„Wenn wir heute noch um die Existenz der politischen Gemeinde kämpfen müssen, ist das nicht reines Unvermögen, sondern auch Folge von Gesetzen, die nicht allen Kommunen gleich gut bekommen waren“ meint Hans Seeger aus Beedenkirchen in seiner Broschüre „Lautertal was nun? Zukunftsperspektiven“. Damit spielt er auf die Gebietsreform 1972 an, die aus zwölf Dörfern eine Gemeinde machte. „Herr Loandrat, isch koann me net helfe, äwwe woann me zäje Oarme zuammedut, gitt däss noch koan Reische“ (Zitat Karl Germann, damals Bürgermeister in Reichenbach).
Das Land Hessen habe die neu entstandene Kommune mit ihren Problemen alleine gelassen. Und tatsächlich, bei Licht betrachtet, ist heute - über 40 Jahre später - noch immer keine Gemeinde Lautertal entstanden, die „aus einem Guß“ erscheint. Dabei weist Seeger auf zwei starke Vorteile hin, die die Bewohner des Lautertals zu bieten haben: es gibt ein vielfältiges Angebot an leistungsfähigen Handwerkerbetrieben und Industriezulieferern auf der einen und eine gut ausgebildete Einwohnerschaft, die mit für die niedrigste Arbeitslosenquote in der Region sorgt.
Daraus müsse nach Seeger eine handfeste Zukunftsperspektive für die Gemeinde zu machen sein. 2017 brachte Hans Seeger seine HS.Briefe heraus, darunter auch eine Bewertung der Lautertaler Finanzkrise, der Grabsteinindustrie und zum Felsberg. Im August 2018 folgten „Zukunftsperspektiven Lautertal im Odenwald“ und „Lautertal - Was nun? Zukunftsperspektiven“.
Die Resonanz war durchweg positiv, jedoch schwächer als erhofft. Die Stärken Lautertals sieht Seeger vor allem im Tourismus: im Felsberg mit dem Felsenmeer. HIer fehle eine attraktive Gastronomie, die sowohl für Touristen als auch für Einheimische zu einem beliebten Ziel werden könne. Er hat recht wenn er schreibt, daß die Besucher sich nach dem Felsenmeererlebnis ins Auto setzen und wegfahren, weil sie vor Ort nichts vorfinden. Das Felsenmeer-Informationszentrum ist bereits während der Planung viel zu knapp angelegt worden, das sieht man heute daran, daß für teures Geld weitere Toiletten gebaut werden sollen. Der Platz für die Gastronomie ist winzig und bietet keine Möglichkeit zu einem Kommunikationszentrum, wie von Seeger angedacht.
Seegerhütte im Felsenmeer: ein für Touristen ansprechend hergerichteter früherer Arbeitsplatz der Steinarbeiter
Er schreibt auch, daß das Fiz dem Investor der Siegfriedsquelle „in die Quere gekommen“ sei (das Fiz war seinerzeit tatsächlich kurz und bündig in die Landschaft gestellt worden ohne Rücksicht auf bestehende Strukturen zu nehmen oder Anregungen einzubeziehen. Allerdings ist die ehemalige Gaststätte Siegfriedsquelle inzwischen ein Spekulationsobjekt und wird sich Besuchern wohl noch sehr lange als wenig einladende Bauruine präsentieren).
Seeger schlägt vor, einen besucherfreundlichen Einstieg ins Felsenmeer über den Parkplatz Römersteine voranzutreiben, an dieser Stelle auch eine Tourist-Erlebnis-Gastronomie mit Hotel in ruhiger Lage zu errichten. Auch beim Fiz sollte die Gastronomie verstärkt werden. Dem steht entgegen, daß das Gasthaussterben der letzten beiden Jahrzehnte sich fortsetzt. Kaum eine alteingesessene Wirtsfamilie findet noch Nachfolger. Die spätere Wiedereröffnung einmal geschlossene Häuser scheitert oft an den baulichen Bestimmungen, wenn der „Bestandsschutz“ einmal weggefallen ist.
Ein weiterer Schwerpunkt in Seegers Zukunftsperspektive bildet die Infrastrukturverbesserung für Ortsansässige: einen großen Synergieeffekt erwartet er, wenn die Sportvereine von Elmshausen und Reichenbach zum Spiel- und Sportverein Lautertal West und Gadernheim, Lautern und Beedenkirchen zum zum Spiel- und Sportverein Lautertal Ost zusammengefaßt werden könnten. So würden mehrere Sportflächen frei für Wohn- bzw. Gewerbebaugebiete. Jedoch drängt sich die Frage auf, ob je drei Vereine sich Trainings- und Spielzeiten auf einem gemeinsamen Platz teilen können. Für den Verein West wäre das der TSV-Platz aufgrund seiner Nähe zur Lautertalhalle, für Ost der Platz in der Nähe der Mittelpunktschule.
Denn die räumliche Nähe zu Schulen macht durchaus Sinn, da Schulkinder in Reichenbach eine Schulstunde lang unterwegs sind zur nächsten Sportstätte. Wäre die Felsenmeerschule und die Grundschule Elmshausen gleich bei der Lautertalhalle untergebracht, könnte dies geändert werden. Zusätzlich könnten die derzeitigen Schulgebäude für Sitzungsräume, Verwaltung und Gewerbe verwendet werden. In der Konzentration von Schul- und Sportstätten sieht Seeger einen zukunftsweisenden Weg für Lautertals aktuelle und künftige Einwohner.
