Landidylle: auf dem Feld arbeiten Bauern und grüßen die vorüberzuckelnde Postkutsche. Lerchen zwitschern zur Vesper. Jetzt hätte ich gern fünf Euro für Ihre Gedanken... Autsch! So ist Landwirtschaft und ländliches Leben noch nie gewesen, hatte  nie etwas Romantisches.
Vor knapp 200 Jahren haben wir begonnen, das landwirtschaftlichen Leben  aufzugeben und uns als industrialisierte Gesellschaft zu organisieren. Die Städte wuchsen, das Land kümmerte. Das Industriezeitalter war angebrochen. Die Eisenbahn schuf schnelle Verbindungen und sorgte für das Wachstum der Städte, für ehemalige Knechte und Mägde, für Industriezentren mit Fließbandarbeit. Überall rauchten Schlote, niemand fragte nach Feinstaubemission. Der weltberühmte "London Fog" (Nebel) hat darin seinen Grund. Die Eisenbahn brauchte Kohle, die Kohle brauchte die Eisenbahn. Das klappte gut 160 Jahre lang. Alles war gut...
Dann aber verlor die Eisenbahn ihre Attraktivität, jeder mußte ein Auto haben. Das "heilig Blechle" entwickelte sich vom 6-Volt-Käfer zu "mothers urban tank", dem SUV. Wer in ländlichen Regionen kein Auto hatte, der kam nicht mehr vom Fleck, der ÖPNV war - auch durch die Privatisierung der Öffentlichen - vielfach einfach wegrationalisiert worden.

In 150 Jahren hat sich das Treibhausgas CO2 fast verdoppelt, und wenn der Ausstoß von 40 Milliarden Tonnen jährlich so weitergeht, ist die Arktis in 20 Jahren eisfrei (Dirk Notz, Max Plank Institut Meteorologie Hamburg). So begann man vor einigen Jahren, sich Gedanken über CO2 Einsparung zu machen. Elektroantrieb statt Benzin und Diesel: aber woher kommt der Strom? Gern auch aus konventionellen Kraftwerken, die Fahrzeuge werden noch schwerer, Batterien können explodieren ...
Ein Antrieb mit Brennstoffzellen wäre wesentlich sinnvoller, der funktioniert mit Wasserstoff, der in der Industrie als Abfallprodukt vorliegt. Doch daran kann niemand etwas verdienen, und so verschwindet ein gutes Konzept in dunklen Schubladen ...

Was der ÖPNV nicht mehr leistet, muß durch andere Konzepte geschaffen werden: Mitnahmebank (ersetzt das "Trampen"), Carsharing, Ruftaxi. Warum  eigentlich nicht mal den "großen Wurf" machen, den ÖPNV wieder in die Hände legen, in die er gehört? Warum muß ein Wirtschaftsbetrieb damit Geld verdienen, Menschen zu befördern? Erfahrungsgemäß - und verständlicherweise - arbeitet die Privatwirtschaft nach dem Motto: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren.
Das funktioniert überall dort nicht, wo soziale Leistungen erbracht werden müssen: öffentlicher Verkehr, Krankenhäuser, Altenpflege, Bildungswesen. Privatisiert schaffen diese Sektoren eine Zweiklassengesellschaft: wer zahlen kann, bekommt Leistung. Und beim ÖPNV: wer sich kein Auto leisten kann oder will, hat das Nachsehen.

Aber andersherum betrachtet: würde der gesamte öffentliche Verkehr in staatliche Hände gelegt, dann würde sich ja der Verkehrsminister drum kümmern müssen! Und der hat - scheint eine Kernkompetenz dieses Jobs zu sein - eigentlich die Neigung zum Verschlimmbessern.

1994 wurde die Bahn privatisiert zu einer Aktiengesellschaft. Das mag 1835 eine gute Idee gewesen sein, als die Eisenbahn neu war und kein privater Investor sie hätte finanzieren können.  Aktiengesellschaften entstanden ja gerade durch die Entwicklung der Eisenbahn.
Aber als 160 Jahre später Eisenbahnbenutzer Beschwerde führten, weil immer mehr Strecken stillgelegt wurden ("nicht rentabel"), Fahrpläne ausgedünnt wurden ("zu wenig Bedarf")  und Fahrkarten Richtung unbezahlbar tendierten ("Personalkosten, Betriebskosten, UNkosten") konterte Hartmut Mehdorn, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG, das sei ein "typisch deutscher Meckerverein".
Und so fahren wir mit dem Auto, pusten Feinstaub in die Umwelt, schädigen Umwelt und Gesundheit.

