Würden wir wie einst Dr. Livingstone in Afrika eine Forschungsreise in den europäischen Wald vor 200 Jahren unternehmen, würden wir seltsame Leute antreffen: Köhler, Harzer, Pichler, Räuber, Gerber, Kräuterweiblein, Bergleute, Schweinehirten, Zapfenbrecher, Knusperhexen...

Heute denkt man als erstes an Förster, Jäger und Waldarbeiter, die mit schwerem Räumgerät Bäume zu Brennholz machen. Ein Förster aber war es, der den Begriff Nachhaltigkeit geprägt hat: Hans Carl von Carlowitz hat das Wort 1713 in seinem „Silvicultura oeconomica“ erstmals benutzt.
Gemeint ist, daß in einem Wald keinesfalls mehr Holz eingeschlagen wird, als in der gleichen Zeit nachwächst. Buchen können 400 Jahre alt werden, aber meist werden sie mit 90-120 Jahren gefällt und für Möbel oder Bauholz verwendet. Deshalb ist ein sterbender Baum etwas ungeheuer Kostbares in unseren modernen Wäldern: er schafft Raum für unglaublich viele Lebewesen: die Totholzbewohner und Höhlenbewohner.

Alte Buche, die gefällt werden soll

 

Nur wenn in einem Wald alle Altersstufen der Bäume vorkommen, gibt es auch alle Lebewesen,
die für einen gesunden Wald nötig sind. Auf einer frisch gefällten Lichtung leben andere
als in jungen Bäumen, unter mächtigen Buchen andere als auf abgestorbenen Baumstümpfen

Wenn ein Baum stirbt...

Durch Holzzersetzung entsteht wertvoller Humus - Pilze haben einen wichtigen Anteil daran. Viele Jahrzehnte grünt und gedeiht ein Baum, manche sogar mehrere Jahrhunderte lang. Jahr für Jahr trägt er bei zu Luftreinigung und Bodenpflege. Doch eines Tages ist es soweit: die Zeit des Niedergangs ist da.

Zunächst zeigt sich das darun, daß der Baum Parasiten nicht mehr trotzen kann, seine Abwehrkräfte werden schwächer. Schließlich stirbt der Baum. Doch damit ist sein Leben im Kreislauf der Natur zicht zuende: ob Blatt, Rinde oder Holz - jeder Bestandtei hat auch jetzt noch seine wichtige Aufgabe.

Erst bevölkern Kerbtiere und Ameisen den toten Baum und transportieren alle verwertbaren Bestandteile zu ihren Behausungen. Die Krone wird immer lichter, verliert einen Ast nach dem anderen. So wird es für Wind und Wetter immer leichter, in den schutzlos nach oben offenen Stamm einzudringen und von innen nützliche Stoffe auszuschwemmen. Große Baumpilze siedeln sich an und ziehen Nährstoffe aus dem Zellgewebe des Baumes.

Das Holz wird brüchiger, es verliert seinen Zusammenhalt. War der Stamm einst so elastisch daß er sich in den heftigsten Stürmen bog, um der Windkraft wenig Angriffsfläche zu bieten, so bröselt nun das haltlose Holz immer stärker als Holzmehl zu Boden. Alle Vitalstoffe sind jetzt aus der kraftlosen Baumleiche verschwunden, übrig bleibt nur das "Schwerverdauliche": Lignin und Zellulose.

Was wir als Zellstoff und "Kunst"-Stoff für Spritzgießverfahren verarbeiten, das liegt nun der Natur schwer im Magen. Nur einige Pilze sind in der Lage diese Stoffe weiter aufzuspalten und ihre Grundsubstanzen wieder dem Kreislauf der Elemente zuzuführen.

Der Eichenwirrling etwa zersetzt Zellulose; übrig bleibt Lignin, das als Spreu zur Bodenverbesserung beiträgt. Lignin besteht aus humusbildenden Mineralien und Nährstoffen. Im Erdboden, aber auch im Magen-Darm-Trakt von Tieren die von Holz leben, kommen weitere mikroskopisch kleine Pilze vor.

