Ein ausgestorbener Beruf ist die Knodener Kunst: Das Brauchen und Bannen, die weiße Magie, wird in der Knodener Kunst ausgeübt. Doch weiß heute niemand mehr wie es gemacht wird...
Trotz allem aber gibt es sie noch immer, die Weiße Magie, das Zaubern im guten Sinne im Namen der drei heiligen Namen. Der Begriff "Brauchen" ist aus dem heutigen Sprachgebrauch fast völlig verschwunden, er scheint nur noch als Negativ im Wort „Mißbrauch“ durch. Bis vor einigen Jahrzehnten noch war es in unserer ländlichen Gegend in aller Munde. Wohlgemerkt: nicht jeder konnte „brauchen“, aber jeder wußte worum es dabei geht. Obwohl das Brauchen oft in eine „Schublade“ mit Magie, mit Zaubern oder Hexen gesteckt wird, ist es doch eine eigene Angelegenheit. Im Gegensatz zu den schwarzen Künsten des Verzauberns oder Verhexens, die aus dem altbekannten Kontrakt mit dem Teufel ihre Kraft beziehen, ist das Brauchen eine Kunst zum Guten. Wer das Brauchen anwendet, der Braucher also oder die Braucherin, der muß nämlich zunächst einmal ein gottesfürchtiger Mensch sein. Mit Brauchen werden Krankheiten geheilt, Armut gemildert, Freundschaft gestiftet. Daß es dabei wohl nicht mit rechten Dingen zugeht, schafft keinen Konflikt mit dem christlichen Glauben. Im Gegenteil, der Glaube ist ein fester Bestandteil des Brauchens: glaubt der Behandelte nicht an die positiven Kräfte, so wirkt es nicht.
Wie leicht man zur Hexe wird: Mobbing im Mittelalter und heute...
Zu Beginn gleich ein Exkurs: Am Lebenslauf von Anna Maria Conrad, Frau des Schiffmanns und Pastoreigehilfen Conrad in Klein Heubach und als eine der letzten Hexen im Odenwald 1646 hingerichtet, erläuterte die Odenwälder Ahnenforscherin Heidi Banse im April 2015 in ihrem Vortrag bei den Landfrauen Gadernheim, wie schnell man zur Hexe wird. Es genügten oftmals fünf Beschuldigungen zur Verhaftung. Solche Aussagen wurden bewußt von der Obrigkeit durch Versprechungen provoziert, auch wenn es dem Verleumder letztlich nicht half, den eigenen Kopf zu retten. Neid und Mißgunst waren häufig weitere Gründe, jemanden der Hexerei zu bezichtigen. Von Hexenprozessen in Klein Heubach berichtet auch Pfarrer Martin Walter in der Reichenbacher Chronik: von einem Hexengericht 1612, von der Verbrennung zweier Giftmischerinnen 1617, von weiteren 29 in Hexenprozessen ermordeten Menschen 1629. Die Vorwürfe sind aus heutiger Sicht absurd: Hexen seien beispielsweise die Verursacher der kleinen Eiszeit mit ihren Hungersnöten, Pfarrer Martin Walter berichtet von Schneefall im Juni. Doch schon früh (1598) gab es Menschen wie Pfarrer Prätorius in Laudenbach, die sich öffentlich gegen die Folter von in seinen Augen unschuldigen Frauen und Männern aussprachen:
„Alles Wetter kommt von Gott zum Segen oder zur Strafe nach seiner Gerechtigkeit und mag den Hexen nichts davon zugeschrieben werden. Außerdem sind die Mittel, welche Hexen gebrauchen zum Wettermachen ganz und gar kraftlos.“
Bei Anna Maria Conrad wurde letztlich der Vorwurf der Blutschande mit ihrem Bruder Georg Ludwig als Vorwand zur Verurteilung herangezogen. Sie konnte zunächst fliehen und wandte sich hilfesuchend an den Rat in Frankfurt, wo sie ihr Recht verlangte. Der Rat lieferte sie jedoch aus, und ihr Ehemann mußte 600 Gulden Prozeßkosten zahlen, das ist der Gegenwert für einen stattlichen Vierseithof. Er wollte seine Frau erst nicht mehr zuhause aufnehmen. Er starb 1637, neun Jahre später wurde Anna Maria als rechtskräftig verurteilte Hexe hingerichtet. Anklage: Teufelsbuhl, Hexentanz, Beischlaf mit dem Teufel. Heidi Banse trug die grausigen Dokumente von 48 Frauen und 31 Männern aus Klein Heubach zusammen, ihren Vortrag darüber hält sie an vielen Orten, aber in Klein Heubach ist er bis heute nicht erwünscht. Ein Ende für den Hexenwahn im Odenwald setzte Graf Ludwig von Erbach-Erbach, jedoch nicht aus Mitleid oder Rechtsempfinden, sondern aufgrund tragischer Ereignisse in der Familie, die ihm keinen Raum für Hexenprozesse ließen. An vielen Orten zeugen heute noch Hexentürme von den Verfolgungen. In Gelnhausen schuf die Reichenbacher Bildhauerin Eva Gesine Wegener 1986 die Skulptur „die Rufende“ (Foto von Gudrun Kauck, bitte nach unten rollen), für die sie die Gesichter von heute lebenden Gelnhäuser Frauen abmodellierte. Es ist das erste Denkmal in Europa, das die als Hexen Verfolgten ehrt. Einige der Modellfrauen verließ später der Mut und sie wollten ihr Konterfei nicht in der Skulptur sehen. Während des dritten Reiches ließ Heinrich Himmler aus ganz Europa Akten zu Hexenprozessen zusammentragen. Damit wollte er beweisen, daß die Juden es waren, die abertausende Frauen dem Hexenwahn anheimgegeben haben. Marieta Hiller
Der Hexenspund: durch ein Loch in der Decke wurden "Verdächtige" in ein fenster- und türloses Verlies hinabgelassen.
Schad's nix, dann batt's nix. Batt's nix, dann schad's nix
Schadet es nichts, dann hilft es auch nicht, und hilft es nicht, dann schadet es wenigstens nicht. "Batt's" ist ein Dialektausdruck. Natürlich hat die kirchliche Obrigkeit solche Volkskunst nicht gerne gesehen und zu Zeiten auch verboten, was jedoch nichts nützte.
Auf dem Land, wo man früher im Winter monatelang von der Außenwelt abgeschnitten sein konnte und fern von Doktor und Pfarrer, mußte man sich schon selbst zu helfen wissen. Deshalb konnte die Tradition des Brauchens in den Odenwälder Höhendörfern so lange lebendig bleiben. Heute, wo wir nicht eher ruhen, bis wir auch noch Farbe und Geruch der Zwischenräume zwischen Elektron, Proton und Neutron kennen, wo wir alles bis ins Letzte analysieren können, ist kein Platz mehr für solch wunderliche Fähigkeiten wie das Brauchen.
Es gibt sie aber dennoch, die Begebenheiten, für die man keine Erklärung findet. Es verhält sich damit ein bißchen wie mit bestimmten ganzheitlichen Heilmethoden in der Naturheilkunde. Es funktioniert, aber keiner kann erklären warum (jedenfalls nicht nach unseren konservativen wissenschaftlichen Kriterien). Ein guter Psychologe oder Heilkundige, die sich über die Schulmedizin hinauswagen, sie tun heute mit uns, was früher der Braucher tat.