Denn immer im Blick hat er ein Bevölkerungswachstum in Lautertal um 1000 Neubürger. Allerdings gibt die Trinkwassersituation hier zu denken: die Dürre des Jahres 2018 brachte die Versorgung fast an ihre Grenzen. Weiter Baugebiete und Neubürgerzuwachs müssen in dieser Hinsicht wohl überlegt werden. Bei der Landwirtschaft unterstützt Seeger die Vorstellung (die auch die meine ist), daß Bio- und Nischenproduktion entsprechend der räumlichen Gegebenheiten sinnvoll ist, da die Lautertaler Landwirtschaft ohnedies nicht mit der maschinell optimierten Landwirtschaft etwa im Ried konkurrieren kann. Mehr Gewicht auf gesunde Ernährung und evtl. die Ansiedlung von ökologischen Forschungsunternehmen fordert Seeger.
Wie die Landwirtschaft beurteilt er auch die Industrie: die Zeiten der Fabriken sind vorbei. Jetzt ist das Zeitalter der Dienstleister und der digitalen Unternehmen, die wenig Platz benötigen, kaum Schadstoffe emittieren und sich über bezahlbare Gewerbeflächen freuen - wenn auch die Internetversorgung optimiert wird. Kraftvolle Impulse eines klugen alten Mannes, der zeitlebens selbständig war, mit Mut zur Konfrontation formuliert und auf den Weg gebracht: nun wird sich zeigen, ob Bürger (die Bürgerinnen sind IMMER von mir mitgemeint!), Politiker (dto.), Verwaltung und Vereine bereit sind, über Veränderungen nachzudenken.
Gewachsene Strukturen müssen behutsam analysiert werden, bevor Bereitschaft zur Veränderung entsteht. Hans Seeger gibt diesem Nach- und Umdenken zehn bis zwanzig Jahre Zeit. Das Ergebnis wird er selbst vermutlich nicht erleben, wer weiß ob ich es erleben werde. Aber wer ein undichtes Dach repariert indem er Eimer kauft und unterstellt, wird nie ein behagliches Heim haben. Hier sind Visionen gefragt, aber noch viel mehr ist Gemeinschaftsgeist gefragt.
M. Hiller, November 2018

Seit 1998 bin ich touristisch aktiv: am Himmelfahrtstag gab es meine erste Felsenmeerführung zusammen mit meinen damaligen Mit-Buch-Autoren des "Lautertaler Dibbezauber" und des Sagenbuches "Tal der Riesen", dem 1998 "Kieselbarts Geheimnis" folgte.
So lange treibt Kobold Kieselbart nun schon sein Wesen im Felsenmeer, es gibt Führungen und Schatzsuchen für Schulklassen, Kindergeburtstage und Erwachsenengruppen. Fundiertes Fachwissen über das Felsenmeer in geologischer, historischer und ökologischer Hinsicht kam über die Jahre dazu, 2012 wurde ich vom Geopark als Gästeführerin "Römer in der Region" zertifiziert.
Natürlich muß der erhebliche Zeitaufwand für Vorbereitung und Durchführung der Touren sowie die Fortbildungen finanziert werden, weshalb es eine ordentliche Firma gibt, die brav ihre Steuern zahlt.
Parallel dazu sammelte ich über die Jahre in vielen Urlaubsregionen und vor der Haustür Eindrücke wie Tourismus funktioniert: oder besser wie er anderswo funktioniert und im Lautertal funktionieren könnte. Es gab dazu auch öffentliche Stellungnahmen und Vorschläge. Eine der ersten wurde "als Papierchen aus Eigennutz" abgetan, wovon ich mich damals noch nicht stören ließ. Es gab auch mein Angebot, die Verbindung zwischen Lautertal und der Welt zu unterstützen: zu unzähligen touristischen Treffen bin ich gefahren, immer neben meinem eigenen Angebot auch das große Ganze im Blick. Zunächst schrieb ich sogar von solchen Treffen kurze Berichte, die ich der Gemeinde zur Verfügung stellte. Allerdings: Schweigen im Walde...
2011 schließlich bekam ich den Vorsitz des Tourismus-Ausschusses der Gemeinde Lautertal, gemeinsam mit meiner damaligen Kollegin Ulrike Reiser entwickelte ich ein Konzept zur Entwicklung des Lautertaler Tourismus. Unterstützung suchte der Ausschuß bei der Fachhochschule in Worms. Das Konzept umfaßte - wie man das von einem ordentlichen Konzept erwarten darf - die Analyse des Ist-Zustandes inklusive einer Spezialität / Besonderheit für jeden Lautertaler Ortsteil, also eine Vielfalt an Möglichkeiten mit Alleinstellungseigenschaften. Außerdem sah das Konzept vor, die Wünsche der Ortsansässigen sowie der anwesenden Touristen zu erfassen, inklusive der Vorteile die Ortsansässige durch touristische Infrastruktur haben könnten. Grundthema des Konzeptes war sanfter Tourismus mit Schwerpunkt auf Individual-Angeboten. Für jeden Ortsteil konnte das Konzept gezielt und individuell Ideen aufzeigen, wie Touristen und Anbieter zusammenzubringen seien.
