Wer ist er eigentlich, der Nikolaus? Ist er ein Guter oder ein Böser?
Wer kennt ihn nicht: „den großen Nikolas mit seinem großen Tintenfaß“ - der zur Strafe für ungehorsame Kinder im Struwwelpeter als Drohfigur auftritt. Generationen von Kindern wurden mit dem - heutzutage völlig ungeeigneten - Erziehungshilfsmittel von Dr. Heinrich Hoffmann geängstigt. Die unzerreißbare, ungekürzte farbige Volksausgabe steht wohl noch in jedem Bücherschrank, aber Angst vor dem Nikolaus hat heute keiner mehr.

Wie aber ist die Nikolausfigur entstanden?

Darüber gab vor einigen Jahren eine wunderschöne Ausstellung von Gerd J. Grein im Alten Rathaus in Lengfeld Auskunft. Hier erfährt man, daß es im 17. Jahrhundert die Schreckfigur des Kinderfressers gab. Denn eigentlich mußte ja niemand Angst vor dem heiligen Nikolaus haben, sondern vor seinem Begleiter: Knecht Ruprecht, andernorts auch der Krampus oder der Rauhe Percht genannt. Der Schwarz Mann steht für das Böse, das dem Guten zu dienen hat. Er soll die unartigen Kinder erschrecken, während die braven mit Nüssen und Zuckerwerk beschenkt werden. Knecht Ruprecht trägt auch die berüchtigte Rute, vor der sich die Kinder am meisten fürchten. Dabei gilt der Streich mit der Rute erst seit der Aufklärung als Strafe. Davor versprach die Berührung mit der Rute interessanterweise Glück und Segen. Da die Ruten meist aus knospenden Zweigen, so genannten Maien, gebunden waren, erinnerten sie an die immergrünen Kränze, die Schutz und Fruchtbarkeit versprachen. Durch die Berührung mit der Rute sollte sich die Lebenskraft auf die Personen übertragen.

Im 19. Jahrhundert entstand die Figur des Guten, des St. Nikolaus, aber nur in katholischen Gegenden, in Evangelischen war es der gute alte Mann. Und im Odenwald war er der Niklos: „Mimm große Dindefass kummd do de Niklos dene hinnenoh“. Auch diese Ausgabe des Struwwelpeter ist in Lengfeld zu entdecken.

Lautern: Der erste Christbaum wurde 1880 aufgestellt...

In Lautern übrigens, so konnte Gerd Grein verraten, wurde im Jahre 1880 der erste Christbaum aufgestellt, und zwar in der Wohnstube von Familie Krichbaum. Er steckte in einer halbierten Rübe, die als Fuß diente, war klein, aber hübsch mit Papiergirlanden geschmückt. Das ganze Dorf kam, um diesen Baum zu betrachten.
Was wir aber heutzutage aus Weihnachten gemacht haben, das  hat mit dem volkstümlichen Fest nicht mehr viel zu tun. Im August gibt es Schokoladennikoläuse, ab September kann man nicht mehr Fernsehen ohne von „come in and find out“ (zu deutsch komm rein und finde wieder raus...) Parfümchen belästigt zu werden.
Heinrich Böll warnte schon vor über 60 Jahren davor. In seiner Geschichte „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ haucht ganzjährig und unermüdlich, aber ungehört, ein Engel von der Christbaumspitze sein „Frieden Frieden Frieden“ in die absurde Welt des sozialen Werteverfalls.

Wer war der Nikolaus wirklich?

Über den historischen Nikolaus gibt es wenige belegte Tatsachen. Er lebte in Myra in Lykien, heute Demre, das ist ein kleiner Ort etwa 100 km südwestlich von Antalya in der heutigen Türkei. Im 4. Jahrhundert war es Bischofssitz. Geboren wurde Nikolaus zwischen 270 und 286 in Patara in Lykien. Die Sage berichtet, daß er, der Sohn reicher Eltern, sein ererbtes Vermögen unter den Armen verteilt habe.
Bischof Nikolaus lernt drei oströmische Feldherren kennen, die er zu sich nach Myra einlädt. Dort werden diese zu Zeugen, wie der Bischof drei unschuldig zum Tod Verurteilte vor der Hinrichtung bewahrt, indem er dem Scharfrichter das Schwert aus der Hand reißt. Zurück in Byzanz werden die drei Feldherren Opfer einer Intrige und selbst zum Tod verurteilt. Im Kerker erbitten sie die Hilfe des heiligen Nikolaus, der daraufhin dem Kaiser und dem Intriganten erscheint und im Falle der Hinrichtung erhebliche Konsequenzen ankündigt. Zutiefst erschrocken veranlasst der Kaiser die unverzügliche Freilassung der Feldherren. Eine andere Sage (bei Heiligen spricht man hier nicht von Sagen, sondern von Legenden): Nikolaus hilft mit drei Goldklumpen einem armen Mann und dessen Töchtern. Ein verarmter Mann beabsichtigt, seine drei Töchter zu Prostituierten zu machen, weil er sie mangels Mitgift nicht standesgemäß verheiraten kann. Nikolaus, noch nicht Bischof und gerade durch ein Erbe mit einem größeren Vermögen ausgestattet, erfährt von der Notlage und wirft in drei aufeinander folgenden Nächten je einen großen Goldklumpen durch das Fenster des Zimmers der drei Jungfrauen. In der dritten Nacht gelingt es dem Vater, ihn zu entdecken, ihn nach seinem Namen zu fragen und ihm dafür zu danken, dass nun die Mitgift für jede der Töchter gesichert ist. Aus dieser Legende entspringt die häufige ikonografische Darstellung mit drei goldenen Kugeln oder Äpfeln. So steht es in Wikipedia nachzulesen.

