Bürgermeister, Pfarrer, und Lehrer
Diese Respektspersonen forderten Ehrerbietigkeit und Freigebigkeit. Doch kaum jemand war davon überzeugt, daß der Himmel ihm gewogener wäre, wenn er den Pfarrer opulent bewirtete.
Man schuftete schwer den lieben langen Tag, und dann kam dieser "Kopfarbeiter" und fraß sich durch! Und so wurden die Gaben oft zwar mit einem Lächeln, aber eben einem falschen Lächeln gegeben.
Beim Lehrer war das anders: denn hier ging es nicht ums Seelenheil, sondern um die Bildung der Kinder. Schenkte man dem Lehrer etwas oder lud ihn zum Wandeltisch ein, so hoffte man auf eine gute Behandlung der eigenen Kinder im Unterricht.
Auch der Bürgermeister mußte stets ordentlich hofiert werden, denn so konnte es sein, daß eine Genehmigung schneller erteilt wurde oder ein Verbot vermieden wurde.
In den Familien im Odenwald aber sprach man früher meist nicht gut über die Obrigkeiten.
Was dem Bauern die Sau ist dem Pfarrer die Seel: Schweine hatten einen hohen Stellenwert im dörflichen Leben; so klagten die Pfarrer von der Kanzel, daß ihren Schäfchen „der ‘Säuversorger’ lieber sei als der ‘Seelenversorger’, der ‘Säuhirt’ lieber als der ‘Seelenhirt’, dieweilen sie auf ihre Säue mehr hielten als auf ihre Seelen und die Seelen ihrer Kinder."
Früher wurden die Schweine zur Waldmast bis nach Langwaden und Lichtenberg in die Eckern getrieben, wenn in einem Jahr einmal die Bucheckern nicht zur Mast reichten.
So schildert Pfarrer Walther in der Reichenbacher Chronik, daß am 1. Oktober 1614 die ‘Eckernschweine’ des ganzen Amtes Schönberg zur Mast auf den ‘Henckmantel’ (Hengmantel, Weiler bei Breitenbrunn im Odenwald) getrieben wurden. Sie blieben dort sechs Wochen, pro Stück mußte ein Reichsthaler (1 Reichsthaler = 1 1/2 Gulden) Mastgeld gezahlt werden.
Bauernaristokratie
Georg Volk beschreibt die Bauern so: " Es giebt Bauernfamilien im Odenwalde, deren Urahnen schon vor Jahrhunderten auf den Huben saßen. Mancher adelstolze Junker würde froh sein, wenn er so viele Ahnen nachzuweisen vermöchte, wie ein Odenwälder Hubenbauer. In diesen Familien haben sich auch die Überlieferungen fortgepflanzt, daß ihre Vorfahren stets freie Männer waren, Centmänner, die Waffen trugen und unter freiem Himmel Recht sprachen. Es sind Bauernaristokraten, die ihren Stolz haben, so gut wie andere Aristokraten. Das letzte Viertel des 19. Jahrunderts räumt rasch und immer rascher mit den noch vorhandenen Überresten einer patriarchalischen Zeit auf."
"Der echte Odenwälder glaubt nur dem, der seit Jahren bewiesen hat, daß er streng wahrheitsliebend ist. In seinem Handwerk und bei seinem Ackerbau hält er am Alten fest, bis durch mehrjährige Ergebnisse nachgewiesen wird, das das Neue thatsächlich besser ist als das Alte. Dann folgt er schnell. Versuche und Proben macht er nicht."