Zum Beitrag Kriegsende in Gadernheim: die Erinnerungen von Günter Beilstein schrieb mir der Gronauer Historiker Felix Klingenbeck:
"Es gibt variierte Versionen vom Abschuss dieses "Panzers" bzw. nach allem was ich von Leuten aus Lautern weiss, war es wohl eher ein amerikansiches Halbkettenfahrzeug vom Typ M3. An der Stelle vor der Firma Eichhorn und Walter, wo der Bach heute durch die Leitplanken gesichert ist, lagen damals große Steinquader, die man wohl als Panzersperre auf die B47 legte. Sehr wahrscheinlich wurde aus dem Waldstück, wo erst kürzlich die Tannen gerodet wurden, mit einer Panzerfaust oder mit einem Panzerschreck auf das Fahrzeug geschossen.
Als Kinder haben wir genau an der Stelle, wo der Bach, von Gadernheim nach Lautern gesehen, rechts der B47 verläuft eine Bachreinigung mit der Schule gemacht. Ich kann mich noch erinnern, wie ich damals ein unglaublich schweres Rund aus Stahl weggeschleppt habe, der Laufrolle eines M3 nicht unähnlich. Leider kann ich mich nicht mehr ganz genau an das Teil erinnern. Es war jedoch aus schwerem massivem Stahl und völlig oxidiert. Falls nicht in den Jahrzehnten nach dem Krieg an dieser Stelle andere schwere Stahlteile entsorgt wurden (für LKWs oder Autos eigentlich zu schwer und massiv) halte ich es für durchaus denkbar, dass dies ein Stahlteil von diesem Panzer war. Leider wurde es entsorgt.
Wie Veteranen einem forschenden Kollegen berichteten, haben auch versprengte Teile eines Artillerie-Regiments der Panzergreandier-Division (die genaue Bezeichnung der Einheiten liegt vor, muß jedoch noch verifiziert werden) die mit ein paar Artillerie-Geschützen rund um Gadernheim Stellung bezogen. Wohl aber einige Tage vor der Ankungt der Amerikaner um die Straßen Richtung Rhein mit Sperrfeuer zu belegen.
Ich habe früher mit alten Leuten gesprochen, die zumindest bestätigten, dass zetiweise Artillerie rund um Gadernheim in Stellung ging. Wie mir der Kollege sagte hätten die von ihm befragten Veteranen auch auf einer Karte eingezeichnet wo die Geschütze gestanden hätten. Scheinbar wohl auch eines im/am Forst. Das hat auch ein Einwohner aus Lautern bestätigt. Inwiefern die Einheit stimmt, weiss ich allerdings nicht. Fakt ist aber, dass diese Division im Odenwald gekämpft hat, vor allem später bei Eberbach und dann in den badischen Odenwald hinein, bis die Einheit dann an der Jagst zerschlagen wurde.
Soweit meine Erinnerungen ohne Unterlagen. Ich habe zu Hause so Manches für das Lautertal notiert. Meist auch mehr, als in den einschlägigen Heimatbüchern zu finden ist. Habe auch an der ein oder anderen Stelle den Angaben nachgespürt und konnte auch ihren Wahrheitsgehalt belegen. Hier natürlich vor allem Dinge mit militärischem Hintergrund, da mich dies immer sehr interessiert hat.
Mit freundlichem Gruß
Felix Klingenbeck"
Der Historiker möchte seine Materialsammlung zunächst gründlichen Studien in Archiven der Bundesrepublik und dem NARA in College Park, Washington unterziehen, bevor sie reif zur Veröffentlichung sind. Noch immer kommen weitere Materialien dazu, die jedoch aufgrund des zeitlichen Abstandes immer ungenauer werden. Die "studies" der kommandierenden Offiziere wurden jedoch als Projekt der Historical Division der US Army niedergeschrieben und liegen Klingenbeck vor. Aufwendig ist es, diese studies und die darin niedergelegten Informationen, welche Einheiten wann wo gestanden haben, mit den Zeitzeugenberichten abzugleichen. Erst dann ist an eine wissenschaftlich fundierte Veröffentlichung zu denken. Felix Klingenbeck spricht hier jedoch von einer mehrjährigen Arbeit.
