»Heute back ich, morgen brau ich«
so tanzte Rumpelstilzchen vergnügt ums Feuer, und übermorgen holte er sich dann des Königs Tochter. Nun: was für heute und morgen gilt, gehört ins Reich der Wirklichkeit, übermorgen dagegen dürfte schwierig werden und gehört ins Märchenland.
Wo gebacken wird, geht zuvor der Teig. Gemahlenes Getreide wird mit Wasser vermengt und dann geschieht etwas Märchenhaftes! Der Teig geht auf. Dafür sind wilde Hefen verantwortlich, die durch die Luft schwirren und frisch angesetzten Brotteig lieben! Doch schon seit vielen Generationen kennen unsere Bäcker Zuchthefe, denn manche wilde Hefe brachte üble Nebenerscheinungen mit sich.
Der Hefezüchter wurde im Mittelalter ein eigener Beruf: so entstand der Familienname Hefner, Häffner, Häfner. Und noch etwas ganz Spannendes: wo Brot gebacken wird, läßt sich anderntags gut Bier brauen! Denn die Backhefe schwirrt - wie die wilden Hefen - auch gern durch die Luft und "inspiriert" so den Brausud. So war es ganz normal, daß der Bäcker zugleich auch Brauer war und daß Bäckerei und Brauerei in benachbarten Häusern lagen.
Beide - Brauerei und Bäckerei - waren notwendig angewiesen nicht nur auf gute Hefe, sondern vor allem auch auf den Müller. Zum Bierbrauen braucht man Gerste, fürs Brotbacken Weizen und Roggen, und dann gibt es da noch die schmackhaften gesunden Getreidearten Dinkel, Einkorn und Emmer.
Dinkel, Emmer und Einkorn: Nibelungenkorn!
Sie sind Urgetreidearten und wurden schon vor tausenden von Jahren angebaut. Seit 2016 endlich sind sie auch in Südhessen wieder im Anbau, so daß wir einheimische Urgetreide kaufen können. Über mehrere Jahre untersuchten Wissenschaftler diese Sorten und fanden heraus, daß sie sehr gesund sind.
Aber für den Landwirt sind sie eine Herausforderung: heutiges Getreide wurde gezielt niedrig gezüchtet, mit kurzem Halm. So bleiben die Ähren besser stehen bei Starkregen oder Sturm. Emmer und Einkorn aber sind urtümlich, mit hohem Halm, sie wachsen sehr schnell und hoch. Dadurch legt sich das Getreide bei Unwetter gern hin und läßt sich dann nur noch in mühsamer Handarbeit ernten. Außerdem sind die Körner von Emmer, Einkorn und Dinkel fest mit ihrer Schale verwachsen und die Mühle braucht Spezialwerkzeuge, um die Schalen zu entfernen. Aber so ist der innenliegende Getreidekern zugleich besser vor Pilzbefall geschützt. Dafür benötigen diese Sorten nicht soviel Dünger wie die gängigen Getreidesorten. Insgesamt bringen die drei Urtypen daher geringeren Ertrag, trotzdem taten sich Landwirte, Müller, Bäcker und die Wasserschutzberatung (AGGL) in Südhessen zusammen, um diese Urgetreidearten wiederzubeleben.
Sie hatten auch ganz schnell einen wundervollen Namen dafür gefunden: Nibelungenkorn! Das Nibelungenkorn ist also Urgetreide, das kontrolliert und regional angebaut wird, nachhaltig und umweltschonend zu einem hochwertigen Produkt wird. Für ihr Nibelungenkorn erhalten Landwirtschaft, Müller und Bäckerhandwerk eine angemessene Vergütung. Wer die Urtypen mal ausprobieren möchte: es gibt leckere Rezepte für Plätzchen und für Früchtebrot!
Früchtebrot: Die biblischen Früchte Feige und Dattel ergeben eine wunderbare Grundlage für aromatisches Früchtebrot, das in einer luftdichten Dose lange aufbewahrt werden kann und - in kleine Würfel geschnitten - ein superleckeres nahrhaftes Konfekt für zwischendurch ergibt. Dazu braucht man 200 g Vollkornmehl, Dinkel geht sehr gut 2 TL gestr. Backpulver, 4 Eier, 2 TL Zimt, 150 g Honig, 150 g gehackte Haselnüsse oder Mandeln, und insgesamt 600 g Trockenobst: Datteln, Feigen, Apfelringe, Aprikosen, Zwetschgen. Alle Zutaten müssen zimmerwarm sein.
Wer keine Feigen und Datteln hat, der nimmt alles an Dörrobst was verfügbar ist. Abrunden kann man den Teig mit Vanillezucker oder Rum. Zuerst rührt man Eier und Honig schaumig, gibt das frischgemahlene Mehl mit Backpulver, Nußmehl und Zimt dazu und die kleingeschnittenen Früchte (Würfel von 1cm sind ausreichend). Dann alles in einer gefetteten Kastenform bei 160°C ca. 1 Std.* backen, gleich aus der Form nehmen, auskühlen lassen und in luftdichte Dose packen. Am nächsten Tag können mundgerechte Konfektwürfel daraus geschnitten werden. Das Ganze dauert ohne Backzeit eine halbe Stunde und das Früchtebrot hält sich wochenlang - wenn es nicht vorher aufgefuttert wurde!
