Das verkaufte Dorf: Lützelbach

Seit 2017 herrscht Uneinigkeit, wann Lützelbach welches Jubiläum feiern kann. Im Februar 2017 wurde gutachterlich festgestellt, daß Lützelbach in der Tat im Jahr 2018 das 700-jährige Dorfjubiläum hatte. Gefeiert wurde dies nicht - sehr zum Betrübnis aller Beteiligten in und um Lützelbach. Zuvor war alles noch einfach, denn kurioserweise wurde im Jahr 1996, als die entscheidende Urkunde noch nicht bekannt war, das 650jährige Bestehen begangen. Wir hatten im Dezemberheft 2018 darüber berichtet.
Nun hat der frühere Dipl.-Ing. Ernst Wege aus Lützelbach erneut nachgeforscht und kam auf dieses Ergebnis:
Eine Verkaufsurkunde der Rodensteiner von 1346 läßt den Schluß zu, daß Lützelbach 2021 seine 675 Jahrfeier begehen könnte. Wege hat dem Durchblick einen ausführlichen Beitrag dazu unter dem Titel "Auf den Spuren der Rodensteiner zwischen Fränkisch-Crumbach, Burgruine Rodenstein, Neunkircher Höhe und Schloss Lichtenberg" zur Verfügung gestellt - siehe Anhang!
Demnach wurde Lützelbach 1318 erstmals urkundlich genannt. Damals bestätigt Erzbischof Peter von Mainz die Dotierung des Nicolausaltar zu Bensheim u.a. mit einer Hube zu Lützelbach.
In einer Urkunde von 1346 verkauft Henrich von Rodenstein alles, war er hat zu Lützelbach und Brandau wiederverkäuflich dem Grafen Wilhelm von Katzenelnbogen. Dies nahmen die Lützelbacher 1971 zum Anlass die 625-jährige Erstnennung zu feiern.
Im Jahre 2021 kann Lützelbach demnach auf 675 Jahre Verkaufsurkunde der Rodensteiner von 1346 zurückblicken.
Im Heimatbuch „650 Jahre LÜTZELBACH auf der Neunkircher Höhe im Odenwald 1346-1996", von Friedel Sauerwein (Text) und Robert J. Sasse (Fotografien) und herausgegeben vom Lützelbacher Arbeitskreis für Heimatgeschichte durch Heiner Lautenschläger hat Prof. Friedel Sauerwein die Entwicklung der Geschichte des Ortes und seiner Bewohner ausführlich beschrieben. Ernst Wege hat in seinem Beitrag die Umstände aufgezeichnet, wie das Dorf Lützelbach und seine Bewohner verkauft wurde.
Die Rodensteiner hatten rund um die Neunkircher Höhe ihre Besitztümer mit etlichen Dörfern und ihren Bauern, die „Rodensteiner Mark“. Dazu gehörten Lützelbach, Br andau, Neunkirchen im Modautal sowie Steinau im Fischbachtal. Die Rodensteiner waren hoch verschuldet und mussten immer wieder Teile ihrer Besitzungen den Grafen von Katzenelnbogen abtreten. Und so konnte 1346 beurkundet werden, was mit Lützelbach geschah.  mh Sept. 2021

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Im Februar 2017 wurde gutachterlich festgestellt, daß Lützelbach in der Tat im Jahr 2018 das 700-jährige Dorfjubiläum hatte. Gefeiert wurde dies nicht - sehr zum Betrübnis aller Beteiligten in und um Lützelbach. Der eigens gebildete Arbeitskreis zur Vorbereitung der Feier legte die Arbeit aufgrund mehrfacher Angriffe aus der Bevölkerung nieder und löste sich auf, wie während der Ortsbeiratssitzung vom 9. Februar 2018 erläutert wurde. Geplant war ursprünglich die Steinsetzung am Karl-Röhrich-Platz im Ort. Hier mußte eine Linde entfernt werden, deren Wurzeln die Bausubstanz eines Fachwerkhauses geschädigt hatte. Ein neuer Baum kommt daher nicht in Frage, jedoch könnte der Platz auf andere Weise eine würdige Erscheinung behalten. Ein Ortsrundgang anläßlich der 700-Jahrfeier war ebenfalls geplant. Das naheliegende Eichwäldchen mit dem August-Wondra-Gedenkstein kann und soll weiterhin gepflegt werden. Zusätzlich sollte in der Nähe eine Geopark-Übersichtstafel sowie eine Panoramabank zum Gedenken von Friedel Sauerwein errichtet werden, und als dritter Teil des Festaktes sollte die Urkunde im Bürgerhaus übergeben werden.

