Räuberbraten: von Kartoffel zu Kartoffel

Dieses Rezept ist kein urtypisches Odenwälder Rezept, aber es ist ein Beweis dafür, daß die Odenwälder Kochkultur im Laufe der Zeit auch von anderen Ländern beeinflußt wurde.
Der Räuberbraten wurde von Familie Fassinger aus Tschechien  mitgebracht und ist im Laufe der Zeit zu einem wahren Festtagsschmaus besonders für Feste und Veranstaltungen geworden.

Der Spruch "von Gadoffel zu Gadoffel" stammt vom Fellomezje in Reichenbach, dem alten Adam Schneider, der die kleine Metzgerei zwischen Rathaus und Apotheke hatte.

Da dieser Braten sein Aroma erst bei einer Menge von mindestens 10 Portionen richtig entfaltet, ist er besonders bei Großveranstaltungen im Lautertal bekannt geworden. Viele Vereine haben sich mittlerweile sogar Vorrichtungen gebaut, damit der Spieß nicht mehr von Hand gedreht werden muß.

Trotzdem ist die Zubereitung sehr aufwendig, da über die ganze Grillzeit von etwa zwei bis zweieinhalb Stunden jemand dabeibleiben muß, um das Papier mit Flüssigkeit zu begießen, damit es nicht reißt. Kenner der Vereinsszene sagen, gegen die Hitze würde der Braten am besten mit Bier abgelöscht.

Allerdings ist festzustellen, daß die größeren Mengen des Biers nicht immer dem Braten zugute kommen. So sollte der Braten auch nur in einer Gemeinschaft gedreht werden. Die große Hitze und das Löschen mit dem Bier machen dem einen oder andern doch schon zu schaffen.

Kartoffel-Exkurs: Räuberbraten wie er im Lautertal schmeckt
Man steckt abwechselnd pro Person auf einen Spieß:1 kleine Scheibe Kammsteak kräftig gewürzt, 1 Scheibe Kartoffel, 1 Scheibe Zwiebel, 1 Scheibe Dörrfleisch, 1 Scheibe Kammsteak und so weiter. Alles wird gut und fest in mehrere Lagen Pergamentpapier gewickelt, es gibt im Bäckereifachbedarf Bögen der Größe 70x100. Mit Wurstkordel gut umwickeln und nicht mehr hinlegen! Hängend aufbewahren, damit das Papier nicht durchweicht. Auf dem offenen Feuer etwa 90 Minuten drehen, nicht vergessen den Dreher gut mit Bier zu versorgen (als Schmiermittel und zum Löschen falls es brennt). Danach: wohl bekomms!

Kartoffeln

Nach Einführung der Kartoffel wurden witterungsbedingte Hungersnöte seltener. Der Kartoffelanbau verbreitete sich im 18. Jahrhundert zunächst zögernd. Dann aber zeigte es sich, daß der Odenwald durch Klima und Bodenbeschaffenheit ein hervorragendes Anbaugebiet für dieses Knollengewächs war. Die Kartoffel wird im Frühjahr gesteckt. Von ihr gibt es eine Redensart:

        Steckt ihr mich im April, kumm ich wann ich will,
        Steckt ihr mich im Mai, kumm ich glei.

Die Pflege der Kartoffelfelder war ohne Maschinen sehr zeitaufwendig. Die Kinder bekamen Kartoffelferien, um bei der Ernte zu helfen. Mit Hacken und Körben ging es aufs Feld und Reihe für Reihe wurde abgeerntet. Die großen Kartoffeln wurden in Säcke gefüllt, die kleinen wurden von den Kindern aufgelesen. War die Arbeit getan, setzte man sich auf umgestülpte Körbe oder auf den Boden und trank Malzkaffee. Dazu gab es Butterbrot mit Latwerge oder Schmierkäs. Abends wurde das Kartoffelkraut auf einen Haufen gebracht und angesteckt. Das war für die Kinder eine große Freude, sie brieten Kartoffeln im Feuer. Die Kartoffel wurde mit der Schale in die Asche gelegt und wenn sie ganz dunkel und gar waren erst herausgenommen. Die Schale wurde aufgebrochen und das Weiße der Kartoffel wurde herausgegessen. Für viele waren die Kartoffelferien ein ganz besonderes Erlebnis.