So vollenden Pilze den Kreis des Lebens: die grünen Pflanzen produzieren aus den Grundelementen im Erdboden wichtige Nährstoffe und Sauerstoff für Mensch und Tier, dabei nehmen sie deren Abfallprodukt Kohlendioxid auf. Die Überreste der Tierwelt wiederum werden von Pilzen und Kleinstlebewesen zersetzt, die ihrerseits als Nahrung dienen. Pilze sind zwar parasitär, das heißt sie brauchen einen Wirt zum Leben weil sie selbst kein Chlorophyll enthalten um aus Sonnenlicht und Sauerstoff eigene Nahrung zu produzieren. Doch sind sie es letztlich, die den "Restmüll" des Waldes wieder in Elemente zerlegen, die Grünpflanzen aufnehmen können.

  • Wir profitieren von Totholz:

200 Blütenpflanzen 280 Flechten 160 Algen 90 Moose 15 Farne
3.300 Pilze 1.500 Käfer 1.300 Schmetterlinge
2300 weitere Insekten 560 Spinnentiere 380 Würmer 26 Asseln
12 Amphibien & Reptilien 70 Schnecken 70 Vögel und 27 Säugetiere

  • In einer Handvoll guten Humusboden

gibt es viel mehr Lebewesen als Menschen (7,44 Milliarden) auf der Erde. Das Trockengewicht dieser Bakterien, Pilze, Einzeller, Würmer, Spinnen und Insekten beträgt 5 Tonnen pro Hektar. Zum Vergleich: das vielzitierte Fußballfeld hat 68x105 Meter und somit 0,714 Hektar. Humus und Terra preta

  • In einem Stück Waldboden von nur einem 1 Quadratmeter mit 30 cm Tiefe sind all die Lebewesen hier enthalten:

80 Regenwürmer = 40 g
200 Käferlarven u. a. Larven = 2,5g
50 Asseln = 0,5g + 50 Spinnen = 0,2g
50 Schnecken = 10g
10.000 Borstenwürmer = 2 g
50.000 Springschwänze = 0,6g
100.000 Milben = 2g
1 Mio Fadenwürmer = 1g
25.000 Rädertiere = 0,01g
7,5 Billionen Mikroorganismen* = 200g

Die Kreuzspinne liebt den Wald - vor allem wenn er unordentlich ist!

ein uralter Hutebaum; er zeugt noch immer sichtbar und lebendig von früherer Waldnutzung. In Hutewäldern wurden die Bäume so weit auseinander gesetzt, daß sie gewaltige Kronen mit großen Mengen an Früchten entwickelten. Für die Schweine, die in diesen Wald getrieben wurden, waren die Bucheckern und Eicheln dieser Mastbäume Leckerbissen, sie konnten sich eine dicke Speckschicht anfressen

Hackwald ist eine alte Form der Waldbewirtschaftung.

Bei dieser Reutbergwirtschaft (Reute = Rodung), auch Hauberg- oder Birkbergwirtschaft genannt, wird Brennholz und Stangenholz aus dem Wald geholt, ohne daß der Baum also solcher abgeholzt wird. Meist wurden als Zwischennutzung Getreide- und Hackfrüchte angebaut (Hackfrüchte heißen so, weil man die Erde immer wieder aufhacken muß, da sie kein aufkommendes Unkraut vertragen. Nicht weil sie auf Hackwaldgelände wachsen oder besonders gut zu Hackbraten schmecken). Man rodete in diesem Fall die Wälder alle 10-30 Jahre mit Feuer, nutzte sie für ca. drei Jahre für Ackerbau und ließ Stockausschlag von Baumschößlingen zu. So kam allmählich wieder ein Wald auf.

 

Die Ziege ist die Kuh des armen Mannes: Ziegen konnte man überall sattbekommen, sie sind genügsam und finden überall etwas. Typischer Ziegenwaldbestand am Edersee
Wald voller Eichen-Stockausschlägen; wurden die Ziegen in den Wald getrieben, war das allerdings schlecht für die Bäume : die Ziegen fraßen die Rinde von den Bäumen, diese starben ab

„Kleng!“ historisches Geräusch für einen historischen Beruf

Kleng: das bedeutet eigentlich »kling« machen und bezeichnet das Geräusch aufplatzender Samenhülsen. Dabei geht es um Nadelholzsamen. In Darmstadt gab es 400 Jahre lang Samenhandlungen, neben Nadelholzsamen wurden vor allem auch Gräser und Heilkräuter gesammelt. Diese mußten für den Handel aus ihrer Umhüllung gelöst und gereinigt werden. Dazu gab es Samendarren oder Klenganstalten.

