Termin für 2. Bürgerversammlung:

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1. Bürgerversammlung am Rückhaltebecken Reichenbach am 19.09.2021: Ergebnisse

Zu einer Bürgerversammlung am Rückhaltebecken oberhalb Reichenbachs lud die Gemeinde Lautertal im September ein. Zahlreiche Teilnehmer kamen, es gab im Anschluß an die Ausführungen von Ulrich Androsch, Geschäftsführer des Gewässerverbandes Bergstraße, so viele Fragen, daß eine weitere Bürgerversammlung zum Thema Hochwasserschutz angesetzt wird.

Seit der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal und andernorts ist man inzwischen stark sensibilisiert. Die entsprechenden Fließpfadkarten wurden Anfang August seitens des Gewässerverbandes Bergstraße gefordert, die Gemeinde Lautertal hat umgehend beantragt die Fließpfadkarten durch das HLNUG (Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie) erstellen zu lassen. Darin sind Elmshausen, Reichenbach, Lautern, Gadernheim, Raidelbach, Knoden, Schannenbach, Beedenkirchen, Staffel, Schmal-Beerbach und Wurzelbach erfaßt, auch für die Kernstadt Bensheim mit den Stadtteilen Auerbach, Hochstädten, Schönberg, Wilmshausen, Gronau und Zell wird eine solche Karte erstellt. Hochwassergefahrenkarten dagegen werden nur für größere Flüsse erstellt. Für das Ahrtal gibt es seit langem eine solche Karte, deren Kenntnis aber laut Androsch gering war: "Tolle Kartenwerke, die leider nichts geholfen haben..."

Im Kreis Bergstraße haben wir in den letzten Jahren Glück gehabt, so Androsch. Hochwasserschutz sei jedoch auch eine wirtschaftliche Angelegenheit, die Hausbesitzer angeht. Die Kanalisation ist auf 2-5jährige Ereignisse ausgelegt. Hausbesitzer müssen sich zusätzlich selbst schützen, indem sie Rückstau-Sicherungen einbauen. Lesen Sie dazu auch: Schutz vor Kellerüberflutung

Das Rückhaltebecken Reichenbach wurde 1976 mit einem Volumen von 104.000 m3 erbaut, der Damm besteht aus dem Abraum des Reichenbacher Kupferbergwerks mit entsprechender Drainage und wird permanent auf Festigkeit geprüft. Der Damm wird alle 20 Jahre einer gründlichen Sicherheitsüberprüfung des HLNUG unterzogen, der Gewässerverband mißt monatlich, zudem sichert ein Wühltierschutz zusätzlich die Festigkeit.
Der Damm hat einen Rohrdurchlaß, der den Wasserandrang auf 1m3/sec. drosselt. Bei bis zu 1,7 oder 1,8 m3/sec bleibt die Lauter noch in ihrem Bett. Zusätzlich gibt es eine Hochwasserentlastung mit einem Fassungsvermögen von 30m3/sec, damit der Damm nicht bricht. Ein zweiter Durchlass zur Entlastung des ersten Rohres ist geplant und wird bis 2023 gebaut. Bis zu 125.000 m3 kann das Becken aufnehmen, dabei mußte ein Kompromiß eingegangen werden: das anstauende Hochwasser darf auf keinen Fall bis in Höhe der Lauterner Deponie reichen, daher legte man es so an, daß dies gewährleistet ist und zugleich die höchstmögliche Sicherheit für die Häuser unterhalb besteht. Ulrich Androsch dazu: "Auf Deutsche Ingenieurskunst müssen wir uns verlassen."

Binnen zwei Stunden wäre das Becken laut Herrn Androsch bei einem Starkregenereignis wie im Ahrtal voll. Das Gebiet des Lauter-Einzugsbereiches oberhalb des Beckens umfaßt 10 km2, hierzu stellte Peter Hannewald  der Redaktion ausführliche Berechnungen zur Verfügung.

Bei einem Starkregenereignis von 50 Litern pro Stunde und Quadratmeter auf dem Einzugsgebiet der Lauter bis zum Rückhaltebecken könnten 10 Liter im Erdreich vesickern bzw. vom Kanal aufgenommen werden. 40 Liter müßten gestaut werden. Das sind 36800 m3 pro Stunde oder 6133 m3/Minute oder 102,22 m3/Sekunde, die das Rückhaltebecken aufnehmen muß.
Das Rohr kann 1,66 m3/sec abfließen lassen, es müßten also 100,56 m3 pro Sekunde angestaut werden. Bei einem Fassungsvermögen von 104.000 m3 wäre das Becken in 17 Minuten voll. Das bedeutet daß sich die Wassermenge immer weiter erhöht solange der Starkregen anhält. Vom Überlauf bis zur Dammkrone sind es 2,5m, damit würde die Dammkrone nach weiteren 17 Minuten erreicht.
Ein solches Starkregenereignis dürfte also nicht länger als 34 Minuten anhalten.