Zu Fuß gehen wäre auch eine Möglichkeit. Ich erinnere mich an Erzählungen der (damals) Alten, die in ihrer Jugend täglich 1-2 Stunden Fußweg zur Arbeit und abends zurück hatten. Andererseits:  20 Minuten zu Fuß gehen verlängert das Leben um 80 Minuten (Peter Laufmann). 80 Minuten, die wir dann in Seniorenaufbewahrungsheimen mit Pflegenotstand verbringen dürfen. Das (staatliche) Finanzamt erwartet von privatwirtschaftlichen Heimbetreibern Gewinn. Bessere Arbeits- und Lebensbedingungen sind da nur störende Kostenfaktoren. M. Hiller 2018

Öffentlicher Personennahverkehr vor fünfzig Jahren

Unter Präsident Eisenhower (1953-1961 Präsident der USA) gaben die Vereinigten Staaten drei Viertel der Bundesmittel für Transport und Verkehr für den Bau von Highways aus und weniger als ein Prozent für den öffentlichen Verkehr (Bill Bryson in „Mein Amerika - Erinnerungen an eine ganz normale Kindheit“ ISBN? 978-3-442-30116-4).
Nachdem während der industriellen Revolution (um 1850) die Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsplatz immer größer wurde, entwickelten sich Bahn und Bus: der ÖPNV. 100 Jahre später kehrte das Auto die Entwicklung um. Busse und Straßenbahnen gelten seither als Verkehrshindernisse statt als umweltschonendes  und preiswertes Gemeinschaftsvehikel.

Nur mal angenommen: wir wollten die Welt retten. Wie machen wir das? Mit Elektro-Autos?

Da sparen wir aber um jeden Preis - koste es was es wolle! Der Herr Professor Kagermeier* ist sicher daß das geht: "je mehr wir natürlich erneuerbaren Strom bekommen, desto umweltfreundlicher wird es." Also predigt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier: "bis 2030 sollen 30% der weltweiten Nachfrage nach Batteriezellen aus deutscher und europäischer Produktion kommen" damit wir alle umweltfreundliche Elektroautos fahren können. Noch vor wenigen Jahren war die Umstellung von Benziner auf Diesel Glaubensbekenntnis, jetzt sollen Diesel nicht mehr fahren und alle beten das E-Auto an. Die genialste Geschäftsidee für den KFZ-Sektor überhaupt ist der Abmahnverein. Der sorgt für saubere Luft, indem er Städte und Gemeinden mit Prozessen überzieht. Die Deutsche Umwelthilfe ist genialer als alle Auto-Batterien der Welt, da können die Chefingenieure der Automobilindustrie einpacken.

Im Handstreich läßt die DUH mal eben in Darmstadt zwei Straßen für Verbrennungsmotoren sperren, und schon ist alles blitzblank sauber: niemand hat vor, mit seinem Verbrenner einfach über andere Straßen zum Ziel zu kommen. Nein. Wir werden alle brav unsere Verbrenner verscherbeln und uns einen E-SUV kaufen. Das kurbelt die Wirtschaft an, das haben wir zu Zeiten der Abwrackprämien ja geübt. Schätzen Sie mal: ist der ökologische Fußabdruck für einen elektrischen Neuwagen mit tonnenschwerer Batterie größer oder der eines altgedienten Kleinwagen mit Verbrennungsmotor? Vielleicht möchte Herr Altmaier ja gemeinsam mit Jürgen Resch von der DUH ein TV-Wirtschaftsquiz ins Leben rufen: zu gewinnen gibt es eine Patenschaft für notleidende Bauernfamilien in Argentinien oder China.

Warum eigentlich E-SUV? Ganz einfach: eine Batterie wiegt mehrere 100 kg, sie enthält Lithium (kommt aus Argentinien, wo eh nur arme Bauern wohnen). Die haben jetzt halt für jedes produzierte E-Auto 80.000 Liter Wasser weniger und ihre Lamas werden blind, was solls. Wozu brauchen die Landwirtschaft, wenn ihre Regierung selbst ein Lithium-Bergwerk betreibt und massenhaft Lizenzen an Kolonialkonzerne verteilt? Und in China - nein, da fällt diesmal kein Sack Reis um - da wird nur der Großteil der Batterien für unsere E-SUVs unter Einsatz von Kohlekraftwerken produziert, ebenso in Süd-Korea. In China werden seltene Erden (= giftige Chemikalien und radioaktive Substanzen) gefördert und vergiften ganze Landstriche.

Aber der Herr Altmaier will das ja sowieso ändern, denn besser unsere Wirtschaft verdient daran als der ferne Osten. Nur leider kann die Herstellung von Elektroautos eben gerade NICHT umweltfreundlich gestaltet werden. Gefördert mit staatlichen Forschungsgeldern, Umweltprämien, Steuervorteilen und kostenlosen Parkplätzen verbraucht ein E-Auto doppelt soviel Rohstoffe wie ein Verbrenner. Vor dem ersten "Anlassen" des Autos erzeugt die Herstellung der Batterie pro kWh Leistung 150-200 kg CO2, das sind bei einer durchschnittlichen 100 kWh Batterie 17 Tonnen CO2, damit wäre ein vergleichbarer Verbrenner mit 6 Liter Verbrauch über 100.000 km gefahren...

