Von Feuerlinien entlang zu befriedender Grenzen weiß die Geschichte vielfach zu berichten. Freie Sicht zu den nächsten benachbarten Feuerstationen war sehr wichtig, auch freie Sicht ins Feindesland. Noch wichtiger jedoch waren die Wege zu den Feuerstationen. Denn sie mußten ständig unterhalten werden: Brennholz und Nahrungsmittel mußten angeliefert werden, die Besatzungsmitglieder mußten an ihren freien Tagen bequem in die nächste Ortschaft kommen können - ins Badehaus oder die Kneipe etwa. Die Grenzbefriedung durch den Limes, oft mit Wall und Graben sowie das Wegesystem zwischen den Türmen und zu den römischen Siedlungen diente dazu, das Binnenland zu schützen. Die Provincia war ein vielbesuchter Landstrich: Händler kamen und gingen, Soldaten, Kuriere und Herrscher reisten von Rom oder nach Rom. Straßen waren daher für die Römer der ersten Jahrhunderte nach Christus sehr wichtig, und man widmete ihnen viel Mühe und Einsatz. Am liebsten war es den Römern, wenn sie auf breiten schnurgeraden und ordentlich befestigten Wegen vorwärts kamen. Alle wichtigen Punkte in der Provinz waren daher mit gut ausgebauten Straßen vernetzt: Moguntia (Mainz), wo die 22. Legion stationiert war, gegenüber am anderen Rheinufer Castellum = Mainz-Kastel, Bormitomagus (Worms) und Nida (Frankfurt-Heddernheim), Lopodunum (Ladenburg). Natürlich gehörten über Fernstraßen die großen Städte Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln), Augusta Treverorum (Trier), Argentorate (Straßburg), Augusta Vindelicum (Augsburg) und natürlich nicht zu vergessen: Lutetia (Paris). Mitten im nördlichen Odenwald: Dieburg, von dessen römischem Namen nur die drei Buchstaben MED überliefert sind. Der Marmor aus Hochstädten mußte über eine Straße in die Ebene zum Zullestein (Burg Stein in der Nähe der Weschnitzmündung in den Rhein) transportiert werden, ebenso die behauenen Werkstücke aus dem Felsberg. Der Weinweg von Weinheim bis Dieburg mag bereits in römischer Zeit eine vielbenutzte Straße gewesen sein, und die Landkarte des Odenwaldes weist zahlreiche „Hohe Straßen“ auf.
Altstraßen entdecken und wieder sichtbar machen
Noch längst nicht geklärt ist, welche Orte mit römischen Straßen verbunden waren, nicht nur im Odenwald, sondern auch im Taunus und der Ebene dazwischen. Dort forscht Harry Haarstark über alte Römerstraßen und versucht sie in Landschaft und Karte wieder sichtbar zu machen. Gemeinsam können die Straßensysteme im Taunus und Odenwald miteinander verknüpft werden, ebenso wie in einem der nächsten Jahre endlich die Feuerlinie aus dem Odenwald sich mit den Lärmfeuern der Taunushöhen treffen werden. Dies wird unser Projekt für den Winter 2014/15 werden. Erste Infos finden Sie hier, sie werden nun ständig ergänzt. Wer sich gerne am Projekt beteiligen möchte, ist ganz herzlich eingeladen, Harry Haarstark und mich mit Informationen zu versorgen! Wem das alles zu historisch ist, der kann sich die Sache mit den Lärmfeuern auch im Film ansehen: wenn Frodo Beutlin und seine Freunde miterleben, wie die Leuchtfeuer von Minas Tirith („Herr der Ringe“) entzündet werden. Phantastisch, aber vorstellbar: auf den Bergkuppen flammt ein Feuer nach dem anderen auf - und natürlich wird dann alles gut werden...
Viel Spaß beim Suchen alter Straßen und Verbindungswege wünscht Marieta Hiller
Die Römer bauten als Erste planmäßig genormte Straßen
Zwischen dem Odenwald und dem Taunus, wo Harry Haarstark MA vor einigen Jahren nach Spuren römischer Verbindungswege suchte, liegt die berühmte Römersiedlung Nida (Frankfurt Heddernheim).