War erst einmal die gefährliche Arbeit des Zapfensammelns hoch oben aus den Baumwipfeln erledigt - auf dem Boden lagen keine! Die waren heiß begehrt als Brennmaterial und wurden von Groß und Klein regelmäßig aufgesammelt - wurden die Zapfen erhitzt. Man breitete sie auf dem Kachelofen oder einfach in der Sonne aus, oder eben in einer professionellen Klenganstalt. Diese bestanden aus einer regelbaren Heizung unten und mehreren Stockwerken mit Darrhorden darüber. Die Zapfen kamen oben in die Horden und wanderten in immer tiefere wärmere Horden und Trommeln, bis alle Samen aus dem Zapfen gesprungen waren.War die Feuchtigkeit verschwunden, konnten die Samen in einer Walze mit rotierenden Bürsten entflügelt und in Windfegen mit unterschiedlichen Drahtsieben von Verunreinigungen getrennt werden.

Ende des 18. Jahrhunderts gab es in Darmstadt bzw. Griesheim mehrere Klenganstalten, die alle von den Nadelbaumbeständen auf den ehemaligen Sanddünen im Ried profitierten. Einmal allerdings sollen dem Volksmund nach versehentlich statt Fichten Kiefern aufgeforstet worden sein, so daß das Ried nun weitgehend aus Kiefernwäldern besteht. Natürlich schadeten auch neue Aufforstungsmethoden mit Baumschulen die Auftragslage der Klenganstalten. Um 1930 übernahmen Karl und Kurt Eisele vier Firmen, bestehen blieben die Firmen Nungesser bis 1988 und Appel bis 2003.

Marieta Hiller, Februar 2017 

Urwald: kaum ein Wald in Deutschland ist noch unberührt.
Selbst in Hessen, mit 41,7% Waldanteil das zweitwaldigste Bundesland, nicht. Deshalb wurde im Kellerwald südlich des Edersees ein neuer Urwald geschaffen:
auf dem 68 km langen Urwaldsteig wurde ein 800 Meter langes Waldstück komplett der Natur übergeben. Hier soll Wildnis entstehen, ungestörte natürliche Waldentwicklung sichtbar werden.
So wird man in einiger Zeit wieder einen Eindruck davon bekommen können, wie ein Urwald wirklich aussieht.

Offenlandschaften wie Wacholderheiden oder Triescher entstehen durch Schafbeweidung.
Junge Triebe von Bäumen werden von den Schafen niedergehalten. 700 Schafe weiden pro Tag 1 Hektar Fläche ab.

Die Arbeit des Zapfensammelns war sehr gefährlich...

Was hilft dem kranken Wald: Stillegung als »Kernfläche Naturschutz« oder naturnahe Nutzung?

Innerhalb von vier Wochen verloren die Fichten dieser Monokultur ihre Borke und sind so zum Sterben verurteilt.
Der Borkenkäfer hatte aufgrund der Trockenheit 2018 und anderer Veränderungen im Klima leichtes Spiel.

Borkenkäfern auf der Spur

"Natürlicher" Mischwald, der nicht als Naturwald angelegt wurde:
auf einer durch Borkenkäfer entstandenen Lichtung kamen verschiedene Baumarten hoch.
Im Lauf der Jahre wird sich dieses Bild noch mehrmals ändern,
wenn die einzelnen Arten entsprechend ihrem jeweiligen Licht- und Nahrungsbedarf weiterwachsen

Die Entwicklungsstadien eines Waldes zeigt Dirk Ruis Eckhardt. Je gemischter ein Wald an Arten und Altersstufen ist, desto robuster ist er.
Der Förster unterstützt im besten Fall natürliche Vorlieben der Bäume. Wie alt ist wohl die dicke Buche oben (mit der Markierung gelbe 6)?

 

Werner Kluge (Forstamt Lampertheim) erläutert die stillgelegten Bereiche der Kernfläche Naturschutz.
Diese Flächen werden sich selbst überlassen. Urwald wird es aber nie wieder werden.