Natürlich prüfen unsere Premium-Automobilfirmen BMW, Volkswagen, Mercedes Benz, Audi und andere die sozial und ökologisch erforderliche Verträglichkeit, was die Herkunft der Rohstoffe betrifft. Mit vielen (zu vielen?) "eigentlich" erläutert z.B. Dr. Alexander Kotouc (BMW), wie Kfz-Hersteller die oft lange und nicht sehr transparente Lieferkette von der Mine bis zum Fließband gewissenhaft durch standardisierte Fragebogen mit Ankreuzfragen für die Nachhaltigkeit sicherstellen. Wie rührend!

Also laßt uns endlich die Welt retten: mit tonnenschweren Elektro-SUVs wird es uns doch endlich gelingen, oder? Marieta Hiller im Sommer 2019
* Prof. Henning Kagermann: Leiter Nationale Plattform Zukunft der Mobilität
 Reportage & Dokumentation vom 03.06.2019 Das Erste, Video in der Mediathek verfügbar bis: 03.06.2020

Heiligs Blechle - zum Zweiten! Noch einmal Auto und Umwelt...

Die Autoindustrie ist die Schlüsselindustrie der Wirtschaft. Wenn es ihr gut geht, florieren zahlreiche weitere Zweige. Nun zeigte die IAA: sind SUVs etwa nicht mehr uneingeschränkte Lieblinge der Deutschen? Aber immer noch stützen Wirtschaft und Politik den Individualverkehr, anstatt endlich ein SINNVOLLES flächendeckendes ÖPNV-Angebot zu schaffen. Statt dessen sollen Autos jetzt umweltfreundlich werden. Elektro statt Verbrennungsmotor: eigentlich pure Augenwischerei. Auch der Elektroantrieb verbraucht erhebliche Ressourcen, die Produktion ist alles andere als umweltfreundlich, und für jedes Auto muß Fläche für Straßen und Parkplätze zur Verfügung stehen. Reichweite und Leistungsfähigkeit der Elektrofahrzeuge sind nach Jahren noch immer unbefriedigend.

Der unsinnige Rummel der deutschen Umwelthilfe (in meinen Augen keine Umweltorganisation, sondern marktorientierter Abmahnverein) machts nicht besser: wozu in Darmstadt ZWEI Straßen "sauber" machen? Gibt es deshalb weniger Verkehr  und weniger Umweltbelastung in der Stadt? Hier wird (bewußt?) vom eigentlichen Problem abgelenkt.
Unsere Autoindustrie liefert das, was die Käufer möchten. Politiker entscheiden gern so, daß es ihnen und diversen Lobbies am wenigsten weh tut. Früher waren Benziner die Bösen und Diesel wurde gefördert. Jetzt merkt man daß Diesel Feinstaub produziert, offenbar sogar ausschließlich Diesel. Dabei produzieren auch Fahrräder, Schuhsohlen und Elektroautos Feinstaub...

M. Pohl aus Beedenkirchen schrieb dazu: "Elektroautos sind vielleicht nicht der kürzeste Weg aus der Klimakatastrophe, aber wir haben schon zu lange beratschlagt. Seit Jahrzehnten warnt die Autoindustrie vor 'übereilten Schritten', weil es z. B. bei der Brennstoffzelle einen Durchbruch geben könnte. Den sucht sie aber kaum selbst, sondern bei fremden Forschungslaboren. Und hatte sie nicht davor gewarnt, das Blei aus dem Benzin zu nehmen und die Motoren mit Katalysatoren zu drosseln? Haben wirklich nur wenige von ihren hunderten Programmierern von den Softwaretricks beim Abgas gewußt?"

Ich freue mich übrigens immer über Zuschriften, so auch die von Herrn Blitz aus Modautal zu meinem Elektroauto-Kommentar vom Sommer 2019.
Nun sollen also Elektroautos auf den Markt geworfen werden, und die Käufer werden wieder mal mit einer "Abwrackprämie" gelockt: da werden gut funktionierende Fahrzeuge verschrottet, die im Vergleich zu Neuwagen (so elektrisch sie auch sein mögen) eine gute Umweltbilanz aufweisen. Jeder Neuwagen belastet die Umwelt weit stärker als das die Restkilometer eines gebrauchten Diesel tun würden. Aber von Gebrauchten kann die Industrie nicht leben...

Deshalb werde ich, solange es kein bezahlbares Auto mit Brennstoffzellenantrieb gibt, meinen alten Golf weiter fahren bis er auseinanderfällt, und wenn mich der Hafer sticht, nehme ich das 67er Käfer Cabrio oder den VW-Bus (Bj. 1972, das ist der mit dem 16-Liter-Motor, allerdings Verbrauch pro 100 km, nicht Hubraum)...
Man gönnt sich ja sonst nix, und solange IHR mit euren SUVs durch die Landschaft blockert, verbreite ICH mit dem Oldtimer Grobstaub.

Feinstaub-Erzeugung in Deutschland in Tonnen / Jahr
Industrie 60.000
Gesamter Verkehrsbereich (Straße, Luft, Schiff, Bahn) 42.000, davon Diesel 29.000
Privathaushalte 33.000
Silvesterfeuerwerk 4500
Stromversorgung 19.000
Landwirtschaft 15.000
M. Hiller 2019