An dieser Stelle lesen Sie jeden Monat, wie wohl es sich in der "sozialen Hängematte" sein läßt...

Oktober 2022: Seit 2015 die Geflüchteten aus Syrien, später aus Irak und Eritrea, kamen, habe ich tagtäglich konkret vor Augen, wie schwer es ist, in Deutschland sein Auskommen zu finden. Mit der Problematik Hartz 4 (jetzt Bürgergeld), Wohnungsnot und Mindestlohn habe ich seither sehr viel ehrenamtliche Arbeit. In dieser Rubrik stelle ich sie vor, und bin mir dabei bewußt, daß dies nicht nur Geflüchtete betrifft sondern auch einen ordentlichen Anteil der Einheimischen. Nur machen diese nicht von sich reden. Ich möchte in dieser Rubrik jeden Monat informieren, damit stärker ins Bewußtsein rückt, wie schwer das Leben in Deutschland sein kann. Die Namen sind natürlich geändert.

Wer will, der findet auch Arbeit!
Klar, aber wer sich beispielsweise auf einen Job bei einem Paketdienst einläßt, weil er überall anders abgewiesen wird, der wird schnell spüren, wie rauh der Wind auf der untersten Stufe weht. Mindestlohn: ja, schon. Für 40 Wochenstunden, auch klar. Ahmed M. steht morgens um 5 Uhr auf, wenn die Kinder noch schlafen. Er fährt zum Verteilzentrum, läd das Tagespensum an Paketen in seinen Transporter und fährt los. Nirgends findet er einen Parkplatz, wo er seine Lieferung nicht loswird, muß er warten. Nie darf er sein freundliches Lächeln ablegen. Bis er alles ausgeliefert und sein Fahrzeug für den nächsten Tag vorbereitet hat, wird es Abend. Um 19.30 Uhr kommt Ahmed nach Hause, die Kinder sind da schon im Bett. Seine Frau hat sich um alles gekümmert: Kindergarten, Arztbesuche, Behördengänge, Einkäufe. Alles mit dem Bus oder zu Fuß.
Natürlich bekommt Ahmed M. Mindestlohn für die vertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit von 40 Stunden. Aber er kann das Pensum in dieser Zeit nicht erledigen. Das wissen alle, die schon einmal als Paketzusteller gearbeitet haben, das wissen auch Arbeitgeber und kalkulieren es bewußt ein: "Vertrauensarbeitszeit" nennt sich das euphemistisch. Vor drei Jahren erging dazu das Urteil des EuGH, umgesetzt wurde es bislang nicht: Firmen sind verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter systematisch zu erfassen.
Die Folge wäre allerdings, daß Paketzustellgebühren teurer werden, weil die  Arbeit endlich gerecht entlohnt werden müßte. Gern können die Sprücheklopfer ("soziale Hängematte") mal selbst ausprobieren, wie es sich in dieser Situation so lebt in Deutschland.

Marieta Hiller, 24. September 2022