Die Erläuterungen von Herrn Androsch sowie Beiträge von Teilnehmern waren in mehrfacher Hinsicht erschreckend:

  • für das Ahrtal existieren seit Jahren Starkregengefahrenkarten, aber niemand hat damit gerechnet daß man sie benötigen würde
  • das Rückhaltebecken schützt zwar die oberen Bereiche von Reichenbach, aber im Eck (Beedenkircher Str./ Felsbachweg / Balkhäuser Str.) kann bei lokalen Starkregen schnell Land unter sein. Das Wasser schafft es nicht mehr in die Bäche, daher plant man in letzter Zeit die Straßen als Wasserabflußwege mit entsprechend höheren Bordsteinen.
  • bei Sirenenwarnung bleiben nachts die meisten im Bett; der Lautertaler Sirenenplan wird in Kürze online gestellt werden.
  • die hessische Warnapp Katwarn meldet alle Fälle in der Umgebung, so daß ihr nerviger Klingelton oft schnell stummgeschaltet wird oder das Handy liegt nachts nicht in Hörweite.

Erste Ergebnisse der 1. Bürgerversammlung: es ist höchste Zeit zu handeln

Die CDU Lautertal hat die Problematik bereits vor zwei Jahren thematisiert, Gemeindevorstand und Gemeindevertretung haben sich damit befaßt, aber bislang (19.09.) ist weder die CDU-Anfrage noch die Antwort des Gewässerverbandes online. Dies soll nun geschehen.

Werden mehr Retentionsflächen benötigt? Am Rückhaltebecken läßt sich - abgesehen vom geplanten 2. Rohr - aufgrund der Geländetopologie kein weiterer Ausdehnungsraum für Hochwasser schaffen. Man setzt daher auf die Erkenntnisse, die die Fließpfadkarte für Lautertal erbringen wird. Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, daß alle Anwohner problematische Punkte bei der Gemeinde melden, beispielsweise sind die 30-cm-Rohre unter den Grundstücksbrücken an der Wilhelm-Leuschner-Straße in Gadernheim - bezeichnenderweise auch als "Wassergasse" bekannt - bei Starkregen schnell überlastet sind, insbesondere wenn sich vom Wasser mitgeführtes Material vor die Rechen setzt.

Die Verdohlung der Lauter in Reichenbach 1972 hat zum schnelleren Durchfluß geführt, dadurch kommt es nicht so schnell zum Rückstau der Wassermengen aus Felsbach und Graulbach auf der Nordseite bzw. Vorbach und Reichenbach auf der Südseite der Lauter. Erich Sauer dazu: "das Eck ist durch Mainunwetter gefährdet, nicht durch Wetter von Westen. Wenn's im Osten gelb und schwarz wird, kann im Eck die Feuerwehr ausrücken". Lesen Sie auch: Bach im Höllacker renaturiert

Bedacht werden müsse auch, daß die Neubaugebiete Destag in Reichenbach und Schmelzig in Elmshausen 1000 l/sec mehr Wasser in die Lauter erbringen.

Die sechs Meßstellen an der Lauterner Deponie werden von der Rechtsnachfolgerin der Blaufarbenfabrik regelmäßig überprüft. Liegen die Ergebnisse dem Gewässerverband zeitnah vor? Wo kann man die Meßdaten zur Grundwasserqualität unter der Deponie erfahren?

Laut Herrn Androsch sind die Pegelstände und Verläufe des Pegels in Schönberg (4.000 m3) online zu sehen.

Was bedeutet ein "Hochwasserschutzgrad der Einhundertjährlichkeit"

Gemessen werden Starkregenereignisse mittels statistischer Wahrscheinlichkeitrechnung. Die Jährlichkeit ist eine Maßeinheit für die Wahrscheinlichkeit der Wiederkehr von Naturereignissen, sagt also nichts über deren tatsächliche Häufigkeit aus. Kleinere Fließgewässer werden mit dem Grad der Einhundertjährlichkeit beurteilt, der Rhein beispielsweise mit Zweihundertjährlichkeit, und das Welterbe Kloster Lorsch sogar noch wesentlich höher. Für Reichenbach bedeutet das, daß ein Hochwasser, das das Rückhaltebecken an die Kapazitätsgrenze bringt, statistisch alle 100 Jahre auftritt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Hochwasser_in_West-_und_Mitteleuropa_2021

Starkregen-Hinweiskarte für Hessen: https://www.hlnug.de/themen/klimawandel-und-anpassung/projekte/klimprax-projekte/starkregen-hinweiskarte. Die hochaufgelöste PDF kann dort geladen werden, sie zeigt für Lautertal in Reichenbach und Gadernheim hohe sowie im Bereich der Neunkircher Höhe erhöhte Gefährdung. Zudem gibt es hier ein GIS-Projekt, in das Kommunen weitere Informationen eintragen können.

