Über den ersten Geometer Johann Wilhelm Grimm, der in den Jahren zwischen 1729 und 1750  die Fluren unserer Region vermessen hat, haben wir im Dezemberheft 2020 berichtet.
Hundert Jahre später erstellte ein anderer Vermesser Flurkarten von vielen einzelnen Orten im Odenwald: Philipp Buxbaum. 

Hier finden Sie seine Flurkarten sowie Auszüge aus seinem handschriftlichen Nachlaß, freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom Hessischen Landesarchiv Abteilung Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, Signatur HStAD O61. An dieser Stelle finden Sie nun jeden Monat eine weitere Flurkarte von Philipp Buxbaum.

Der Regierungsvermessungsrat in Michelstadt wurde hundert Jahre nach Grimms Tod im Jahr 1879 geboren. Seine Unterlagen gelangten 1960 in das Staatsarchiv Darmstadt. Im handschriftlichen Nachlaß finden sich Gewannkarten und eine  Übersicht über die Flurnamen und die Flurnamenforschung.
Während heute kaum jemand mehr weiß, warum der Hexenplatz so heißt, läßt sich das Flurstück anhand von Buxbaums Zeichnungen eindeutig lokalisieren: südlich der „Braad Haad“ (die Breidenhard) zieht sich das unförmige Gelände von der Gemeindegrenze zwischen Modautal und Lautertal nach Westen hin bis fast zur Verlängerung der Lauterner Jahnstraße.

 HStAD O61_buxbaum#1§19
Buxbaums Flurnamen verraten uns auch genau, wo das ausgegangene Dorf Atzenrod zwischen Beedenkirchen und Brandau an der heutigen K 69 gelegen hat.

Der Grenzverlauf entlang des alten Verbindungsweges von Gadernheim nach Allertshofen ist übrigens viel mehr als nur eine Gemeindegrenze: es ist auch die Grenze zwischen dem kurpfälzischen und dem hessischen Odenwald, einer sehr alten Grenze - und zugleich einer Sprachgrenze: „hoste biste gehste“ sagt man im fränkischen Brandau und „hoschde bischde gehschde“ im alemannischen Gadernheim.*

Was uns Flurnamen verraten...

Heute fallen uns Flurnamen meist nur auf, wenn wir auf einen Autobahnparkplatz fahren. Oder bei Straßennamen, zum Beispiel der "Ziegelhüttenweg" in Gadernheim oder "An der Ziegelhütte" in Ernsthofen.
Fluren wurden bereits bei Gründung der Dörfer und ihrer Bewirtschaftung aufgeteilt und benannt. Eine Flur besteht aus Gewannen, die wiederum mehrere Grundstücke (= Parzellen) beinhalten. Die Namen beziehen sich meist auf die Gewanne.  Häufig finden sich Flurnamen wie Hundertmorgen oder Achtzehnmorgen, oder Hinweise auf römische und fränkische Spuren. Ab ca.  1300 wurden auch
kleinräumigere Flurnamen erforderlich.

Und was der Begriff "Unterlagen" wirklich bedeutet...

Unter Grenzsteine wurden Unterlagen gelegt, als diese noch nicht durch Vermessung gesichert waren. Diese Unterlagen waren streng geheim und durften keinesfalls ausgegraben werden. So legten die Feldgeschworenen z.B. große Steine von den angrenzenden Äckern darunter, oder ein geprägtes Stück Metall. Diese Unterlagen belegten juristisch unanfechtbar, daß der Grenzstein korrekt  gesetzt wurde.

