Zu Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden überall Eisenbahn-Comités, so sollte auch eine Eisenbahn-Anbindung von Darmstadt bis nach Lindenfels gehen, mit Anbindung an die ebenfalls nie gebaute Lautertalbahn. Zunächst plante man von Ober-Ramstadt bis Lindenfels, aber Darmstadt war stark an einer Anbindung interessiert.
Der Omnibus bei Ernsthofen, ganz offen zu sehen ist das Schloß von der Straße aus, Foto aus dem Archiv von Claus Klenk, Modautal
Sorgfältig gesammelte Zeitungsannoncen, Archiv Claus Klenk Modautal
Den Bahnhof Gadernheim hatte man unter anderem auch deshalb - und auch als Ausweichstelle für Gegenverkehr - zweigleisig geplant. Die Anbindung wäre in Lautern am Nordhang über die Breite Heide nach Brandau und von dort nach Gadernheim am Südhang der Neunkircher Höhe verlaufen. Eine Projektierung über zwei verschiedene Hoheitsgebiete war aber bereits damals schwierig, die Idee wurde nicht weiter verfolgt: 1893 wurde auch das Projekt Bahnverbindung Würzburg - Worms durch die Reichsregierung abgelehnt, so daß Lindenfels gar keinen Bahnanschluß erhielt.
"Projekt einer vollspurigen Nebenbahn Ober-Ramstadt - Lindenfels" Karte vom August 1906 aus der Lithografisch-geografischen Anstalt von C. Welzbacher, Darmstadt im Maßstab 1:25.000; im Auftrag des Großherzoglich Hessischen Katasteramtes 1893-98, als Koordinaten-Ursprung wird die Stadtkirchturm Darmstadt angegeben.
Begonnen am Bahnhof Ober-Ramstadt, wo es heute Verbindungen nach Frankfurt, Hanau, Erbach und Eberbach gibt, sollte die neue Strecke im Osten der Stadt nach etwa 1,5 km von der bestehenden Erbacher Strecke nach Süden abzweigen. Direkt östlich vorbei am Gewerbegebiet Pomawiese wäre es in südsüdwestlicher Richtung nach Nieder-Modau gegangen, mit einer Stichstrecke als direkter Anbindung der Schloßmühle. In Nieder-Modau wäre ein Bahnhof gewesen, südlich der Straße nach Rohrbach (zwischen km V und VI). Östlich der Straße wäre es über den Kircvhberg und den Kappesberg an Ober-Modau vorbei gegangen, wo an km VII ebenfalls ein Bahnhof geplant war. Wo heute die Mühle "Bachprinz" (Selbstversorgerhaus) liegt, ist in der Welzbacher Karte "Fabr." eingetragen. Über den Ringels bei km VIII vorbei an den Steinbrüchen am Reuterberg nördlich Ernsthofen wäre ein weiterer Bahnhof erreicht: zwischen der Straße nach Asbach und dem Mühlberg gelegen, zwischen km IX und 9,5. Am Distelacker quert die Strecke die Straße nach Herchenrode und zieht sich bei km 10,5 hinter dem Waldhaus entlang bis zur Engstelle bei km XI direkt an der Modau. Hier wechselt die Strecke die Talseitew und geht auf dem westlichen Hang weiter zum Bahnhof Hoxhohl bei km XII, umrundet den Ort in einem weiten Bogen und stößt am Mandelberg wieder auf die nächste Engstelle direkt an der Modau. An der Lochmühle und den Steinbrüchen und weiter schnurgerade entlang der Chaussee geht es bis km 13,5. Hier, nördlich von Brandau folgt ein weiterer weiter Bogen westlich um Brandau herum. Km XIV liegt nördlich der Straße nach Beedenkirchen, dann wendet sich die Strecke wieder nach Südosten und quert die Straße ein Stück vom Bäcker-Schneider-Kreuz, wo sofort der Bahnof Brandau gefolgt wäre. Dieser hätte am Ende der Straße "Am Geisberg" gelegen, die dann wohl in Bahnhofstraße umbenannt worden wäre, hätte die Hechlergasse berührt und sich bis zum Bensheimer Weg erstreckt.