Das Konzept wurde niemals veröffentlicht. Dies hat mehrere Gründe:
1. ein Interesse der Ortsansässigen am Tourismus hätte mühsam geweckt werden müssen, wozu alle Kräfte erforderlich gewesen wären. Breite Teile der Kommunalpolitik war jedoch nicht im geringsten von den Vorteilen des Tourismus überzeugt, man konnte sogar den Eindruck haben, "die Fremden" seien hier unerwünscht. So ließen sich Bürgerinnen und Bürger nicht für neue Ideen gewinnen.
2. Das Felsenmeer-Informationszentrum betrachtete sich offenbar als geologische Forschungsstation, die halt auch von ahnungslosen Touristen frequentiert wurde. Dieser Schwerpunkt und die Struktur (bis zu 30 Minijobber, keine kompetente Vollzeitkraft) machten eine nutzbringende Zusammenarbeit mit anderen Anbietern unmöglich, ebenso konnte das FIZ so nicht die Funktion der Schnittstelle aus touristischen Anfragen und Anbietern vor Ort leisten.
3. Von Anfang an darf man sich nicht ehrenamtlich für eine Sache engagieren, mit der man auch sein täglich Brot verdient. Dieser Eindruck entstand über die Jahre, es wurde mir auch bei einigen Gelegenheiten ausdrücklich zu verstehen gegeben. Ist es für eine Gemeinde sinnvoller, daß sich sachferne Laien anstelle von fachkundigen Profis des Themas Tourismusförderung annehmen?
4. Es gab im Lautertal einen Gemeindevertreter, der eine politische Vereinigung vertrat, die es inzwischen nicht mehr gibt, und der 2011 den einen Sitz im Gemeindeparlament für diese Vereinigung einnahm. Wie es schien, wurde dieser Mann, der noch nicht einmal seinen Wohnsitz im Lautertal hatte, durch einen netten Mitbürger ferngesteuert, der immer wieder durch seinen Destruktivismus auffiel und der sicherlich auch jetzt in diesen Zeilen die Stelle sucht, die sich juristisch gegen mich verwenden läßt. Der lächerlichste Vorwurf war, daß meine Rente wohl noch nicht gesichert sei und ich deshalb eine Stelle im FIZ anstrebte, um die fehlenden Punkte zu ergattern. Dafür zerrte er mich sogar vor Gericht und der Richter zwang mich, meine Altersversorgung darzulegen (zu diesem feinen Herrn: man begegnet sich ganz sicherlich zweimal im Leben).
Dieser letzte Punkt und die Tatsache, daß meine damalige Fraktion plus Koalitionspartner plus Bürgermeister nicht wirklich etwas unternahmen, um mein ehrenamtliches Engagement für ein sinnvolles Ziel mit Vorteilen für die ganze Gemeinschaft durch Bestehen auf einer sachlichen und konstruktiven Zusammenarbeit zu ermöglichen, bewog mich 2014 dazu, mich aus diesem Thema zu verabschieden.
5. Nach der Trennung von meiner damaligen Kollegin und der Auflösung der gemeinsamen Firma gibt es keine Chance mehr, daß das gemeinsam erarbeitete Konzept veröffentlicht wird.
Mein Fazit: ich spare jede Menge Nervenkraft, indem ich mich nicht mehr mit Menschen auseinandersetze, die es nicht verdient haben. Für meine Felsenmeerführungen habe ich eine eigene Firma, mit meinen Besuchern habe ich immer wieder viel Spaß und Freude. Reich sein kann man auch ohne große Umsätze, viel besser sogar wie mir scheint. So reich wie von meinen verschiedenen "Gegnern" unterstellt, kann man als einzelner Anbieter ohne übergeordnetes von der Allgemeinheit getragenes Konzept auch gar nicht werden.
Marieta Hiller, im Mai 2019
Tourismus einst in seinen Anfängen: die „Fremdenpflege“ - bequeme Spazierwege und saubere Bettwäsche
In Österreich - hier Kärnten - unternahm man um 1900 große Anstrengungen, um die Gäste, die gern und immer stärker zur Erholung anreisten, zu versorgen.
Jede Sommerfrische die etwas auf sich hielt, sorgte mit dem Bau von Wasserleitungen (fließend warmes Wasser!) und Straßenbeleuchtung für den Komfort der Touristen. Die Verschönerungsvereine legten Spazierwege an, sprengten Felsen weg, damit sich „der zarte Damenfuß an keinem Steinchen stoße und steile Wege bequem genommen werden können“ (Cur-Zeitung vom Wörthersee 1897).
Straßen wurden im Sommer gegen Staubentwicklung mit Wasser gespritzt.
Für die „Fremdenpflege“ gab es gedruckte Richtlinien: „zum Auswischen der Gläser, Lavoirs und Nachttöpfe darf man nicht einerlei Tuch verwenden.“ Zunächst brachte man die Sommerfrischler im eigenen Schlafzimmer unter und zog solange auf den Dachboden. „Meine Mama war oft richtig fertig vom Waschen der Bettwäsche. Viele Gäste sind ja nur für eine Nacht geblieben. 1974 hat meine Mutter dann die erste Waschmaschine bekommen.“ (Maria Wohlmutter, Kärnten)
So erklärt sich diese Mitteilung des Kärntnerischen Gemeinde Blattes: „Anstatt der früher üblichen Strohsäcke wünscht der Gast nun Betteinsätze. Gebrauchte Wäsche wieder zu pressen ist behördlich untersagt.“
Das Skifahren wurde bereits zwischen den Weltkriegen allgemein beliebt, aber erst nach 1945 wurde es zum Breitensport mit entsprechenden touristischen Angeboten. Bald hatte diese „zweite Saison“ den Sommer-Wandertourismus überrundet. Aber auch Kärnten blieb nicht vom Rückgang der „Nächtigungszahlen“ verschont: 1973 kam die Ölkrise und die Mehrwertsteuer, Urlauber flogen immer öfter in den Süden, um am Strand zu liegen anstatt die Natur zu erkunden.