Im Odenwald war zeitweise die rote Kartoffel, die als besonders robust galt weit verbreitet. Erst in späteren Jahren wurde die weiße Kartoffel mehr und mehr eingesetzt. Das lag auch daran, daß man die Sorten stetig wechseln mußte, um den Boden nicht zu verbrauchen. So kam es schließlich auch, daß die rote Kartoffel immer weniger angebaut wurde. Erst in den letzten Jahren hat man sie wiederentdeckt und baut sie jetzt im Odenwald auch wieder häufiger an, zumals sie als festkochend und besonders schmackhaft gilt.

Der Stolz einer jeden Hausfrau war es, die Kartoffel immer abwechslungsreicher auf den Tisch zu bringen. So entstanden im Laufe der Jahre immer mehr Kartoffelrezepte.

Was der Hofarzt Dr. Klein anno 1754 über die Odenwälder und ihre geliebten Kartoffeln zu sagen hat, ist seit 2016 endlich auf Deutsch nachzulesen im Buch "...statt des Confekts fressen sie eine gute Portion Kartoffeln..." Sehr empfehlenswert, Auszüge finden Sie hier!

Himmel un Erd ist ein Gericht, das zwar überall gekocht wird, aber es ist so bekannt und so einfach, daß es sich kaum jemand aufgeschrieben hat.
Hier steht es trotzdem, für alle die, die es bisher nicht kannten: 1 Kilo Äpfel, Zucker, Zimt, 1 Topf Kartoffel, etwas Milch, Salz, Butter,Blutwurst, 1 Zwiebel. Äpfel schälen, mit einem Glas Wasser weichkochen. Mit dem Schneebesen verrühren und mit Zucker und Zimt abschmecken. Kartoffeln kochen, zerstampfen und mit Milch (oder Sahne), Salz und Butter zu einem Brei verrühren. Schmale Blutwurst in Scheiben schneiden und in Schmalz ausbacken. Über den Kartoffelbrei geben, mit goldgelb ausgebackenen Zwiebelringen garnieren. Den Apfelbrei ißt man dazu. Guten Appetit!

Kleines Wörterbuch für Kartoffelvariationen

Schnitz: Salzkartoffel
Gequellde: Pellkartoffel
Buddegadeffelchen: kleine Frühkartoffel, die in Butter geröstet werden.
Geräischde: Bratkartoffel
Rougeräischde: rohe Kartoffelstücke die  zusammen mit Zwiebel gedünstet werden

"Mer mache aus nix a noch ebbes": Resteverwertung: der Auflauf

Ein typisches Resteverwertungsessen ist das Kartoffelfleisch. In Mengen und Zutaten variabel, läßt es sich gut vorbereiten, wenn beispielsweise die ganze Familie aufs Feld muß. Morgens angekocht, kommt der fest eingewickelte Topf in die Kochkiste oder notfalls ins Bett und das Essen ist bis Mittags von alleine fertig. Obwohl solche "Rezepte" in jeder Familie täglich neu erfunden wurden und meist nur mündlich überliefert wurden, findet man im Dr. Oetker Schulkochbuch von 1936 dieses leckere Rezept. Das "Küchenwunder" Kochbuch stammt vom Felsberg, wo in den Gebäuden des heutigen Felsenmeer-Institutes ein Hotelbetrieb mit Restauration war. Das Haus wurde 1876 erbaut. Das gefundene Kochbuchexemplar, eines von vielen, die in den letzten Wochen in den Häusern hervorgekramt wurden, ist besonders nahrhaft. Man sieht ihm an, daß hingebungsvoll daraus gekocht worden ist.

Alte Kücheneinrichtung im Freilichtmuseum Gottersdorf