Und es funktioniert sogar über Entfernungen hinweg und mittels Überbringung von Gegenständen: z.B. konnte ein rostiger Nagel gegen Zahnweh helfen; der Nagel wurde auf den kranken Zahn gelegt und anschließend im Keller in einen Holzbalken genagelt. Heute lebt keiner der alten Zeugen mehr, die sich selbst noch erinnern konnten und vom Brauchen erzählten. Wenn auch heute niemand mehr in der Lage ist zu brauchen (ist das so??), so können wir doch durch das Weitererzählen etwas gegen das Vergessen tun.
Peter Assion vom Breuberg-Bund sagte einmal: „Brauchtum ist für die kulturelle Gemeinschaft verpflichtend, Folklore nicht“. Halloween mag vielleicht in Amerika als Brauchtum gelten, in unserer jahrhundertealten Kultur dagegen gab - und gibt - es ältere Traditionen, die immer stärker überdeckt werden. Genau wie die christlichen Kulturen die vor Ort existenten heidnischen Sitten überdeckten, so geschieht hier das Gleiche mit der Volkskunst. Marieta Hiller, Oktober 2016
Gleich am Ortseingang von Knoden wird man auf die richtige Art und Weise begrüßt...
Lesen Sie dazu auch, warum die Knodener von der Geschichte stets gebeutelt wurden: Die Geschichte des Dorfes Knoden
Hütet Euch vor Knoden! Spannende Geschichten und heimatkundliche Informationen über ein Dorf im Odenwald
„Hütet Euch vor Knoden“- diese Inschrift soll auf dem Triumpfbogen zu Paris zu finden sein und die französischen Soldaten seit den Napoleonischen Kriegen vor diesem harmlosen Odenwälder Bergdörfchen warnen. In Knoden wurde von alters her die Kunst des Brauchens gepflegt. Geschichten und Sagen rund um die Knodener Kunst habe ich für Sie zu einer "Gänsehaut"-Tour zusammengestellt, die Sie im abendlich dunklen Wald mit mir erleben können. Hören Sie, was der Bitschenickel, der Schoofnickel und der alte Hampler früher so getrieben haben, wie es früher in einem abgelegenen Dorf im Odenwald zuging, was zu Essen auf den Tisch kam - und natürlich ein ganz persönliches Zauberrezept:
„Das erprobte undankbare Antidot - Es hilft denen, welche die Speise nicht bei sich behalten, gegen Schmerzen in der Seite, Seitenstechen, Erbrechen von Blut, gegen jede Art von Husten, Atemnot, Dysenterie, Schlaflosigkeit, Darmschmerzen und Koliken.Wenn du für dieses Heilmittel nicht im Voraus entlohnt wirst, sieh zu, dass du es keinem gibst, denn viele haben es nur ein einziges Mal eingenommen und genasen. Worauf der Arzt ohne Entgeld blieb. Es enthält: 1 Unze Gelbdolde, 2 Unzen Safran, 1 Unze Biebergeil, 4 Unzen langer Pfeffer, 1 Unze Pfeffer, 4 Unzen Kostwurz, 4 Unzen Styrax, 1 Unze Zimtkassie, 1 Unze Mutterharz und genügend attischen Honig.” So steht es im Lorscher Arzneibuch (um 790 n. Chr.), und "Wenn du für dieses Heilmittel nicht im Voraus entlohnt wirst, sieh zu, daß du es keinem gibst, denn viele haben es nur ein einziges Mal eingenommen und genasen" - Worauf der Arzt wohl ohne Entgeld blieb...
Der Eingang ins Feenreich ist an Samhain offen...
Am 1. November begann einst in vorgeschichtlichen Zeiten das keltische Jahr. Der Tag hieß Samhain, und an ihm waren die Eingänge zu den Feenreichen besonders durchlässig. Auch für verwandschaftliche Kontakte zu bereits verstorbenen Ahnen eignete sich dieser Tag.
Später legten die Christen ihr Allerheiligenfest darauf. Die Kelten zogen in Lichterprozessionen um einen heiligen Hain, ein Überbleibsel dieses Lichterzuges ist noch in den Grablichtern zu Allerheiligen zu sehen. Eigentlich begann aber das Fest mit dem Sonnenuntergang des 31. Oktober. Übrigens ist der Zusammenhang mit Halloween nicht ganz von der Hand zu weisen, denn auch das verkitschte Halloween, wie es aus Amerika zu uns herüberschwappt, hat seine Wurzeln in Europa, wenn auch nicht in Kontinentaleuropa.
Der Name kommt von „All hallow even“, also Allerheiligen-Vorabend. Das Samhainfest hieß auf allen britschen Inseln Halloween, und erst als die Iren den Brauch nach Amerika einschleppten, und als man dort begann alles zu kommerzialisieren und zu verkitschen, verkam der Brauch zu etwas Seelenlosem. Dracula und Frankenstein haben mit dem ursprünglichen Halloween nicht das Geringste zu tun.
Das keltische Lichterfest Samhain oder Halloween läutete eine Zeit der Besinnlichkeit und Einkehr ein, die bis zum 6. Januar dauerte. Am am 21. Dezember begrüßte man mit Sonnwendfeuern die endlich wieder länger werdenden Tage, lange bevor diese Sitte - diesmal nicht von Amerika, sondern von den Nazis - mißbraucht und verdorben wurde. Weihnachten mit Christi Geburt - übrigens von den Kirchenvätern des 4. Jahrhunderts vom 6. Januar auf den 25. Dezember vorverlegt - prägte das winterliche Brauchtum der Alten.
Und wieder wurde ein heidnisches Datum christlich überdeckt: am 25. Dezember war der Geburtstag des Gottes Mithras, dessen Kult im Odenwald noch heute in einigen Zeugnissen dokumentiert ist. Zugleich begannen am 25. Dezember die Rauhnächte. Auch in dieser Zeit war der Übergang in die geheime Geisterwelt besonders leicht, doch das hieß auch, daß die magischen Übergriffe uns Menschen leichter erwischen konnten. Die Rauhnächte oder auch Zwölfnächte genannt sind die Nächte zwischen dem 25. Dezenber und dem 6. Januar. Man schützte sich durch Räuchern (daher Rauchnächte) und durch Unterlassen aller nicht dringend nötigen Arbeiten, z.B. Backen.
Man glaubte, daß Träume in diesen Nächten sich im neuen Jahr bewahrheiten würden. Wer während der Zwölfnächte Bohnen oder andere Hülsenfrüchte aß, dem prophezeite man Geschwüre. Aber ein fruchtbares Jahr erwartete man wenn sich Eisblumen an den Fenstern bildeten. In den Rauhnächten durfte man keinen Hausputz und keine Wäsche machen, weil mit dem Kehricht oder dem Waschwasser Dinge aus dem Haus gelangen konnten, mit denen sich die Geister der Bewohner habhaft machen konnten: Fingernägel, Haare, Hautschuppen.
Die Zwölfnächte waren aber auch die Zeit, in der man die vergangenen zwölf Monate Revue passieren ließ und in der Vorsätze für jeden Monat des kommenden Jahres gefaßt wurden. Dies zeigt sich heute noch im Silvesterbrauch: jeder nimmt sich für das kommende Jahr etwas vor. Daher rührt auch der Ausdruck „Zwischen den Jahren“, weil es eine Zeit der Ruhe und Einkehr war, ohne eigene Betriebsamkeit. Die letzte Rauhnacht bricht mit dem Dreikönigstag an, wiederum ein christlich überdeckter heidnischer Festtag.
Doch jetzt verlassen wir die alten Kelten und wenden uns der schriftlich dokumentierten Geschichte zu. Für alle Daten aus historischer Zeit danken wir Hermann Bauer, Schannenbach - Ein Dorf im Odenwald, 2000. Er hat die gesamte wechselvolle Geschichte der Höhendörfer dokumentiert.