M. Hiller
Panzerfaust und Sojabohnen - was von 1945 im Gedächtnis blieb
so überschrieb Günter Beilstein seinen Erlebnisbericht, den er 1995 verfaßte. Im Winter 1944/45 war er neun Jahre alt und hatte mit seiner Familie aus dem Ruhrgebiet Zuflucht in den Häusern im Forschd gefunden. Den Bericht erhielt ich dankenswerterweise von Ruth Steinmann 2021.
Viele mehr oder weniger Prominente dürfen in diesen Tagen, 50 Jahre nach Ende des bisher größten und vorläufig letzten aller Weltkriege, öffentlich darüber berichten, wie sie selbst den Übergang vom tausendjährigen Reich zur demokratischen Neuzeit erlebten. Auch ich erlebte ihn, und wenn ich darüber berichte, so zunächst zur Selbsterinnerung, aber auch für Kinder und Enkel als Beitrag zur Familiengeschichte. Immerhin ist nicht jeder bei solch einem historischen Wendepunkt life mit dabei - und wünschen wollen wir es eigentlich auch keinem.
Gadernheim liegt an der Nibelungenstraße im Odenwald, etwa zwischen Bensheim und Lindenfels. Die leicht, aber stetig ansteigende Landstraße führt unterhalb des Dorfes durch dichten Wald. Ein Bach begleitet sie, damals ideales Spielgelände für uns Kinder, aber eine Zeitlang auch Jagdrevier für einige polnische Zwangsarbeiter, welche zu unserem Erstaunen mit der bloßen Hand die Forellen unter der Uferböschung herausfischten. Die erste, noch isoliert stehende Häusergruppe, auf die man rechter Hand, von unten kommend, stieß, lag etwa 100m von der Straße weg und hieß "der Forscht". Hier waren meine Mutter und ihre beiden Söhne bei dörflichen Verwandten untergekrochen, mit uns noch unsere ältere Kusine Hilde, damals durch spezielle Umstände sozusagen festes Mitglied der Familie.
Dieses Grüppchen hatte sich 1944 rechtzeitig aus Lodz - damals Litzmannstadt - abgesetzt, bevor die Russen die nationalsozialistischen Eindeutschungsmaßnahmen durch ihren Einmarsch in Polen beendeten. Unser beamteter Vater, seinerzeit als Gerichtsvollzieher und Mitvollstrecker solcher Maßnahmen nach Polen abkommandiert, war danach noch spät zur Verteidigung von Königsberg eingezogen worden und befand sich bei Kriegsende in russischer Gefangenschaft. In unsere "Heimatwohnung" in Mülheim/Ruhr war inzwischen eine ausgebombte Familie eingewiesen worden. Dorthin konnten wir also zunächst nicht zurück und verkrochen uns im odenwäldischen Steinau auf dem Hof von Onkel Leonard. Aus dieser Gegend stammt meine Familie väterlicherseits, und die Mutter von Onkel Leonard war die Schwester unseres Opas. So wie ihr robuster Bruder war diese ein besonders harter Brocken, was ihr unsererseits den Spitznamen "Aal-Bums" einbrachte, was man frei mit "Alter Granatwerfer" übersetzen könnte. Ihretwegen hielten wir es dort nicht lange aus. Nach einem Schultag in der einklassigen Volksschule von Steinau zogen wir um nach Gadernheim.
Wir bewohnten dort ein Zimmer bei den Onkels Hannes und Karl, ihren Frauen Elis und Friedchen sowie Friedchens und Karls Sohn Oswin, der etwas jünger war als mein Bruder Frank und ich mit 5 und 9 Jahren. Den verzwickten Verwandschaftsgrad zu diesen Leuten habe ich nie begriffen und später auch nicht aufgeklärt. Onkel Hannes hatte einen Arm ab und ein Motorrad im Schuppen. Beides imponierte mir sehr.
Ich war mittlerweile im 3. Schuljahr und lesehungrig. Einige Bücher konnte ich mir beim Walachei-Günter leihen, der wie ich Flüchtlingskind war und mit seiner Mutter in der Nähe, eben in der "Walachei", wohnte. Zur Schule im Dorf hatte ich eine Strecke zu gehen, anfangs unter erschwerten Bedingungen, denn die etablierte Kindermeute versuchte mich Fremdling zu jagen. Einmal flüchtete ich zu Onkel Philipp im Oberdorf - das ist der, welcher später unten am Dorfeingang den Steinmetzbetrieb führte.
