zwei Coronajahren viele Künstler und Veranstalter festgestellt. Langfristige Planung: Fehlanzeige. Ständig ändern sich die Coronabestimmungen, ständig muß umgeplant oder abgesagt werden. Kartenvorverkauf: sinnlos, wie oft mußte alles aufwändig rückabgewickelt werden. Vorfreude: wozu, wenn das ersehnte Konzert / die Ausstellung / Lesung / Tag der offenen Tür o.ä. doch wieder abgesagt werden muß?

In meiner Zeit als Wirtin der Dorfschänke in Lautern (1986-1998) organisierte ich zahlreiche Konzerte. Walter Koepff, rasender Reporter aus Reichenbach, war fast immer dabei. Er hat mir dankenswerterweise eine Übersicht aller Auftritte in der Dorfschänke zusammengestellt, Sie finden sie unten. Die meisten Künstler leben von ihren Auftritten, daher war es für mich klar, daß auch die Gage stimmen mußte. Nach dem ersten Konzert auf Spendenbasis - wir ließen einen Hut rumgehen - stellte ich deshalb sofort auf feste Eintrittspreise um. Da die Dorfschänke nur maximal 60 Gäste aufnehmen konnte, und der Eintrittspreis nicht bis zur Schmerzgrenze gehen durfte, blieb nach Abzug der GEMA meist wenig genug. Aber es entstanden viele gute Freundschaften, denn mit den meisten Auftretenden verband uns - die Kneipenmeute - auch weltanschaulich vieles. Frieden war eins der wichtigsten Themen für uns und unsere Gäste, und für die Musiker sowieso.

Das Ende vom Lied war meist, daß ich aus dem Abendumsatz noch einen gehörigen Batzen auf die Eintrittseinnahmen drauflegen mußte, was ich aber immer gerne tat. Das Kneipenteam arbeitete komplett ohne Bezahlung dafür, und ich fand immer mehr als genug Helfer. Die meisten Gäste gaben gern noch etwas dazu auf die Eintrittskosten obendrauf. Es gab aber auch Gäste, die sich zu zweit ein Glas Wasser teilten - den ganzen Abend, weil der Eintritt so teuer war (damals 6-10 DM pro Person).

Auch der Odenwälder Kleinkunst DoGuggschde e.V., zu dessen Gründungsmitgliedern ich mich zählen darf, veranstaltete einige Konzerte. Und das kam so: als Wirtin der Dorfschänke war beim Bewerbungsgespräch ganz klar vom "Hallenausschuß" (Mitglieder aller Lauterner Vereine, die die Festhalle damals führten und betreuten) der Wunsch geäußert worden, daß ich auch Veranstaltungen in der großen Halle machen darf und soll. Also lud ich größere Bands ein und machte weiträumig Werbung für die Konzerte. Diese waren wundervoll - aber finanziell wie die Kneipenkonzerte ein Draufleg-Geschäft. Doch was die Geschichte zum Kippen brachte, war ein Schreiben von der Kreisverwaltung: da die Festhalle mit Fördermitteln ausgerüstet worden war, durfte sie ausschließlich von Vereinen für kommerzielle Veranstaltungen genutzt werden. Nun waren ja meine Konzerte nicht wirklich kommerziell, aber ich war halt kein Verein. Deshalb gründeten wir kurzerhand den Kleinkunstverein, und ab da funktionierte es verwaltungstechnisch, aber leider nicht in finanzieller Hinsicht.

Ein oft gesehener Gast bei den Dorfschänke-Konzerten war der Reichenbacher Rudi Roth. Er übernahm es später, mit "Folk in de Werdschafd" eine erfolgreiche Konzertreihe zu begründen. Im historischen Saal des Gasthauses Zum Raupenstein in Winterkasten entwickelten sich diese Konzerte mit Bands aus der Region zum Geheimtipp. Von Anfang an mit festen Eintrittspreisen organisiert, konnten so endlich reelle Gagen an die Künstler gezahlt werden.