Etwas südöstlich vom Hexenplatz liegt das Flurstück „Am Hinkelstein“

Nur: wer jetzt nach uralten Spuren der Kelten sucht und gar mysteriöse Zusammenhänge zwischen Hexenplatz, Hinkelstein und heidnischen Bräuchen finden möchte, wird enttäuscht. Der Hinkelstein ist spätestens im Zuge der Flurbereinigung verschwunden. Richard Matthes berichtet in den Geschichtsblättern des Kreises Bergstraße Band 6 aus dem Jahr 1973 (das ist die Zeit kurz nach der Flurbereinigung**), daß vor 80 Jahren (also um 1890 herum) in Starkenburg noch über 20 Hinkelsteine zu finden waren. Der Langemarkstein zwischen Elmshausen und Reichenbach verschwand ebenso wie der Hinkelstein auf Brandauer Gemarkung. Lediglich der Straßenname „Am Langenmarkstein“ und die Flurbezeichnung „Am Hinkelstein“ erinnern noch daran, daß hier einst gewaltige Monolithe standen.
Der Brandauer Hinkelstein muß genau dort gestanden haben, wo noch bis in unsere Tage zwei Dreimärker in wenigen Metern Abstand die Grenzen zwischen Beedenkirchen-Brandau-Gadernheim sowie zwischen Brandau-Gadernheim-Lautern markieren. Er wird in der Grenzbeschreibung der „Basinsheimer marca“ (Bensheimer Mark) von 1417 als Grenzpunkt aufgeführt.

Exkurs: Warum der Hinkelstein Hinkelstein heißt...

Richard Matthes (1900-1985), Heimatforscher und Autor des Reichenbacher Heimatbuches, bietet eine ganz eigentümliche Erklärung an. Ob es sich dabei um einen Beitrag zum eierschweren Osterfest handelt oder um einen Aprilscherz? Falls es ein Aprilscherz ist, dann stammt er jedenfalls nicht aus unserer Redaktion. Jedenfalls schrieb Matthes in "Hinkelsteine in Starkenburg" (Geschichtsblätter des Kreises Bergstraße Band 6, 1973) Folgendes: bekannt ist ja, daß der Begriff „Unterlagen“ von der alten Sitte rührt, wichtige Dokumente unter Grenzsteinen einzugraben, wo sie bei Strafe nicht entfernt werden durften. So legte man Eierschalen (daher das Hinkel) unter die Steine.

Eine andere Erklärung hängt mit dem Begriff des Hünen zusammen. Gemeint sind Riesen, also sehr große Menschen. Dazu würde auch die Flurbezeichnung „Hühnerwald“ auf der Neunkircher Höhe passen. Das römische Kastell Hainhaus bei Vielbrunn und die Heunesäulen bei Miltenberg erhielten ebenfalls so ihren Namen...

Und jetzt: das rätselhafte »Reonga«

Ein dritter Ortsname neben Hexenplatz und Hinkelstein ist Reonga. Sowohl die Herkunft des Namens als auch die genaue Lage des Ortes sind bis heute rätselhaft.

Der alte Grenzweg zwischen Allertshofen und Gadernheim: hinten links die Kriegsgräberstätte, Bildmitte hinten: Hinkelstein (Reonga), rechts beim Wäldchen das Bäcker-Schneider-Kreuz

   

Links: Grenzstein am alten Grenzweg zwischen Allertshofen und Gadernheim, Mitte neues Bäcker-Schneider-Kreuz, rechts historisches Bäcker-Schneider-Kreuz - heute im Rathaus in Brandau zu sehen


Der in der Heppenheimer Markbeschreibung genannte Grenzpunkt wird heute auf der Wasserscheide zwischen Modau und Lauter mit dem Hinkelstein an der Grenze Beedenkirchen / Brandau lokalisiert (Kunz / Lorenz 1982). Ob es ein Personenname war (Reun oder Hreun), ist nur schwach belegbar, auch um einen Gewässernamen handelt es sich nicht, da die Endung *ahe fehlt. Daraus schließt man, daß es sich um einen hoch gelegenen Ort gehandelt haben muß. Der Doppelvokal eo könnte aber auf die althochdeutsche Schreibung (h)rêo zurückgehen, was ‚Leichnam‘ bedeutet. Somit würde der Name auf eine frühe Begräbnisstätte hinweisen (Südhessisches Flurnamenbuch).