Philipp Eichhorn, geboren am 11. September 1909 in Gadernheim, gründete am 01. April 1938 mit Peter Walter, geboren am 26. Januar 1911 in Lauf an der Pegnitz das Granit- und Syenitwerk Eichhorn & Walter. Siehe https://eichhornwalter-natursteinwerk.de/sodcms_generationen.htm
Nebenan im "Forscht" wohnten Katzenmeiers mit 3 Kindern in einem Uralt-Fachwerkhäuschen, davor befand sich die Jauchegrube, in der Bruder Frank versehentlich seine ersten Schwimmversuche machte. Hilde wohnte einige Meter weiter beim Bauern Bickelhaupt, später gesellten sich noch ihre Mutter, unsere Tante Maria aus Hamborn, und unser gemeinsamer Opa aus Solingen für kürzere Zeit dazu. Heinz Bickelhaupt gehörte zu meinen Spielkameraden, und sein Vater hat mir aus Blechstücken die Bindungen für meine ersten Skier gefertigt.
Der Winter 44/45 mit viel Schnee war vorüber. Schon zwei Tage lang hatten wir fernen Geschützdonner gehört und ab und zu deutsche Soldaten vorbeifahren sehen. Allmählich kam eine gewisse Spannung auf. Wir Kinder durften den Hof nicht mehr verlassen, was auch in den Wochen vorher nicht ganz ungefährlich war. Die Alliierten hatten längst die Luftkontrolle. Amerikanische Jagdbomber, die gelegentlich im Tiefflug über das Dorf donnerten, unterschieden bei ihren MG-Salven nicht immer, ob sich da unten Militäreinheiten, grasende Kühe oder spielende Kinder bewegten. Außer von erschossenen Kühen drangen aber keine Verlustmeldungen zu uns durch. Einmal jedoch schien es knapp zu sein. Wir konnten in letzter Sekunde am Waldrand hinter einige Felsbrocken hechten, bevor uns drei Jabos nach einer ersten Beobachtungsschleife ins Visier bekamen.
Der Geschützdonner kam näher, die Nibelungenstraße von Reichenbach und Lautern herauf. Eine Gruppe von 5-6 deutschen Landsern nistete sich im "Forscht" mit ihrem MG ein, einer strategisch günstigen Stelle mit Blick und freiem Schußfeld auf die etwas tiefer gelegene Straße. Was wollten die denn noch? sich selbst noch opfern, uns mit in Gefahr bringen? Wie konnten sie noch an irgendetwas glauben, was auch nur entfernt nach Endsieg aussah?
Wem fühlten sie sich noch verpflichtet? - Solche Fragen konnte man erst später stellen, und Antworten darauf blieben meist unbefriedigend. Für uns zählte im Moment nur die akute Bedrohung durch einen von den Deutschen provozierten Gegenschlag der heranrückenden Amis. Meine Mutter und die anderen Frauen brachten es schließlich fertig, die Landser zum Abrücken zu bewegen. Diese packten ihr Kriegsgerät zusammen und verzogen sich in den nahem Wald. Wir haben sie nicht mehr gesehen; vielleicht war es ihre Munition, zwischen der wir noch Monate später beim Spielen herumtrampelten.
Am nächsten Vormittag rasselte der erste Panzer die Landstraße hoch. Wir hatten uns mit allen Mitbewohnern in den Keller verkrochen, konnten aber durch das schmale Klappfenster beobachten, wie er plötzlich abrupt stehen blieb, fast gleichzeitig mit einem dumpfen Schlag. Da hatte doch einer der allerletzten "Helden" aus dem Straßengraben heraus noch seine Panzerfaust abgefeuert! Lange aufgehalten hat er die Front damit nicht. Bereits eine halbe Stunde später rollten weitere Panzer, LKWs und Jeeps die Straße herauf und ungehindert ins Dorf - der Spuk war vorüber, wir verließen den Keller und atmeten tief durch.