Es gibt im 19. Jahrhundert einige Spekulationen über Römerstraßen quer durch den Odenwald, die südlich des Mains aber nördlich von Dieburg liegenden sind etwas besser erforscht und wurden weitergenutzt. Im Gebirge selbst werden die Römer wohl kaum nach dem klassisch schnurgeraden Prinzip gebaut, sondern (bereits vorhandene) Höhenwege für ihre Zwecke hergerichtet und genutzt haben. Während die ersten Altwege auf den Wasserscheiden bzw. den Höhenzügen der Gebirge und entlang den großen Flüßen verliefen, bevorzugten es die Römer, wenn sie auf breiten schnurgeraden und ordentlich befestigten Wegen vorwärts kamen. Also kann man zurecht davon ausgehen, daß die Römer in unserer Gegend die Ersten waren, die Straßen planmäßig angelegt und hierzulande einen einheitlichen, genormten Straßenbau eingeführt haben. Deshalb wird man sich an den Höhenwegen orientieren müssen und auch nach Verbindungen zu wichtigen Flußübergängen im Tal (Rhein, Neckar, Main) suchen - zunächst ist theoretisches Schmökern in der Literatur erforderlich, bevor man das in der Landschaft überprüfen kann.
Burg Stein - römischer Burgus Zullestein
Beginnen wir am Schluß: wenn die im Odenwald gewonnenen Rohstoffe und Materialien oder auch Truppenteile auf den Rhein verschifft werden müssen.
Dies geschah am spätrömischen Burgus Zullestein (Burg Stein). Der Ort liegt in der Nähe der Weschnitzmündung in den Rhein und heißt noch heute Schloßberg oder Schloßbuckel. Inzwischen ist der Rhein etwa 500 Meter weit entfernt. Ob der Burgus in römischer Zeit direkt am Rhein lag, ist aufgrund der ständigen Umgestaltung der Auenlandschaft nicht zu klären. Angelegt wurde er im 4. Jh. n. Chr unter Kaiser Valentinian. Vermutet wird, daß der Burgus sich zur Weschnitz hin öffnete und zwischen zwei Wehrmauern ein geschütztes Hafenbecken zur Be- und Entladung darstellte. Die Mauern aus römischer Zeit sind in mittelalterlichen Quellen immer wieder erwähnt, es entstanden neuere Bauwerke, die wieder abbrannten oder abgebrochen wurden. Interessant an diesem Ort ist die Weschnitzableitung. Der Fluß Weschnitz fließt aus dem Odenwald ins alte Neckarbett, das in der Rheinebene parallel zum Rhein mäanderte und mündete erst bei Trebur (heute in Weinheim!) in den Strom. Für die römische Zeit kann eine Nutzung der Weschnitz als Transportweg angenommen werden. Nach 203 n. Chr. floß die Weschnitz plötzlich ab Riedstadt-Goddelau (hier gab es Untersuchungen an einer römischen Holzbrücke) nicht mehr nach Norden. Solche Umlenkungen beherrschten römische Ingenieure gut, man vermutet, daß das Steinmaterial vom Felsberg so besser verschifft werden konnte. Allerdings bestand zu dieser Zeit die Burg Stein vielleicht noch gar nicht... Rätsel über Rätsel...
Wie sollte die Riesensäule zum Rheinfloß kommen?
Damit sind wir gleich bei einer weiteren spannenden Frage: wie transportierten die Römer ihre schwergewichtigen Werkstücke vom Felsberg bis zum Rhein? Den Zeitraum der römischen Steinbruchtätigkeit kann man nicht genau bestimmen, er liegt zwischen dem 2. und dem 4. Jahrhundert. Unklar ist, ob der Burgus Zullestein zu jener Zeit bereits bestand. Eine Theorie besagt, daß die Werkstücke aus dem Felsberg bergab nach Süden ins Lautertal gebracht wurden, die Lauter dann in zahlreichen Staustufen vom dünnen Bächlein zu einem veritablen Flößergewässer umgebaut wurde, so daß die flachen Flöße, die trotz ihrer schweren Steinlast nur wenig Tiefgang hatten, von Stufe zu Stufe schwimmen konnten, bis sie in der Ebene endlich über Winkelbach und Weschnitz-Altbett zum Rhein gelangten. Eine andere Theorie besagt, die Werkstücke seien auch bergauf im Gelände über eingeseifte geschälte Baumstämme gerollt worden. Auf diese Weise konnten sie bis über den Nachbarhügel und nach Hochstädten geschafft werden, wo durch den dortigen römischen Marmorsteinbruch bereits eine Transport-Infrastruktur bestand. Dazu wird aktuell eifrig geforscht, die Wissenschaftler Vilma Rupienne, Ulrich Schüssler und Michael Unterwurzacher haben ihre Ergebnisse als Aufsatz "Auerbach Marble Quarries in the Odenwald near Hochstädten" im Jahrbuch des Institute Europa Subterannea 2013 (ISBN 978-90-817853-3-4) veröffentlicht (S. 120). Ebendort finden sich auch die jüngsten Erkenntnisse zu den Transportwegen: "Alle Wege führen zum Rhein" von Alexander Vögler (S. 154)
Eine Brücke über den Sumpf
Bei Bickenbach wurden in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts von einer Truppe Amateurarchäologen in mehreren intensiven Einsätzen ein Brückenfundament sowie viele Terra-Sigillata-Scherben, Fibeln und Würfeln aus der Römerzeit gesichert. Die Eichenhölzer der Brückenpfeiler ließen sich mittels Dendrochronologischer Untersuchung auf ca. 145 n. Chr. als Fällungszeitpunkt datieren. Zahlreiche weitere Brücken wurden in der Region um Gernsheim, Groß-Gerau, Groß-Rohrheim entdeckt, die alle nicht ausschließlich dem Zweck dienen konnten, um eine Sanddüne zu erklimmen. So auch in Eschollbrücken, wo 2013 die Balken einer römischen Sumpfbrücke gefunden wurden, deren Fällung zwischen 60 und 107 n. Chr datiert werden. Vielmehr stellte man die Brücken schon früh in den größeren Zusammenhang zum schnurgeraden römischen Straßensystem im Ried und von dort auch in den Odenwald.