Bald in Lützelbach: die Urkunde aus dem Jahr 1318

All dies war in einem eigenen Arbeitskreis geplant worden, nachdem in einer gut besuchten Bürgerversammlung die Jubiläumsfeier beschlossen wurde. Leider sahen sich die Mitglieder des Arbeitskreises - zur Beteiligung waren alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen - einem unentwirrbaren Knäuel an Vorwürfen ausgesetzt, was letztlich dazu führte, daß Lützelbach in diesem Jahr keine Jubiläumsfeier begehen konnte.

Das Hessische Staatsarchiv Darmstadt bescheinigt dem Ort Lützelbach die Ersterwähnung am 28. Juni 1318. In dieser Urkunde bestätigt Erzbischof Peter von Mainz die Dotierung des Nikolausaltars zu Bensheim unter anderem mit einer Hube zu Lützelbach: „una manso in Lucelenbach“. Die Urkunde wird im Staatsarchiv Darmstadt unter Signatur HStAD A1 Nr. 16/6 aufbewahrt. Archivoberrat Adler fügt hinzu „Aufgrund dieser spezifischen Quellenlage und den damit verbundenen historischen Rahmenbedingungen erfüllt der Ortsteil Lützelbach die Voraussetzung, um sich auf eine im Jahr 2018 anstehende 700-jährige Ersterwähnung berufen zu können.“

Führte Kritik anstelle von Mitarbeit, Gegeneinander statt Miteinander, Forderungen statt Mitgestaltung dazu, daß Lützelbach nun  nicht zum richtigen Zeitpunkt das 700jährige Bestehen feiern konnte - nachdem kurioserweise im Jahr 1996, als die erwähnte Urkunde noch nicht bekannt war, das 650jährige Bestehen begangen wurde?

Der Arbeitskreis wird jedoch in den nächsten Wochen die Urkunde bestellen, um sie schön gerahmt aufzugehängen.

Wünschenswert wäre es, wenn die Urkunde dazu beitragen würde, wenn alle Lützelbacher Einwohner das Unglücksjahr 2018 vergessen und einen neuen gemeinsamen Anfang starten. Damit würde das Dorf zugleich ein nie dagewesenes Alleinstellungsmerkmal erhalten: welcher Ort feiert schon sein 701. Jubiläum? Eine Möglichkeit, in der Region Werbung für den idyllischen Ort mit seiner touristisch gewichtigen Vergangenheit als Künstlerkolonie zu machen ergäbe sich aus diesem kuriosen Datum. Der Wald rings um das Dorf weist zahlreiche bemerkenswerte Plätze auf: Wildweibchenstein, Großherzog Ernst-Ludwig-Stein, Eichwäldchen, Bärlingsquelle, die Baumuhr, eine  ca. 270 Jahre alte Rotbuche und vier Wanderhütten. Im Ort und an verschiedenen Plätzen in der Natur findet man informative Tafeln, es gibt Faltblätter und Broschüren, viele davon herausgegeben von einem Mitglied des Lützelbacher Arbeitskreises für Heimatgeschichte(n) sowie des Verkehrs- und Verschönerungsvereins, Ernst Wege. Lützelbach hat so vieles zu bieten: friedliche Gemeinschaft und Stolz auf die örtlichen Gegebenheiten sollten dazugehören.