Die Odenwälder Weihnachtsfiguren und ihre Verwandten in der weiten Welt

Hier sind nun noch ein paar Anmerkungen von mir: in der Vorweihnachtszeit kamen das Christkindchen und der Belznickel (Rupprecht) und spielten good cop - bad cop. Das war seit dem 17. Jh. so. Das Christkindchen hatte einen Korb mit Gaben dabei und das Zuckerbäumchen. Der Belznickel hieß an manchen Orten auch Strohnickel, Belzmärtel oder Belzebock, was schon die Nähe zu Beelzebub = Teufel andeutet. In anderen Orten wurde das Christkindchen von Tieren begleitet: Bär, Esel und Bock als Teufelsverkörperungen, die aus der alten heidnischen Panverehrung herrühren. Diese Bräuche müssen also schon viel älter sein als der erste Beleg im 17. Jh.
Die Vorreformation (vor dem 16. Jh) brachte den Hl. Nikolaus zu Ehren. Seither wird auch er an manchen Orten vom Rupprecht begleitet.
Der Nikolaus wurde im Odenwald, wenn er überhaupt anstelle des Christkindchens die gute Seite verkörpern durfte, sehr unterschiedlich verkleidet: eigentlich kam es nur darauf an, daß das Gesicht nicht erkennbar war. Erst nach dem 2. Weltkrieg bekam er den roten Mantel mit weißem Pelzbesatz und seinen langen weißen Bart.
Bei Philipp Buxbaum (Bauernbrot, Bilder aus dem Odw. Volksleben, 1910) tauchen in derselben Geschichte Pelznickel, Knecht Rupprecht und Nikolaus in einer Gestalt auf, d.h. er beschreibt wie sich ein Verwandter in denselben verwandelt und nennt ihn dann während seiner Erzählung bei allen drei Namen.

Heinrich Tischner schreibt über den Hl. Nikolaus: "In katholischen Gegenden kann man heute noch erleben, dass Nikolaus nicht mit Kapuze, Sack und Rute, sondern im Bischofsornat mit dem Bischofsstab erscheint, oft in Begleitung eines Wesens namens Knecht Ruprecht, Krampus (Bayern, Österreich), Pelzmärtel (Schwaben), Pelznickel (Hessen). Der alte hessische Pelznickel war alles andere als ein Kinderfreund, eine furchterregende Gestalt, in Felle (Pelze) gehüllt, mit Ketten gefesselt, entsetzlichen Lärm machend, vor der man vor Angst unter den Küchentisch kroch. Den Namen Belznickel gibt es auch in den Vereinigten Staaten (pfälzisches Erbe), und bei Familien deutscher Herkunft in Brasilien, wo er Pelznickel heißt.Ich selbst kann mich noch gut an den "Nikolaus" meiner Kindheit entsinnen, bekleidet mit einem dicken Mantel aus Schaffellen, mit langem Bart, wie sich's gehört, aber mit Bischofsmütze und Bischofstab. Er machte dem Namen Pelznickel also alle Ehre: Bischof Nikolaus und bepelzter Popanz in einer Gestalt." Marieta Hiller

Der Nikolaus wurde zum Belznickel

In früheren Zeiten zogen im Dezember und Januar seltsame Gestalten durch die Dörfer, erschreckten oft die Kinder dort: aus dem guten Nikolaus wurde hier der Belznickel. Der Name erinnert an Pelz, denn in Pelz gehüllt waren hochgestellte Personen, oft auch Krieger. So auch der Begleiter Knecht Ruprecht. Ru kommt von rauh, was pelzig bedeutet. Doch im Odenwald wurde aus dem Belznickel schnell der Strohnickel, denn Stroh war einfach besser verfügbar als Pelz. In der Biedenkopfer Gegend wurde er zum Schuddenickel (Schudde = Schotenstroh), in der Rhön zum Herschekloas (Hersche = Hirse). Hier im Odenwald kannte man ihn auch als Bollebouz oder Storrnickel (von bollern = poltern, storren von stochern). Begleitet wurde der Nickel vom Bohlischbock und anderen Gestalten.

Aus: Karl-Heinz Mittenhuber, Wo der Rodensteiner durch die Lüfte braust - Merk- und Denkwürdiges aus dem Odenwald, Fränkisch-Crumbach 1992