 
 
November: die Natur geht in Winterschlaf, das Wetter sorgt gern für Trübsal, der Mensch bekommt das Bedürfnis, sich über Metaphysisches Gedanken zu machen. Hier eine kleine Anregung zum Nachdenken: das älteste Wasser der Welt ist zwei Milliarden Jahre alt und wurde in sehr tiefen Minen in Kanada und Südafrika gefunden. Es ist noch nicht ganz klar ob dieses Wasser Leben enthält, jedoch weist das Vorkommen schwefelhaltiger Salze auf Mikroben hin. Der Anstich dieser fossilen Wasserschicht erlaubt einen demütigen Blick in die Frühzeit des Lebens auf der Welt. Wasser ist Leben, auch wenn es uralt ist. Ob auch Steine lebendig sind? Da kann ich mit einer Definition dienen: es muß Stoffwechsel geben, auch wenn eine einzige Zellteilung tausend Jahre dauert. Mir fällt die berühmte Kinderfrage ein, wie lange eine Sekunde der Ewigkeit dauert. Sie wissen schon: das Vögelchen das alle hundert Jahre den Schnabel am Glasberg wetzt...

Was hilft dem kranken Wald: Stillegung als »Kernfläche Naturschutz« oder naturnahe Nutzung?

Bei einer Försterführung zum Zustand des Waldes zeigte sich, daß die Schäden durch den Klimawandel erheblich größer sind als gedacht. Revierleiter Dirk Ruis Eckhardt und Werner Kluge vom Forstamt Lampertheim erläuterten die Schäden im Einzelnen. Auf Einladung von Hildegard Förster-Heldmann (MdL Kreis Bergstraße) und Torsten Leveringhaus (MdL Darmstadt-Dieburg) ging die Führung im Regen vom Parkplatz "Not Gottes" hinauf zum Melibokus. Hier wurde eine "Kernfläche Naturschutz" ausgewiesen, eine von über 3000 Einzelflächen im Hessischen Staatswald, die seit 2014 stillgelegt wurden, also aus der Nutzung herausgenommen.

Förster Ruis Eckhardt sind die Stillegungsflächen eigentlich nicht recht, denn "wir brauchen das Holz". Zwar bekommen Waldeigner für stillgelegte Flächen eine Kompensationszahlung aus den sogenannten Ökopunkten, jedoch ist die Bewirtschaftung die grundlegende Zielsetzung der Eigner, sei es privat oder kommunal. Nachhaltige Nutzung und Pflege ist für den Revierleiter daher der richtige Weg. Aufgrund der durch die Borkenkäferplage stark gefallenen Holzpreise verliert die Bewirtschaftung - auch die von Ruis Eckhardt bevorzugte naturnahe Bewirtschaftung - immer mehr an Attraktivität. "Woher nehmen wir dann aber das Material für Möbel und Hausbau? Wir können nicht alles aus Metall herstellen - Holz ist im Gegensatz zu Metall ein nachwachsender Rohstoff", meint er. Grundsätzlich müsse ein Gleichgewicht zwischen ideeller und kommerzieller Betrachtung gefunden werden. Jedoch ist naturnahe Nutzung weniger lukrativ als Intensivnutzung (viel Holzverkauf) oder Stillegung (Kompensation). Für den Wald wäre es jedoch der beste Weg. Durch das Anpflanzen von Baumarten, die besser mit dem Klimawandel zurechtkommen, könnte die Vielfalt zugunsten der gesamten Wald-Ökologie als Mehr-Generationen-Gesellschaft gestützt werden, jedoch haben "fremde" Baumarten wenig Chancen: das Wild warte nur darauf, mal etwas anderes zu fressen. Daher gehört für Ruis Eckhardt zwangsläufig eine Lockerung der restriktiven Jagdbestimmungen dazu.

Neues altes Konzept: Agroforstwirtschaft - historische Betrachtung

Bevor der Mensch seßhaft wurde und Landwirtschaft betrieb, ernährte er sich vorwiegend aus dem Wald: Beeren, Wurzeln, Pilze, Eier und hin und wieder ein Wildtier. Später gab es Hutewälder, in die die Schweine zur Eichelmast getrieben wurden. Bäume wurden zurückgeschnitten um Futter herzustellen (Schneitelbaumwirtschaft), junge Stangen wurden bei der Hackwaldwirtschaft entnommen. Streuobstwiesen wechselten sich mit Acker- und Waldflächen ab. Vielleicht zwingt der Klimawandel dazu, jetzt wieder zu einer Mischform aus Wald- und Ackerbau zurückzukehren. Verbesserte Wasser- und Nährstoffversorgung, Grundwasserschutz und höhere Bodenfruchtbarkeit sowie Schutz vor Erosion wären die Vorteile, zudem eine Verbesserung des Klimaschutzes und der Biodiversität.