Der Viermärker am Grenzpunkt zwischen Brandau, Gadernheim, Lautern und Beedenkirchen ist der vermutete Ort "Reonga"
Der massive Pfosten aus einer alten Eisenbahnschwelle markiert in etwa den Grenzpunkt - so Kunz und Lorenz („Der Grenzpunkt ‚Reonga‘ der Mark Heppenheim und die Gemarkung Beedenkirchen“ Geschichtsblätter des Kreises Bergstraße Band 15, 1982)

 

Der Grenzweg von Gadernheim nach Allertshofen, links Blick über den Viermärker Richtung Allertshofen, rechts Blick Richtung Gadernheim ("in der Schweiz"). Warum die Gadernheimer Straße "in der Schweiz" heißt lesen Sie übrigens hier: In Gadernheims Kneipen war es schöner als in der Schweiz

Exkurs zu Reonga: dieser geheimnisvolle Punkt in der Landschaft konnte bislang nicht eindeutig lokalisiert werden. Naheliegend ist aber, daß eine hoheitliche Markbeschreibung als Definition ihrer Grenzen gut sichtbare, markante Punkte wählte. Die Gemarkung wo man Reonga vermutet, heißt noch heute Hinkelstein, auch wenn jener längst verschwunden ist. Ich halte es für wahrscheinlich, daß die Markbeschreibung eine solche Landmarke in ihre Definition aufgenommen hätte, und daß es sich beim historischen Hinkelstein tatsächlich um die Landmarke Reonga handeln könnte.

Nun ist zwar der Hinkelstein nicht mehr da, aber wer suchet der findet: auf der Höhe auf dem Rücken zwischen Gadernheim und Brandau liegt ein kleines rundes Gebüsch aus Haselnuß und anderen wildaufgeschossenen Sträuchern und Bäumen. Umrundet man es, so hat man nach allen Seiten gute Aussicht: zum Zollhäuschen auf der Höhe zwischen Kolmbach und Gadernheim, ins Lautertal hinunter, weit ins Land um Beedenkirchen und Brandau herum. Bedenkt man, daß früher die Straßen nicht asphaltiert oder gepflastert waren, sondern staubige Wege, so konnte man von diesem Punkt aus Reiter, Fuhrwerke und Fußgänger frühzeitig an den Staubwolken erkennen. Im Inneren des Gebüsches sieht man einen Kreis geborstenen Felsgesteins - der Sockel des Hinkelsteins? Er war wohl einem Landwirt im Weg und wurde gesprengt oder weggeschlagen, oder es war ein Lausbubenstreich. Jedenfalls liegen die Bruchstücke kreisrund im Gebüsch, und man braucht nicht viel Fantasie, um auf den Bruchstücken einen Hinkelstein erstehen zu lassen, und den Hinkelstein mit der geheimnisvollen Landmarke Reonga zu verbinden...

Der grüne Punkt am alten Grenzweg oberhalb Gadernheims ist die von mir vermutete Stelle, wo einst der Hinkelstein stand und der Grenzpunkt Reonga lag.


Somit verläuft die alte Grenze zwischen Kurpfalz und Kurhessen vom Felsberg über die Wasserscheide zwischen Grauelbach und den im Atzenrod entspringenden Bächlein durch das Flurstück Linsenfeld bei Beedenkirch, am Atzenrod entlang zum Halsberg (Grenzpunkt Beedenkirchen - Allertshofen - Brandau), von dort nach Südosten zum Brenner Eck und zum Hinkelstein (Reonga), von dort weiter hinauf zur Neunkircher Höhe. Für den Hinkelstein als Ort Reonga spricht, daß man von diesem Viermärker sowohl den Felsberg als auch die Neunkircher Höhe gut sehen kann. Aber ich vermute daß Reonga auf einer Anhöhe in der Nähe lag...

