Eisenbahngeschichte: manchmal ist es wie Schatzgräberei...

Ein Schatz ist ein Schatz ist ein Schatz... Nur wer ein »gülden Sonntagskind« sei, der könne ihn heben - in tiefem Schweigen, mit einem Erdspiegel...
Aber was kann ein Erdspiegel helfen, wenn der Schatz im Wasser versunken ist?

Seit jenen nebelhaften Tagen, als Hagen von Tronje all das viele Gold des Nibelungenhortes (immerhin berichtet das Nibelungenlied von zwölf Leiterwagen mit je zwölf Fuhren) im Rhein versenkte, seit jenen Tagen sind auch Schatzsucher unterwegs. An einem Ort, der „ze Loche“ hieß, soll der Schatz liegen. Und keiner weiß bis heute, wo das sein könnte.
In unserer Zeit sind wiederum Schatzsucher unterwegs: seit 165 Jahren liegt die versunkene Lok „Rhein“ im Flußbett  desselben. Am 21. Oktober sollte sie endlich gehoben werden, und für unsere Titelseite war ein Foto der Bergung vorgesehen. Aber es kam anders: die schon sicher geglaubte Bergung mußte abgesagt werden, die meßtechnisch entdeckte Anomalie fünf Meter unter dem heutigen Kiesbett des Rheins bei Rheinbuhne 527 erwies sich als Irrtum, plötzlich war hier nichts mehr von einem tonnenschweren Industriedenkmal in den Tiefen...

Groß ist die Enttäuschung beim Loksucher-Team: Lokführer a.D. Horst Müller, Uwe Breitmeier und Volker Jenderny vom Kranichsteiner Eisenbahnmuseum und Geophysiker Bernhard Forkmann sehen ihr Lebenswerk buchstäblich auf dem Abstellgleis. Ein Schatz bleibt ein Schatz bleibt ein Schatz...

Aber sogar wenn Schätze aus der ersten industriellen Revolution heute gut sicht- und greifbar in Eisenbahn-Museen stehen, ist ihre Bewahrung äußerst schwierig. Unzählige freiwillige Helfer stecken ihre gesamte Freizeit in die Erhaltung alter Maschinen und Wagen. Getreu dem Motto »Tradition ist nicht das Bewahren der Asche, sondern das Schüren der Flamme« (Jean Jaurés, Philosoph 1859-1914) kümmern sich im Eisenbahnmuseum Darmstadt-Kranichstein seit fast fünfzig Jahren ehrenamtliche Mitarbeiter um über 200 originale Eisenbahnfahrzeuge. Ein Teil wird in der Lokomotivausstellung im Original-Ringlokschuppen des Bahnbetriebswerks am ehemaligen Rangierbahnhof Darmstadt-Kranichstein ausgestellt, ein Teil wartet noch auf dem weitläufigen Gelände auf Restaurierung. In der Wagenwerkstätte in der ehemaligen Güterwagenschnellausbesserung wird gehämmert, geschweißt und aufgearbeitet, hier werden auch zahlreiche Wagen präsentiert. Fahrzeuge aus allen Epochen der Eisenbahngeschichte  sind hier zu sehen, und während der Betriebstage, beim Dampflokfest und auch wieder zur Nikolausfahrt im Dezember sind sie auch im Einsatz.

Wann kam die Eisenbahn an die Bergstraße und in den Odenwald?

In Bensheim nahm 1846 die Main-Neckar-Eisenbahn von Frankfurt nach Heidelberg und Mannheim den Betrieb auf, wobei der Bensheimer Bahnhof zu jener Zeit 200 Meter außerhalb der Stadt lag. Aber schnell entwickelte sich hier der Fernverkehr mit einem wachsenden Güterbahnhof. Ein Problem waren zu Beginn die wenigen Bahnübergänge, an denen sich lange Wartezeiten nicht vermeiden ließen. Seit 1912 gibt es die Unterführungen in Bensheim.
Am 6. Januar 1906 - die Orte im Odenwald waren zu dieser Zeit übrigens noch nicht elektrisiert - nahm die erste Motor-Omnibusgesellschaft zwischen Bensheim und Lindenfels ihre Arbeit auf. Die B 47 wurde zum Schutz vor Überflutungen höhergelegt, die Lauter mit Stützmauern eingefaßt. An den Häusern wurden die Treppen zum Hauseingang überflüssig, die ursprünglich zu den über dem Keller liegenden Wohnräumen führte.
Zu dieser Zeit war für Steintransporte aus Lindenfels und dem Lautertal der Bau einer Eisenbahn geplant. Alles war bereits projektiert, die Finanzierung gesichert, die Streckenpläne erstellt. Der Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 machte die Pläne zunichte, so daß die „Chaussee von Bensheim nach Gadernheim“ der einzige Erschließungsweg in den Odenwald blieb. 1920 übernahm die Deutschen Reichspost die Strecke mit ihren gelben Postbussen, sie soll die rentabelste in ganz Hessen gewesen sein.
Die Fuhrleute übrigens fanden den Bau der Eisenbahn äußerst schädlich fürs Geschäft, aber durch den 1. Weltkrieg konnte ja im Lautertal keine Eisenbahn gebaut werden...