Jetzt wurde mir allmählich klar, daß ich mit diesem Tag einen langgehegten Wunsch endgültig abschreiben mußte: ich konnte nicht mehr "Pimpf" werden! Diese erste Weihe zur vorstufe der Hitlerjugend pflegte man mit zehn Jahren zu erhalten - und ich war bei neun steckengeblieben! Und Vetter Manfred, mein gedanklicher vorturner auf diesem Gebiet, steckte schon lange in einer richtigen HJ-Uniform, mit Koppel, Messer und zunächst rot/weißer, dann sogar grüner Kordel an der Schulter. Daß er dann auch noch richtig Soldat wurde, in Gefangenschaft geriet und aus dieser wegen juveniler Mickrigkeit frühzeitig heimgeschickt wurde, wußte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Ich war zunächst einmal sauer - und das gibt mir heute zu denken. Auf welcher ideologischen Wiese hatte man uns Kinder grasen lassen, daß mir noch 1945 solche Gedanken kamen? Ich hatte doch bereits in Lodz neben uns Deutschen die Polen als Menschen zweiter und die Juden als "Kreaturen" dritter Klasse kennengelernt, letztere nur von weitem in ihrem Ghetto, welches von der Straßenbahn durchquert wurde, die wir zwischen Wohnung und Innenstadt benutzten. Ich war von einem Lehrer in SA-Uniform zu Unrecht verprügelt worden und hatte an der Straßenecke bei der Parade zu Führers Geburtstag 3 Strophen lang (plus Horst-Wessel-Lied) den Arm hochgehalten, bis er mir fast abfiel. Ich hatte anläßlich eines Besuchs bei den Großeltern einige Bombennächte im Ruhrgebiet erlebt und wußte um die Bedeutung von Lebensmittelkarten. Trotz dieser Einblicke hatte es die NS-Propaganda wohl geschafft, mit Hilfe von Heldenverehrung und Pfadfinderromantik den Kriegsalltag aus den Köpfen der Jugend so gründlich zu verdrängen, daß das zum Schluß immer noch einer Pimpf werden wollte! Wo waren denn die damals Erwachsenen, die uns den Kopf hätten zurecht rücken müssen. was wußten sie mehr als wir Kinder, und was wollten, konnten, durften sie nicht an uns weitergeben?
Nun, Schaden an der Seele hat sich nicht eingestellt, und ich kam auch ohne die Uniform zurecht. Am Tag nach dem Einmarsch wagten wir uns wieder ins Dorf, welches bis auf eine weggeschossene Hausecke unverändert geblieben war. Unübersehbar war allerdings die Präsenz der Amerikaner, die so gar nicht feindlich wirkten, zumal sie uns von ihren Fahrzeugen herunter mit Dingen versorgten, die wir bestenfalls aus alten Märchen kannten.
So erhaschte ich auch meine erste Apfelsine - sie flog von einem Panzer - und konnte nichts damit anfangen. Beim Aufschneiden erwartete ich etwas Festeres wie bei einem Apfel, stieß aber auf ein recht matschiges Inneres, aus dem mir gelbliche Brühe über die Finger lief. Ein etwas älterer Junge erklärte mir, die sei ja sowieso faul, und luchste sie mir wieder ab. Mit dieser kleinen Panne begann die Periode der kreativen Selbstversorgung, wo immer man etwas Eß- oder Tauschbares auftreiben konnte - abluchsen ließ ich mir danach nichts mehr. Als die Amis einen LKW-Anhänge4r mit Sojabohnen zur Selbstbedienung freigaben (oder war da gar keine Freigabe erfolgt?), konnten wir immerhin 60 Pfund für die Familie an Land ziehen. Es begann eine Phase mit eiweißreichen, aber eintönigen Menus. Nur die kurze Zeit später auf dem Speiseplan erschienenen Steckrüben verankerten einen noch stärkeren Widerwillen in meinem Magen als die Sojabohnen.
Die nur kurz unterbrochene Schule lief wieder an. Nach meinem Übergang in die 4. Klasse hatten sich die Zeiten soweit normalisiert, daß wir unseren Gastgebern mit dem obskuren Verwandschaftsgrad nicht mehr länger zur Last fallen konnten. Wir verließen - streckenweise im offenen Kohlenwaggon - den Odenwald in Richtung ruhrgebiet, das wir Anfang 1942 mit dem Ziel Litzmannstadt verlassen hatten. Die Zeit, die dann folgte, gehört nicht mehr zum eigentlichen Kriegsende, aber sie war nicht minder ereignisreich und verdient eine eigene Story.
Hat Günter Beilstein diese eigene Nachkriegs-Story geschrieben? Wir wissen es nicht. Vielleicht kann jemand weiterhelfen - bitte gerne eine Mail an Marieta Hiller, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! schicken!
Lesen Sie dazu auch: Felix Klingenbeck: zum Kriegsende in Gadernheim
Marieta Hiller, Februar 2022
2018 fand die Sonderausstellung „Türme und historische Gebäude“ von Peter Elbert im Drachenmuseum in Lindenfels statt. Der Gadernheimer Modellbauer Peter Elbert zeigt hier die Ev. Kirche, den geplanten Bahnhof, die Rossmannsmühle, die Bismarckwarte Lindenfels, den Melibokusturm und das Bensheimer Rinnentor.