Die Dörfer Knoden, Breitenwiesen und Schannenbach
Knoden entstand im 11. Jh als Gründung des Klosters Lorsch, Schannenbach wurde erstmals erwähnt im Jahr 1398, es pfarrte zum katholischen Amt Gronau. Danach geht es in der Geschichte Schannenbachs und Knodens mit Breitenwiesen nur noch hin und her: 1540 Einführung der Reformation, lutherisch. Die ersten Schweizer Zuwanderer schlossen sich dem reformierten Amt Schlierbach an, einige aber auch zu Reichenbach. Die Dörfer wurden getauscht, erkämpft und hin und hergeschoben. Alle paar Jahre mußte die Bevölkerung - je nach der Herrschaft - katholisch oder lutherisch bzw. reformiert werden. Natürlich entwickelte sich in diesem Wechselbad kein gefestigter Glaube, so wie ihn sich die jeweilige Kirche wünschte. Vielmehr lebten die Leute in einem tiefverwurzelten Volksglauben, in dem Jesus Christus genauso seinen Platz fand wie Zaubersprüche der Knodener Kunst. Dieser Glaube konnte nicht so schnell erschüttert werden, war er doch das Einzige, was den Dörflern sicher schien.
Kriege und marodierende Soldaten...
Immer wieder suchten Kriege die Bewohner der Höhendörfer heim. Einmal, es war im 30jährigen Krieg (1618-1648), zogen wieder marodierende Soldaten durch den Gronauer Wald hinauf nach Knoden. Als sie jedoch zum Schliefenbach kamen und die Brücke überquerten, da wurden sie festgebannt. Das Bannen ist eine besondere Form der Knodener Kunst, aber es kann nur wirken, sofern sich der zu Bannende auf der gleichen Seite eines fließenden Gewässers mit dem Zauberer befindet. Sobald ein Dieb etwa einen fließenden Bach überquert, läßt er sich nicht mehr bannen. Als nun also die Soldaten über die Schliefenbachbrücke traten, da mußten sie stillstehen und konnten sich nicht mehr rühren. Einzig ihr Hauptmann wurde vom Bann nicht getroffen (weil er als der Mutigste zuletzt die Brücke überquerte?). Er konnte schließlich unbemerkt das Dorf erreichen. Dort allerdings wurde er sogleich festgesetzt und mit Knüppeln erschlagen. An der Schliefenbachbrücke warfen sie ihn ins Wasser, und seinen Kopf steckten sie zur Warnung an alle Soldaten unter die Brücke.
Von jenem Tag an spukt der Hauptmann in dieser Gegend herum, und wenn ein ordentliches Gewitter über den Knodener Kopf zieht, so könnte man meinen, die Schweden zögen übers Land. In all den Jahrhunderten zogen Truppen verschiedener Herkunft marodierend durch die Dörfer und versetzten die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Doch nicht nur vor den Plünderungen und Vergewaltigungen hatten die Leute Angst, sondern vor allem auch vor den Werbern. Mit Hinterlist und Tücke, meist auch unter Gewaltanwendung, rekrutierten die Werber in den Dörfern alles was laufen konnte als Soldaten. Meist wurden die, die mit dem Troß weiterziehen mußten, nie wieder zuhause gesehen.
Kein Wunder, daß man sich da lieber versteckte, wenn wieder einmal die Trompeten erschallten. Die persönlichen Kostbarkeiten wurden hinter einem Mauerstein in ein hohles Wandstück auf dem Dachboden versteckt, das Vieh entließ man aus den Ställen, und die Leute selbst flohen in die Wälder. Bei Kälte, Nässe und Dunkelheit harrten sie dort aus, wo der Wald am tiefsten war, fern von ihrem Heimathaus.
Im Einzelnen ging es im 30jährigen Krieg ziemlich bewegt zu: 1622-48 Bayrisch (Heidelberg von Tilly eingenommen), 1622 Einmarsch der spanischen Truppen unter Cordova und Tilly in die Dörfer der Neuzent. Mit den Bayern wurde alles kaiserlich katholisch, die reformierten Lehrer und Pfarrer wurden vertrieben. 1630 kamen die Schweden unter Gustav Adolf, alles wurde protestantisch, 1632 starb Gustav Adolf, 1634 Niederlage der Schweden in der Schlacht von Nördlingen, alles wurde wieder kaiserlich und katholisch.
Der schwarze Tod entvölkerte den Odenwald
Als ob der Krieg nicht reichte, herrschte auch noch mitten im 30jährigen Krieg eine Pestepidemie. Auf Karren fuhr man die Pesttoten aus dem Dorf. Sie waren so zahlreich, daß sie überall in den umliegenden Dörfern begraben werden mußten. Das Land war am Ende völlig entvölkert durch Krieg und Pest, in manchen Dörfern gab es nur noch ein oder zwei Überlebende.
Doch bald nach deren Ende, das entvölkerte Land wurd zur Neubesiedlung durch Zuwanderer aus der Schweiz freigegeben, geht es weiter mit Krieg und Elend. In den diversen Erbfolgekriegen (pfälzische, spanische, polnische, österreichische...) mußten die Odenwald-Bauern immer wieder mußten Fuhrdienste leisten, Vieh- und Lebensmitteldiebstähle der Truppen waren an der Tagesordnung, die Landbevölkerung floh wiederum in die Wälder oder sie versuchten in den Schlössern Zuflucht zu erhalten. Nur leider war hier weit und breit kein Schloß in der Nähe.
Nettes Detail zum Österreichischen Erbfolgekrieg: der geschäftstüchtige Landgraf von Hessen-Kassel verleiht Truppen an beide Parteien.
Auch später, 1776-1783, müssen hessisch-kasseler Landeskinder für England gegen Amerika kämpfen (Unabhängigkeitskrieg). „Ab nach Kassel“ ist der Schreckensruf der Zeit. Das betraf aber glücklicherweise weniger die Odenwälder Bevölkerung. Dennoch: Häuser und Ställe sind geplündert und niedergebrannt, die Leute haben oft nur noch das, was sie auf dem Leib tragen. Einmal - nein, wieder einmal! wollten feindliche Soldaten ins Dorf einreiten, wurden aber sogleich vom Bannspruch der Knodener Kunst getroffen:
"Ich beschwöre Euch Reider bei der Allmacht Gottes des Vatters; Ich beschwöre Euch Reider bei dem Blute Jesu Christi; Ich beschwöre Euch Reider durch die Kraft des Heiligen Geistes! Ihr seid gefangen und gebunden durch die Knodener Kunst, gleichwie die Juden unsern lieben Herrn Jesum Christum gefangen und gebunden in das Richthaus geführt haben, daß ihr Euch nicht könnt regen und bewegen, bis ich Euch Reider im Namen Gottes der hochgelobten Dreifaltigkeit wiederum reiten heiße"
Die Reiter blieben fest am Platz gebannt und standen einen ganzen Tag im strömenden Regen, am Abend aber wurden sie fürchterlich von Schnaken verstochen, bevor sie endlich erlöst wurden und von dannen zogen. Die Stelle im Wald aber, wo dies geschah, heißt noch heute Franzosenbrunkel. Das Wort Brunkel kommt von Brunnquell, auch Prunkel oder Prankel. Dank für die Geschichte der Franzosenbrunkel an Gretel Pfaff vom Gasthaus zum Odenwald in Schannenbach!