 
 

In einem Wirtschaftswald werden Buchen mit 90-120 Jahren gefällt, dann sind sie wesentlich schlanker als diese hier.
Trotzdem gab es unter den beiden Forstamtspraktikanten unterschiedliche Schätzungen zum Alter: zwischen 130 und 180 Jahren.
Denn das Alter eines Baumes läßt sich nicht linear an der Dicke ablesen.
Lichtverhältnisse, Nachbarschaften, Bedingungen im Jungwuchsstadium (Wildverbiß, Schäden durch Wanderer oder Mountainbiker) wirken sich auf das Wachstum aus.

Diese Buche erlebte in ihrer Jugend mehrfache Schädigungen durch Wildverbiß oder Abknicken.
Heute trägt ihre gewaltige Krone etliche Totholzäste. An vielbewanderten Wegen müssen Bäume mit viel Totholz trotz Stillegung entfernt werden, da sie eine Gefährdung darstellen.
Allerdings können die Forstarbeiter solche Bäume inzwischen nicht mehr mit Axt und Säge fällen, denn die Krone kann jederzeit herunterstürzen.
Die Bäume vertragen keine Erschütterung mehr. Sie müssen von ferne mit Schlepper und Seilwinde umgezogen werden.

 

 Reliktwald direkt unter dem Melibokusgipfel; die Stämmchen sind 150 Jahre alt!

Marieta Hiller, im Oktober 2019

 

Wald in Lautertal und Modautal: Fakten und Infos

Im Mai läd uns der Wald jetzt mit frischem Grün ein. Der Wald ist etwas ganz Besonderes: er läßt uns zur Ruhe kommen, schafft Entspannung. Das in vielen Schattierungen schimmernde Grün, altehrwürdige Bäume, die uns schützend überdachen, das Zwitschern der Vögel in den Zweigen - all das verbinden wir mit dem Wald und mit der Ruhe.
Allerdings ist es mit der Entspannung schnell vorbei, wenn man sich beruflich mit dem Wald beschäftigt: Waldberufe aus dem Forstbereich, Holzeinschlag und Waldbesitz bringen anspruchsvolle Aufgaben mit sich.

 

 

Draußensein tut gut!

Dieser Slogan - von mir im Jahr 2000 geprägt - steht inzwischen in jedem guten Walderlebnisprogramm, das etwas auf sich hält. Wie oft bist du draußen? Hast schon ein freilebendes Tier gesehen, bist gar schon einmal auf einen Baum geklettert? 

Darf mein Kind im Wald spielen? Das Sicherheitsdenken der Helikopter-Elterngeneration hat dazu geführt, daß viele Kinder kaum Körpergefühl entwickeln. Fehlende motorische Fähigkeiten machen sich vor allem bei Stadtkindern bemerkbar, Bewegung auf unebenem Gelände fällt ihnen schwer, Käfer und Regenwürmer sind iiiiiieh!

Später einmal werden diese Kinder vielleicht mit schreibtischgestählten Muskeln geistige Klimmzüge machen...

Über die Hälfte der Eltern finden es zu gefährlich, Kinder im Wald spielen zu lassen, fast ein Fünftel aller Kinder hat noch nie ein frei lebendes Tier gesehen, die Hälfte ist noch nie auf einen Baum geklettert!  Noch bis ca. 2012 wimmelte es im Felsenmeer vor Schulklassen, heute führen Schulausflüge wohl offenbar lieber ins Knopfmuseum. Lehrkräfte und Organisatoren der Ausflüge sehen sich immer stärker auch einem Anspruchsdenken der Eltern ausgesetzt, das jedes Risiko lieber vermeiden läßt.

Während mehrerer Kinderzeltlager direkt am Waldrand konnte ich jedoch feststellen, daß die Kinder sich nicht häufiger oder schlimmer verletzten, wenn sie im Wald spielten. Spielplatz und Sportplatz waren aufgrund der großen Hitze im Juli nicht sehr beliebt, und der Wald bot Schatten und eine unglaublich reichhaltige Abenteuerlandschaft!

