Neulich habe ich meine erste selbstgebastelte SMS verschickt, in vollständigen Sätzen, mit korrekter Grammatik und Zeichensetzung. Uff - war das anstrengend!

Jetzt kann ich verstehen, warum ich manchmal Mails (die altmodischen E-mails meine ich!) oder gar handgeschriebene Zettel bekomme, in denen sich der Sinn aus verstümmelten falsch geschriebenen Wortfetzen selten gleich erschließt. Dafür aber am Schluß: „ganzliebschau ;-)“... Hallo?!

Wir leben in einem virtuellen Netz aus „sozialen“ Kontakten per SMS, per Blog und Chat, und vor allem in den „sozialen“ Medien im Internet. Aber haben wir auch noch echte soziale Kontakte? Also welche, bei denen man sich Aug in Auge „ganz lieb anschauen“ könnte? Von Mund zu Ohr getrennt nur durch den Äther sprechen könnte? Statt dessen hocken wir, wenn wir mal zu mehreren in einem Raum oder an der Bushaltestelle sein müssen, nebeneinander und daddeln auf unseren Handies rum.

Soziale Kontakte? Dafür gab es Vereine, Kneipen, gemeinsame Aktivitäten in der realen Welt: vom Stammtisch bis zum Wanderausflug. Dafür gab es Nachbarn, die ein Fahrrad reparieren konnten und mal mit dem Hund rausgingen, wenn keine Zeit war. Die sprichwörtliche Tasse Zucker, an der Wohnungstür ausgeliehen, mußte nie zurückgegeben werden, denn sie kam von Herzen und hatte etwas Symbolisches. Heute wäre uns das peinlich, wenn wir uns eine Tasse Zucker von jemandem leihen müßten.

Gemeinsame Aktivitäten? Igitt wie altmodisch! Dafür gibt es doch die Öffentliche Hand, die macht das doch alles für uns. Selbst etwas tun, Verantwortung übernehmen, Leistung investieren in soziale Kontakte? Nein, danke - ich doch nicht...

Tja, wer denn aber dann?

Vielleicht schaue ich mal in Facebook nach, wer in der wirklichen Welt Zeit und Lust hat, etwas zu unternehmen. Doch nein, geht nicht. Da muß ich ja erst Schuhgröße, Lieblingsessen, Augenfarbe und sexuelle Vorlieben preisgeben, meine geheimsten Träume mit 738 „Freunden“ teilen. Das ist mir zu blöd.

Übrigens: damit Sie und Ihre Facebook-“Freunde“ in der wirklichen Welt nicht erkannt werden, gibt es im Internet Anleitungen, wie man sein eigenes Gesicht so kaschieren kann, daß es von Gesichtserkennungs-Software nicht „entschlüsselt“ und zugeordnet werden kann: schauen Sie mal nach unter
www.cvdazzle.com. Man sieht sich...  Ihre Marieta Hiller, Oktober 2012