Auf dem Foto: Peter und Brigitte Elbert mit zwei Modellen der Gadernheimer Kirche
Die Rossmannsmühle, sogar das Wasser auf dem Mühlrad ist zu sehen
Das historische Rathaus
Die Bismarckwarte in Lindenfels auf der Litzelröder Höhe
Der Melibokusturm
Das Bensheimer Rinnentor
Der ursprüngliche Kaiserturm von 1888
Und in seiner jetzigen Optik
Kaiserturm in der Flasche
Alle Fotos M. Hiller
Wie sah die Neunkircher Höhe und der Wald zwischen Gadernheim und Neunkirchen im Lauf der Jahrhunderte aus?
Die Neunkircher Höhe wird im Lorscher Kodex in der Markbeschreibung von Heppenheim aus dem Jahr 773 als Wintercasto bezeichnet: nach ihrem einstigen Namen Windherrenhöhe erhielt das Dorf Winterkasten seinen Namen. Der Höhenrücken bildet die Wasserscheide zwischen Lauter, Modau und Gersprenz.
Die Lauter: von der Quelle auf 540m Höhe bis zur Mündung bei Gernsheim am Rhein 31 Kilometer lang - lesen Sie dazu auch: Die Lauterquelle und Die Lauter: Naturidyll und Industriefluß
Die Modauquelle: die Modau ist von der Quelle auf 505m Höhe bis zur Mündung bei Stockstadt am Rhein 44 Kilometer lang - lesen Sie dazu auch: Die Modauquelle
Die Gersprenzquelle: von der Quelle auf 580m Höhe bis zur Mündung bei Stockstadt am Main 62 Kilometer lang - lesen Sie dazu auch: Die Gersprenz-Quelle
Der Quellenweg um die Neunkircher Höhe : ein Kulturweg des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald
Genau auf halber Strecke zwischen dem Steilabfall von der Neunkircher Höhe und der Grauelbach nach Reichenbach hat sich das Dorf Gadernheim entwickelt.
Östlich von Gadernheim: der schwarze Buckel am Hang der Neunkircher Höhe, oben sieht man den Kaiserturm
Weitere Infos: Walehinhoug oder Kahlberg: eine uralte Grenzscheide und Altstraßen und historische Ansiedlungen
Bereits zur Römerzeit verlief der Weinweg als sogenannte Hohe Straße von Weinheim nach Dieburg über die Neunkircher Höhe. Man nutzte die Höhenrücken für die Fortbewegung, da die Täler sumpfig waren. Die alten Dorfgrenzen gingen üblicherweise bis zur Wasserscheide. Die Gadernheimer Grenzen gehen aber fast überall darüber hinaus, weil die umgebenden Dörfer erst viel später entstanden und die Bevölkerung von Gadernheim die Flächen brauchte.
Weitere Infos: Landwirtschaft vor 250 Jahren
Der Kaiserturm
Die Neunkircher Höhe ist 605m hoch, auf ihrem Gipfel liegt der Kaiserturm. Er wurde 1888 vom Odenwaldklub erbaut, stürzte 1904 ein und wurde 1907 neu erbaut. Er ist 34m hoch und bietet auf der Aussichtsplattform einen herrlichen Rundblick über den Odenwald. Lesen Sie auch den Beitrag über die Kaiserturm-Modelle von Peter Elbert...