*Die Backzeit ist je nach Backofenart sehr unterschiedlich. Die Nadelprobe hilft: lieber 5-10 Minuten kürzer backen und dann eine Stricknadel in den Kuchen stecken. Wenn keine Krümel mehr dranhängen bleiben, ist der Kuchen fertig. Wird er zu stark dunkel, muß die Temperatur heruntergesetzt werden. Aber durch den Zimt ist der Teig ohnehin schon dunkel. Also Ausprobieren!
Rezept: M. Hiller, von meinen Freunden aus Syrien als "GUT GUT GUT!" bezeichnet...
Leckere Plätzchen, Kekse, Dauergebäck aus alten Getreidesorten
Früher wurden im Dezember Plätzchen gebacken, um sie als haltbares Gebäck den Tagelöhnern und Mägden mit auf den Weg geben zu können, wenn diese um Weihnachten herum das Haus verließen und sich neue Arbeit suchten.
Emmer-Zöpfe: 1 kg Emmer-Mehl 30 g frische Hefe 2 TL Zucker 3 TL Salz 150 g Butter 600 ml kalte Milch 3 Eier
Mehl und Hefe mit Zucker und Salz vermischen, verflüssigte Butter mit der zimmerwarmen Milch und 2 Eigelb dazugeben und gut verkneten, bis ein weicher feiner Teich entsteht. 1,5 Stunden bei Zimmertemperatur aufs Doppelte aufgehen lassen. Dann zwei Zöpfe flechten, aufs Backblech legen und mit Ei bestreichen. Noch eine halbe Stunde kalt stellen und währenddessen den Backofen auf 220°C vorheizen. Die noch einmal mit Ei bestrichenen Zöpfe jetzt bei 190°C ca. 45 Minuten backen.*
Korinthen-Mandel-Plätzchen: 100 g Korinthen 1 EL Rum oder Zitronensaft 140 g Margarine oder Butter 1 Ei 80 g Vollrohrzucker 100 g gemahlene Mandeln 1/4 Teelöffel Vanille 300 g Einkorn-Vollkornmehl 1 TL Backpulver
Korinthen mit Rum beträufeln (meine Schwiegermutter legte sie drei Tage in Rum ein! Die Wirkung ist unvergleichlich...); Margarine, Ei und Vollrohrzucker verrühren, Einkorn-Mehl mit Backpulver, Mandeln und Vanille dazugeben und zu Teig verkneten, am Schluß die fröhlichen Korinthen drunterkneten, ausrollen und Plätzchen ausstechen. Im vorgeheizten Backofen bei 180°C ca. 20 Minuten backen.*
Dinkel-Brownies: 2/3 Tasse Dinkel-Mehl 4 EL Kakaopulver ½ TL Backpulver ½ Tasse Zucker Salz 80 ml Traubenkernöl kalt gepresst 1/3 Tasse Wasser 2 Eier ½ EL natürliches Vanille-Extrakt 125 g gehackte Nüsse
Dinkel-Mehl mit Kakaopulver, Backpulver, Zucker und Salz vermischen. Eier verquirlen und mit Öl, Wasser und Vanille-Extrakt gemischt zur Mehlmasse geben. Die Nüsse dazugeben und alles gut vermischen. Den Teig in kleine Backformen geben und im vorgeheizten Backofen bei 180°C ca. 20 Minuten backen.*
*Da jeder Backofen anders bäckt, bitte vorsichtig ausprobieren, ob Temperatur und Backzeit stimmen. Und dann: guten Appetit!
Einkorn enthält bis zu zehnmal mehr Lutein als Weichweizen, wie man an der Universität Hohenheim entdeckte. Das Karotinoid Lutein bindet freie Radikale und schützt die Augen vor energiereicher Strahlung. Die Forscher untersuchten die fünf Triticumarten Hart- und Weichweizen, Einkorn, Emmer und Dinkel in verschiedenen Sorten an fünf Standorten in Deutschland. Das heißt sie wurden angebaut und geerntet, bevor man den Luteingehalt testete. Moderner Weichweizen, in den allermeisten kaufbaren Broten, enthält nur 0,7 bis 2,0 Mikrogramm Lutein je Gramm Trockenmasse. Einkorn dagegen enthält das Sechs- bis Zehnfache (4,5 - 7,8 Mikrogramm/Gramm). An zweiter Stelle lag Hartweizen (2,0 bis 4,6 Mikrogramm/Gramm, daraus wird vor allem Gries und Nudeln gemacht), gefolgt von Dinkel (0,9-2,0 Mikrogramm/Gramm) und Emmer (0,8-1,9 Mikrogramm/Gramm). Noch höher ist der Luteingehalt in Obst und Gemüse: bis zu 20fach bei Spinat und Grünkohl. Insgesamt bauen deutsche Landwirte jährlich die gleiche Menge an Getreide an: 2015 waren es 5,5 Millionen Hektar. Doch baut man bevorzugt Winterweizen an, die wichtigste Getreideart in Deutschland: einschließlich Dinkel und Einkorn waren es 2015 gut 3 Millionen Hektar. Wintergerste dagegen legte zu: 1,30 Millionen Hektar.
Weitere Infos: www.aid.de www.destatis.org
Gerste und Weizen gehören zu den sieben Pflanzen des Heiligen Landes
Diese Getreidearten werden in der Bibel an erster Stelle genannt. Man baut in Palästina seit 7500 vor Christus Getreide an, kultivierte auch bereits den Emmer. Gerste war Tierfutter und Nahrung für die Armen, Weizen war dreimal so wertvoll.
M. Hiller