Meine Prüfungsaufgabe zur Erlangung des Gästeführer-Zertifikats "Römer im Odenwald":

Sie gehen im römischen Dieburg zum Einkaufen. Welche exotischen Lebensmittel aus dem Mittelmeerraum oder anderen entfernten Gebieten des Römischen Reiches könnten Sie dort erwerben?

Nun, so folgen Sie mir in die römische Stadt MED... anno 135 n. Chr.!

Salvete! Ich bin Odina Silvana, und ich bin schon ganz aufgeregt: seit langem schon bin ich mit einem Legionär im Kastell auf der Limeshöhe liiert und hoffe darauf, daß er mich nun endlich bald zur Frau nimmt, wenn er seinen ehrenvollen Abschied bekommt.

Bis dahin muß ich mich hier mit römischen und barbarischen Hosenträgern in der Taberna durchschlagen. Und so sitze ich hier bei den Ziegelbrennern an der Thomashütte - obwohl die doch erst viele Jahrhunderte später in die Geschichtsschreibung eingehen wird!

Aber bedenkt: „Erst seit Haltern weiß man, daß nichts so dauerhaft ist wie ein Loch und daß Erdverfärbungen im Boden der gleiche urkundliche Wert zukommt wie den Handschriften der Historiker.“ (Das hat ein kluger Mann namens Rudolf Pörtner anno 1959 gesagt). Also wundert euch nicht, wenn sie dort an der Straße nach Nida eines Tages etwas ausgraben - gerade dort, wo ich immer meine Küchenabfälle hinwerfe!

Was da schon alles drinsteckte! Lausige Kämme, alte Sandalen, zerbrochene Schüsseln und vergammelte Knochen - und nicht nur die von Tieren! Gerade neulich lagerte der Pistorius der molina moreta (Käsmühle) einen abgenutzten Mühlstein dort ab. Doch man sieht nichts mehr davon, ich habe schon genügend Gemüsereste darübergestreut. Tja, wer das später mal ausgräbt, der wird sich ganz schön wundern...

Doch nun habe ich keine Zeit mehr zum Plaudern: ich muß rasch nach Medias res zum Shoppen! Wie, ihr wißt nicht wo das ist? Medias res - das Zentrum der civitas Auderiensium! Ach so, könnt ihr ja auch gar nicht wissen. Euch wurde ja nur noch ein Bruchstück des schönen Namens dieser noch viel schöneren Stadt überliefert: mehr als MED kennt ihr ja nicht mehr davon.

Aber was man hier alles einkaufen kann! Feinstes Olivenöl in Amphoren aus den warmen Gefilden am Mare Mediterraneum - besser bekommt man es auch in Lutetia nicht. Myrrhe, Zimt und Safran, um den Wein schmackhafter zu machen - ja, man tut was man kann für seine Gäste! Der Wein, den sie uns aus Lugdunum, aus Mediolanum und aus Macedonia (Lyon, Mailand und Mazedonien) anbieten, ist unbezahlbar, und so bleibt mir nichts, als den vinum autmundis ein bißchen aufzuhübschen. Sie geben sich ja wirklich Mühe dort in der villa rustica von autmundis, aber Germania bleibt halt Germania - nicht ohne Grund tragen hier selbst stolze Römer Hosen!

Tja, der gute alte Apicius - die Götter mögen ihm gnädig sein - der kannte sich da noch besser aus als ich: der konnte angeblich sogar aus Rotwein Weißwein machen, doch diese geheimen Ingredienzien muß er wohl mit ins Grab genommen haben. Apropos Grab: besagter Apicius nahm sich vor einem Centennium das Leben, weil er nur noch 10 Millionen Sesterzen zum Leben übrig hatte, nachdem er zuvor schon 100 Millionen Sesterzen für seine Feinschmeckerei verschwendet hatte. Sicher war er froh, daß er für seine paar Kröten wenigstens noch ein wirksames Gift bekommen konnte.

Aber ich schweife schon wieder ab! Ich brauche ja auch noch Pinienkerne, Kappadokische Datteln und Lukanische Würste!Ach die vielen schönen Läden, wo es all die Köstlichkeiten für wenige Asse zu kaufen gibt! Und die Händler, wie sie mit beiden Händen in ihre Säcke greifen, um köstlichsten Weizen abzuwiegen, für das weiße Brot der Wohlhabenden, panis candidus - aus allerfeinstem Mehl gebacken! Frische Früchte, die noch vor wenigen Tagen in Lusitania (Portugal) in der Sonne reiften, von eiligen Reitern rasch zum Großmarkt gebracht, von wo sie mit nur wenigen Flecken und Runzeln direkt hierher nach Medias res kommen!

Wie dumm ist Seneca, der da behauptet, es seien schmutzige Fertigkeiten, und Menschen, die ihre ganze Zeit darauf verwenden, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, hätten keinen schönen Beruf! Wie lobe ich mir die saftigen Stücke vom friesischen Rind aus Tolsum, dazu die eleganten Treverer Asparagus-Stangen.

Und klingt das hier wie ein verhaßter Beruf: “Ich habe wieder Wein geladen, Speck, Bohnen, Parfüm, Sklavenware. An diesem Punkt hat Fortunata ein gutes Werk getan; nämlich ihren ganzen Schmuck, die ganze Garderobe hat sie verkauft und mir hundert Goldstücke in die Hand gedrückt. Das war die Hefe für mein Vermögen. Schnell kommt, was der Himmel will. Mit einer einzigen Fahrt habe ich zehn Millionen zusammengehamstert.“ So schrieb einst in seinem Trimalchos-Gastmahl Petronius nieder.

Mir scheint, Petronius hatte eine Menge Spaß an seinem Beruf...Doch nun rasch noch Feigen, Zitronen und Aprikosenmus aus Sicilia und frische Austern aus Burdigala (Bordeaux) - oh, wenn ich mich nicht beeile, sind sie wieder aus! Der Austernhändler brachte sie heute morgen frisch aus Lutetia, und wenn ich keine mehr bekomme - was wird da der hohe Besuch unseres Praepositus numeri denken! Bei den Kornähren der Ceres, und wenn er sauer ist, was wird dann aus dem ehrenvollen Abschied meines Liebsten! Valete!

Marieta Hiller, März 2013

Foto: M. Hiller
So sahen römische Vorratsbehälter für Lebensmittel aus