Der Radarturm auf der Neunkircher Höhe
Weithin im Odenwald ist auf dem Höhenrücken der Neunkircher Höhe die sich drehende Parabolantenne des Radarturmes zu sehen. Die 1962 erbaute Überwachungsanlage für den Flugverkehr war bis 1990 rund um die Uhr mit Mitarbeitern der Deutschen Flugsicherung (DFS) besetzt. Der Turm ist einer der ältesten in Deutschland und wird heute unbemannt gesteuert. Im Umkreis von 280 Kilometern bis in eine Höhe von 15 Kilometern zeichnet die Anlage alle Flugobjekte auf, bis zu 1400 Flugzeuge gleichzeitig. Erfaßt werden können Flugobjekte mit einer Rückstrahlfläche ab vier Quadratmetern, auch Wolken und Vogelschwärme, oder Ultraleichtflugzeuge, Feuerwerksraketen und Fallschirmspringer über den Einflugschneisen. Über Transponder können die Flugobjekte geortet werden. Es gibt in Deutschland sechs dieser En-route-Radaranlagen (En-route = frz. für Luftstraßenradar) für die Streckenkontrolle der Luftraumüberwachung. Sie können mit einer Reichweite bis zu 240 Nautischen Meilen (= 450 km) den Flugverkehr außerhalb der Flugplatzbereiche erfassen, ihre Antennen drehen sich mit 4 bis 6 Umdrehungen pro Minute eher langsam im Gegensatz zu den Flugplatzgeräten. Die Sendeenergie der Radaranlage wäre durch elektromagnetischen Wellen gefährlich für Menschen, die direkt in den Strahl geraten, daher ist die Antenne auf einem hohen Turm installiert. Die gesammelten Aufzeichnungen gehen per Richtfunk zur DFS in Langen und über Erdleitungen zu den Kontrollzentralen in Karlsruhe und Maastricht. Sowohl das zivile RADNET als auch militärische Kontrollzentren können die Daten nutzen. Im Rahmen des Eurocontrol Mode S Programmes und des Projektes Comos der DFS wurde die Radaranlage modernisiert, finanziell unterstützt durch die Europäische Union, transeuropäische Verkehrsnetze (Trans-European Transport Network TEN-T).
Der FAD-Stein am Weg zwischen Gadernheim und Neunkirchen
Allmeihütte - Allmei kommt von Allmende, das ist ein von der Dorfgemeinschaft gemeinsam bewirtschaftetes Stück.
Der Hexenstein
Der Hexenstein liegt unweit der obersten Lauterquelle unter einem hohen Solitärbaum. Zum Hexenstein ernannt wurde der Granitfels vom Gadernheimer Schmied Roß, der den Schriftzug mit Hexe geschmiedet hat.
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Cosmas und Damian: zwei syrische Heilige
Die Kirche in Neunkirchen ist als Quellkirche eine frühmittelalterliche Gründung. Sie war Wallfahrtskapelle, wurde 1480 zu einer Kirche ausgebaut und Cosmas und Damian geweiht.
1742 fand ein Umbau der Kirche im Barockstil statt. In einem schönen Odenwälder Dialekt von Friedel Sauerwein heißt es: „Meer sin vun vornereu sou aold wie de Rurestoa! Un aa de Herr Parre Hotz hot gemaont, daß der aolde Daafstao vun Neikerche, der wou heit in Iwweroo staiht, schun in de Oufang vum dreizäihnde Johrhunnert gehäert.“
Aus: Ernst Wege, 675 Jahre Lützelbach: Verkaufsurkunde der Rodensteiner von 1346
Trimm-Dich-Pfad für die Seele
Jodokus oder Jost lebte im 7. Jh. als Pilger, Priester und Einsiedler. Er ist der Patron der Pilger, Schiffer, Siechenhäuser, Blinden und Bäcker. Im Fischbachtal gab es eine St. Jost-Kapelle, und der Flurname Jostwiesen weist heute noch auf ihren Standort hin. Nun gibt es hier einen Pilgerweg mit anspruchsvollen und mittelschwierigen Anforderungen. Am Weg liegen die "12 Apostel", Rimdidim, die Neunkircher Höhe, der Ringwall Heuneburg, Schloß Lichtenberg und natürlich auch Lokale für das leibliche Wohl. Ausführliche Infos gibt es hier. Ein Faltblatt mit den Stationen, dem Schwierigkeitsgrad, einer Karte und weiterführender Literatur gibt es bei der Gemeinde Fischbachtal.
Weitere interessante Sehenswürdigkeiten sind das Schloß Lichtenberg mit Museum oder die Ruine Rodenstein bei Reichelsheim-Eberbach. In Lichtenberg ist ein Geopark-Eingangstor und in Reichelsheim ein Geopark-Infozentrum.
