Ein bäuerliches Schlachtfest

Philipp Buxbaum erzählt: „In die Winterruhe fällt bei jedem ordentlichen Bauern das Schlachtfest, bei dem er seinem Hausgesinde, den Taglöhnern und ‘G’freind’ ein stattliches Mahl zu geben pflegt. So wird’s auch von alters her bei dem Lochbauern gehalten und dafür die Zeit zu Anfang Dezember gewählt. Diesmal wurden am Tage vor der Metzelsuppe drei Schweine und ein geltes Rind geschlachtet, um den Grundbestand der Fleischspeisen für ein ganzes Jahr zu liefern. Heute soll das Schlachtfest abgehalten werden.  ... Die Sine bringt eine mächtige Schüssel mit einer steifen Fleischsuppe, in der zahlreiche Markklößchen schwimmen. Zum Plaudern ist jetzt keine Zeit. ‘Gure!’ hört man von allen Seiten sagen, und dann vernimmt man nur noch das Geklapper der rudernden Löffel und das Schlürfen der wackeren Esser.  ... Im zweiten Gang wird ein saftiges Stück Rindfleisch mit Meerrettich aufgetragen. ... Jetzt bringt die stämmige Großmagd in einer übergroßen Schüssel einen wahren Berg dampfenden Sauerkrauts. Als Seitengänger dazu erscheint ein steifer Erbsenbrei. Die Tischgenossen häufen sich die Teller. Der Lochbauer schaut mit erheuchelter Verlegenheit auf seine Gäste und meint in seiner schalkhaften Weise: ‘Och Herr Järem, do hot jo die Köchin ‘s Flahsch im Sinn b’hoale! Äwwer sollt’s im Kraut stecke? Wuhl du emol, Schwoger!’  ...   Als eine zweite Schüssel mit Kraut aufgetragen wird, da legen sich dicke Tropfen auf Rauhmüllers aschfarbene Stirn, und er nestelt an seinem weiten Hosenbund. Sein verlangender Blick nach dieser Schüssel scheint sagen zu wollen: ‘Du oder ich - einer muß auf dem Verbandplatze bleiben!’ Wieder scharrt er ein mächtiges Stück Bauchlappen frei und legt sich einen ansehnlichen Ranken davon zu. .... Nach dem Sauerkraut kommt ein Schweinepfeffer mit Rippchen; auch diesem Gericht wird auf allen Seiten die größte Ehre erwiesen. An fünfter Stelle werden geschmorte Bratwürste mit Apfelbrei aufgetragen. ... Zum Schlusse gibt’s Schnittkräpfel. Sie sind in einer ungeheueren Schüssel hoch aufgeschichtet wie ein Scheiterhaufen, alle üppig aufgebläht und stark mit Zucker überstreut. ‘Die Kräpp’l misse aach schwimme!’ erklärt die Sine und stellt einen Kumpen mit Weintunke dazu. ... ‘N’Quetsche owwedruff schad’t nix, b’sunnersch bei dem fette Bauchlappe,’ unterbricht der Lochbauer das eingetretene Schweigen und holt aus dem Wandschrank den Schnapskrug hervor. Mit würdiger Opferhand füllt er ein Glas und läßt es reihum gehen - und noch einmal - und noch einmal... Während der Alte seine Gäste schmunzelnd zum Trinken mahnt, zapft der Jäijel ein Fäßchen mit selbstgekeltertem Apfelwein an, das auf der Wandbank steht.“                                                Philipp Buxbaum, Hauswirken 1906

De Ebbelwoi: Nationalgetränk der Odenwälder - aus gutem regionalem Streuobst...

Ein alter Kenner: Schnaps brennen im heimischen Keller; Foto G. Hogen

Die bäuerliche Speisekammer im Herbst...