Südlich von Bensheimer Weg und Lauterner Weg in Brandau wendet sich der Streckenplan nach Süden bis zum km 9,5 auf 328,2m Höhe ü.M., weiter nach Südwesten vorbei an den Steinbrüchen bis zum Hinkelstein, umrundet diesen parallel zur Straße etwas unterhalb, quert die Straße bei km 15,5 und folgt dem Gelände auf 225m Höhe bis zu km XVII oberhalb des Abzweigs, wo die Chaussee (heute L 3099) auf die Nibelungenstraße stößt. Bis zum Bahnhof Gadernheim zwischen km 17,5 und XVII folgt die Strecke dem Hang nördlich der Nibelungenstraße, die weitere Streckenführung bis Lindenfels wäre für beide Bahnen, die Modautalbahn und die Lautertalbahn, die gleiche gewesen. Doch zunächst zu einer Parallelplanung zwischen km 3,5 nördlich des Georgbergs und der Schloßmühle. Sie ist im Plan grün eingezeichnet, während die Hauptstrecke rot gekennzeichnet ist.
Eine zweite Streckenplanung zieht sich westlich der Straße hin
Beginnend am km 3,5 zieht sich die Parallelstrecke nach Südwesten zum Georgberg, überquert zwischen km IV und 4,5 die Modau und die Chaussee und zieht sich am westlichen Hang auf 300m Höhe hin. Bei km 5,5 wendet sie sich nach Süden, wo zwischen km VI und 6,5 westlich von Nieder-Modau der Alternativbahnhof gelegen hätte. Genau nach Süden immer auf 300m Höhe geht es über den Lohberg (350m) zum Bahnhof Ober-Modau genau westlich des Dorfes. Mehrere Taleinschnitte, die überwunden werden müßten, sind an der Strecke ebenfalls markiert. Über die Gänswiese und den Eichelberg geht es in einer weiten Kurve nach Südwesten zum Alternativbahnhof Ernsthofen, der mitten im Schloßgarten gelegen hätte. Weiter nach Südwesten bis km XI direkt westlich oberhalb des Waldhauses durch den Junkernkopf stößt die grüne Strecke auf die rote auf 200 m Höhe, die Kilometermarke 11,5 liegt bei beiden Strecken etwa 200 m auseinander rechts bzw. links des Wegs zum Wanderparkplatz am Junkernkopf. Bei km XII der grünen Strecke direkt am Hohlweg, der von der Hoxhohler Wassergasse abgeht in Richtung Neutscher Hof, wiederum nur 200m nördlich der Kilometermarke XII der roten Strecke am Bahnhof Hoxhohl, stößt die grüne Strecke wieder auf die rote.
![]() |
![]() |
Bahnhof Hoxhohl | Bahnhof Ober-Modau |
![]() |
![]() |
Grüne Alternativstrecke, beginnend am Georgberg in der Nähe der Schloßmühle | Grüne Alternativstrecke, endend bei Hoxhohl |
Parallelplanung: Strecke von Bensheim zum Hinkelstein
In gelb ist oberhalb von Lautern die nördliche Parallelplanung der Lautertalbahnstrecke eingezeichnet. Sie kommt aus Westen vom Knorz, umrundet das Quellgebiet der Breiten Heide bis fast zum Geisberg und zieht eine weite Kurve nach Süden vorbei am Steinbruch an der alten Wegverbindung Gadernheim - Allertshofen und mündet an Kilometer XVI auf die rote Strecke von Ober-Ramstadt am Hinkelstein.
Die weitere Streckenführung vom Hinkelstein zwischen Brandau und Gadernheim ist die gleiche wie bei der Lautertalbahn.
Lautertal- und Modautalbahn: vereint vom Hinkelstein bis Lindenfels
Punkt XVI der roten Strecke markiert den Anfang der gemeinsamen Strecke der beiden Bahnen. Durch das Neubaugebiet Schneidersfeld und quer über den Brandauer Weg (= sehr alte Wegverbindung zwischen Gadernheim und Allertshofen) zum Weinweg, der hinauf auf die Neunkircher Höhe führt. Dieser wird bei km 17,5 überquert, und sofort schließt sich der Bahnhof Gadernheim an, der nach dieser Planung von 1906 in südsüdöstlicher Richtung zwischen km 17,5 und XVIII gelegen hätte, also zwischen den Wegen nach Neunkirchen und über den kapellenberg bei Kolmbach zur Schleich nach Winterkasten (heute Turmstraße, die dann wohl auch Bahnhofstraße geheißen hätte). Von den Steinbrüchen am Weisenstein führt die Strecke schnurgerade weiter zum Schelmenacker. Hier hätte die Eisenbahnstrecke die moderne Streckenführung der Nibelungenstraße vorweg genommen, die damals noch eine große Schleife um das sumpfige Gebiet am Salztrog machte. Genau an der Stelle, wo heute die Druckerei Groer & Möhler steht, hätte ein 280 Meter langer Tunnel begonnen. Die Straße nach Schlierbach und Fürth verlief damals noch direkt durch Kolmbach.