Namenloses römisches Zentrum im nördlichen Odenwald: ...MED...
Nicht nur Steine vom Felsberg oder Bauholz aus dem Weschnitzumland waren abzutransportieren, nein: viele Artikel des täglichen Lebens mußten auch in den Odenwald gebracht werden. Ähnlich wie Nida (Frankfurt-Heddernheim) einst als römisches Zentrum in der Wetterau in der Mitte eines weitverzweigten Straßennetzes lag, so liegt auch die römische Siedlung ...MED... (heute: Dieburg) am Knotenpunkt vieler Straßen. Eine davon führt von Gernsheim nach Dieburg und weiter nach Wörth am Main, von wo ab der Odenwald-Limes im Main nach Süden verlief. Eine direkte Straßenverbindung führte natürlich auch nach Nida.
Die römischen Straßen rund um den Odenwald
Belegt sind römische Straßen im Norden, Westen und Süden des Odenwaldes. Der Osten wird durch den Mainlimes abgeschlossen. Im Norden verlief die schnurgerade Straße von Gernsheim nach Dieburg, von der sich bei Eberstadt eine Straße nach Süden entlang der Bergstraße zieht, die durch Lopodunum (Ladenburg) führt und sich in Heidelberg verzweigt. Der östlich führende Zweig zieht durch den kleinen Odenwald jenseits des Neckars Richtung Limes. Dazwischen: der Odenwald - unerforschte Hügel, waldreiche Täler voller grauenhafter Dinge. Nichts fürchteten die Römer mehr als unübersichtliche Landschaften - was kein Wunder war, denn genau in einer solchen Landschaft bekamen sie im Jahr 9 n. Chr. ordentlich was auf den Helm - Varus, varus, gib mir meine Legionen wieder...
Interessante Quellen:
Altstraßen in Hessen: https://www.altstrassen-in-hessen.de/altstrassen/altstrassen.php
Friedrich Kofler (1830-1910), deutscher Archäologe und Streckenkommissar der Reichs-Limes-Kommission hat eine umfangreiche Sammlung der Altstraßen veröffentlicht in der Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst im Jahr 1896. Darin sind die Altstraßen auf Seite 22 bis 44 beschrieben.
Ebenfalls eine tolle Quelle mit vielen Details zu den Hohen Straßen / Hochstraßen / Höheren Landstrassen ist der Nachlaß des Stadtbaurats und Architekten August Buxbaum: er hat fleißig in vielen südhessischen Gemeinden nach den alten Flurnamen geforscht und sie in gezeichneten Karten hinterlassen: im Darmstädter Staatsarchiv: Steinstraße, Heidenschloß oder Römerbuckel sind dort zu finden.
Johann Friedrich Knapp und seine "Denkmale des Odenwalds"
Die "Sagen des Neckarthales, der Bergstraße und des Odenwald" von J. Baader
Die "Altertümer und Geschichte des Bachgaus im alten Maingau" von Johann Wilhelm Christian Steiner )
Die "Alterthümer der heidnischen Vorzeit innerhalb des Grossherzogthums" Hessen von Philipp Alexander Ferdinand Walther
Karl Nahrgang "Römerstraßen im nördlichen Tel der Provinz Starkenburg" BAHDr. 13, 1930