Aberglaube als Schutz gegen Krieg, Hunger, Armut und Pest
Die drei heiligen Namen: Jedesmal, wenn jemand brauchte, also das Brauchen anwendete, mußten die drei heiligen Namen dabei unter dreimaligem Kreuzzeichen ausgesprochen werden: „Bei der Allmacht Gottes des Vaters, beim Blute Jesu Christi, bei der Kraft des Heiligen Geistes“
Fernheilung: Gebraucht wurde noch bis ins letzte Jahrhundert hinein, und wer weiß ob es nicht heute noch praktiziert wird...
Ein Mann, der 1871 geboren wurde, hatte eine Schwester mit Halsschmerzen. Seine Mutter schickte ihn zu einer Frau, die das Brauchen beherrschte. Diese legte das Halstuch der Kranken einer Ziege auf den Rücken und sprach eine Formel. Als der Mann das Halstuch zurückbrachte und der kranken Schwester umband, wurde sie gesund.
Das Handauflegen gegen Migräne oder Kopfschmerz funktionierte auch, wenn ein Mittelsmann ein Taschentuch überbrachte, das die Braucherin oder der Braucher zuvor in der Hand gehalten hatte.
Das Bannen: Nicht nur fließendes Wasser beeinträchtigte das Bannen. Auch war es wichtig, den Gebannten bis vor Sonnenaufgang wieder zu lösen. Blieb jemand bis in den Tag hinein gebannt, dann fiel er zu einem Aschenhaufen zusammen. Sein Geist aber war zum Wäwwern verurteilt und suchte den vergeßlichen Banner allnächtlich heim.
Der rostige Nagel: Man suchte aus der Kiste im Keller einen rostigen Nagel und legte ihn dem Patienten bei Zahnweh auf den kranken Zahn. Nach einer Weile kam der Nagel wieder in den Keller und wurde tief in einen Holzbalken geschlagen. Die Zahnschmerzen waren so ins Holz gebannt.
Die Raben: Es gab einmal das Buch von der Knodener Kunst. Manche sagen, es existiert noch heute, doch wo es liegt, das weiß keiner. Dieses Buch befand sich einstmals im Haus eines Knodener Bauern, der es - unvorsichtigerweise - auf dem Kammbrett hatte liegen lassen, als er aufs Feld ging. Da betrat ein Fremder die Stube, entdeckte das Buch und fing gleich an, darin zu lesen. Doch wie er so Zeile um Zeile der seltsamen Schrift vor sich hinsagte, da kamen Raben geflogen. Einer nach dem andern kamen sie aufs Fensterbrett geflogen und hüpften in die Stube, bis die ganz schwarz vor Raben war. Der Bauer auf dem Feld hörte den Lärm und schaute auf. Entsetzt sah er den Rabenschwarm, der sein Haus umkreiste. Er stürzte heim, eilte auf den Speicher und holte zunächst einen Topf Erbsen, die er den Vögeln hinstreute. Dann nahm er wortlos dem Fremden das Buch aus der Hand und begann, Zeile um Zeile rückwärts zu lesen. Mit jeder Zeile verließen mehr Raben die Stube, bis alle fort waren. Der Bauer aber klappte stumm das Buch zu und wies den Fremden des Weges.
Der Pferdeschädel: Auf dem Dachboden eines Bauernhauses in einem hochgelegenen Dorf lag ein uralter Pferdeschädel. Der lag dort schon seit Urgroßvaters Zeiten, und niemand wußte so recht, wozu er gut sein sollte. Eines Tages nahm ihn der Bauer mit in den Garten und vergrub ihn hinter der Scheune.
Doch von diesem Tag an polterte es nachts im Haus. Keine Nacht tat man nun noch ein Auge zu, und das Weibsvolk drohte bald aus dem Hause auszuziehen, wo es so unheimlich war. Niemand wußte den Grund für das Gepolter, aber als der Bauer den Pferdeschädel ausgrub und wieder an Ort und Stelle legte, da war plötzlich wieder Ruhe.
Vom Schatzsuchen mit dem Erdspiegel
In den langen Kriegszeiten, die immer wieder über den Odenwald hereinbrachen, wurde so manche Kostbarkeit vergraben, um sie vor dem Zugriff der marodierenden Truppen zu verbergen. Dies mögen im einen Fall ein Ringlein und ein irdenes Töpfchen gewesen sein, im andern Fall aber auch Truhen voller Gold- und Silberstücke - gerade was der Besitzer des Schatzes sein eigen nennen konnte. Und allzuoft kam es dann vor, daß der wahre Schatzeigentümer im Krieg erschlagen oder von Krankheit dahingerafft wurde, ehe er einem andern Menschen Mitteilung von seinem Schatz machen konnte oder wollte. So kam es, daß das Erdreich im Odenwald bis auf den heutigen Tag noch so manchen Schatz beherbergt, der nicht gehoben wurde. Denn der Vergräber suchte den Platz sorgfältig aus, und von alleine schreit kein Schatz
„Hier bin ich, grab mich aus!"
Professionelle Schatzsucher zogen darum Jahr für Jahr durch die Felder und Wälder auf der Suche nach geheimen Anzeichen. Doch meist - und auch heute noch - sind alle Bemühungen vergebens. Hier kommt nun wieder die Knodener Kunst ins Spiel: auch sie kennt nämlich ein besonderes Werkzeug zum Schatzsuchen, das in der alten Volkskunst überall bekannt war. Man nennt es Erdspiegel, und nur ein Sonntagskind konnte damit verborgene Dinge sehen. Der Erdspiegel ist ein Kästchen, in dem ein mit den heiligen Namen und noch ein paar weiteren beschriftetes Blatt Papier liegt. Zauberkräftig wurde er erst, wenn man ihn einer Leiche vor das Gesicht gehalten und eine Handvoll Erde unter die Papierscheibe gelegt hatte. Dann mußte das Sonntagskind her und gemeinsam mit den Schatzgräbern zur mitternächtlichen Stunde hinaus zu dem Ort, an dem ein Schatz vermutet wurde. Der Spiegelgucker hielt sich die geöffnete Zauberdose dicht vor die Augen, konzentrerte sich auf eine Vision von Erzgängen oder einem Schatz und deutete sodann auf die Stelle, wo man suchen mußte. Wie oft man damit Erfolg hatte, ist nicht überliefert, denn wer einen Schatz findet, der schweigt schön still.
Das Lindenfelser Schatzgräberbuch
In Lindenfels gibt es ein aus Knoden stammendes Schatzgräberbuch mit Anweisungen, wie die Elementargeister zur Herausgabe verborgener Schätze gezwungen werden können. Die Beschwörung war ziemlich umständlich und umfangreich, und sie endete mit der folgenden Anrufung:
„Und also befehle ich euch ihr Erdengeister, Pigmeas, Nymphen und Silven, anstatt Gottes des Allmächtigen Vaters, Ehi, Aser, Elion, Jehova, Adonai, Tetagrammaton, Esaera, daß Ihr diesen Schatz in die Höhe hebet aus der Erden"
Auch der Erdspiegel enthielt die Namen Gottes auf hebräisch und lateinisch sowie diverse alchimistische Symbole. Vermutlich hat sich die Volkskunst den Zauberspiegel von Bergleuten angeeignet, denn diese benutzten seit alters her einen Bergkompaß, der einem Kästchen glich, in das eine Glasscheibe mit einem darunterliegenden Zettel eingelassen war. Auf diesem Zettel standen die lateinischen und griechischen Windnamen, und zwar eingeteilt in 24 Grade. Die einfachen Menschen übernahmen diese Form und machten den Zauberspiegel daraus, der die heiligsten Namen in mehreren Sprachen sowie weitere geheimnisvolle Symbole enthielt, und der mit Magie animiert werden mußte. Am 11. September 1944 verbrannten bei der Bombardierung Darmstadts die meisten Dokumente und historischen Belege für die Knodener Kunst, auch die letzten noch existierenden Zauberspiegel wurden zerstört - bis auf einen, der ist heute im Museum in Michelstadt zu sehen.