Der höchste Apfelbaum im Odenwald bekam eine neue Infotafel
Der Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald versah dieses Jahr den 1997 gepflanzten Apfelbaum auf der Neunkircher Höhe mit einer neuen Infotafel. Genau auf die Grenze zwischen Lautertal und Modautal setzten die Initiatoren des Verschönerungsvereins Lützelbach das Bäumchen. Ihre Idee, eine Odenwaldübergreifende Wanderwegverbindung unter dem Thema „Hessenland - Ebbelwoiland“ zu schaffen, entstand gemeinsam mit zwei Nieder-Ramstädtern vom Obst- und Gartenbauverein und vom NABU. Anläßlich der Gründung der Odenwälder Schleife der Hessischen Apfelwein- und Obstwiesenroute 1996 stellten sie ihre Idee vor, und schon wenige Monate später konnte die Bauhofmitarbeiter der Gemeinden Lautertal und Modautal das Pflanzloch für die Goldparmäne ausheben. Die Ehrenamtlichen Ernst Wege und Peter Hoffmann (Verschönerungsverein Lützelbach) wurden von den damaligen beiden Bürgermeistern Wilhelm Speckhardt (Modautal) und Jürgen Kaltwasser (Lautertal) unterstützt.
Heute trägt der höchste Apfelbaum alljährlich „typische Apfelwein-Äpfel“ und wird regelmäßig vom Modautaler Bauhof freigeschnitten – und jüngst hat der Geo-Naturpark gemeinsam mit den Aktiven vor Ort die Informationstafel samt Rahmen erneuert. Drei Ruhebänke laden zum Verweilen ein, und neben dem Wegweiserpfosten mit den verschiedenen Wanderwegen schweift der Blick weit nach Nordwesten bis zum Feldberg im Taunus. Bewußt war der Standort des Baumes an einem Knotenpunkt mehrerer überregionaler Wanderwege gewählt, die inzwischen sämtlich zu Premiumwanderwegen wurden: Alemannenweg, Main-Stromberg-Weg, Waldenser und Hugenottenweg und der erste Hessische Mundart-Wanderweg. Auch lokale Wanderwege treffen hier zusammen oder verlaufen in der Nähe: Hirschpfad, der Modautalweg 1 und der historische Weinweg. Seit der Förderverein Odenwälder Apfel e.V. als Nachfolgeorganisation der Apfelwein- und Obstwiesenroute Odenwald aktiv ist, kümmern sich Mitglieder auch immer wieder um den Apfelbaum auf der Neunkircher Höhe.
der höchste Apfelbaum des Odenwaldes: am 6. April 1997 wurde er gepflanzt. Lesen Sie auch: Apfel - ein immerwährendes Thema! und Landwirtschaft vor 250 Jahren
Der Seibert-Stein - die Inschrift lautet "Odenwaldklub e.V. Ludwig Seibert dem Schöpfer unserer Wegebezeichnung 1926"
Texte und Fotos: M. Hiller
Der Bau von Kaiserturm und Kirche brachte Gadernheim Lohn und Brot
Vor etwa 100 Jahren wurden beide Bauwerke errichtet, der Kaiserturm im Jahr 1909, die Metzendorf-Kirche 1913. Dieser Bauboom brachte allen ortsansässigen Gewerken ein gutes Auskommen: Zimmerleuten, Schreinern, Klempnern, Fensterbauern - und vor allem den Steinhauern. Denn beide Gebäude sind aus Gadernheimer Granit errichtet, gebrochen in den umliegenden Steinbrüchen.
Die Lettersbrücke - woher stammt der Name?
Im Forst, in „de Lärreds“ (hochdeutsch Letters, genannt nach der Lettersbrücke über die Lauter; gesucht werden Zeitzeugen, die den Namen Lettersbrücke erklären können! Bitte Hinweise an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!), am Rauhestein und an der zweiten - namenlosen - Kuppe der Neunkirchener Höhe zwischen Rauhestein und Gehrenstein.
Hat die namenlose zweite Kuppe der Neunkircher Höhe vielleicht doch einen Namen?