 

Auf dieser Karte ist die Stelle mit einem roten Punkt markiert: hier ist ein Gebüsch, wie es oft über zusammengetragenen Steinhaufen wächst. Im Gebüsch liegen kreisförmig Felsbruchstücke, die sehr wohl einst einen größeren Monolithen gebildet haben könnten: den Hinkelstein. Für diese Stelle spricht außerdem, daß man von hier einen Rundumblick auf die Umgebung hat, von der Schleichhöhe oberhalb Winterkasten über das Häuschen außerhalb Kolmbachs, wo früher eine wichtige Zollstelle am Weinweg war, über Gadernheim, Heidenberg und den Einschnitt des Lautertales weiter zum Knorz, der Braad Haad, dem Steigerts und bis zum Silberberg bei Ober-Ramstadt. Im Winter kann man auch die Neunkircher Höhe sehen. Dieser Platz scheint mir ideal für eine Grenzbeobachtung, somit eine dauerhafte Markierung mit einem Hinkelstein. Diese Lage wird durch die Beschreibung Karl Glöckners bestätigt: daß es sich um einen hoch gelegenen Ort gehandelt haben muß.

 

 

Hessische Ortsnamen: oftmals sprechende Hinweise auf geografische oder wirtschaftliche Besonderheiten

Wilhelm Sturmfels gab 1910 die 2. Auflage von "Die Ortsnamen Hessens. Etymologisches Wörterbuch der Orts- Berg- und Flußnamen des Großherzogtums Hessen" heraus.
Ich stelle daraus die interessantesten Ortsnamen unserer Region vor:

Allertshofen, auch Allershofen, vom Personennamen Altrat und hof = Ursprung Hube.

Asbach: althochdeutsch Asp = Espe

Atzenrod: ausgegangenes Dorf zwischen Beedenkirchen und Brandau

Beedenkirchen: 1012 Betenkiricha, 1040 Bettenkircha, 1420 Badenkirchen = zur Kirche des Betto, Beto

Brandau: die Endung au entstand im 13. Jahrhundert aus aha = Wasser. 1346 Branda, 1544 Brandaw - das Dorf liegt an einem Quellflüßchen der Modau. Verwandt ist Brandau mit Brensbach: Brand, Brant ist ein vordeutscher Flußnamenstamm und bedeutet Bergwasser. Verwandt: Brente (Nebenfluß der fränkischen Saale), Brenz (nebenfluß der Donau), Brent (Nebenfluß der Themse).

Breitenwiesen: 1314 Breytenwiese, 1398 Breydenwiesen; althochdeutsch wisa = Wiese

Elmshausen: 1398 Elmshusen; Ursprung:  = zu den Häusern des Egilmar oder Almo; siehe auchder 1339 ersterwähnte Ort Elmshausen wurde in verschiedenen Dokumenten Elmshusen, Elmhusen, Elmeßhusen, Elmanßhusen, Elmeßhausen, Elmaßhusen, Elmeßhußen und schließlich im 16. Jahrhundert Ellmannshausen genannt, ab 1701 Elmanshausen.

Ernsthofen: zu den Höfen des Ernust

Gadernheim: 805 Gadero, 1512 Gadern = zum Heim des Gado oder Gadher

Grauelbach: ein um 1400 ausgegangenes Dorf von vier bis sechs Hofreiten zwischen Reichenbach und Beedenkirchen. 1477 muß hier noch ein einziges Haus gestanden haben. Die Flurnamen "Graulbach" und "in der Graulbach" haben sich jedoch erhalten. In der Flurkarte von Philipp Buxbaum ist zudem der alte Straßenverlauf von Beedenkirchen nach Reichenbach zu sehen: die moderne Doppel-S-Kurve gab es um früher nicht (siehe Kuralpe). Die alte Straße verlief direkt bergab und führte durch die Flur namens Graulbach bzw. Grauelbach auf Beedenkirchener und auf Reichenbacher Gebiet. Moderne topografische Karten benennen den Bach fälschlich mit Grautbach, das sollte jedoch Graulbach heißen. Der Bach entspringt im Flurstück "Gründenacker" und mündet in Reichenbach (Bangertsgasse) in die Lauter.
Zudem verläuft nördlich von Grauelbach die alte Grenze aus der Grenzbeschreibung der Heppenheimer Mark aus dem Lorscher Kodex, und direkt an der alten Straße gibt es eine Flur namens "Am alten Kreuz".
Westlich der Straße liegt die Flur "Am alten Garten", die auch in der Übersichts-Karte des Felsbergwaldes genannt wird.