Eltern, die sich trotz all jender schlimmen Gefahren getrauen, ihr Kind in der Natur und im Felsenmeer toben zu lassen, können einige Sicherheitsregeln beherzigen, dann gibt es keine Probleme:

  • nur in ausgeruhtem Zustand klettern
  • besser bergauf als bergab
  • feste Schuhe
  • Handy und Gameboy in die Tasche, Hände aus den Taschen
  • Pausen machen
  • und natürlich nur wenn die Felsen trocken sind klettern

Mit den Füßen fest auf der Erde stehen, mit allen Sinnen die Natur in sich aufnehmen, sich orientieren, mit Himmelsrichtungen und Höhenangaben in der Karte Merkmale im Wald finden, wohltuende Bewegung im Freien, bei dem Kinder gar nicht merken daß sie „wandern“! Das war immer mein Ziel, wenn ich mit Kindergruppen im Felsenmeer unterwegs war.

Wir sind viel zu selten draußen, widmen viel zu wenig Zeit dem Nichtstun. Wie erholsam ist es, wenn wir nach einer ganzen Weile aus einem Tagtraum aufwachen, in dem wir nichts getan haben als dem Zwitschern der Vögel oder dem Rauschen der Blätter in den Baumkronen gelauscht haben! Alle Gedanken kommen zur Ruhe, und wir sind nur noch für diesen Augenblick da.  Verwunderlich, aber wahr: das ist der Kern von Meditation! Alles zielgerichtete Denken loslassen, die Sinne öffnen: hören, sehen, fühlen, riechen und schmecken. Dem "monkey business" ein Schnippchen schlagen und entspannen! Das ist für unser Wohlbefinden dringend notwendig, für Erwachsene und - immer stärker auch für Kinder. Den Wald als Zauberwelt begreifen, eintauchen in Märchen voller Feen, Elfen, Zwerge und Kobolde, die Welt hinter den Dingen entdecken - das kann jeder selbst erleben.

Draußensein tut gut - aber viel zuwenige tun es: Was dies für die Feinmotorik bedeutet, kann jeder beurteilen, der einen langen Schreibtischtag hinter sich hat. Zudem fehlt so die Aufnahme von Vitamin D, das aus der Sonnenbestrahlung über die Haut gebildet wird. Inzwischen rückt die Schulmedizin allmählich ab von der Lehre, daß die Sonne aufgrund des Hautkrebsrisikos unbedingt gemieden werden muß. Neueste Empfehlungen lauten dagegen, daß die Sonne nicht pauschal schädlich ist. Nur wer sich täglich für 30 Minuten im Tageslicht (draußen!) oder in der Sonne ohne Sonnenschutzmittel aufhält, reichert genügend Vitamin D an, das glücklicherweise im Sommer „angespart“ und für den langen Winter gespeichert wird.

30 Minuten spazierengehen an der frischen Luft sind außerdem ausreichend, um den gesamten Organismus fitzuhalten, Erkältungen und Verspannungen vorzubeugen. Also nix wie raus!

Spannende Buchtipps

  • der frühere Reichenbacher Apotheker Gerhard Beisinger brachte 1962 ein interessantes Buch heraus: geschützte Landschaften im Kreis Bergstraße, als Bausteine für den Naturpark Bergstraße-Odenwald und das mittlere Ried, Heppenheim 1962 (!)
  • Was macht der Maikäfer im Juni? Alltägliches und Rätselhaftes über Pflanzen und Tiere - gefragt von Klaus Richarz und Bruno P. Kremer, Kosmos Verlag ohne Jahr, ISBN 978-3-440-10758-4
  • Unser Wald muß moderner werden - eine Fabel von der schönen neuen Welt, humoristisch erzählt von Robert Griesbeck, mit Bildern von Gerhard Glück, Droemer Verlag 2008, ISBN 978-3-426-27449-1
  • Warum fallen schlafende Vögel nicht vom Baum - wunderbare Alltagsrätsel Hrsg. Mick O'Hare, Piper Verlag 2002, ISBN 978-3-492-23594-8
  • Natur - Magazin für Natur, Umwelt und besseres Leben, Heft 05/17 und Heft 05/18 - viel Wissenswertes über den Wald!
  • Wald in Hessen, Hess. Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten, Druckschrift 1999
  • Nachhaltigkeit in Hessens Wäldern, Hess. Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten, Druckschrift 2000
  • Wild campen ist verboten, in der Natur zelten kann man trotzdem - Kulturspiegel 8/2014
  • Die Entdeckung der Nachhaltigkeit: Hans Carl von Carlowitz prägte vor 300 Jahren das Prinzip der modernen Waldwirtschat, aus Natur - Magazin für Natur, Umwelt und besseres Leben, Heft 03/13
  • Bodenschutz am besten durch Wald, Deutscher Forstverein, Druckschrift 1986Lesen Sie auch: "Waldidylle oder Forstwirtschaft: Ökologie, Ökonomie und Vertrauensbildung" im Januarheft 2019 des Durchblick!