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!freuen uns ebenfalls über Hinweise, wie diese zweite Kuppe heißt! In den Steinbrüchen um Gadernheim wurde Diorit (Handelsname Syenit) gebrochen. Das war harte Arbeit: man setzte einen Bohrer mit gehärtetem angeschmiedetem Bohrkopf auf den Stein, zwei Mann schlugen mit dem Fäustel darauf, einer drehte nach jedem Schlag um eine Vierteldrehung. Zur Versorgung Verletzter und durch die schwere Arbeit Geschädigter wurde am 18.1.1900 im Gasthaus Maul in Gadernheim der Gadernheimer Arbeiter-Unterstützungsverein gegründet, der die Funktion einer Versicherung hatte, der Beitrag lag bei 2,50 Mark monatlich. Erst 1967 löste man den Verein auf und wandelte ihn in den Arbeiterverein um, der heute 45 Mitglieder hat. Vorsitzender Willi Schmidt erläuterte dazu, daß sich überall in Deutschland solche Vereine gründeten, nachdem im Jahr 1863 in Leipzig mit dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein die erste deutsche Arbeiterpartei mit Ferdinand Lassalle an der Spitze entstand, aus der sich gemeinsam mit der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei im Jahr 1875 die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands, Vorläuferpartei der SPD, bildete. Wie stark sich unsere heutige Wirtschaftsstruktur im Vergleich zu der Zeit vor 100 Jahren aufgelöst hat, zeigt das Beispiel der Steinlieferungen. Früher wurden Steine aus aller Welt von Rotterdam auf dem Rhein bis zur Anlandungsstelle gebracht, wo sie die ortsansässigen Firmen abholten. Heute muß jede Firma selbst nach Antwerpen, Ein-kauf und Transport selbst organisieren. Die Infrastruktur ging verloren. Für einheimische Steine gibt es kaum noch einen Markt, da Anbieter aus Südafrika und Indien wesentlich billiger produzieren. Hinzu kommt noch, daß sich die Bestattungskultur weg vom Steingrab zum Urnengrab oder zur anonymen Wiesen- oder Friedwaldbestattung entwickelte.
Die Mittelgebirge: steinreich - auch auf den Friedhöfen
Bisher hielt man in den Mittelgebirgen Deutschlands, wo Steine verfügbar waren, an den traditionellen Steingräbern fest. In Norddeutschland gibt es schon immer eine andere Friedhofskultur als im südlichen Bereich, da die eiszeitlichen Urstromtäler des Nordens wenig Bausteine bieten, so daß man hier eher auf Ziegelbauweise zurückgreifen muß. Dies wirkte sich auch auf den Friedhöfen aus. Diese Informationen stammen vom Gadernheimer Grenzgang im März 2013 unter Führung von Friedel Renkel. Wer weitere heimatkundliche Informationen dazu beitragen möchte, darf sie gerne jederzeit an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! schicken! Marieta Hiller
Der Name Gadernheim: Herkunft
Pfarrer Heinrich Tischner schreibt dazu: "Verheerend haben sich Tod und Traditionsverlust der Jahrhunderte auch im Namen von Gadernheim ausgewirkt. 1367 hieß das Odenwalddorf Geydenheim, noch 1602 als Gaidenheim bezeugt, heute lautgerecht in der Mundart "Gaarene". 1561 heißt der Ort auf einmal Geidenau, 1605 Gadernheim, 1607 sogar einfach Gadern, eine Verwechslung mit dem Dörfchen bei Wald-Michelbach. Die falschen Schreibungen lassen sich zwar aus der missverstandenen Mundartform erklären. Aber wieso hatte man nach 1560 vergessen, wie der Name richtig geschrieben wird? War der Ort im 16. Jahrhundert ausgestorben, etwa durch Krieg (1504 Bayrische Fehde) oder Pest? (Hch. Tischner 23.1.2007)
Wann innerhalb der Gemarkung des heutigen Gadernheims sich erstmals Menschen niederließen, liegt im Dunkel der Geschichte begraben. Nach allem was man heute weiss, erfolgte die Ersterwähung im Jahre 1367. In einer alten Urkunde wird der Ort eindeutig mit „Geydenheym“ benannt, was ausdrücklich auf Gadernheim hinweist. Damit können die Gadernheimer zurecht und voller Stolz in diesem Jahr eine 650-Jahr-Feier veranstalten, zu der alle Gäste aus Nah und Fern willkommen geheissen werden.
Was der Name Gadernheim bedeutet, ist nicht eindeutig belegt. Der Gadernheimer Georg Grohrock hat in einer früheren Publikation dargelegt, dass sich der Name von Gatterzäunen und Falltoren zur Sicherung des Weideviehs vom althochdeutschen „Gadero“ oder „Gataro“ ableiten lässt. Jedenfalls wird der Name in der älteren Vergangenheit, als man es mit der Rechtschreibung noch nicht so genau wie heute nahm, immer wieder anders geschrieben. So 1367 Geydenheym, 1393 Geidenheim, 1454 Gaydenheim und Geydenheim, 1512 Gadern, 1516 Geidenau, 1653 Geudenau; 1720 Gendenaw. Der Reichenbacher Pfarrer Martin Walter hat es in seiner bekannten Chronik (1599 – 1620) immer Gadern genannt.