M. Hiller, November 2018

Im Zusammenhang mit dem 110-jährigen Todestag des Landschaftsmalers August Wondra (1857-1921) im Jahre 2021 und zur Erinnerung an frühere Zeiten wurden in Lützelbach an der Bushaltestelle Brandauer-Straße sowie an der Brunnengasse/Ecke Lichtenberger-Weg je eine Informationstafel angebracht, die über die Maler und ihre Werke informieren. Hierfür wurden die bisherigen Hinweistafeln des früheren Gasthof Birkenhof verwendet, die freundlicher Weise zur Verfügung gestellt wurden. Ernst Wege, Lützelbach

 

 Bitte lesen Sie dazu auch: Das unbekannte* Vermächtnis von Lützelbach: Künstlerkolonie als schöpferischer Rückzugsort

Geotop des Jahres 2020: das Wildfrauhaus in Lützelbach

20. September 2020: auch das 18. Geotop des Jahres im Geo-Naturpark bietet außergewöhnliche Einblicke in unsere ferne erdgeschichtliche Vergangenheit: längst vergangenen Landschaften, Lebewelten und Klimaten erinnern uns daran, daß sich unsere Erde in stetem Wandel befindet.
Nach dem Variskischen Schiefer in Lindenfels kommt nun am diesjährigen bundesweiten „Tag des Geotops“ am 20. September 2020 ein weiterer besonderer Ort hinzu, der sich auf die Auszeichnung als „Geotop des Jahres“ freuen darf – das Wildfrauenhaus (Modautal) am Fuße der Neunkircher Höhe. Der verwunschene Ort mitten im Wald des Ortsteils Lützelbach lädt dazu ein, tief in die Vergangenheit unserer Region einzutauchen. Unter dem Motto „Das Haus der wilden Frau: Uralte Steine und geheimnisvolle Legenden“ geht es um das beeindruckende Alter und die Entstehung der mächtigen Gesteins-Ensembles, aber auch darum, welche Bewandtnis es mit dem „steinernen Sofa der wilden Frau“ auf sich hat.
Der offiziellen Feierstunde um 14 Uhr schließt sich eine Exkursion an. Sie führt spannend und abwechslungsreich in die Steine und Legenden rund um das Wildfrauenhaus ein und führt auf schmalen Pfaden auch am imposantesten Stein des Wildfrauenhauses vorbei. gp

 

2017 feierte der Großherzog-Ernst-Ludwig-Stein am Wildfrauhaus in Lützelbach sein hundertjähriges Jubiläum. Der Stein wurde dem Großherzog von Hessen-Darmstadt Ernst Ludwig gewidmet und trägt die Inschrift: „Dem Schutzherrn des Odenwald-Klubs zum 25jährigen Regierungsjubiläum 14. März 1917“.

2020 erhielt das Wildfrauhaus das Prädikat "Geotop des Jahres", da es ein bedeutendes Beispiel für die vielfältige Landschaft des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald darstellt. Das erste Geotop des Jahres wurde 2002 das Felsenmeer, und auch das Wildfrauhaus entstand als Verwitterungsprodukt. Der kristalline Odenwald besteht aus Granit und entstand vor etwa 340 Millionen Jahren. Granit hat natürliche Klüfte, die sich entlang der Kristallstruktur bilden. Diese nehmen Regenwasser auf und wittern aus, so daß aus einem großen Block viele kleinere Blöcke werden. Man nennt das Wollsackverwitterung. Aber schauen Sie sich den Stein selbst vor Ort an, es ist nicht weit: vom großen Parkplatz am Ortseingang Lützelbach sind es 20 Minuten zu Fuß auf guten ebenen Wegen. Der Wildfrauhaus-Stein lohnt Ihren Besuch.

Auch gibt es hier eine Sage: eine wilde Frau und ein wilder Mann lebten einst in den Felsenklüften, und man erzählte sich von schwarzer Magie. Dabei halfen sie den Leuten mit ihren heilkräftigen Kräutern. Doch der Mann wurde gefangen, und die Frau rief ihm noch nach: "sag alles, nur nicht, wozu die wilden Salben gut sind". wilde Salbe ist Salbei - eine sehr wichtige Heilpflanze.

Felsen boten nicht nur zu allen Zeiten Unterschlupf, sondern sie schaffen ein jeweils ganz eigenes Biotop. Je nachdem ob der Untergrund aus Granit, Buntsandstein oder Kalk besteht, sieht auch das Waldbild unterschiedlich aus. Wer schon einmal regionale Weinsorten probiert hat, kann bald unterscheiden, ob er Wein vom Granit, von einer Vulkaninsel oder aus einer Kalkgegend im Glas hat.