Die weiße Frau: Konnte man mit dem Erdspiegel einen Schatz finden, so gab es auch noch andere Möglichkeiten. Wenn einem im Traum oder in der wirklichen Welt eine weiße Frau begegnet, ist höchste Aufmerksamkeit geboten. Eine weiße Frau erschien einmal in Gadernheim jeden Abend einem Bauern. Sie wollte jeden an der Hand nehmen und mit sich führen, aber keiner traute sich. Eines Abends kam die weiße Frau, und eine besonders mutige Magd dachte sich, sie müsse der Sache einmal auf den Grund gehen.
Die weiße Frau führte die Magd an einen Backofen, in dem war ein Loch. Und in diesem Loch fand die Magd einen Haufen Geld. Das Mädchen kaufte sich mit dem Geld frei, und die weiße Frau ward nimmermehr gesehen.
Aus Knoden stammt diese Erzählung, die während der Volksbefragung 1939 berichtet wurde: Jedes Jahr wurde der Todestag eines Verwandten in der Kirche gefeiert, und jedes Jahr erschien dem Urgroßvater auf dem Heimweg am Hoftor eine weiße Frau. Die war so hartnäckig, daß der Urgroßvater um sie herumgehen mußte, um in seinen Hof zu gelangen. Da verschwand die weiße Frau dann immer wieder. Eines Tages aber kamen Zigeuner auf den Hof und übernachteten dort. Sie waren schon weitergezogen, als der Urgroßvater am nächsten Morgen hinter der Scheune ein großes Loch entdeckte. Ein kupferner Kessel mit einigen Goldmünzen lag noch daneben, den Rest des verborgenen Schatzes hatten die Zigeuner mitgenommen. Die weiße Frau aber war von den Zigeunern erlöst worden und erschien nicht mehr.
Wie das Brauchen in den Menschen lebendig war
Zwei Dinge sind für das Brauchen unabdingbar: ein Patient, der fest an die übersinnliche Hilfe glaubt, und ein Mensch, der die Fähigkeit besitzt, intensiv auf den Patienten einzuwirken.
Vielfach wird das Brauchen heute mit Hypnose versucht zu erklären, es ist aber mehr. Es ist ein Geflecht aus Glauben und Ritualen, in dem das Wesen der früheren Bewohner fest verwoben war und das zum Überleben der ländlichen Bevölkerung in der Abgeschiedenheit notwendig war.
Das Brauchen wurde vom Mann auf die Tochter, von der Frau auf den Sohn vererbt. Beim Brauchen darf man nicht berufen, das bedeutet, man darf nicht darüber sprechen. Jede Reflexion über diese Tätigkeit stört den festen Glauben daran. Die Anrufung der drei höchsten Namen, also Gottvater, Gottsohn und Heiliger Geist, dagegen war unbedingt erforderlich, sollte das Brauchen von Erfolg gekrönt sein. Im Volksglauben war das Brauchen die positive Gegenkraft zu teuflischem Wirken, das mit Naturkatastrophen und Krankheiten den Menschen schaden wollte.
Die schwarze Spinne: Ein berühmtes literarisches Beispiel für das Brauchen oder auch Bannen ist „die schwarze Spinne“ von Jeremias Gotthelf: die Spinne, mit einem Zapfen in einem Astloch der Haustür gefangen, wurde von einem Neugierigen befreit und brachte Krankheit und Unheil über das ganze Dorf. So geschah es auch in Knoden, wo man Krankheiten in Baumlöcher bannte und zustopfte.
In Beedenkirchen passierte es einmal einem Bauern, daß das Brauchen nutzlos wurde: er hatte sich von einem klugen Mann den Rat geholt, gegen die Krankheit all seiner Tiere Gänsedreck, Saudreck und Teufelsdreck in ein Loch unter seiner Schwelle zu legen und einen hölzernen Pfropf darauf festzukeilen. Jeder Schlag treffe eine Hexe, deshalb solle er nicht allzuhart daraufschlagen. Als der Mann aber die Axt zum Schlag erhob, da rief seine Frau: „Um Gottes Willen, schlag sie nicht tot!“ Da war es ums Brauchen geschehen: aus dem Ofen kam ein höhnisches Gelächter, und von dem Tag an half kein Brauchen mehr: alles Vieh krepierte jämmerlich. Das geschah, wenn das Brauchen berufen wurde.
Viele Heimatforscher haben das Brauchen dokumentiert: allen voran Richard Matthes, aber auch schon die Gebrüder Grimm und Johannes Wilhelm Wolf sammelten die Sagen aus dem Odenwald. Zuletzt wurden Berichte darüber bekannt bei der Volksbefragung, die im Jahre 1939 durchgeführt wurde. Ihre Ergebnisse dienten allerdings leider anderen Zwecken als der Dokumentation alten echten Volkstums. Später begann die Mundartschriftstellerin Erika Pöschl, die alten Geschichten aufzuschreiben, solange sich die alten Leute noch an sie erinnern konnten. In vielen Berichten ist davon die Rede, daß die Wirkung des Brauchens mit eigenen Augen oder gar am eigenen Leib erfahren wurde.
Der Bitsche-Nickel: Die meisten Geschichten über die Knodener Kunst spielen zur Zeit des dreißigjährigen Krieges und der darauf folgenden Erbfolgekriege. Knoden war - im Gegensatz zum Tagelöhnerdorf Schannenbach - ein verhältnismäßig reiches Bauerndorf, das sich in völliger Abgeschiedenheit zum Knodener Kopf hinzog. Aus der Schweiz waren Zuwanderer gekommen und hatten sich hier niedergelassen, so auch die Familie des Bitschenickel (Nikolaus Bitsch). Vielleicht rührt die Knodener Kunst daher, daß die Schweizer auf ihrem beschwerlichen Weg in den Odenwald schon einiges von der Welt und den in ihr herrschenden Sitten gesehen hatten und so der Bedrängnis durch Truppen und Werber etwas entgegenzusetzen hatten. Tatsache jedenfalls ist, daß der Bitschenickel als Haupthexenmeister galt. Einst sagte der Pfarrer zu ihm, er möge doch ums Heil seiner Seele von dem höllischen Treiben ablassen.
Doch der Nickel sagte nur: „die Zauberei sitzt in der Maus meiner Hand und ist nicht mehr herauszuschaffen“.
Die Preußen hatten ihn schnell wegen seiner Körpergröße in ihr Heer aufgenommen und in die Festung gebracht. Eine Festung war wohl damals nicht nur dazu da, dem Feind zu trotzen, sondern auch um die eigenen Soldaten beieinander zu halten. Dem Bitschenickel gefiel es bald nicht mehr dort, und er desertierte. Da aber auch sein Kommandant ein bißchen zaubern konnte, führte ihn seine Flucht allnächtlich wieder vor die Festung. Erst beim dritten Versuch gelang ihm die Heimkehr nach Knoden. Daraufhin sprach ein Korporal mit sechs Mann beim Grafen von Schönberg um Erlaubnis vor, den Deserteur wieder einfangen zu dürfen. Der Graf versprach zwar zu helfen, warnte dann jedoch den Nickel.