Hochwasser, Blitzschutz, Sturm: https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/startseite/topmeldungen/anpassung-klimawandel.html

Lesen Sie dazu auch: Die Lauter: Naturidyll und Industriefluß und Das Wetter vor 400 Jahren - die Chronik des Reichenbacher Pfarrers Martin Walther. In Reichenbach gab es immer wieder Lauter-Hochwasser: 1611, 1772, 1882, 1930, 1931, 1938 und 1964/65.

Bei der nächsten Bürgerversammlung sollen die Fragen und Hinweise aus der Bevölkerung zusammengestellt werden, so daß sich eine Handlungsrichtlinie daraus ergibt, um größtmöglichen Schutz vor Hochwasser zu gewährleisten.

Wer ist zuständig?

www.gewässerverband-bergstrasse.de - hier erhalten Sie auch individuelle Ratschläge als Hauseigentümer
Gemeinde Lautertal: Bauamtsleitung, Herr Wiesner 06254 307-33, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! / Herr Gehbauer 06254 307-34 Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Kurios I: der Bodensee ist inzwischen so sauber, daß die Berufsfischer nicht mehr von ihrer Arbeit leben können...
Kurios II: die Wassersparinitiative "Jeder Tropfen zählt" vor einiger Zeit führte dazu, daß die Abwasserleitungen nicht mehr ausreichend durchgespült wurden und sich zusetzten. Laut Ulrich Androsch verbraucht das dadurch erforderliche Spülen der Abwasserleitungen mehr Wasser als eingespart wird. Frage ist aber: für das Durchspülen könnte man ja Grauwasser verwenden anstelle von Trinkwasser...

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August 2021: 18.9. Bürgerversammlung zum Thema Starkregen / Hochwasser

Ein großes Thema war - angesichts der Flutkatastrophe vom Juli - das Wasser bei der Gastrotour von Bürgermeister Heun.

Bei einer Bürgerversammlung vor Ort am Auffangbecken oberhalb Reichenbach sollen am Samstag 18. September um 9.30 Uhr wichtige Fragen besprochen werden. Herr Ulrich Androsch vom Gewässerverband Bergstraße wird ebenfalls teilnehmen und Aufbau, Funktion, Einzugsgebiet und technische Grenzen dieses Bauwerks erläutern.

Das Hochwasserrückhaltebecken in Reichenbach hat ein Fassungsvermögen von 100.000 m3.

Die Wasserversorgung Lautertals sei gesichert, so Heun. Es gebe hier keine Engpässe, da dies oberste Priorität hat. Das Wasserversorgungsprogramm werde Punkt für Punkt abgearbeitet.
Bereits seit einigen Jahren ist Lautertal Klimakommune, und die Erstellung der jetzt empfohlenen Fließpfadkarten ist bereits in Arbeit.

Auch das Thema naturnahe Waldbewirtschaftung ist im aktuellen Fokus der Verwaltung.

Bürgerversammlung 18. September 9.30 Uhr an der B 46 Ortseingang Reichenbach, Zugang zum Damm
Thema: Funktion und Sicherheit des Rückhaltebeckens oberhalb von Reichenbach - Gefahren durch Starkregen in der Region

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Es gibt vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie HLNUG eine Beratung für Gemeinden, und es können Fließpfadkarten erstellt werden. Diese zeigen die Wege, die das Wasser bei Starkregen außerhalb des normalen Bachbettes nimmt. Oft sind es Straßen, die dem Wasser freie Bahn bieten. Besser wären Retentionsräume, also Flächen in denen sich das Zuviel an Wasser zunächst ausbreiten kann, um dann langsam in den Boden einzusickern so daß es dem Grundwasser zugute kommt. Schnell fließende große Wassermengen nehmen auf ihrem unerwünschten Weg Schadstoffe, Gifte und andere Verschmutzungen auf, Öltanks in Kellern sind gefährlich, und so müßte man abfließendes Hochwasser eigentlich als Sondermüll entsorgen.

