Alte Dorfgrenzen reichten üblicherweise bis zur Wasserscheide. Die Gadernheimer Grenzen gehen aber fast überall darüber hinaus, weil die umgebenden Dörfer erst viel später entstanden und die Bevölkerung von Gadernheim die Flächen brauchte.

Die Hauptstraße von Gadernheim war einst die Wassergasse, heute die Wilhelm-Leuschner-Straße.

Sie führte nach Lautern, Gadernheim, Lautern und Raidelbach gehörten bis 1854 zusammen. Die Wassergasse war früher oft überflutet. An den Bächen gab es überall Wehre zur Wiesenwässerung. Das Recht wechselte tageweise von einem Bauern zum nächsten.

 

1439 wurde die Borgersmühle erwähnt, eine Graphitmühle in der die Erträge vom "Schwarzen Buckel" gemahlen wurden.

Der Schwarze Buckel: das Mundloch des früheren Graphitstollen ist deutlich durch die Schwarzfärbung der Krume erkennbar, diese wird durch das Beackern immer weiter verteilt

 

Am Gasthaus zur Linde war Acker, gegenüber geht ein Stichweg hoch zum Weinweg, gegenüber hinunter zur Wilhelm-Leuschner-Straße. Beide Wege hießen Kühweg.

Die Neunkircher Straße hieß Viehweg. Es gab drei Kategorien von Bauern: Gailsbauern, Kühbauern und Gaasebauern.

Die Straße nach Brandau ist fünf Jahre älter als die Nibelungenstraße: sie war die Provinzialstraße von Roßdorf zum Gumper Kreuz 1843. Die Bauplätze an der Nibelungenstraße wurden z.T. geschenkt. Der Straßenname Schweiz rührt laut Georg Grohrock von einem Bauern aus einem außerhalb gelegenen Hofes: In Gadernheims Kneipen war es schöner als in der Schweiz

Hundsmaase hieß die Wiese östlich der Neunkirchener Straße, deshalb sollte die heutige Talstraße so benannt werden. Die Anwohner protestierten, die Straße heißt Talstraße, obwohl der Name Hundsmaase schon im Grundbuch stand.

Landwirtschaft in Gadernheim

Über die Siedlungsform in und um Gadernheim um 1751 lesen Sie alles hier: Landwirtschaft vor 250 Jahren
Der Wald hat in den letzten 250 Jahren einiges zurückerobert. Georg Grohrock konnte dies in der Gemarkung zeigen (anno 2000): die ehemaligen Rodungen für Ackerfläche erkennt man daran, daß sie ohne Steinbrocken sind. Früher gab es wesentlich mehr Rodungen und Ackerland. Die vom Acker gelesenen Steinbrocken finden sich als Lesesteinhaufen am früheren Ackerrain. Bis kurz unterhalb des Kaiserturmes an der Wasserscheide auf 550m wurde Ackerbau betrieben, die Stelle hieß „im Saurod“. Auch der Rauhestein wurde nach dem 30jährigen Krieg möglicherweise beackert, denn in der historischen Karte von 1751 ist er als Irr bezeichnet. Irr bedeutet Erde.

Kurios oder eher traurig: 1977 schrieben Bögner / Sauerwein in einer Studie, daß „trotz der bevorstehenden Aufgabe von weiteren Nebenerwerbsbetrieben ... in absehbarer zeit mindestens 10 Betriebe erhalten bleiben“ - da fragt man sich, wo sie geblieben sind, die 10 Vollerwerbsbetriebe.

Tatsächlich gibt es heute (2016) nur noch zwei. 

Am Hinkelstein ist heute noch Wald, hier waren früher Äcker, heute Weiden. Unterhalb des Gehrensteines wurde früher Hafer angebaut, heute ist dort Wald,.

Auf der Wiese zwischen Eckberg und Kapellenberg Richtung Kolmbach / Winterkasten gab es einen Zigeunerlagerplatz. Dieser lag günstig, denn Zigeuner benutzten immer gern alte Straßen, und der Name „Schleich“ für die Verbindungsstraße zwischen Kolmbach und Winterkasten stammt nach Georg Grohrock daher, daß man von der ehemaligen Zollstation im Zollhäuschen zwischen Kolmbach und Gadernheim den Schleichweg nicht einsehen konnte.