Der aber meinte: „Laßt sie nur kommen, die Preußen, Herr Graf!“
Am Abend marschierte der Korporal in Knoden ein und holten den Nickel aus dem Bett. Bis zum Hohenstein ging er auch brav mit, dann aber drehte er sich um und sagte ganz ruhig: „So, jetzt habe ich euch weit genug begleitet. Ihr könnt hingehen, wo ihr hergekommen seid, aber ich will wieder in mein Bett.“ Und so sehr die Preußen auch dem Nickel hinterherwollten, sie mußten doch weitermarschieren und konnten nicht einmal den Kopf nach ihm umdrehen.
Wie der Bitsche-Nickel einst den Leibhaftigen gebannt hat... Dem Bitsche-Nickel gelang es sogar einmal, den Leibhaftigen zu bannen. Wie dies gelingen konnte, das hatte er in einem alten Zauberbuch gelesen, das er auf dem Speicher gefunden hatte. Dazu brauchte er eine Rolle Garn, die ein Waisenkind gesponnen hatte, und zwei stumpfe Besen. Das Waisenkind - gemeint ist ein Mädchen - durfte aber noch keinen Mann „gesehen“ haben (gesehen meint Geschlechtsverkehr), und auf das Garn durfte noch kein Tau gefallen sein.
Als er dieses Garn endlich hatte, ging er um Mitternacht aufs Feld, und zwar auf den Acker dieses Waisenmädchens. Dort spannte er im Viereck sein Garn, die Besen legte er in der Mitte über Kreuz zusammen. Dann bat er das Kind, drei gute Taten zu tun, und als dieses dem Wunsch ohne Murren entsprach, konnte der Zauber gelingen. Zunächst sollte das Mädchen die hungrigen Vögel füttern, dann einer bettelarmen Frau etwas Brot von ihrem eigenen abgeben, und schließlich den Rosmarin gießen, der sie an ihre verstorbene Mutter erinnern sollte. Alles wurde gut ausgeführt. Es dauerte nicht lang, da kam der Teufel im grünen Jägersrock mit einer roten Hahnenfeder auf dem Hut herangestapft. - Die Jägersleut waren den Dörflern nicht die Liebsten, kamen sie ihnen doch immer wieder beim Wildern in die Quere. Jedenfalls, unser Jäger hüpfte über das Garn und berührte die Besen, die sich sogleich in zwei Hexen verwandelten und lustig mit ihm herumtanzten. Der Bitsche-Nickel aber schritt beherzt auf den Teufel zu und schlug auf ihn ein. Dazu benutzte er die beiden Besen, in die sich die erschrockenen Hexen sogleich wieder verwandelt hatten. Als von den Besen nur noch Fetzen übrig waren, löste er das Garn, so daß der arme Teufel das Weite suchen konnte.
Hab mein Wagen vollgeladen... Ein anderes Kriegsereignis spielte sich ebenfalls hier im Wald ab: im dreißigjährigen Krieg zog wieder einmal ein marodierendes Heer - diesmal ein französisches - durch die Felder um Knoden und Schannenbach. Doch mit Hilfe der Knodener Kunst wurde der Trupp Mann für Mann am Ort festgebannt, so daß sich keiner mehr rühren konnte. Alsdann mußte der Korporal all die erbeuteten Habseligkeiten der Dorfbewohner wieder vom Wagen laden, und die Knodener ließen ihn erst ziehen, als alles abgeladen war.
Ein andermal verfuhr man nicht so gnädig: jeden einzelnen festgebannten Mann erschlugen die Knodener, und keiner konnte entkommen.
Seit diesem Tag ziert eine Inschrift den Triumphbogen zu Paris: „Hüte dich vor der Stadt Knoden - sie ist uneinnehmbar!"
Eine typische Medizin: Der Bitschenickel wurde auch bei Krankheiten zu Hilfe gerufen. So mußte er einmal nach Balkhausen zu einem Schwindsüchtigen. Man nannte die Krankheit auch Auszehrung. Aus seinem Zauberbuch las der Bitschenickel nun eine Beschwörungsformel, aber rückwärts. Sogleich erschien eine Rabenschar, und ein jeder Vogel trug eine Heilwurzel (e Haalworz) im Schnabel, aus der der Bitschenickel eine Salbe kochte. Die mußte der Kranke nun aber nicht auftragen, sondern vielmehr unter der Dachtraufe seines Hauses vergraben. Die Dachtraufe galt als magische Begrenzung des Hauses. Der Mann wurde gesund, sobald die Salbe eingedörrt war.
Ein anderer hat die Heilsalbe nicht sorgfältig genug vergraben, der Topf schaute halb aus dem Boden raus. Ein Kind zerrte ihn heraus und spielte damit, und es dauerte nicht lange, da war das Kind an der Auszehrung gestorben.
Dies ist typisch für das Brauchen: die Krankheit wird auf magische Weise aus dem Körper des Kranken gezogen und in ein symbolisches Gefäß gebannt. Auf unerklärliche Weise war sie dann wohl auch tatsächlich dort drinnen. Wer hier Parallelen zu Woodoozauber und Aborigine-Kulten sieht, der liegt nicht ganz falsch. Gerade in Naturvölkern sind solche Praktiken heute noch weit verbreitet und vor allem: sie wirken!
Der Preis für das Brauchen: Jede Dienstleistung hat natürlich ihren Preis, so auch das Brauchen. Ein Bauer bat einen Mann, der sehr gut gegen Viehkrankheiten brauchen konnte, um Hilfe bei der Heilung seines Stiers. Der Braucher untersuchte das Tier und stellte fest, daß es in der Nacht von jemandem verhext worden war. Er machte das Kreuzzeichen über den Stier, strich ihm sodann in der drei höchsten Namen dreimal mit der Hand über den Rücken und über den Bauch und sprach folgende Formel:
„Sind deine Schmerzen wie Messers Schneid,
will ich fahren mit der Hand dir um den Leib,
daß die Krankheit soll in drei Tagen so genesen,
als wärst du niemals krank gewesen.“
Vier Tage lang mußte der Mann seine Kunst anwenden, dann war der Stier gesund. Zur Vorsicht brachte der Braucher nun noch einen Zettel mit den drei höchsten Namen und drei Kreuzen an der Stalltür innen an. Dem Bauern berechnete er für diese Heilung inklusive Hexenprophylaxe einen Gulden und achtzig Kreuzer.
Der Struwel und der Schofnickel: das Wäwwern Der Struwel stammte aus Stettbach, doch wußte keiner so genau, woher er kam und was er trieb. Er tauchte auf und verschwand wieder, gerade wie es ihm paßte. Man wußte nur, daß er der Zauberei mächtig war. Er war es auch, der schließlich mit seinem Zauber dafür sorgte, daß der Spuk im Reichenbacher Gasthaus „Zur Riesensäule" ein Ende nahm. Dort nämlich polterte es mal im Keller, mal auf dem Dachboden, und in ganz windstillen Nächten schlugen die Türen zu und ein Wirbelwind fegte durch den Kamin. Der Wirt störte sich nicht zu sehr daran, aber seine Weibsleut drohten zu streiken. So war er gezwungen, seinen Wanderstock zu nehmen und den Kirchpfad hinauf nach Knoden zu steigen.
Der Knodener Schäfer mit Spitznamen Schofnickel konnte nämlich das „Wäwwern" bannen. Darunter verstand man ursprünglich: abends ohne erkenntlichen Zweck von Haus zu Haus gehen. Heute „spuken" meist die die Kinder spätabends im Nachthemd herum, weil sie nicht schlafen können. Damals aber, als die Lichtverhältnisse noch sehr schlecht waren, vermutete man hinter jeder nächtlichen Bewegung draußen vor dem Fenster etwas Unheimliches. Man sagte, die unglücklichen Seelen, die auf Erlösung warteten, müßten herumwäwwern.
