Ein anregendes Gespräch, und schon kam ich ins Erzählen: wie ich in den 1980er Jahren in Mainz studiert habe und unter der miserablen Wohnsituation litt. Es hat sich nichts geändert: Wohnraum ist sehr teuer oder liegt im Outback. Zu Beginn meines Studiums mußte ich in der Jugendherberge wohnen, immer drei Tage in Mainz und dann in Wiesbaden, weil man in einer Jugendherberge nicht länger als drei Nächte bleiben durfte. Abends lernen war unmöglich: es gab nur eine 15 Watt Glühbirne, und alle anderen im Zimmer haben Lärm gemacht. So studierte ich zunächst recht mühselig und suchte verzweifelt nach einem bezahlbaren Zimmer. Angebote gab es viel: eine Mansarde, die früher wohl mal ein Abstellraum unter der Dachschräge war, für 150 Mark. Ein Kellerraum mit vergitterten Kellerfenstern, ein Zimmer mit Durchgangstür, ein Zimmer mit Kühlschrankbenutzung aber ohne Kochmöglichkeit, Kochen war sowieso meist verboten wegen der Geruchsbelästigung. Im Bereich des Mainzer Stadtbusnetzes immer genau so teuer, daß ich es mir nicht leisten konnte.

Außerhalb des Stadtbusnetzes sah es besser aus, aber die weinroten Omnibusse hielten meist nur 3-5mal pro Tag in den Dörfern. Letztlich zahlte ich für eine schöne Dachwohnung mit Küche und Bad 120 Mark in Ober-Olm. Wenn ich mich auf die Zehenspitzen stellte, konnte ich durch das Dachfenster die startenden Flugzeuge vom Frankfurter Flughafen sehen.

Tödliche Einsamkeit überfiel mich, kaum war ich in Ober-Olm angekommen. Abends ausgehen ging nicht, ich saß fest. Bald hielt ich es nicht mehr aus und zog kurzerhand nach Lautern zur Familie meines späteren Mannes, wo ich noch heute wohne. Ich kaufte mir einen VW-Käfer und fuhr fortan die 70 Kilometer nach Mainz an vier Tagen pro Woche, auf die ich die Vorlesungen und Seminare komprimieren konnte. Macht 4x140km pro Woche, gut 2000 km pro Monat - und das nur während der Semester, also 30 Wochen pro Jahr.

Der Benzinpreis lag zwischen 1978 und 1986 bei unvorstellbaren 1,40 DM pro Liter, trotz Ölkrise und Rekordpreisen umgerechnet etwa 70 Cent! Mein VW-Käfer brauchte 9 Liter pro 100 km, also 12,50 Mark oder 6,25 Euro / 100km.

Ich kam so also auf monatliche Benzinkosten von 125 Euro - genau soviel wie ich Miete fürs Wohnen zahlen mußte, und in den Semesterferien sparte ich das Geld noch zusätzlich!

Aber die Zeit fürs Fahren, werden Sie jetzt denken... Stimmt nicht. Ich brauchte für eine einfache Fahrt 5/4 Stunden, war also pro Studientag 2,5 Stunden im Auto - pardon, im heißgeliebten Käfer! - unterwegs. Um von Ober-Olm mit dem Bus zur Uni zu kommen, brauchte ich erstens auch je 35 Minuten und mußte zweitens den mageren Fahrplan berücksichtigen, hatte also enorme Leerlaufzeiten. Diese habe ich gern in den verschiedenen Bibliotheken zugebracht, oder in der Unterwelt. Die verschiedenen Fakultätsgebäude sind oft durch unterirdische Gänge verbunden, und es war spannend herauszufinden, wo sie ans Tageslicht kommen.

Soviel zum Thema: heute ist Wohnraum unbezahlbar, und die Spritpreise auch. Es hat sich definitiv nichts geändert...

Marieta Hiller, im Dezember 2022