Infos: „Zimmer frei“ Ausstellung der Stadt Villach 2018, Katalog erhältlich unter ISBN 978-3-7084-0609-1.
M. Hiller 2018
Hier geht es um die Frage, ob wir heutigen Bewohner Tourismus brauchen und wollen. Im 19. Jahrhundert wurden Straßen und Hotels gebaut, die erste Blütezeit des Odenwaldtourismus lag um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert. Zum zweiten Mal sorgte Tourismus für Aufschwung und Erschließung nach dem 2. Weltkrieg, doch bald zog es Urlauber in die Ferne, vor allem nach Italien. Der Süden lockte, und im Odenwald ging der Tourismus immer stärker zurück.

Weltberühmt: die Riesensäule im Felsenmeer, Anziehungspunkt für 160.000 Gäste pro Jahr

Sagenumwittert: das Wildfrauhaus bei Lützelbach
Konkret behandelt dieser Artikel den Tourismus im Lautertal und im Modautal. Es stellt sich die Frage: ist Tourismus eine wirtschaftliche Entwicklungschance oder sind wir damit zufrieden, in einer Schlafgemeinde zu wohnen? Hier sind einige Antworten.
Während immer wieder alteingesessene Gasthäuser schließen, meist weil sie für die unbeliebten Arbeitszeiten kein Personal finden oder weil sich keine Nachfolge fand, gibt es klare Befürworter, warum wir Tourismus brauchen und fördern sollten.
Hans Seeger (Beedenkirchen) legt in seinen HS.Briefen Zukunftsperspektiven für Lautertal dar, speziell bezogen auf das Felsenmeer als unbezahlbares Alleinstellungsmerkmal. Dabei läßt er gern auch den Naturschutz links liegen, indem er eine Rodelbahn im Felsenmeer anregt. Lesen Sie mehr zu Hans Seegers Zukunftsperspektiven auf Seite 20. Das Felsenmeer-Informationszentrum ist seiner Meinung nach erst der Grundstein, muß jedoch viel präsenter werden und aktiv mit Anregungen für die Region werben.
Für den Tourismus in Modautal bricht Ernst Wege (Lützelbach) eine Lanze: gerade trotz der Schließung des Birkenhofes müsse man Gäste in die Region holen und ihnen etwas bieten. Die einladenden Plätze und Wanderwege in und um Lützelbach sprechen für sich. Mehr dazu auf Seite 21!
Die Bürgermeister von Modautal und Lautertal wurden zum Thema Tourismus ebenfalls um Antworten befragt.
Modautal: welche wirtschaftlichen Vorteile hat die Gemeinde Modautal direkt durch touristische Aktivitäten? Wo liegt der touristische Schwerpunkt der Gemeinde? Alleinstellungsmerkmal?
Antwort Bürgermeister Jörg Lautenschläger: „Durch Gäste und Übernachtungen wird das örtliche Gewerbe und die Wirtschaft gestärkt. Wichtige Arbeitsplätze im ländlichen Raum werden gesichert. Direkte Steuereinnahmen hat die Gemeinde durch Besucher, Touristen und Übernachtungen nicht. Nichtsdestotrotz ist der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die Gemeinde Modautal kann bei Besuchern mit ihrer schönen Landschaft und unberührten Natur punkten. Eine Besonderheit sind sicherlich die atemberaubenden Fernblicke von der Neunkircher Höhe. Hierzu wurden übrigens zwei Panoramatafeln in Neunkirchen installiert. Auch wenn der Kaiserturm in der Lautertaler Gemarkung liegt, steuern viele Gäste den Ort Neunkirchen an, um diesen schönen Aussichtspunkt zu besuchen. Modautal verfügt über ein ausgezeichnetes Wanderwegenetz. Im Gemeindegebiet gibt es 16 Schutzhütten und 2 Grillhütten, was sicherlich auch eine ungewöhnlich hohe Zahl ist. Der überregional qualifizierte Wanderweg „Alemannenweg“ durchquert 2 mal die Gemeinde. Dieser Weg soll zukünftig noch stärker durch den Touristikservice Odenwald-Bergstraße beworben werden. Ein weiterer bedeutender Streckenwanderweg ist der „Hugenotten und Waldenserpfad“. Gemeinsam mit dem Odenwaldklub wurde der Modautaler „Uferwanderweg“ und der Modautaler „Weitblickweg“ angelegt. Beide Wege sind zertifiziert und werden nachhaltig überprüft. Sie gehören zu dem Wegenetz „Wanderbarer Odenwald“. Im Bereich der Neunkicher Höhe könnte ich mir für die Zukunft noch Geopunkte zu den Quellen der Bäche und Flüsse vorstellen, die dort entspringen (Modau, Lauter, Gersprenz, Fischbach, Steinbach).“
Lautertal: Welche wirtschaftlichen Vorteile hat die Gemeinde Lautertal direkt durch das touristische Alleinstellungsmerkmal Felsenmeer?