An der Feierstunde nahmen Bürgermeister Jörg Lautenschläger (Modautal), Rosemarie Lück (Kreisbeigeordnete Kreis Darmstadt-Dieburg), Landrat Christian Engelhardt (Kreis Bergstraße, Vorsitzender des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald) und Dr. Jutta Weger (Geschäftsführerin des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald) sowie Jochen Babist, Geologe und Mitarbeiter des Arbeitskreises Altbergbau Odenwald teil. Zahlreiche Geo-Vor-Ort-Führer, Gästeführer und Interessierte waren gekommen.

Ein mit der Wegmarkierung L2 markierter Rundwanderweg führt in Lützelbach vom Parkplatz am Ortseingang  Richtung Brandau vorbei an schönen Fachwerkhäusern, durch die Brunnengasse mit historischem Dorfbrunnen, auf dem Lichtenberger-Weg vorbei an der früheren Schule und weiter durch den Klein-Bieberauer-Weg zum Naturdenkmal Wildfrauhausberg.

Der Verkehrs- und Verschönerungsverein Lützelbach feiert in diesem Jahr 100 Jahre Großherzog Ernst-Ludwig-Stein am Naturdenkmal Wildfrauhausberg. Der Biotit-Granitfelsen Wildfrauhaus an der Gemar-kungsgrenze von Lützelbach und Klein-Bieberau wurde bereits vor 1932 im Verzeichnis der geschützten Naturdenkmäler in der Provinz Starkenburg geführt, da er wie viele freiliegende Granitfelsengruppen von besonderer Schönheit und bodenkundlichem Wert ist.

Die Felsen zeigen typische Frostverwitterungs-Erscheinungen und sind vertikal und horizontal in Blöcke zerteilt. Die herausragendsten unter ihnen sind mit Namen versehen: Wildfrauhaus, Großherzog Ernst-Ludwig-Stein, Lindenkopf. Der Geröllabhang unterhalb der Felsengruppe wird im Volksmund als Kleines Felsenmeer bezeichnet.

Der gewaltigste Felsblock des Wildfrauhauses ist Großherzog Ernst-Ludwig gewidmet und trägt die Inschrift:

»Großherzog Ernst-Ludwig-Stein. Dem Schutzherrn des Odenwald-Klubs zum 25-jährigen Regierungsjubiläum 14. März 1917«

Eine Hinweistafel erläutert, daß Ernst Ludwig am 25. November 1869 in Darmstadt geboren wurde und als Großherzog von 1892 bis 1918 regierte. Er war Kunstfreund und Gründer der Darmstädter Künstlerkolonie. Er dankte im November 1918 ab und starb am 9. November 1937.

Auf einer Hinweistafel des Naturpark Bergstraße-Odenwald wird von Friedel Sauerwein anschaulich erläutert, wie die mächtigen Felsen des geologischen Naturdenkmals entstanden sind.

Auch eine Sage rankt sich um die Felsengruppe: „da wohnten noch bis vor nicht langer Zeit zwei wilde Menschen, ein Mann und ein Weib, die viele kranke Leute kuriert haben. Als der Mann gefangen wurde, rief ihm das Weib nach: ‘Sag Alles, sag Alles, nur nicht, wozu die wilden Salben gut sind’."

Wer dennoch wissen möchte, wozu die wilden Salben (Salbei) gut sind, der lese nach bei Werner Bergengruen im „Buch Rodenstein“ (insel TB 3-458-33493-9) - doch hüte er sich davor diese Kunst auszuprobieren!

Noch heute ist unter den überstehenden Steinen das Kanapee (Sofa) des wilden Weibchens zu erkennen. Ihr Keller soll in der kleinen Höhle unter dem Ernst-Ludwig-Felsen gewesen sein.
Die im Bereich der Hinweistafel des Naturparks Bergstraße-Odenwald befindliche überdachte Sitzgruppe wurde 1998 von Familie Bormuth gestiftet und von Peter Roßmann (Henriche Peter) gebaut.
(VVV Lützelbach E.W.)