Viele Vereine bereichern mit ihren Aktivitäten das kulturelle Programm, aber oft werden ihnen Steine in den Weg gelegt:

  • Räumlichkeiten sind schwierig zu finden. Für öffentliche Hallen gibt es umständliche Nutzungsauflagen und inzwischen auch sehr hohe Gebühren. In Gastronomieräumen können Vereine das Kulturprogramm nicht durch die Bewirtungseinnahmen finanzieren.
  • Reelle Arbeit verdient reelle Bezahlung: das gilt auch für Künstler. Nur über die Eintrittskasse ist dies nicht zu erreichen. Das geht nur über Querfinanzierung durch Getränkeverkauf und Speisenabgabe.
  • Kulturförderung gibt es zwar, doch wird diese oftmals nur gewährt, wenn die Veranstaltung kein kommerzielles Programm anbietet. Das bedeutet im Klartext: die Gäste dürfen kommen und Musik hören, aber es gibt nichts zu essen und zu trinken. Logisch: wer würde sich das einen ganzen Abend antun? So läßt sich zudem nicht die reelle Bezahlung der Künstler erzielen.

Kultur ist deshalb nach wie vor eine Herzensangelegenheit: reich werden kann man damit nicht - weder als Künstler, noch als Veranstalter. Trotzdem ist Kultur kostbar: was wäre unsere gesellschaftliche Landschaft ohne Musikkonzerte, ohne Ausstellungen, ohne Lesungen?

Marieta Hiller, im April 2022

Die Konzerte in der Dorfschänke (erstellt von Walter Koepff im Dezember 1996):

Phil Shakleton: 16.12.87/ 8.88/ 5.89/ 8.90/ 4.91/ 9.91/ 9.92/ 11.95/ 07.96
Ulli Bögershausen u. Mohammad Tahmassebi (Dombac-Duo): 2.88 (Siehe 1.12.88)
Hamish Imlach (& Muriel Graves): 4.89/ 4.90/ 6.91/ 9.93/ 4.95/+++
Cool School: 12.88/ 12.90/ 12.92/
Roger Sutcliffe: 12.88/ 12.90/ 12.92/ 4.95/ 12.96/
2cl: 1.89/ 5.89/ 3.92/
Gerry Spooner & Volker Wilmking: 3.89/ 11.89/ 9.90/ 10.91/ 5.92/ (Gerry: 12.94)/ 11.95/ 10.96/
Steve Baker & Detlef Reimers: 3.89/
Starfucker: 4.89/
Cindy Peres: 10.89/ 01.90/ 10.90/
Camelot: 2.90/ 2.91/
Gary Mazaroppi (Worms): 2.90/ 3.91/ 9.91/ 2.95/
Laurel & Laurel: 5.90/ 1.91/ 11.91/ 10.93/ 4.96/ 11.96/
OR-Dixi-Stompers: 9.90/
The Bandits: 2.91/
Rod Sinclair: 4.91/
Jack Lion: 5.91/
Steve Baker & Abi Wallenstein: 6.91/
M.U.F.: 9.91/ 1.92
Flat Foot Indians: 2.92/
Horny Little Devils: 3.92/ 4.93/ 12.93/ 3.94/
Whippersnapper: 12.92/
Lorna Dooley & Rolf Bachmann: 1.93/ 10.93/ 4.94/ (8.94)/ 12.94/
Fat Men Blue: 3.93/ 1.94/
Silk - Wild Silk: ?/ 11.93/ 2.94/ 1.95/
Steady Rollin' Band - Blue Note: 12.93/ 3.94/ 2.96
Stimmband: 11.94/
Wolpertinger: ?/ 2.94/
Heinz Balzer & Altrheinpower: 4.94/
Abra Duo: 5.94/
Kristallträume: 8.94/
Bleibende Schäden: 1.95/
Rock'n Roll Doctors: 3.95/ 12.95 / 12.96/
Taurus: 5.95/
Living In Red Socks: 1.96/ 3.96