Antwort Bürgermeister Andreas Heun: „Der wirtschaftliche Vorteil für die Gemeinde Lautertal ist deutlich höher als die Einnahmen aus dem Felsenmeer-Informationszentrum und dazugehörigem Parkplatz (siehe Kasten), kann allerdings nicht genau beziffert werden. Bei ca. 160.000 Besucherinnen und Besucher im Jahr ist davon auszugehen, daß diese in Lautertal und in der Umgebung weitere Ausgaben im Gastronomiebereich sowie im Einzelhandel tätigen.“
Gibt es aktuelle Übernachtungszahlen?
Modautal: „In Modautal gab es zum Jahresende 2017 ein Bettenangebot von 236. In dieser Statistik werden allerdings nur Betriebe mit mehr als 10 Betten erfaßt. Es gab 22.720 Übernachtungen im Jahr 2017. Das ist eine Steigerung um 4 % gegenüber dem Vorjahr. Die durchschnittliche Verweildauer liegt bei 2,6 Tagen. Neben touristisch motivierten Übernachtungen sind in den Zahlen natürlich auch Übernachtungen von Handwerkern und Monteuren enthalten.“
Lautertal: „01.01.2018 bis 11.09.2018 wurden uns 9135 Übernachtungen mitgeteilt.“
Haben Sie einen persönlichen Platz in Ihrer Gemeinde, an dem Sie gerne Ihre Freizeit verbringen?
Bürgermeister Heun: „Es gibt nicht nur einen sondern sehr viele schöne Plätze in Lautertal. Derzeit favorisiere ich die Ruhebank auf dem Hochbehälter in Gadernheim. Von dort gibt es einen schönen Ausblick über das Tal und auf Gadernheim mit seiner evangelischen Kirche im Ortskern.“
Bürgermeister Lautenschläger: „Ich persönlich kann sehr gut im Wald beim Wandern oder Arbeiten entspannen. Besonders schöne Plätze sind natürlich Waldränder mit atemberaubenden Aussichten (z. B. Sieben-Türme-Blick in Allertshofen, Pano-ramaweg in Neunkirchen). Die oft sehr abgelegenen und wieder von der Natur zurück eroberten alten Steinbrüche mit ihren unterschiedlichen Formen und Ansichten des Odenwälder Granits finde ich auch sehr spannend.“
Fazit: wir leben mit dem Tourismus, ein Teil der Bevölkerung lebt sogar vom Tourismus. Der Wandel in der Gesellschaft wird ein angepaßtes Angebot für Gäste nach sich ziehen: es ist fraglich ob das Gasthaussterben der letzten zwanzig Jahre aufzuhalten ist. Arbeitsplätze in der Gastronomie sind unbeliebt, zugleich wird der Kalkulationsspielraum für Gastwirte immer geringer. Als die Brauereien sich auf das Supermarktgeschäft verlegten, wurde das Bier im Ladengeschäft zu einem viel günstigeren Preis verkauft als an die Gastwirte, die es aufwändig mit einer Zapfanlage frisch servieren. Ein Gastronom muß für sein „SchniPoSa“ (Schnitzel Pommes Salat) etwa dreimal soviel verlangen wie das Lebensmittel kostet, um die laufenden Kosten zu bestreiten. Es ehrt daher die guten Gastwirte, wenn sie bewußt regional und saisonal einkaufen und kochen und auf gute Qualität achten. Das nämlich sucht man bei den Online-Lieferportalen oft vergeblich.
Die Touristen konnten viele Gasthäuser nicht retten, die Einwohner schon gar nicht. Nun sind kreative Ideen gefragt, wie landschaftlich passende Angebote für Besucher präsentiert werden können, die bezahlbar und leistbar sind.
Bedenken müssen wir dabei, daß alle touristischen Angebote und Einrichtungen auch uns Bürgerinnen und Bürgern zugute kommen - denken Sie an das 19. Jahrhundert! Ohne Tourismus hätten wir vielleicht noch immer Holperwege statt eines guten Straßennetzes.
M. Hiller, November 2018
Seit wann gibt es Tourismus im Odenwald? Zunächst gab es nur Wallfahrten, Reisen von Kaufleuten, die Walz bei Handwerkern, Kavalierstouren und Bildungsreisen bei Adligen. Für diese Reisen galt: sie waren auf das Ziel hin zweckgerichtet.
Tourismus, auch Fremdenverkehr (zu bevorzugen ist der Begriff Tourismus, denn „Fremdenverkehr“ klingt abweisend, fast fremdenfeindlich...) genannt, entstand erst Mitte des 18. Jahrhunderts, als sich die Reiseliteratur entwickelte.

Blick auf die Burg in Lindenfels
Das Aufkommen von Fußreisen als Selbstzweck
Nach der Französischen Revolution (1789) kamen Fußreisen in Mode, die Freizeitbeschäftigung Wandern entstand. Besonderheit gegenüber den früheren Formen des Reisens ist der Selbstzweck: man wandert um sich in der Natur zu bewegen.

Blick auf die Burg in Lindenfels

Das Krokodil im Felsenmeer, eine natürliche Steinformation. Das Felsenmeer war früher an Werktagen gesperrt, weil hier aktiv Steine abgebaut wurden, inklusive Sprengungen. Nur an Wochenenden konnten Gäste die Felsen auf eingezäunten Wegen begehen.
