Leckermäulchen haben Glück gehabt: Landfrauenkuchen dürfen bleiben! Wer sich bei Veranstaltungen am liebsten durch die Kuchentheke fräst, weiß die Kunst der Landfrauen zu schätzen. Im Dezember 2014 kam die neue Verpflichtung zur Allergen-Kennzeichnung von „loser Ware“ gemäß der EU-Lebensmittelinformationsverordnung, die die Gastronomen in den letzten Wochen zur Verzweiflung trieb. Seitdem haben normale Gasthaus-Speisekarten fünf Seite Speisenangebot und zehn Seiten Erläuterungen.

Ob der gemütlichen familiengeführten Wirtschaft damit geholfen ist, weiß ich nicht. Hier spricht man noch miteinander, Gast und Wirt, da braucht es keine meterlangen Listen mit möglicherweise schädlichen Inhaltsstoffen.

Ich weiß daß Schnitzel Schweinefleisch enthält und daß im Bier Alkohol drin ist. Ich kann auch für mich entscheiden, was für mich gesund ist und was nicht. Und ist Spaß und Genuß nicht ein wichtiger Baustein fürs Wohlbefinden? Bausteine selbst müssen ja nicht unbedingt gesund sein, aber insgesamt führt Wohlbefinden zu mehr Gesundheit.

Es gibt in Hessen nur noch 1800 Gasthäuser und Dorfkneipen. 

Vor 13 Jahren hatten wir noch 3000 Betriebe. Bis 2020 seien von den 1800 nochmals 700 Gaststätten verschwunden, fürchtet der DEHOGA. Mag sein, daß es zum großen Teil dran liegt, daß wir nicht mehr so gesellig sind und lieber auf dem Handy rumdaddeln anstatt miteinander zu sprechen. Aber auch die Bestimmungen und Verordnungen scheinen oft eher für die großen Ketten maßgeschneidert zu sein als für die familiengeführte Einzelgastronomie. Oft sind die Hürden bei Übernahme durch die nächste Generation so hoch, daß man die Wirtschaft lieber schließt. Oder zu unbezahlbaren Preisen an Pächter vergibt, die dann höchstens ein Jahr aushalten.

Aber hört man vom DEHOGA offizielles Geschrei zur LMIV (wieder so ein fantastisches Vierbuchstabenwort)? Die Allergikerspeisekarte kam doch eher still und heimlich - es sei denn, man unterhält sich mit seinem Wirt, zum Beispiel bei einer Diskussion darüber, daß Salat mit Speckwürfelchen nicht wirklich vegetarisch ist.

Miteinander reden ist nach dem Genießen das Wichtigste fürs Wohlbefinden!

Noch ein weiterer Punkt, der die Kleinen benachteiligt und den Großen - und auch der Politik - schlicht egal ist, ist der Müll. Autobahnauffahrten, Parkplätze und Waldränder sehen aus wie eine Müllkippe, überall fliegt mit „goldenen Bögen“ Bedrucktes rum. Schön, daß McDoof & Co. soviel Geld an Spülkräften sparen kann und den McAbripp so billig verkauft, aber sollten die Ketten  dafür nicht die Entsorgung ihrer Einwegverpackungen aus der Landschaft bezahlen müssen?

Ich habe ein gutes Rezept dagegen: ich esse am liebsten in einem Gasthaus, wo mir leckeres Essen auf richtigen Tellern serviert wird, und wenns mal billig sein muß, dann tuts auch ein Apfel und ein Ei daheim...

Zurück zu den Landfrauen: sie müssen das ganze Brimborium, das bei Abgabe unverpackter Ware veranstaltet werden muß, nicht mitmachen. Da sie nur „gelegentlich damit umgehen“, muß auf Zutaten, die Allergien oder Unverträglichkeiten auslösen können, nicht hingewiesen werden.

Privatpersonen bei Wohltätigkeitsveranstaltungen oder auf Märkten und Zusammenkünften auf lokaler Ebene sind in Hessen von der Verordnung befreit. Was aber ist mit den Gastwirten mit ihrem Vierzehnstundentag? Sie haben jetzt keine Speisekarten mehr, sondern Speisebücher - und das obwohl jeder, der an einer  Allergie oder einer Lebensmittelunverträglichkeit leidet, zu seiner eigenen Sicherheit lieber nochmal nachfragt.

Natürlich ist die Kennzeichnung für Betroffene eine große Hilfe, aber ein Gespräch mit dem Wirt des Vertrauens hilft mehr. Und was ich beim Einkauf von deklarierter verpackter Ware so alles untergejubelt bekommen kann, das würde mir wohl kein Wirt auf den Teller zaubern. Ein einfacher Aushang, daß Betroffene zu ihrer Sicherheit beim Bestellen nachfragen sollten, hätte da auch genügt.

Und es ist eine ausgesprochen gute Idee, die Rezepte für die guten Landfrauenkuchen offen auszulegen - nicht nur für Allergiker. (M. Hiller, März 2015)