Der Lampert-Wirt verpflichtete den Schofnickel, im Gasthaus zu schlafen und das Wäwwern zu bannen. Doch wie sich der Schäfer auch anstellte, er konnte das Poltern nur unterbinden solange er selbst im Haus schlief. Kaum war er wieder heimwärts gezogen, ging der Spuk von neuem los.
Als nun aber der Struwel eines Abends ins Wirtshaus kam und von der Geschichte hörte, meinte er, hier sei der Teufel im Spiel, und dem sei mit der Knodener Kunst nicht beizukommen. Da müßten andere Saiten aufgezogen werden. Zunächst einmal wollte sich der Struwel eine neue Schippe, einen neuen Besen mit sieben Ringen und noch allerlei besorgen. Mit all diesem begab er sich in der dritten Nacht auf den Kirchhof, denn er sagte, der Spuk habe mit einem Toten zu tun. Dann kehrte er ins Gasthaus zurück und schickte alle in die Küche, wo die Wirtsleute leise aber gespannt auf die Dinge lauschten, die sich nun begeben würden. Struwel, bewaffnet mit seinen Zauberhilfsmitteln, stieg auf den Dachboden. Die Leute in der Küche hörten ihn fegen. Schließlich tauchte er wieder in der Küche auf, stellte Schippe und Besen in die Ecke und zeigte eine Schnupftabaksdose vor. Dieses graue Pulver sei der Teufelsdreck, den er im ganzen Hause zusammengefegt habe. Den müsse er jetzt zur Mitternacht unter einer Buche im Felsbergwald vergraben, dann sei der Spuk vorbei. In vierzehn Tagen komme er seinen Lohn abholen. Der Spuk war tatsächlich vorbei, und die Wirtsleute hatten ihre Ruhe. Im Felsbergwald aber, nahe dem Lampertstein, steht eine Zwillingsbuche, unter der der Teufelsdreck wohl vergraben liegt. Noch heute ist es dort nicht ganz geheuer.
Hausgeister: Im Odenwald - wie im gesamten deutschen Volksglauben - gab oder gibt es noch die Hausgeister. Sie nehmen am liebsten die Gestalt eines Koboldes oder einer Katze an. Vorsicht aber: als Katze oder auch als anderes Getier traten die Hexen in Erscheinung, und die wollte niemand als Hausgeist beherbergen.
Man sagte: „do sitzt die schwazz Katz drin“, wenn plötzlich das Feuer im Ofen erlosch. Wurden die Hausgeister aber gut behandelt, so leisteten sie ihren Menschen oft treue Dienste. Hausgeister lieben Brot, Semmeln, Kuchen und Wein. Sie wagen sich aber nicht daran, wenn diese Sachen mit einem Kreuz versehen sind oder wenn Kümmel, Salz, Knoblauch, Anis oder Fenchel darin ist. Sie sind leicht reizbar und können dann auch sehr rachsüchtig sein. Meist aber sind sie zu Neckereien und harmlosen Späßen aufgelegt.
Ein volkstümliches Gedicht berichtet von den Kobolden, die auch als graues Männlein oder als Buckelzwerg mit spitzem Hut auftreten:
Das Lied vom Bucklisch Männche
Ich will der wos ferzäihle fon de olde Bäile: wonn se kaa Kadoffel hod, konn se kaane mäih schäihle.
Ich will dir was verzählen von der alten Bele: wenn sie keine Kartoffeln hat, kann sie keine mehr schälen.Gehd se in dä Kella, will Kardoffle hole, hockt ä bucklisch Männl do, hodd se alle gschtohle. Bugglisch Männl konnschd du schtehle – konnschd du aa Kartoffel scheele!
Geht sie in den Keller, will Kartoffeln holen, hockt ein buckliges Männlein da, hat sie alle gestohlen. - Buckliges Männlein, kannst du stehlen, kannst du auch Kartoffeln schälen.Gehd se in de Gaade, will die Blumme gieße, hockt ä bucklisch Männl do, fongt glei oo zu nieße. Bucklisch Männl konnschd du nieße – konnschd du aa die Blumme gieße!
Geht sie in den Garten, will die Blumen gießen, hockt ein buckliges Männlein da, fängt gleich an zu niesen. - Buckliges Männlein kannst du niesen, kannst du auch die Blumen gießen!
Dieses Necklied ist belegt in Schmal-Beerbach, Groß-Bieberau, an der Bergstraße und in Fränkisch-Crumbach, die Belege können bei Heinrich Tischner nachgelesen werden.
Wie wird man einen Hausgeist wieder los? Will man seinen Hausgeist unbedingt loswerden, so gibt es ein probates Mittel: man kehrt das Haus von oben bis unten aus. Dies mag der Grund sein, warum wir heute in unserer klinisch sauberen Welt alle niederen Arbeiten selbst verrichten müssen. Das Kehren hat im Volksglauben überall die Bedeutung, daß unliebsame Gespenster vertrieben werden.
Dinge mit ganz besonderer Bedeutung
Brot: Bestimmte Dinge im Haus hatten - wie das Kehren - ihre ganz besondere Bedeutung, so auch das Brot. Sowohl in der Bibel als auch im Volksglauben kommt dem Brot eine heilige Stellung zu. Viele Sprüche aus dem Volksmund bezeugen dies. Wer gerne Brotrinde ißt, den verläßt das Glück nie. Mit einem Stück Brot im Mund glaubte man vor Hundebiß sicher zu sein. Man fluchte nicht in Gegenwart des Brotes. Wer Brot schief schnitt hatte vorher gelogen. Wer Brotlaib oder Weck verkehrt auf den Tisch legt, läßt zu, daß böse Leute Macht über das Haus bekommen. Legt man das Brot mit dem Anschnitt zur Tür, entweicht das Glück aus dem Haus. Brot und Salz sollen beim Einzug in eine neue Wohnung nicht fehlen, damit sie auch künftig vorhanden sind. Brotwecken und Laibe darf man nicht im Ganzen verschenken oder verleihen, weil man sonst den Segen mit fortgibt. Deshalb muß man ein kleines Stück Brot abschneiden und selbst essen, oder aber das Brot wenigstens einwickeln. Man soll den Anschnitt keinem Fremden geben, weil dieser nach altem Brauch dem Hausvater gehört. Wurde am Silvesterabend das letzte Brot im Haus angeschnitten, dann ist zu befürchten, daß es im kommenden Jahr mangeln wird. Am Karfreitag gebackenes Brot soll seinen Essern die Seligkeit sichern. Wer aber angebissene Brotreste liegen läßt, die dann ein Hund frißt, der sollte den Verstand verlieren. Wer Getreide niedertritt, dem verschimmelt zu Hause das Brot.