Das heute allgemein als Selbstverständlichkeit vorausgesetzte Straßennetz existierte noch nicht: erst 1848 wurde die heutige B 47 gebaut, 1843 die Provinzialstraße von Roßdorf zum Gumper Kreuz, die heutige L 3099. Mit dem Straßenbau eröffnete sich die schnelle Reisemöglichkeit per Postkutsche.
Doch dann kam die Eisenbahn, und die Kutscher schlossen sich in einer der ersten Bürgerinitiativen zusammen: die Eisenbahn würde ihnen Einnahmen nehmen. Die meisten Fuhrmänner waren hauptberuflich Landwirte und brauchten das Zubrot aus dem Warentransport, denn die Landwirtschaft im Odenwald ließ niemanden reich werden.
Vielleicht war dies auch eine der ersten Bürgerinitiativen, die sich gewaltig ins eigene Fleisch schnitt: wäre die Eisenbahn wie geplant von Bensheim (1846 eröffnet) bis Lindenfels über Gadernheim gebaut worden, so hätten Wirtschaftsansiedlungen auch in unserer ländlichen Region bessere Chancen gehabt, und die Bevölkerung ein besseres Auskommen: in ihrem Buch „Wir ziehen nach Amerika“ zitiert Marie-Luise Seidenfaden einen Auswanderer.
„Als die Riegelstraße in Amerika gebaut wurde - Dieses Jahr war überhaupt Geld genug zu verdienen wegen der Riegelstraße. ... Die Riegelstraße führt hier bei Friedrichstadt (in Amerika) vorbei gegen den Ohio Staat. Die Riegelstraße ist ein ganz eben gemachter Weg, 18-20 Fuß breit, der bisweilen tief durch Hügel durchgegraben ist und worauf viereckige eichen Riegel fest zusammen gekeilt sind, worauf Eisen genagelt ist, und auf diesem Eisen gehen die Packwägen, mit Eisen gegossene Räder, welche an der Innenseite eine Falze haben, damit die Räder nicht aus dem Riegel springen: diese Wagen treibt der Dampf.“
Der 1. Weltkrieg machte die Eisenbahnpläne für die Region zunichte, doch anderswo entwickelte sich blühender Tourismus: wo immer ein Bahnhof eröffnet wurde, kamen die Reisenden in Scharen. Vor allem die Schweiz profitierte von reiselustigen Engländern. Auch der Rhein wurde zum beliebten Reiseziel. Angelockt wurden die Gäste durch die neu entstandene Form der Reiseliteratur, die geradezu einlud zu Vergnügungsreisen.
Die Entstehung der Reiseliteratur
Aus den allerersten Reisewegbeschreibungen aus der Zeit um 1730 entwickelten sich politische Reisebeschreibungen (z.B. der Jakobiner nach der Frz. Revolution), die Bildungsreise weitete ihr Zielpublikum auf die ganzheitliche Bildung auch für Bürgerliche aus. Reiseromane in Tagebuchform oder als Brieffolge begeisterten die Menschen. Und nicht zuletzt die großen Entdeckungsreisen in Gegenden, wo bislang auf Weltkarten weiße Stellen waren, beschriftet mit „hic sunt dracones“ (hier gibt es Drachen).
Der Odenwald war um 1800 noch weithin völlig unerschlossen für Reisende, es gab noch längst nicht überall Einkehr- oder Übernachtungsmöglichkeiten. Auch Freiherr Adolph von Knigge veröffentlichte seine Reisebriefe, allerdings ließ er sich auf der Fahrt von Heidelberg nach Darmstadt so von einer jungen Reisebegleiterin ablenken, daß ihm von der Bergstraße nur der Blütenduft erwähnenswert schien. Dann kam Karl Baedecker: 1839 gab er den ersten modernen Reiseführer heraus.
Über den Odenwald schrieb noch 30 Jahre zuvor ein anonymer Verfasser im Badischen Magazin über seine „Abenteuerreise in den Odenwald“, daß dieser trotz der räumlichen Nähe (zu Mannheim) so selten besucht würde und für viele eine terra incognita (unerforschtes Land) sei. Ihm hatte es vor allem die Poesie der Rodensteinersage angetan, die später (1925) zusammen mit weiteren Odenwälder Sagen Eingang in das Buch Rodenstein von Werner Bergengruen fand, der eine Weile in Lindenfels lebte. Das Burgstädtchen war damals tatsächlich noch die Perle des Odenwaldes und wimmelte vor Touristen.
siehe auch: Felsenmeer - nach den Römern folgte die Stille
Doch zurück zum Jahr 1840: einer der wichtigsten Förderer des Tourismus war der Weinheimer Oberbürgermeister und Pädagoge Albert Ludwig Grimm. Sein Werk „Die malerischen und romantischen Stellen der Bergstraße, des Odenwaldes und der Neckar-Gegenden“ erschien 1842 und beschrieb den Odenwald erstmals einigermaßen flächendeckend. Seine romantische Darstellung, die zu ausgedehnten Wanderungen einlud, ist Höhepunkt, aber auch Schlußpunkt der Reiseliteratur für Fußreisen.
Denn die Eisenbahn hielt Einzug an der Bergstraße, und von den Reiseliteraten wurde sie fortan eifrig zur Verbesserung ihrer Reisebeschreibungen genutzt: Fahrpläne, Streckenkarten, Bahnhöfe und dort erhältlicher Reiseproviant wurden abgedruckt - allen voran Baedecker, der 1849 bereits die sechste Auflage druckte. Seine besondere Empfehlung: in der Eisenbahn Plätze auf der Ostseite buchen, um den Blick auf die Odenwaldberge genießen zu können. Exakt und kurzgefaßt erläuterte Baedecker alles, was ein Reisender wissen muß.