Heute findet es sicher der eine oder andere schade...

Die stark frequentierten Eisenbahnstrecken im Odenwald heute belegen Wichtigkeit und Sinn der Eisenbahn. Doch weite Bereiche wurden nur über den Straßenbau erschlossen. Während für Pferdefuhren abgestufte Steigungen günstig waren - die Pferde konnten so immer ein Stück bergauf ziehen und dann auf einem ebenen Stück verschnaufen - mußte der Straßenbau viele der zuvor für Fuhrwerke angelegten Strecken durch gleichmäßige Steigungen ersetzen. Die ersten Motorfahrzeuge waren noch etwas schwach auf der Brust, so daß die Straßen in weiten Schleifen mit schwacher Steigung angelegt wurden. Später kürzte man diese Schleifen ab mit steileren Straßenstücken. Die toten Schleifen sind seither ideale Schuttabladeplätze, denn oft kann man von der Straße aus nicht sehen, wer dort seinen Kofferraum leert.
Woher die Begriffe Rotte und Route kommen lesen Sie hier: Wie die Fuhrleute über den Eisenbahnbau dachten

Doch die Eisenbahn war - damals - nicht aufzuhalten, sie brachte gegenüber Kutschen eine Halbierung der Personentransportkosten UND der Reisezeit. M. Hiller, Durchblick-Titelgeschichte Novemberheft 2018

Große Enttäuschung!

Die Lok kann am 21.10.2018 nun doch nicht gehoben werden! Ein Schatz ist und bleibt ein Schatz, und manchmal läßt er sich einfach nicht finden. Sehr schade...
Aktuelle Infos siehe hier: http://www.lok-jaeger.de/
Trotzdem lohnt sich immer ein Besuch in Kranichstein: https://www.bahnwelt.de/ - hier können einige Schätzchen bestaunt werden! Es gibt Veranstaltungen und Führungen.

Vielmehr ruht die älteste Dampflokomotive Deutschlands seit über 165 Jahren im Rhein bei Germersheim und soll nun endlich geborgen werden: ein Riesen-Event (pardon: Menschen die gerne mit Dampfeisenbahnen fahren sprechen lieber von Riesenereignis) soll dies am 21. Oktober 2018 werden. Man könne sogar aus direkter Nähe zuschauen, wenn sich das gute Stück - hoffentlich - über der Wasseroberfläche zeigen werde. Das ist allerdings nicht ganz billig, denn das Projekt kostet sehr viel Geld: für 1000 bis 1500 Euro gibt es Aussichtsplätze auf einem VIP-Dampfer. Für die Normalbevölkerung wollte der SWR die Hebung live übertragen.

Die Historiker, Geologen und Privatleute haben für die Hebung innerhalb von 4 Monaten 15.000 Euro gesammelt. Das nächste Ziel ist die Summe von 220.000 Euro. Soviel wird benötigt, um bislang privat vorfinanzierte Teile der Bergung zurückzuzahlen, die Lok nach Darmstadt Kranichstein zu transportieren und dort zu restaurieren.

Allerdings stellte sich Anfang Oktober 2018 heraus, daß die vermutete Stelle wo die Lok im Rheinkies versunken ist, sich als eine andere Störung erwies.

Geplant war auch, 2019 das Offizielle Buch "Jäger der versunkenen Lok" zur Bergung der Lok mit tollen Bildern und allen Infos zu der versunkenen Lok und der spektakulären Bergungsaktion herauszugeben: es wäre ein großes Ereignis deutscher Industriekultur geworden...

Inzwischen gibt es das Buch! Erhältlich unter ISBN 978-3-933178-38-1 die Kranichsteiner lassen nicht locker: der Untertitel lautet "Die Lok, die aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt wird"

Infos: http://www.lok-jaeger.de/ und https://www.startnext.com/jaeger-der-versunkenen-lok

fünf Videobeiträge des Südwestrundfunks in der Mediathek:

1

Live vom Rheinland-Pfalz Tag 2018 in Worms: SWR-Intendant Boudgoust über das Projekt: „Mario Schmiedicke und Volker Jenderny berichten vor Ort über die Schatzsuche. (ab Minute 2:09)“ >>>

2

Ein Journalistenleben für die Lok: Warum SWR-Redakteur Mario Schmiedicke seit 25 Jahren mitfiebert >>>

3

Trailer: Die Jäger der Lok „Rhein“ vor dem Ziel: Eine Schatzsuche quer durch den Südwesten >>>

4

Wie die Nadel im Heuhaufen: Jahrzehntelange Schatzsuche nach der verschollenen „Rhein“ >>>

5

Zwei Lokjäger im Interview: Bernhard Forkmann und Horst Müller zu Gast bei SWR Landesschau Rheinland-Pfalz >>>