Der Häiwisch: Unheimlich war es, wenn in der Dämmerung der Häiwisch flatterte und seinen markerschütternden Schrei ausstieß. Mit Häiwisch meinen die Leute hier den Habicht, auch Heerwisch oder Irrwicht genannt. Nach einer alten Sage stieß der Häiwisch einmal auf einen späten Wanderer herab, gerade als der endlich im Dunkeln seine Haustür erreicht hatte. Er hatte den Vogel verspottet. Hat man sich aber verirrt und ruft
„Häiwisch leicht!" (Habicht leuchte!) oder „Häiwisch leicht wie Hawwerstroh"
so kommt er und weist vorwegfliegend den Weg. Leider kann er Menschen auch in die Sümpfe führen. Wenn sich ein Häiwisch auf das Fuhrwerk setzt, können die Pferde es nicht mehr ziehen (welcher vernünftige Habicht würde sich schon auf ein belebtes Fuhrwerk setzen? Also müssen Pferde und Fuhrmann schon tot sein, das Fuhrwerk wird nicht mehr gezogen). Ein Mann aus Laudenau, ein wüster Zecher, sah eines Abends auf dem Heimritt zwei Häiwische und rief:
„Häiwisch leicht, ich geb Euch zwei Kreuzer dafür!“
Die beiden Lichter führten ihn auch sicher nach Hause, wollten dort jedoch ihre zwei Kreuzer in Empfang nehmen. Der Mann schlug ihnen die Tür vor der Nase zu und verriegelte alles. Die beiden Häiwische fingen an, gegen Türen und Fenster zu toben, und alle Ihresgleichen kamen heran um dabei zu helfen. Der Mann fürchtete, daß ihm das Haus über dem Kopf angesteckt werden würde, und reichte schließlich die beiden Kreuzer zaghaft zum Fensterritz hinaus. Da war auf einen Schlag Ruhe, und der Spuk war vorbei. Der Mann aber war von diesem Abend an ein grundsolider Ehemann, der abends brav zuhause blieb. Im Häiwisch konnte sich aber auch eine unglückliche Seele verbergen: so fuhr eines Abends ein Hambacher Bauer mit seinem Fuhrwerk voller Holz nach Hause, als sich ein Wagenrad löste. So konnte er nicht mehr weiterfahren, und in der Dunkelheit konnte er das Rad nicht reparieren. Da sah er in einiger Entfernung ein blaues Licht umherwäwwern. Kurz entschlossen rief der Bauer:
„komm her und leuchte mir!"
Das Licht erhörte die Bitte, und der Bauer konnte die verlorene Radschraube finden, so daß das Fuhrwerk wieder fahrbereit wurde. Der Bauer bedankte sich bei dem hilfreichen Geist mit den Worten:
„So, jetzt geh in Gottes Namen dorthin, wo du hergekommen bist."
Mit diesen Worten wurde der Bann gebrochen, der den Geist seit Hunderten Jahren festgehalten hatte:
„Hab Dank! Auf dieses Wort habe ich schon so lange gewartet, jetzt bin ich erlöst!"
Der Hockelmann oder Höhmann: Zwischen Breitenwiesen und Bensheim wäwwerte der Höhmann umher. Er ist ein großer starker Mann, der ungefähr zwei Fuß über dem Boden entlangschreitet. Sobald ihm jemand begegnet, springt er ihm auf den Buckel und reitet ihn, bis er zusammenbricht. Wem der Höhmann aufgesprungen ist, der lebt nicht mehr lang.
Hexen: Anders als Braucher sind Hexen boshafte Wesen und Gespielinnen des Teufels, die sich meist in Tiergestalt zeigen. Wird einem solchen Tier eine Verletzung zugefügt, so sieht man dieselbe am nächsten Tag an der entsprechenden Person. Hexen waren für das weitverbreitete Albdrücken verantwortlich, und sie praktizierten stets die schwarze Magie im Gegensatz zur weißen Magie des Brauchens. Auch alle Krankheiten des Viehs schrieb man den Hexen zu und behandelte sie mit der entsprechenden Medizin: zum Beispiel aus dem Knodener Zauberbuch oder aus dem sechsten und siebten Buch Moses.
Hexen vermutete man im Wirbelwind oder in Gestalt von Mücken. Frauen, die sich sträubten, mit Kümmel oder Koriander gewürztes Brot zu essen, galten als Hexen. Menschen mit buschigen Augenbrauen sagte man Beziehungen zu Hexen und Dämonen nach. Wer mit Hexen schlief oder es fertigbrachte, einer etwas Blut abzuzapfen, war gegen ihren Zauber gefeit.
Aber andererseits: wer sie zuerst ansah oder ansprach, sollte nicht behext werden können. Gefährlich ausgehen konnte eine Begegnung mit Hexen für denjenigen, der schmutzige Schuhe trug oder sich morgens die Hände nicht wusch. Stellte man einen Besen mit dem Stiel nach unten hinter die Tür oder hing ein Kleidungsstück hinter die Haustür, so war den Hexen der Eintritt verwehrt. An Stalltüren erfüllten eingelassene Ahornpfropfen diese Aufgabe. Man glaubte auch, daß Hexen durch Peitschenknallen vertrieben werden konnten.
Salz oder Kamille bei sich zu tragen oder aber einen Specht zu verzehren, sollte vor Behexung schützen. Lindenbäume waren angeblich eine besonders gute Hexenabwehr, weshalb man um ein Haus Linden pflanzte, in den Häusern Lindenzweige anbrachte und Amulette aus Lindenbast trug. Um sich vor Hexenzauber zu schützen, trug man zweierlei Strümpfe und Schuhe oder zog Strümpfe und Hemd verkehrt an.
Literatur zur Knodener Kunst
Das alte Buch von der Knodener Kunst, das einst in einem Knodener Bauernhaus war, und aus dem sowohl vorwärts als auch rückwärts Zaubersprüche zu lesen waren mit verschiedentlichsten Wirkungen, ist leider heute verschollen. Oder sein derzeitiger Besitzer verschweigt es der Welt, um Unheil zu verhüten.
Das sechste und siebte Buch Boses ist eine Sammlung traditioneller Bann- und Segenssprüche, die um 1800 entstanden ist. Diese Sammlung wurde immer wieder kopiert und fand in den ländlichen Haushalten eine weite Verbreitung als Brauchbuch. Dabei variierte ihr Inhalt je nach Abschreiber und nach Region, und es kam auch oft zu Verzerrungen des Originaltextes, so daß wir heute viel Unverständliches und Kurioses darin finden.
Johann Wilhelm Wolf, Volkskundler aus Jugenheim, veröffentlichte 1853 ein Buch über hessische Sagen, in dem auch über die Sagen um die Knodener Kunst berichtet wurde. Vermutlich waren es damals schon nichts mehr als Sagen. Vor Wolfs Niederschrift der Sagen gab es bereits ein Knodener Brauchbuch, das ein Odenwälder Professor im Jahre 1937 in Ober-Modau entdeckte. Darin gab es einiges über die Reiterbeschwörung zu lesen sowie einen Kugelsegen. Der Professor berichtete im Jahr 1937 darüber, und das war unser Glück. Das Buch selbst verbrannte nämlich 1944. Um die Sammlung und Bewahrung der alten Erzählungen haben sich viele verdient gemacht, wenn auch nicht immer klar ist, wer von wem übernommen hat und wo eigentlich die ursprüngliche Dokumentation einer Begebenheit zu lesen steht: Richard Matthes, Verfasser des Reichenbacher Heimatbuches und verschiedener Sammlungen mit Erzählungen über die Knodener Kunst und andere Sagen aus dem vorderen Odenwald.
Gerd Bauer, der uns die Geschichte und Sagenwelt Hessens auf unnachahmlich frische Art nahebringt: Geheimnisvolles Hessen, 1996.
Elisabeth Bräuer und Heinrich Metzendorf, Heinz Bormuth, Peter Assion und viele andere Heimatforscher, die in zahllosen Veröffentlichungen Odenwälder Brauchtum beschrieben haben.
Erika Pöschl, die zahlreiche Originalzeugnisse im Wortlaut der Gewährsleute gesammelt hat. Gretel Pfaff, Inge Weidmann und Elfriede Schnorr, die mir bei einem Treffen 2003 viel über die Kneereme Kunschd zu berichten wußten
Marieta Hiller