Damit beschließt der Koblenzer Verleger (1801-1859) die Ära der romantischen Reisebücher, die noch stark von gefühlsbetonten Eindrücken geprägt war. Allerdings hatten die Dichter der Romantik vor allem Heidelberg zum Ziel, nicht den wilden Odenwald. Auch der Adel wagte sich nicht weit in den Odenwald hinein: noch 1790 schuf man sich ländliche Idylle lieber künstlich im Fürstenlager, der Sommerresidenz der Landgrafen und Großherzöge von Hessen.
Und tiefer hinein in den Odenwald getraute man sich nur mit einem Führer: auf Wanderungen von Auerbach zum Melibokus und zum Fürstenlager oder von Reichenbach zum Felsenmeer. Hier wiederum beeindruckte den Engländer Charles Edward Dodd anno 1818 speziell das Jägerhaus auf dem Felsberggipfel, wo er die preiswerte Einkehr mit hausgemachtem Brot, Butter, Käse und Wein im jagdlich dekorierten Gastzimmer pries. Dodd spottete über Lindenfels als trotz der hervorzuhebenden Burg äußerst schmutzig und elend. Lieber begab er sich mit in Reichenbach gemieteteten Reitpferden über Schönberg nach Auerbach und auf den Melibokus.
Noch wußte niemand ob die Riesensäule römischen Ursprungs oder mittelalterlich war und wozu sie einst dienen sollte. Auch über die geologische Entstehung des Naturdenkmals Felsenmeer war noch nichts bekannt. Ansonsten fanden die Autoren der Vor-Baedecker-Zeit (frühes 19. Jahrhundert) wenig Bemerkenswertes am Odenwald, zumal einige auch den Schwerpunkt auf der Landwirtschaft setzten, die an der Bergstraße und im Ried wesentlich bemerkens- und beschreibenswerter war als im Odenwald. Johann Friedrich Knapp empfahl 1813 erstmals auch die Höhe von Neunkirchen als Ausflugsziel. Lebensweise und Charakter der Odenwälder wurden selten beschrieben, und wenn widersprüchlich.
Noch völlig unbekannt waren zu dieser Zeit auch die Höhenwege durch den Odenwald, die erst seit ihrer Erschließung und durchgängigen Markierung des Odenwaldklubs große Beliebtheit fanden.
Bemerkenswert ist eine mehrwöchige Fußwanderung einer Schulklasse 1813: von Kassel und den Vogelsberg wanderte der Lehrer Ludwig Boclo nach Heidelberg, von dort nach Koblenz und durch die Taunusbäder. Im Odenwald führte die Wanderung natürlich auch durch das Felsenmeer, den Melibokus und den Frankenstein. Gar nicht auszudenken, eine solche Idee heutigen Schülern vorzuschlagen!
Ein schier endloses dichtes Waldgebiet, weltabgeschieden, verträumt und einsam...
Um 1870 war der Odenwald touristisch noch immer weitgehend unbekannt. Erst 1860 begann im ältesten Luftkurort des Odenwaldes Lindenfels der Gästebetrieb. 140 Jahre später, 1954, hat sich der Odenwälder Tourismus etabliert: Walter Meisel konstatiert in der zweiten Ausgabe von „Der Odenwald“ eine Steigerung des Fremdenverkehrs 1953 um 20 % zum Vorjahr (Quelle: Landesverkehrsverband Hessen), in Darmstadt lag die Steigerung sogar bei 31%. Jedoch erwähne ein Autoführer von 1953, daß der Odenwald ein schier endloses dichtes Waldgebiet sei, weltabgeschieden, verträumt und einsam.
Das Wachstum des Gästeaufkommens ist trotzdem unaufhaltsam. Günter Marckhoff merkt dazu 1969 an (ebenfalls in „Der Odenwald“), daß die Übernachtungszahlen häufig durch große Sanatorien der Versicherungen „geschönt“ wurden. Bereits im ersten Weltkrieg wurden große Hotels in Lazarette umgewandelt und später zu Erholungsheimen. Dadurch kamen die begehrten Langzeit-Übernachtungsgäste in die Statistik. 1966 wurden in Winterkasten (Erholungsheim der LVA) etwa 8638 Übernachtungen mit einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 16,7 Tagen vermerkt, in Neunkirchen waren es 11982 Übernachtungen mit 7,5 Tagen Aufenthalt.
Zwar wurde der Odenwald auch bis in die abgelegenen Dörfer durch Straßen erschlossen und somit auch für Touristen erreichbar, doch entwickelten sich so zugleich mit dem stärkeren KFZ-Verkehr auch Abgasen, Lärm und Staub. Jedem ist die sonntägliche „Kochkäsrallye“ der MA-LU-WO-Autoschlangen ein Begriff. Sechs Durchgangsstraßen brachten die Gäste in den Odenwald: Nibelungenstraße und Siegfriedstraße, ferner Burgenstraße, Bergstraße, Straße der Residenzen (heute fast vergessen) und Dt. Ferienstraße Alpen - Ostsee.