Solche Fließpfadkarten sind "lebendig": sie werden ständig aktualisiert und um eintreffende Informationen von Ortskundigen, um Erfahrungen vergangener Hochwasser etc. ergänzt. Klima-Kommunen erhalten für Klimamaßnahmen wie Fließpfadkarten in 2021 und 2022 bis zu 100 Prozent Förderung vom Land: 4 Millionen aus dem Corona-Sondervermögen für Klimamaßnahmen stellt Hessen 2021 und 2022 dafür zur Verfügung. Infos: www.klima-kommunen-hessen.de

Ergänzt werden sollten die Fließpfadkarten durch sogenannte Starkregen-Gefahrenkarten. Diese beinhalten Analysen von Starkregenereignissen und sind wesentlich ausführlicher. Wetterdaten und Geländestruktur sowie Bebauung oder Feldbau werden integriert, denn diese Faktoren können sich stark auf die Fließwege von Hochwassern auswirken. Hier wird z.B. auch berücksichtigt, ob ein Acker quer oder längs zum Geländehang gefurcht ist. Furchen die dem Hang folgen, befördern wertvolle Ackerkrume mit dem Wasser nach unten, wo sie dann Keller und Straßen verschlammt. Eine Fließpfadkarte kann jedoch für ein Gebiet Aufschluß geben, ob es erforderlich ist, die aufwändigere Starkregen-Gefahrenkarte zu erstellen.

Quellen reagieren auf Veränderungen wesentlich empfindlicher als Brunnen. Auch dies muß ins Wasserkonzept einfließen.

Klima-Kommune Lautertal:

Die Gemeinde Lautertal ist am 02.06.2010 dem Klimabündnis (Hessen aktiv: Die Klima-Kommunen - Lernen und Handeln für unsere Zukunft (klima-kommunen-hessen.de)) beigetreten.
Auf der Lautertaler Internetseite ist dies zu finden hier: Klimaschutzinitiative - Lautertal (Odenwald) . Die Gemeinde Lautertal hatte im Jahr 2007 ein Klimaschutzteilkonzept für die Trinkwasserversorgung durch ein Ingenieurbüro aus der Region in Auftrag gegeben welches auch abgeschlossen wurde.

Sämtliche Maßnahmen aller beigetretenen Kommunen können inzwischen unter: Maßnahmen-Datenbank (klima-kommunen-hessen.de) eingesehen werden. Diese Eintragung ist nicht verpflichtend für die Städte und Gemeinden sondern eher als Überblick und Wissensaustausch gedacht, und für Anregungen für mögliche interkommunale Projekte für Städte und Kommunen.

Seit 2020 haben Marcel Wiesner und Herr Gehbauer (Wasser/Tiefbau) die Bauamtsleitung der Gemeinde Lautertal übernommen, Anfang April 2021 kam Martin Erber hinzu. Er hat in diesem Jahr bereits an einigen Veranstaltungen bezüglich Klima-Kommunen Hessen und der Landes Energie Agentur teilgenommen.

Fließpfadkarten / Starkregengefahrenkarte Lautertal:

Anfang August 2021 wurde seitens des Gewässerverbandes Bergstraße der Aufruf gestartet die Erstellung von kommunalen Fließpfadkarten des HLNUG (Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie) zu veranlassen. Die Gemeinde Lautertal hat umgehend zusammen mit der Stadt Bensheim beantragt die Fließpfadkarten durch das HLNUG erstellen zu lassen, und zwar für folgende Ortschaften:
Lautertal: Elmshausen, Reichenbach, Lautern, Gadernheim, Raidelbach, Knoden, Schannenbach, Beedenkirchen, Staffel, Schmal-Beerbach und Wurzelbach
Bensheim: Kernstadt mit den Stadtteilen Auerbach, Hochstädten, Schönberg, Wilmshausen, Gronau und Zell

Eigene Regenmessungen

Im Jahr 2002 habe ich einen Regenmesser im Garten aufgestellt. Er zeigt die gefallenen Millimeter pro Quadratmeter an, pro Millimeter ist ein Liter auf den Quadratmeter gefallen.

 
Liter / m2 2002 2003 2004 2005 2006 2007
Januar - 104 122 70   108
Februar 189 24 47 114   135
März 90 46 50 61    
April 47 30 20 68 65  
Mai 27 100 32 130    
Juni 25 34 - - 70  
Juli 130 150 173 - 70  
August 77 42 165 - 150  
September 60 49 76   60  
Oktober 156 88 63 65 50  
November 150 55 69   80  
Dezember 118 50 60   45