Herchenrode: Neubruch (Rodung) des Herihho = Heer; 1392 Hirchinrode, 1398 Hirchinroden

Hohenstein und Borstein: der Porstein, auch Emporstein; "Berge bei Reichenbach i.O.: auf ihrer Höhe gewaltige nackte Quarzfelzen, die bei Verwitterung der sie umliegenden Steinmasse verschont blieben, gleich Burgen emporstehen"

Hunrode oder Haurod: ein vor 1400 ausgegangenes Dorf; eine hochgelegene Rodung südlich von Reichenbach zwischen Hohberg und Hahnenbusch

Hoxhohl: aus Hôheshole = Höhle, Hohlweg, hoch

Klein-Bieberau: Biberaha = Bieberwasser; 1318 Bibera, 1321 Bebera, 1326 Bibra, 1355 Bbera, 1398 Biberaw.

Knoden: Gnoden, 8. Jahrhundert Noto von Hnoto Chnodo, Ort des Hnoto, neudeutsch Knodt

Kuralpe: wo sich heute vom Hof Quattelbach  (aus Richtung Jugenheim kommend) die L 3101 in einer Doppel-S-Kurve bergan zieht, führte der Weg früher direkt bergauf, man erkennt den alten Straßenverlauf noch im Gelände. Hier lesen Sie, warum es für Pferdefuhrwerke günstiger war, wenn Straßen steile Stücke und Platz für Verschnaufpausen aufwiesen und warum das für Motorfahrzeuge ungünstig ist, so daß lange Schleifen gebaut wurden.

Lautern: 1012 Luddera - siehe auch Lauter (Itterbach) und Laudenau.

Lützelbach von Liuzzilihaha, Luthela, Lussela = zu dem kleinen Bach

Neunkirchen: 1227 Nuenkirchen, 1347 Nuwenkirchen, 1387 Nunkirchen von niuwi niwi = neu

Neutsch: 1419 Nitz, Nytz von Nides = dorf des Nid oder Nith; gotisch neidh. Möglicherweise Verstümmelung aus Neusitz.

Raidelbach: zum Bache des Raitilo, Raito; Oder: gotisch garaids, althochdeutsch reiti, altnordisch reid, mittelhochdeutsch reiten = ordnen, rechnen, bestimmen.

Reichenbach: 795 Reonga, 1012 Richinbach, mittelhochdeutsch rihe = Schlucht, Rinne. Die rätselhafte Bezeichnung Reonga konnte inzwischen an einem anderen Ort als Reichenbach verortet werden, und könnte die Namensherkunft von Schlucht, Rinne etwas mit dem "Reichenbacher Gold" zu tun haben? Das würde bedeuten, daß schon lange vor der Ersterwähnung 1012 an diesem Ort Quarzstein abgebaut wurde. Vielleicht ist mit Rinne und Schlucht aber auch das Felsenmeer gemeint? Fragen über Fragen...

Schannenbach: 1398 Schandenbach von althochdeutsch scamm, scam = klein, kurz

Schmal-Beerbach: 1318 Berebach, Berbach; von althochdeutsch bûr = kleine Bauern- oder Hirtenwohnung. Der Wortstamm ist in Mittelhochdeutsch für Vogelbauer zu finden. Ähnlich Beerfelden, Beerfurth

Staffel: von althochdeutsch staphan = hinaufsteigen; der Ort Staffel liegt am Aufstieg zur Kuralpe. Das Staffeler Kreuz ist die Flur wo sich heute die Kuralpe befindet (siehe auch dort). Hier kreuzen sich zwei alte Straßen: von Norden kommt die Hutzelstraße (siehe dort) und geht ostsüdöstlich weiter nach Beedenkirchen (heute Schlössergasse). Von Westen kommt der Weg von Hochstädten und geht weiter nach Staffel.

