
So schmuck erscheint das alte Fachwerk der Pappenfabrik Brücher in Reichenbach heute. Begonnen hat alles mit einer Mühle... Foto: F. Krichbaum
Im Hintergrund sieht man ein Stück des ehemaligen Trockenschuppens für Tabak
Das Anwesen der Pappenfabrik Brücher in Reichenbach liegt auf dem Gelände der früheren Klinger- oder Metzgersmühle, direkt an der Lauter. Diese Mühle war von Johannes Görisch erbaut worden, von 1713 bis 1719 wird er als Besitzer genannt. Ab 1744 wird Johann Philipp Klinger aus Unter-Ostern als Besitzer genannt, seine Familie bleibt für drei Generationen hier. Für den Wasserfall der Lauter waren drei Gulden zu zahlen. Weitere Besitzer waren 1846 Peter Marquardt und 1850 Wilhelm Metzger. Kurz darauf Mayer Bentheim aus Auerbach; er verkaufte die Mühle 1855 für 4600 Gulden an Georg Brücher aus Groß-Zimmern. Die Familie Brücher blieb 160 Jahre auf der Mühle bis zum Tod von Michael Brücher.
Eine Pappdeckelfabrik befand sich seit 1876 in der Mühle, nachdem Georg Brücher bereits vorher zusätzlich zum Mahlbetrieb Strohpappdeckel und Strohhülsen für Weinflaschen hergestellt hatte. Sohn Friedrich Brücher (1849 – 1930, verheiratet mit Katharina Hannewald aus Wilmshausen) zog mit der Pappenfabrikation nach Wilmshausen. Dessen Sohn, wieder ein Friedrich Brücher (1881 – 1953, verheiratet mit Eva Katharina Böhringer aus Lindenfels) baute den Betrieb ab 1920 wiedrum in Reichenbach aus, hier wurde er bis 1973 von Sohn Michael Brücher weitergeführt.
Das bislang unterschlächtige Mühlrad wurde 1879 als oberschlächtiges Wasserrad umgebaut, mit einem Durchmesser von 2,90 Meter. 1946 wurde es durch eine Turbine aufgerüstet. Friedrich Brücher schafte für den Betrieb als einer der ersten einen LKW an, mit dem er aber auch gern die örtlichen Vereine unterstützte.
Mahlzeit - das ist die Zeit, die die Bauern warten mußten, bis ihr Getreide gemahlen war. Die Müllerin wird einst einen kräftigen Trunk dazu serviert haben.
So entwickelte sich in den Mühlen nicht nur die Grundlage für moderne Industrieanlagen, sondern auch der Ursprung der Gastfreundlichkeit - gepaart mit Geschäftssinn.
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Bei aller Schwärmerei wäre der Sprung aus der Vergangenheit ins technologische Industriezeitalter nicht möglich gewesen, hätten nicht die Menschen einst entdeckt, wie man den harten Getreidekörnern ihr Lebenselixier entlocken konnte, und hätten nicht die alten Mühlenärzte den Grundstein für den modernen Maschinenbau gelegt. Noch heute zeigt das Logo vieler Maschinenbauer ein Mühlrad.
Seit der Mensch seßhaft wurde und das Feuer nutzbar machte, kann er auch Brot backen.
Das Mehl dazu wurde damals wie heute aus Getreidekörnern gemahlen, und aus einfachen Handmühlen mit zwei Steinen entwickelte sich die allererste Form des Maschinenbaues: die Mühle. Noch heute zeigt Logo der Maschinenbauer ein Getrieberad, wie es in einer Mühle zur Übertragung der Kraft vom Mühlrad oder den Windflügeln auf das Mahlwerk erforderlich ist. Entlang der Modau gab es von der Neunkircher Höhe bis nach Eberstadt und Pfungstadt bis nach dem 2. Weltkrieg etwa 40 Wassermühlen, die höchstgelegene ist die Neumühle in Brandau.

Diese Mühle kann das größte Modau-Gefälle nutzen und hat daher ein sehr großes Rad mit acht Meter Durchmesser. Sie war die letzte Mühle im Odenwald und gab 1973 den Betrieb auf. Heute leben darin Georg Reimund mit Frau Karin sowie Schwester Ingrid Reimund, eine Herde mit Schwarzkopfschafen gehört ebenfalls dazu. Der Vater Georg Reimund hat das Mehl noch direkt an Bäcker verkauft, doch dann kam das Mühlensterben mit der großen Freßwelle, als alle nur noch Weißmehl wollten.
Vater Georg konnte seine Familie noch von der Mühle und etwa vier Hektar Acker ernähren. Seine Frau Elisabeth war ebenfalls Müllerin, sie kam aus der Papiermühle im Mossautal, die sie während des dritten Reiches alleine in Betrieb hielt. Doch auch als der Mehlverkauf unrentabel wurde und die Mühle mit dem Tod von Georg Reimund stillgelegt wurde, ging das Mühlenleben weiter: die beiden Mahlsteine und ein Walzenmahlwerk sind noch da, auch das Getriebe und natürlich das Mühlrad.