Marckhoff (1954) erwähnt eine Verkehrszählung: in einer halben Stunde wurden an der B 47 in Lindenfels 316 PKW, 13 Krafträder und zwei Busse gezählt (beide Richtungen). In Neunkirchen wurden 1968 an einem schneereichen Wintersamstag gegen 14 Uhr 533 Fahrzeuge gezählt. Damals war der Neunkircher Skilift noch in Betrieb.
Die amtliche Statistik von 1953 nannte zehn Orte im Odenwald als Fremdenverkehrsgemeinden, 1962 waren es 27 Orte, 1966 bereits 72 Gemeinden, nicht mitgerechnet die Orte, die unter 3000 ÜBernachtungen pro Jahr blieben. Lindenfels kann 1968 insgesamt 566 Gästebetten in Hotels, Gasthäusern und Pensionen sowie 128 Privatbetten für Gäste anbieten.
Besonders krass zeigt sich der Strukturwandel von einer reinen Landwirtschaftsgemeinde zum Tourismusort in Gras-Ellenbach: 1952 gab es hier 56 landwirtschaftliche Betriebe, nach Entwicklung zum Kneipp-Kurort waren es 1968 nur noch 20 Betriebe. Dafür stellte Gras-Ellenbach nun 620 Betten zur Verfügung.
Ganz andere Zahlen als der Odenwald kann die Zugspitzregion vorweisen: in Ehrwald leben neben 2600 Österreichern etwa 1000 feste EU-Bürger. Hinzu kommen aber 4000 Gästebetten mit 400.000 Übernachtungen pro Jahr! Davon 60% im Winter (erst seit 1985) und 40% im Sommer (schon seit etwa 1900). In Limone am Gardasee liegen die ortsansässigen Einwohner sogar in nur 10 % der verfügbaren Betten!
Die Perle des Odenwaldes: traumhafte Übernachtungszahlen noch vor wenigen Jahrzehnten!
In Lindenfels sucht man nach dem drastischen Rückgang des Busreiseverkehrs nach neuen Alleinstellungsmerkmalen. Während im Stadtgebiet von Lindenfels kein einziges der ehemals vornehmen Häuser aus den Zeiten der Sommerfrische mehr existiert (außer Waldschlößchen 23 Betten und Ludwigshöhe 14 Betten - 1906 gab es 400 Betten in 15 Häusern, noch 1978 wurden 124.000 Übernachtungen nur in der Stadt selbst verzeichnet), eröffnete 2018 im Stadtteil Winterkasten das Hotel-Ressort „Heritage Ayurveda“.
Lindenfels war lange Jahrzehnte „die Perle des Odenwaldes“ mit täglich hunderten Touristen, Winterkasten lebte von den Erholungssuchenden der LVA. Als beides nicht mehr lief, verschliefen viele den Zeitpunkt zur Neuorientierung, wie sie der Wellness-Bereich bietet.
Wellness, Erholung, Entschleunigung - das sucht eine jüngere Klientel heute, und sie findet es allmählich auch im Odenwald. In Winterkasten bot sich das ehemalige Landhaus Sonne an, und nun bieten Suby und Asha Dominic hier in familiärer Atmosphäre Ayurveda- und Yoga-Anwendungen an.
Das neue Hotel "Heritage Ayurveda" in Winterkasten (seit 2018) bietet mit 21 Betten in Einzel- und Doppelzimmern Gelegenheit, das Gleichgewicht zwischen Körper, Geist und Seele zu finden. Unterstützt wird das Hotelier-Ehepar durch Dr. Rashmi Rao und Dr. Reji Thomas.
Ayurveda, das „Wissen vom Leben“, versteht das Leben als Einheit von Körper, Sinnen, Verstand und Seele, Entspannung und Streßabbau stehen im Vordergrund. Ayurvedische Kochkurse mit einem tiefen Einblick in die ayurvedische Kochkunst bietet das Winterkäster Haus nun jeweils am Wochenende.
Während unser Kulturkreis Ayurveda vor allem zur Wellness nutzt, ist es in Asien eine anerkannte Heilmethode, die nicht über therapeutische Einzelmaßnahmen arbeitet, sondern als ganzheitliches System.
Und heute?
- Lautertal: zwölf Schlafdörfer oder Mittelpunkt für Bewohner und Touristen
- Die Zahlen für Lautertal und Modautal folgen demnächst, für Lindenfels wurden 2016 insgesamt 100326 Übernachtungen gezählt, für 2017 waren es 97002, diese Zahlen beziehen sich auch auf die Ortsteile.
- Gras-Ellenbach: Strukturwandel von einer reinen Landwirtschaftsgemeinde zum Tourismusort
1952: 56 landwirtschaftliche Betriebe
1968: Entwicklung zum Kneipp-Kurort - 20 Betriebe, aber 620 Betten für Gäste
Lesen Sie dann auch mehr zum Strukturwandel von der landwirtschaftlich geprägten Odenwälder Region zu anderen Schwerpunkten.
zahlreiche Angaben aus
- Heinz Schmitt „Bergstraße und Odenwald in der Reiseliteratur dew 18. und 19. Jahrhunderts, Beiträge zur Erforschung des Odenwaldes und seiner Randlandschaften Band VI, 1997
- Günter Marckhoff, Der Fremdenverkehr im Odenwald und seine geographischen Auswirkungen, Zeitschrift Der Odenwald des Breuberg-Bundes, Heft 3/1969
- Walter Meisel, der Odenwald im deutschen Fremdenverkehr, Zeitschrift Der Odenwald des Breuberg-Bundes, Heft 2/1954
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M. Hiller, September 2018