Der Förderverein Odenwälder Apfel e.V. ist aus der Hessischen Apfelwein und Obstwiesenroute Odenwald hervorgegangen und setzt sich für den Erhalt von Streuobstbeständen ein. Im September plant der Verein eine große Veranstaltung: den »Odenwälder Apfelherbst« vom 10. September bis 22. Oktober 2017. Einer der Gründe ist der starke Rückgang der Obstbaumbestände im Odenwald: in den letzten 70 Jahren um 75%!

Im Jahr 1879/80 kamen im damaligen Kreis Erbach auf 10.000 Einwohner 414.000 Obstbäume. Der größte Teil waren Zwetschgenbäume (170.000 Bäume), da man im Winter einen guten Teil des Vitaminbedarfes durch Dörrzwetschgen deckte. In jedem Dorf gab es eine Trockeneinrichtung, und die „Hutzelfrauen“ zogen mit ihrer Kiepe voller Dörrobst über die Dörfer und in die Städte.

An zweiter Stelle kamen mit 140.000 Bäumen der Apfel, es folgten 65.000 Birnbäume. Birnen brauchte man zum Süßen, niemand kam auf die Idee Zucker zu kaufen. Deshalb stand an jedem Haus ein Birnbaum. Weiter gab es 1879 19.000 Kirschbäume und 17000 Nußbäume. Der Winter 1879/80 jedoch vernichtete mit minus 40 Grad rund 106.000 Bäume. Da die Bevölkerung damals auf die eigene Obstproduktion angewiesen war, wurden umfangreiche Nachpflanzungen organisiert, im Landratsamt Erbach waren zu dieser Zeit 15 Mitarbeiter nur für die Ernährung der Bevölkerung zuständig.

Das obere Gersprenztal war das größte Erdbeeranbaugebiet Hessens, wodurch die Eisenbahn nach Darmstadt rentabel arbeiten konnte, denn das „Odenwälder Lieschen mußte die empfindlichen Früchte täglich fahren. Pro Kopf konnte man also vor 150 Jahren über 40 Obstbäume rechnen! Wer schon einmal bei der Apfelernte geholfen hat, weiß welche Plackerei das ist. Und welche Mengen an Obst mußten in jedem Herbst nicht nur geerntet, sondern auch haltbar gemacht werden: Obstsaft und Kompott wurde eingemacht, Früchte gedörrt oder in der Speisekammer auf Farnblättern gelagert - diese verhinderten Schimmelbefall und Fäulnis. Natürlich gab es auch Obstwein und Schnaps. Ohne Tiefkühltruhe mußte alles bis zum Frühjahr halten.

Ein guter Teil wurde an die Städter verkauft, die allenfalls einen kleinen Gemüsegarten und höchstens einen Obstbaum ihr eigen nennen konnten. Die Hausfrau auf dem Land hatte mit der Obstkonservierung im Herbst 18 Stunden am Tag zu tun, während bei der Ernte die ganze Familie half.

(Infos: Hans Helmut Börner, Reichelsheim, Text: Marieta Hiller) Weitere Infos zu den Odenwälder Streuobstwiesen: www.odenwaelder-apfel.de

 

Dazu passend: Der höchste Apfelbaum