Von den wunderlichen Blüten moderner Ernährungsideen

In der Steinzeit sorgten 98% der Menschen für die Ernährung aller. Heute ernähren 2% in der Landwirtschaft alle Menschen.
1850 gaben die Menschen 61% ihres Einkommens für Ernährung aus, 2013 nur noch 15,2 %.

Lehrer und Pfarrer mußten früher eine zusätzliche Landwirtschaftsausbildung absolvieren, damit sie ihre Kenntnisse zur Ernährung im Ernstfall an die Bevölkerung weitergeben konnten.
Heute wirft jeder Bundesbürger pro Jahr durchschnittlich 82kg Lebensmittel weg, weltweit sind das jährlich bis zu zwei Milliarden Tonnen. Das wäre genug, um drei Milliarden Menschen zu ernähren.

805 Millionen Menschen auf der Welt haben nicht genug zu essen, Tendenz fallend.

2015 hat man sich als globales Millenniumsziel gesetzt, die Zahl der Hungernden weltweit zu halbieren (Quelle: State of Food Inse-curity in the World, FAO 2014).

Aber einer von neun Menschen geht noch immer abends hungrig zu Bett.

Da muten die vielen Sonder-Eßgewohnheiten unserer satten Gesellschaft manchmal schon albern an: gegen vegetarische Ernährung ist nichts zu sagen, auch vegan kann noch akzeptiert werden (das dabei fehlende Vitamin B12 kann übrigens jahrelang als Depot im Körper gespeichert werden), über viele Varianten kann man lächeln.

Und gegen die Dürrapplerin der Nation mit ihrer Topmodel-Hysterie regt sich ja nun Widerstand, das Ideal der Hungerfigur unter Jugendlichen soll endlich verschwinden. Ein Viertel aller Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren in Deutschland haben schon einmal eine Diät gemacht.

Und jetzt kommt die Steinzeitdiät Paleo als neuer Ernährungstrend.

Viel Obst, Gemüse und mageres Fleisch, das klingt gut. In der Altsteinzeit gab es bei Familie Feuerstein & Co. mehr Eiweiß, weniger Fett und Kohlenhydrate. Fisch und Meeresfrüchte, Öle, Honig, Eier, Nüsse, Samen und frische Kräuter kamen bei den Jägern und Sammlern ebenfalls auf den Tisch, dagegen fast kein Salz, das war äußerst kostbar.

Getreide, Milchprodukte und Zucker gab es überhaupt nicht. Getreide und Milch kamen erst mit der Seßhaftwerdung des Menschen, mit Einführung von Viehzucht und Ackerbau vor rund 10.000 Jahren in Mode, Zucker war unbekannt.

Deshalb möchte auch die moderne Paläo-Diät auf Reis, Mais, Vollkorn von Weizen, Roggen oder Gerste und alle Erzeugnisse daraus wie Nudeln, Mehl und Müsli verzichten, auch Kartoffeln, Milch, Milchprodukte, Hülsenfrüchte wie Linsen oder Soja sollen nicht verzehrt werden.

Woher dann wichtige Mineral- und Ballaststoffe (Getreide) und Kalzium (Milchprodukte) kommen sollen, ist fraglich. Und wie wirkt sich der hohe Eiweißkonsum langfristig auf die Funktion von Niere und Leber aus?

In heutiger Vollwertkost steckt ein Eiweißanteil von ca. 20 Prozent der Gesamtenergie, die Paleo-Diät will diesen auf 32 bis 37 Prozent erhöhen.

Vernünftig dagegen klingt es, auf stark verarbeitete Lebensmittel wie Zucker zu verzichten. Je weiter ein Lebensmittel verarbeitet ist, desto weniger Vitalstoffe enthält es und wird zum Schluß als gefriergetrocknetes, mit E-Nummern aufgehübschtes, zerkochtes oder zermustes Nahrungsmittel zwar unseren Magen füllen, aber nicht für unsere Kraft und Gesundheit sorgen. Also: Wurzeln, Beeren, Nüsse und Pilze ja, aber in vernünftiger Ausgewogenheit. Lieber saisonal frische Lebensmittel, und ein Leben ohne Nudeln ist (um Loriots Zitat ein bißchen abzuwandeln) „denkbar, aber nicht erstrebenswert“.