Das Bahnende in Lindenfels; man sieht zudem den Stempel: Großh. Hess. Technisches Ober-Prüpfungsamt
Ein Tunnel bei Kolmbach
Die sehr harte Gesteinsschicht am Schelmenacker zwischen Industriegebiet Gadernheim und dem früheren Zollhäuschen (heute Grundstraße 22) blieb im Laute der Zeit (in geologischen Maßstäben) als Anhöhe stehen, während ringsum das Gelände durch Gewässer erodiert wurde. So bildet dieser Hartsteinriegel zwischen Neunkircher Höhe und Krehberg auch eine kleine Wasserscheide zwischen dem Kolmbach, der zur Weschnitz fließt, und den kleinen Quellen südlich von Gadernheim, die zur Lauter und in den Rhein entwässern. Diese massive Felsschicht sollte durch den Tunnel durchbrochen werden, da die Streckenführung ansonsten "außenrum" auf gleicher Höhenlinie wesentlich länger geworden wäre. Bei km XIX endet der Tunnel, überquert die alte Straße nach Schlierbach, wo sofort der Haltepunkt Kolmbach gewesen wäre. Zwei gestrichelte Stichstrecken zu Steinbrüchen sind sündlich von km XIX und direkt an km 19,5 eingezeichnet, und eine weite Kurve folgt der Geländeform nach Osten zu km XX, wo sie sich wieder weit nach Nordosten rundet und ab km 20,5 nach Südostern zum Haltepunkt Winkel wendet. Dieser liegt bei km XXI, die Strecke umrundet die Steinbrüche im Buch und erreicht in östlicher Richtung den Bahnhof Lindenfels bei km XXII. Dieser hätte direkt an der Steinschleiferei Kreuzer & Böhringer gelegen, eine Fortsetzung direkt nach Lindenfels ist nur gestrichelt eingezeichnet. Der - nicht weiter geplante - letzte Bahnhof der Strecke wäre ein Haltepunkt im Schenkenberg gewesen. Lesen Sie dazu auch den gesamten Streckenverlauf der Lautertalbahn!
Interessante Abkürzungen in der Karte
Die Welzbacherkarte von 1906 verzeichnet immer wieder Abkürzungen, ich kann sie nicht alle auflösen:
Stbr. bedeutet Steinbruch
Lgr. bedeutet Lehmgrube? So beispielsweise an der L 3099 zwischen Brandau und Gadernheim gegenüber des Wäldchens Eschenbühl.
Kgr. bedeutet Kiesgrube
Zgl. = Ziegelei
Die Karte sowie die Originalzeichnungen der Bahnhöfe stellte mir freundlicherweise Herr Claus Klenk zur Verfügung, der sie als Bodenbelag in einem zu renovierenden Gebäude fand. Marieta Hiller, im September 2021
Das erste Durchblick-Jahrbuch ist da!
Das erste Durchblick-Jahrbuch liegt nun vor, mit den wichtigsten Beiträgen, die ich 2021 sammeln konnte. Für meine Geschichte(n) bin ich ständig unterwegs: zu Interviews mit Zeitzeugen, in Archiven und Bibliotheken und natürlich auch im Internet. Deshalb trägt das Jahrbuch auch den Titel "Spinnstubb 2.0". Die Spinnstube war eine Zusammenkunft an den Winterabenden früherer Zeiten, an denen man mangels Fernsehen beisammensaß und erzählte. Die Geschichten wurden dann am späteren Abend immer abenteuerlicher...
Lesen Sie, was im Jahrbuch steht und wie Sie es bekommen können!