Der "Forst" war fürstlicher Wald (erst Erbach-Schönberg, dann Großherzogtum, dann Hessen). Waldfläche unverändert. Im Heidenberg gibt es heute mehr Wald als früher. Nach der von Geometer Grimm aus Reichenbach gibt es heute ein Drittel mehr Wald als vor 200 Jahren. Marieta Hiller, im August 2016; alle Informationen bekam ich im Jahr 2000 dankenswerterweise von Georg Grohrock

Aus Geydenheym und Geidenau wird Gadernheim

Wann innerhalb der Gemarkung des heutigen Gadernheims sich erstmals Menschen niederließen, liegt im Dunkel der Geschichte begraben.


Nach allem was man heute weiß, erfolgte die Ersterwähnung im Jahre 1367. In einer alten Urkunde wird der Ort eindeutig mit „Geydenheym“ benannt, was ausdrücklich auf Gadernheim hinweist. Damit können die Gadernheimer zurecht und voller Stolz in 2017 ihre 650-Jahr-Feier veranstalten. Was der Name Gadernheim bedeutet, ist nicht eindeutig belegt. Der Gadernheimer Georg Grohrock hat in einer früheren Publikation dargelegt, daß sich der Name von Gatterzäunen und Falltoren zur Sicherung des Weideviehs vom althochdeutschen „Gadero“ oder „Gataro“ ableiten läßt.

Jedenfalls wird der Name in der älteren Vergangenheit, als man es mit der Rechtschreibung noch nicht so genau wie heute nahm, immer wieder anders geschrieben:
    1367 Geydenheym
    1393 Geidenheim
    1454 Gay-/Geydenheim
    1512 Gadern
    1516 Geidenau
    1653 Geudenau
    1720 Gendenaw

Der Reichenbacher Pfarrer Martin Walter hat es in seiner bekannten Chronik (1599-1620) immer Gadern genannt. Bereits 1339 wird Raidelbach, das schon immer eng mit Gadernheim verbunden ist, als Zubehör zum Schloß Schönberg urkundlich erwähnt. 1369 wird Gadernheim wird - zusammen mit Lautern und Raidelbach - ein weiteres Mal, diesmal im sogenannten „Lindenfelser Kirchenzinsbuch“ urkundlich erwähnt. Der Eintrag führt die Anzahl der Höfe und die Mühlen auf. Danach befinden sich in Gadernheim, Raidelbach und Lautern zusammen 32 Huben und eine Mühle.

Diese sogenannte Fronmühle ist der Vorläufer der Roßmanns-Mühle in der Wiesenstraße. Sie steht auf dem vermutlich ältesten Mühlplatz Gadernheims. 1369 gibt diese Mühle jährlich acht Malter Korn, außerdem muß der Müller ein Schwein mästen. Heute wird das Mühlen-Fachwerkhaus als Wohnhaus genutzt.

Gadernheim bildet bereits zu dieser Zeit zusammen mit Raidelbach und Lautern ein gemeinsames Gericht. Die Gerichtsverhandlungen finden zu festgelegten Terminen in Reichenbach auf dem Gerichtsplatz unter der Dorflinde, später im Rathaus in Reichenbach und ab 1619 im neuen Rathaus in Gadernheim statt.
Bis etwa im Jahre 1430 müssen die Gadernheimer noch nach Bensheim in die Kirche gehen. Mindestens einmal zu Weihnachten, zu Ostern und zu Pfingsten.
1561 kommt es zu einem territorialen Tausch zwischen dem Kurfürsten und Pfalzgrafen Friedrich III. und den Grafen zu Erbach.

Dieser Tausch rundet die gegenseitigen, bisher stark ineinander verzahnten Besitzverhältnisse ab. Der Pfalzgraf tritt die Dörfer Reichenbach, Lautern, Gadernheim und Raidelbach an die Grafen von Erbach ab und erhält dafür die Dörfer Mittershausen, Scheuerberg, Mitlechtern, Knoden und Breitenwiesen. Dadurch werden die wiederholten Streitigkeiten wegen der Waldnutzung in diesen Gebieten beigelegt. Wahrscheinlich ist diesem Tausch eine genaue Besitzaufnahme beider Parteien vorausgegangen, die leider in den Wirren der Jahrhunderte verlorengegangen sein muß.

Vor 400 Jahren, im Februar 1617 haben die Gadernheimer gegonnen, ihr Rathaus zu bauen. Das heute noch bestenden Gebäude wird auf einem Freiplatz südlich des Zusammenflusses der Lauter und des aus dem Salztrog kommenden Baches erbaut, auf dem früher ein Gemeindebrunnen gestanden haben muß. Es ist von sieben Hofstätten als Ortskern umgeben.


Es sieht 1618 noch anders aus als heute: ursprünglich war es als Fachwerkbau auf Säulen konzipiert. Der untere Raum ist eine freie Halle, in der Märkte abgehalten werden. Bei späteren Umbauten wird viel von der Bausubstanz zerstört. Bei einem Umbau im Jahre 1876 ist die Markthalle längst nicht mehr vorhanden. Irgendwann muß auch die schöne Holzfassade einer nackten Backsteinwand weichen.