M. Hiller, April 2018


Waldwirtschaft 2013

Der Wald war auch Thema im Lautertaler Gemeindeparlament, Revierförster Dirk Dins stellte den Waldwirtschaftsplan 2013 vor. Der Lautertaler Gemeindewald besteht zu 85% aus Laubwald, vorwiegend Buchen. Manche davon sind über 150 Jahre alt. Meist jedoch werden Buchen im Alter von 90-120 Jahren geerntet. Der Waldwirtschaftsplan 2013, der einstimmig angenommen wurde, rechnet mit einem Überschuß von 15.000 Euro. Kahlstellen werden laut 10-Jahres-Plan vermehrt mit Douglasien statt Fichten aufgeforstet. Diese seien robuster und sollen den vielerorts noch reinen Buchenbestand auflockern mit schneller wachsendem Holz. Der Holzverkauf macht knapp 90% der Einnahmen von Hessen Forst auf Lautertaler Gebiet aus. Das Laub-holzgeschäft ist dabei besser aufgestellt als das Nadelholz. Auslandsimporte sorgen hier für leichte Preisrückgänge. Auch beim Brennholz liege das Preisgefüge auf einem befriedigenden Niveau. Die Gemeinde Lautertal verfügt über 414 ha Baumbe-standsfläche, die rund 15% Nadelwald bestehen derzeit noch überwiegend aus Fichten. Die starken Borkenkäferschäden der Jahre 2003-2006 sind zwischenzeitlich aufgearbeitet. Pro Jahr sind laut dem derzeitigen Entwicklungsplan, der jeweils für zehn Jahre aufgestellt wird, gut 3000 Efm (Erntefestmeter) Einschlag vorgesehen, im Lautertal sind nach 9 Jahren etwa 30.000 Efm erreicht. Umgerechnet auf einen Total-Kahlschlag läge der jährliche Einschlag bei etwa 8-10 ha. Der Markttrend in den Jahren 2010 und 2011 ließ die Nachfrage das Angebot übersteigen, die Preise für Stamm- und Industrieholz steigerten sich. Für Fichte wurden zwischen 97 und 100 Euro/Fm (Festmeter) erzielt, für Kiefer 77-80, bei Buche gab es Preissteigerungen von 6%, viel wird als Rohholz nach China exportiert. Buchen jedoch neigen in den letzten Jahren zu kürzeren Fruktifizierungsphasen, das heißt, die sogenannten Mastjahre - früher alle 5-10 Jahre - kommen inzwischen jedes 2. oder 3. Jahr vor. Da produzieren die Bäume extrem viele Früchte. Im folgenden Winter finden viele Tiere Nahrung, vermehren sich entsprechend - und verhungern im Folgejahr, da die Fülle dann ausbleibt. So sichern sich viele Baumarten ihre Existenz, indem sie ihre Freßfeinde im Rahmen halten. Streß durch Klimaveränderungen und durch Schädlinge könnte jedoch der Grund sein, daß diese Mastjahre inzwischen so oft stattfinden, daß sich die Tierpopulation beinahe auf dem hohen Stand nach einem Mastjahr dauerhaft halten kann.Ausdrücklich spricht sich Hessen Forst dafür aus, die Energieerzeugung mittels Windkraft auch durch die Bereitstellung geeigneter Gebiete zu fördern. Hessen Forst will bei der Ausgestaltung der Energiewende den Gemeinden ein verläßlicher und kooperativer Partner sein. Regionale Wertschöpfung und Bürgerbeteiligung werden besonders gutgeheißen, eine Beratung in allen Forstfragen für die Gemeinden selbstverständlich. 

M. Hiller, Dezember 2012