Webern: Wohnsitz des Wafari, Waifari

Wurzelbach: von althochdeutsch wurz = abgebrochener Baumstock

Odenwald: 8. Jhd. Odenwalt, Otenwald, 815 Odone-, Odenewalt; althochdeutsch odo walt = öder Wald, auch Einödwald "Jetzt jedenfalls hat die Benennung 'Einödwald' nur noch geschichtlichen Sinn; denn wer heute seine Berge durchwandert, wird bei der Fülle reicher Naturgenüsse, die sich ihm bieten, kaum recht begreifen, wie Öde und Leere ihnen in der Vorzeit den Namen leihen konnte." so Sturmfels.

Was hat Biblis mit der Bibel zu tun? Biblis hieß im 8. Jahrhundert Bibilos oder Bibibfloz. Mittellateinisch biblosus hieß "mit Binsen bewachsen"; die Bibel bekam ihren Namen biblion (=kleines Buch) von der phönizischen Hauptstadt Byblos, Hauptumschlagplatz für Bast. Aus Bast - oder auch aus Binsen - wurde Papyrus hergestellt, und darauf war die Urbibel geschrieben. An der Weschnitzmündung in den Rhein gibt es jede Menge stille Winkel mit Binsen.

Herrgottsbergskapelle: zwischen Beedenkirchen und Wurzelbach liegt die Flur Reiterweg an einer Kreuzung, wo ein alter Weg von West nach Ost kreuzt. Von einer ehemaligen Kapelle ist nichts mehr zu sehen.

Hutzelstraße: ursprünglich Hurzelstraße von hurzen, stoßen = Straße mit kleingeschlagenen Steinen, Schotter. Viel schöner als Sturmfels' Erklärung ist die hier: auf dieser Straße trugen früher die Hutzelweiber ihre 'Keize' voll gedörrtem Obst zum Markt. Hutzwiese wiederum kommt von der Wiese des Hizzo.

Itterbach, Eutersee: ein ganz alter Wortstamm für Gewässer, der sehr weitverbreitet ist. Lutra Gutra Jutra Eueraha; Lauter: Hlûtra, Lûtra, Lûter, lûttar, hlûttar = hell rein klar. Eiterbach (Euteraha) von ahd. adara = laufen, auch Aderbach, Aiternbach, Aitrach, Idar.

Laudenau: 1012 Lutteraha = zu dem lauten Wasser (hlût bedeutet im Althochdeutschen laut) - also im Unterschied zu Lautern, das am klaren Bach liegt...

Modau: 1382 Mudauwe, 1423 Modach von mittelhochdeutsch môt = Sumpf, Morast; siehe auch Mudau und englisch mud = Schlamm.

Stettbach kommt von Stiwich, althochdeutsch stioban = stäuben, stieben. Das weist auf einen Wasserfall hin.

 

Fortsetzung folgt...

  • Flurkarten der Dörfer des heutigen Modautal und Lautertal und vieles mehr wird im Jahrbuch 2023 erscheinen!

M. Hiller, im März 2021

Anmerkungen

* Grenzverlauf 795 n. Chr.
** Mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft  1957 beschlossen die sechs Mitgliedstaaten auch einen gemeinsamen Agrarmarkt, freien Marktzugang, Produktstandardisierungen und „Modernisierung der Agrarstrukturen“. So wurden Landschaftsbestandteile ausgeräumt für großflächige, industrielle Landnutzung

Literatur:

Philipp Buxbaum, Die Flurnamen von Starkenburg, 4 Bde. - HStDA o61
Rudolf Kunz und Hans Lorenz „Der Grenzpunkt ‚Reonga‘ der Mark Heppenheim und die Gemarkung Beedenkirchen“ Geschichtsblätter des Kreises Bergstraße Band 15, 1982
Quellen: Chronicon Laureshamense (MGH SS 21), S. 347
Glöckner, Codex Laureshamensis, Bd. 1, Nr. 6a S. 278–281
Übersetzt in: Minst, Lorscher Codex, Bd. 1, Nr. 6a, S. 58–59

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Wo lag das legendäre Reonga aus dem Lorscher Kodex?