250 Wörter kennt das Südhessische Wörterbuch für das Wortfeld „Betrinken, Betrunken sein“.
Das erläuterte Dr. Roland Mulch* bei einem Vortrag des Breubergbundes 2016. Verschiedene Gefühlszustände wie Spott, Ärger, Freude oder Heiterkeit führten zu veschiedenen Begriffen: so ist der „Affe“ ein Symbol für Heiterkeit. Die „Volleule“ zielt auf die meist nächtlichen Aktivitäten des Trinkers ab, der „Dachs“ hält danach einen langen Winterschlaf, zudem gibt es noch den „Horndachs“ - ist er vielleicht verwandt mit dem Hornochsen? Als „Hummel“ oder „Spitz“ werden Trunkenbolde ebenfalls bezeichnet.
„Er hats Tier“ umschreibt die Situation eines Quartalsäufers, manchmal auch als „die Duur“ (die Tour) zu hören. Als „Dusel“ bezeichnet man Kinder und eben auch Betrunkene, weil sie meist Glück (=Dusel) haben. Als „Tran“ wird ein kleiner Hochprozenter benannt, dieser Ausdruck kann aber auch für Schuhwichse verwendet werden, die ja aus Pech hergestellt wurde, bevor die Petrolindustrie andere Verfahren entwickelte. Und Pech ist ein Produkt, das bei der Köhlerei entsteht. „Picheln“ dagegen läßt sich wieder eindeutig dem Trinken zuordnen, ist aber noch klar als verwandt zum Pech zu erkennen.
„Es Schnutsche dunke“ oder die „Lewwer uff de Sommerseit hawwe“, „zu tief ins Glas geguckt hawwe“, „sternhagelblau soi“ und sich eins „hinter die Binde gekippt hawwe“ sind weitere anschauliche Umschreibungen. Bei Handwerkern spricht man von „einen anstreichen“ oder „einseifen“, wenn jemand betrunken gemacht wird.
Ein sehr alter Ausdruck aus dem 16. Jahrhundert ist „über die Schnur hauen“. Ursprünglich meint dieser Ausdruck das Zuschlagen eines Balkens mit dem Beil. Der Zimmermann spannte am Rohholz eine Schnur, entlang welcher er den Balken rechteckig zurechtschlug. Wer über die Schnur schlug bzw. haute, war vielleicht auch nur betrunken, „en Feichtlabbe“ - wie so einer im Datterich genannt wird. Der hat „geledert“ oder „geleimt“ - wieder Handwerkerbegriffe.
Viele Wörter stammen auch aus dem militärischen Bereich: „voll wie e Kanon“, wahlweise auch „wie e Strandkanon“ oder „e Strandhaubitz“, „er hott’s Kanönche gelade“, „is stechgranatenvoll“, „er hat en Schwed“.
„Hick“, „Hieb“, „Hormel“, „Duft“ (Dunst), „Schlag“, und „en Sturm so hoch wie e Haus“ kommen ebenfalls häufig vor im Südhessischen.
„Er verträgt en Stiwwel“: im 16. Jahrhundert verwendete man lederne Weinflaschen, die als Stiefel bezeichnet wurden.
*Dr. Roland Mulch ist Germanist und Herausgeber des Südhessischen Wörter-buches, das 1925 durch die Historische Kommission für Hessen angeregt und zu-nächst von Friedrich Maurer, später von Rudolf Mulch und jetzt von seinem Sohn Roland Mulch betreut wird.
April 2017, M. Hiller