Mit dem westfälischen Frieden geht der Dreißigjährige Krieg 1648 zu Ende, der unvorstellbares Leid auch über die Bevölkerung unserer Gegend gebracht hat. Er erfordert Opfer an Menschenleben in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Im Durchschnitt reduziert sich die Landbevölkerung um ca. 40 Prozent.
Allerdings bleiben manche Gegenden vom Kriege fast ganz verschont, während andere beinahe völlig ausgerottet werden. Zu den mit am härtesten betroffenenen Gebieten gehört die Region zwischen Rhein, Main und Neckar.

Der Gesamtverlust im Odenwald liegt bei rund 80 Prozent. Obwohl die Aktenlage aus dieser Zeit mehr als dünn ist, ist es Gadernheim damals bestimmt nicht besser ergangen als den anderen Dörfer ringsherum.
Bis 1650 liegen im Odenwald rund 30 Dörfer völlig wüst. Diese hohen Menschenverluste werden nicht alleine durch den Krieg verursacht, sondern vor allem durch eingeschleppte Seuchen und durch die Pest. Trotz dieser trostlosen Zustände finden sich schon um 1640 die ersten Zuwanderer in Gadernheim ein. 1655 kommen die ersten Schweizer in unsere Gegend und schon 1660 hat die Bevölkerung in Gadernheim wieder die Hälfte des Vorkriegsbestandes erreicht.

In einer Karte von 1712 ist erstmals ein Schulhaus in der heutigen Wilhelm-Leuschner-Straße nachgewiesen, wo sicher schon Kinder unterrichtet werden.  
Durch den Reichsdeputationshauptschluß werden 1806 die Gebietsverhältnisse neu geregelt und die Grafen von Erbach sind nicht länger die regierenden Fürsten. Gadernheim kommt mit dem gesamten Amt Schönberg zum Land Hessen. Verwaltungsmäßig gehört Gadernheim eine Zeit lang dem Amt Lindenfels an, später dem Kreis Bensheim und heute dem Kreis Bergstraße.

Im Jahr 1859 stellt man in Gadernheim Graphitvorkommen fest. Bis zum Jahr 1855 wird an einer Graphitfabrik gebaut (Graphitmühle) und ein Bergwerk angelegt. Der Graphit wird am „schwarzen Buckel“ bergmännisch bis etwa 1865 gewonnen. Zeitweise sind hier nahezu 80 Arbeiter beschäftigt.

Bis 1854 haben die drei Dörfer Gadernheim, Lautern und Raidelbach einen gemeinsamen Bürgermeister.

An den Krieg 1870/71 erinnert eine Sandsteinpyramide auf dem Friedhof. Die Vorderseite trägt die Inschrift: „Gott war mit uns. Ihm sei die Ehre.“ In die drei anderen Seitenflächen sind die Namen der 17 Teilnehmer eingehauen. Immerhin hat Gadernheim in diesem Kriege keine Toten zu beklagen.
Am 31. Oktober 1894 wird der Gadernheimer Friedhof eingeweiht.

Mit dem Bau des 34 Meter hohen Kaiserturms wird 1906 begonnen. Der Erbauer ist Adam Arras.

Am 1. September 1912 erfolgte die Grundsteinlegung für die evangelische Kirche. Nach dem Bau der Kirche werfen die beiden Weltkriege den gerade aufkommenden Wohlstand in Gadernheim wieder um Jahrzehnte zurück. Es dauert bis Ende der sechziger Jahre, bis in Gadernheim wieder in nennenswertem Umfang öffentlich gebaut wird. 1968 wird mit den Bauarbeiten zur Mittelpunktschule begonnen, zeitgleich entsteht in Gadernheim der Kindergarten. 1971 wird die Schulturnhalle fertig gestellt.

Am 19. August 2010 wird Gadernheim vom Hessischen Rundfunk als „Dolles Dorf“ unter vielen anderen Hessischen Dörfern unter 2000 Einwohnern ausgelost. Noch am selben Abend wird ein Kamerateam von vielen Gadernheimern in der Heidenberghalle begeistert empfangen. Der etwa sechsminütige Filmbeitrag wurde am 21. August in der Hessenschau ausgestrahlt. Beim Endausscheid während des Hessentags 2011 in Ober-Ursel erreicht Gadernheim unter vier Teilnehmern der 2. Platz.
Thomas Böhm - Gadernheim, im Mai 2017