Wilhelm Diehl berichtet aus alten Chroniken, was die bäuerliche Speisekammer (in der Zeit vor der Pest) im Herbst an Leckereien enthielt: „Im November versorget unser Herrgott den Gaden (die Speisekammer) mit mancherlei Vorrat in die Länge. Da gehet das Schlachten an, daß man abschläget das Mastvieh, als Ochsen, Kälber, Speckschweine, Eichelschweine. Da salzet man das Fleisch und leget es in Tonnen. Man hängt es dann wieder auf und dörret es im Rauch. Da richtet man zu neu geräuchert Schöpfenfleisch. Da wird auch der Gaden ausstaffieret mit Speckseiten, mit Schmeer und Mengsel, mit Schinken und Knackwürsten. Da pflegt man zu bereiten die großen Würste, Schweiswürste, Engelwürste, Leberwürste, Bratwürste. Da gehet an die Jagd von mancherlei Wildpret. Auch kommet es in diesem Monat, daß man schüttelt Eicheln und Kastanien. Da soll man Gott danken für die Gaben, daß er uns in diesem Monat so reichlich versorget mit so vielen und mancherlei Früchten.“

 

Hier wurde früher gespült; Freilichtmuseum Gottersdorf

Und hier in die andere Richtung entsorgt; Freilichtmuseum Gottersdorf


 

Das Gedicht vom Kirchenlampert

Es saßen beim Kirchenlampert
viel Gäste am Weihnachtstag.
Vergaßen bei Bier oder Weine
Des Alltags Sorgen und Plag.

Zwei Amerikaner saßen
Gemütlich und fröhlich dabei,
Die wollten auch einmal erleben,
Wie Weihnacht im Odenwald sei.

Sie kamen, wie sie erzählten,
Von Wiesbaden in die Berge hierher,
Und hatten die Rucksäck' gefüllet,
Mit Weihnachtsgaben schwer.

Orangen und Feigen und Nüsse,
Konfekt auch teilten sie aus,
Man glaubte der Weihnachtsmann selber,
Wär heute gekommen ins Haus.

Nun wurd es erst richtig heiter,
Die Stunden flogen vorbei,
Schnell schlug auch die Glocke “elfe”,
Da kam auch die Polizei.

Der Hüter der dörflichen Ordnung,
Er tat es wohl heute nicht gern,
Stand stramm an der Türe und kündet:
Feierabend meine Herrn.

Da horchten die zwei Amerikaner,
Und einer der Herren sprach:
Warum wünscht der Herr uns so spät noch
Vergnügte Feiertag?

Der Lampertswirt in Reichenbach, Gasthaus Zur Traube

Wer hat denn da von wem den dicken Bauch?

Wie Richard Matthes in seinen Bergsträßer und Odenwälder Anekdoten überliefert, soll der ziemlich beleibte Direktor der Deutschen Steinindustrie einst auf Neckereien seiner Stammtischbrüder zum Besten gegeben haben: „Besser, ich habe einen dicken Bauch von der ‘Franze Marie’, als die ‘Franze Marie’ hat einen dicken Bauch von mir.“

"Grad wird er rausgestreckt, der Bauch!"

Der Kirchenlampert und sein Bauch

Richard Matthes erzählt: „Ein eifriger Verfechter der Sache des Bahnbaus Bensheim-Lindenfels war der alte Kommerzienrat Wilhelm Euler in Bensheim.
Im Jahre 1905 war der Bahnbau wieder einmal in ein hoffnungsvolles Stadium getreten. Eine Kommission unter der Führung von Kommerzienrat Euler sollte beim Großherzog vorsprechen, um die Wünsche der Bevölkerung zum Ausdruck zu bringen. Es waren Vertreter der Industrie, des Gewerbes und der Landwirtschaft, darunter auch der bekannte Gastwirt Lampert aus Reichenbach, gemeinhin der „Kirchenlampert“ genannt. Der Tag der Audienz war herangekommen. In Bratenrock und Zylinder trafen sich die Mitglieder der Kommission am Bahnhof Bensheim. Euler musterte die ihm Anvertrauten mit kritischen Blicken, besichtigte den Anzug und gab Verhaltensmaßregeln. Alle schienen ihm in Ordnung bis auf den „Kirchenlampert“, dessen Bierbäuchlein recht vorwitzig aus dem Bratenrock hervorlugte. „Aber Herr Lampert“, meinte der Kommerzienrat, „wenn wir zur Audienz kommen, dann bitte ich, etwas mehr militärische Haltung einzunehmen, Bauch rein, Brust raus!“ Da meinte der Kirchen-lampert in bezug auf den schlechten Absatz der landwirtschaftlichen Erzeugnisse: „Grad werd er rausgestreckt, der Bauch, damit die Königliche Hoheit sieht, daß mir unsere Kartoffel selwert fresse müsse!“

 

 

Porcus late dendi wollensis, das milchgebende Wollschwein - oder auf gut Odenwälderisch: die Wollmilchsau
Schweinemuseum Stuttgart