Informationen zu anderen alternativen Ernährungsformen: www.was-wir-essen.de/gesund/alternative_ernaehrungsformen.php (M. Hiller, AID)

Woher kommt eigentlich Laktoseintoleranz?

Die Milchverträglichkeit ist für gewöhnlich bei Europäern untypisch. Normalerweise können Europäer auch nach dem Säuglingsalter Milch verdauen, ein Merkmal, das sich in nur wenigen Tausend Jahren in Mitteleuropa verbreitet hat, wie Untersuchungen der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz zeigen.

Eigentlich können Menschen Milch nur im Säuglingsalter vertragen. Im ersten Lebensjahr liegt das Enzym Laktase in ausreichenden Mengen vor, um den Milchzucker (Laktose) in der Muttermilch in verwertbare Zuckerarten aufzuspalten. Nach dem Abstillen wird das Enzym nur noch in geringen Mengen produziert, sodass reine Milch kaum noch verwertbar ist. So ist es auch heute noch in der ganzen Welt – mit Ausnahme von Europa und kleinen Bevölkerungsgruppen in Afrika. Dort haben die Menschen im Laufe der Evolution eine Milchverträglichkeit entwickelt.

Um die Hintergründe dafür zu verstehen, ist ein Blick in die frühe Menschheitsgeschichte notwendig. In der Jungsteinzeit kam es bei unseren Vorfahren in Mitteleuropa zu einer Genmutation, mit dem Ergebnis, dass sie das Enzym Laktase bis ins Erwachsenenalter bilden konnten (Laktasepersistenz). Wie schnell sich dieses Merkmal in der Bevölkerung verbreitet hat, war bislang unklar. Um dieser Frage nachzugehen, haben die Paläogenetiker das Erbgut in Knochen von Gefallenen der „Schlacht von Tollense“ untersucht, die etwa vor 3.200 Jahren im heutigen Mecklenburg-Vorpommern stattfand. Nur jeder achte Krieger hatte eine Genvariante, die die Spaltung von Milchzucker ermöglichte. Das ist sehr wenig, wenn man bedenkt, dass die Menschen zu dieser Zeit schon einige Tausend Jahre Landwirtschaft betrieben. Die ersten Hausrinder kamen vor ungefähr 8.000 Jahren nach Europa. Heute verfügen 90 Prozent der Europäer über eine Milchverträglichkeit. So hat sich die Fähigkeit in nur etwa 3.000 Jahren und im Laufe von rund 120 Menschengeneration sehr stark verbreitet. Das ist evolutionsgeschichtlich eine sehr kurze Zeit, erklären die Wissenschaftler im Fachjournal „Current Biology“.

Die kleine Gruppe, die Milch schon verdauen konnte, erlebte offenbar eine evolutionäre Erfolgsgeschichte. Sie bekamen mehr Kinder oder ihr Nachwuchs hatte bessere Überlebenschancen. Nach Einschätzung der Experten ist das entsprechende Gen das am stärksten positiv selektierte im ganzen menschlichen Genom. Die Gründe dafür sind noch nicht abschließend geklärt. Es wäre möglich, dass die Mich als energie- und nährstoffreiche, aber auch hygienische Flüssigkeit bei Nahrungsmangel das Überleben sicherte und vor allem die hohe Kindersterblichkeit nach dem Abstillen reduzierte.

Heike Kreutz, www.bzfe.de

Weitere Informationen: palaeogenetics-mainz.de/doi.org/10.1016/j.cub.2020.08.033

www.bzfe.de/inhalt/milch-6965.html

www.gesund-ins-leben.de/inhalt/stillen-29433.html

www.bzfe.de/ernaehrung/ernaehrungswissen/gesundheit/unvertraeglichkeiten-frei-von-im-trend/laktoseintoleranz/