Es wurde sogar 1986 vom Mühlarzt Friedrich Roth aus Seidenbuch komplett neu gebaut und dient der Stromerzeugung. Tag und Nacht mußte das Mühlrad früher laufen, damit das Holz nicht spröde wird, doch nach 30 Jahren muß es ersetzt werden. Friedrich Roth, ursprünglich aus Brandau, hatte schon immer die Vision, alternative Stromquellen zu nutzen und konnte seine Ideen gemeinsam mit Familie Reimund und Entega umsetzen. In einem Pilotprojekt von Entega und Natur pur wird seit etwa 2001 die Hälfte des auf der Mühle erzeugten Stromes ins Netz gespeist. Zusätzlich stellte Entega einen drehbaren Solarmast auf, der sich nach dem Prinzip der Sonnenblumen - auch Tournesol genannt - am Sonnenstand orientiert.
Wasser und Sonne ergänzen sich perfekt: wenn die Sonne scheint, gibt es zwar wenig Wasser - dann tritt der Solarmast in Aktion. Regnet es, kommt der Strom aus der Wasserkraft. Nun ist es bald wieder soweit: das Mühlrad aus Lärchenholz hat wieder fast 30 Jahre gearbeitet und muß ersetzt werden. Das kostet heute ca. 40.000 Euro. Die Mühle ist heute eher ein Schauobjekt zum Thema Umwelt und Kultur, noch immer kommen viele Schulklassen und Wandergruppen zur Mühle, und Familie Reimund empfängt gerne Gäste zu Führungen. 13 Jahre war man beim Deutschen Mühlentag aktiv auf der Neumühle in Brandau, es waren tolle Veranstaltungen mit vielen Gästen, die alle mit regionalen Produkten verköstigt wurden.
Seit einigen Jahren findet das Mühlenfest in Brandau nicht mehr statt, da der Arbeitsaufwand zur Bewältigung der Besucherscharen einfach zu groß war. Fleisch und Würste der Schwarzkopfschafe haben eine feste Fangemeinde, die noch immer von Familie Reimund versorgt wird, auch Apfelsaft von der eigenen Streuobstwiese mit vielen alten Obstbaumsorten gibt es. Wer ihn mal probieren möchte, kann ihn in der praktischen Dreiliterbox in Hartmanns Hoflädchen in Brandau erhalten. Die Felle der Reimundschen Schafe werden schonend im Naturverfahren gegerbt und sind deshalb waschbar und gut als Babyfell geeignet. Sie werden nicht hart beim Waschen. Wer die Produkte von Familie Reimund auf der Neumühle in Brandau probieren oder die Mühle besichtigen möchte, kann sich unter Telefon 06254-2161 dort melden oder unter www.neumuehlebrandau.de nachschauen. Marieta Hiller, April 2015
Das Mühltal zwischen Ober-Ramstadt und Eberstadt
Die Modau entspringt auf der Neunkircher Höhe und fließt durch das Modautal und das Mühltal, bis sie bei Stockstadt in den Rhein mündet. Mitte des 18. Jahrhunderts gab es an der Modau 70 Wassermühlen zählen, da sie von der Quelle bis zur Mündung über 300 Meter Gefälle hat. Die Modau brachte so genügend Wasserkraft für Getreidemühlen, Papiermühlen, Pulvermühlen und Ölmühlen.
Die Pulvermühle im Mühltal
Der Müller war nicht nur verdächtig - er lebte bisweilen auch gefährlich.
Im Jahre 1811 wurde im Mühltal an der unteren Modau auf Veranlassung Großherzogs Ludwig 1 eine Pulvermühle erbaut. Er ließ eine Untersuchung zur effektiven Ausnutzung der vorhandenen Wasserenergie durch Hofkammerrat J. L. Schleiermacher durchführen. Dessen Stampfenmodell kann heute im Hessischen Landesmuseum Darmstadt besichtigt werden.
Salpeter, Holzkohle und Schwefel sind die wichtigsten Bestandteile des Schwarzpulvers. Sie wurden zunächst getrennt auf Kollergängen oder Stampfen zerkleinert und dann durch Stampfen miteinander gemischt, was sehr gefährlich war und oft zu Explosionen führte. 1952 zerstörte eine Explosion die Pulvermühle, wobei der Müller, ein Wachtmeister und zwei Soldaten ums Leben kamen.
Die vermischten Zutaten werden zum Schluß durch Schütteln oder Trommeln zu größeren Partikeln geformt und mittels Sieben in verschiedene Größen unterteilt.
Das Mühlrad der Pulvermühle
Antrieb
Das Wasserrad der Pulvermühle in Zahlen:
Raddurchmesser 5,50m Schaufelbreite 1,18m
Schaufeltiefe 0,85m Schaufelzahl 40
Radarme 8 Fallhöhe 1,50 m
Schluckmenge 800 l / sec = 10 Badewannen voll
Der Generator bringt eine Leistung von 7,5 kW bei einer Drehzahl von 955 U/min. Das Wasserrad läuft mit einer Drehzahl von 6 U/min, der Generator wird über einen Riemen angetrieben. Die Radarme wurden 2006 ersetzt und waren somit ca. 100 Jahre eingebaut.
die "Pertinax"-Sammlung des Mühlenbesitzers
Über die Transmission wurde die Bewegungsenergie auf die verschiedenen Werkzeuge übertragen

Ein Gebet an einer alten Mühlenwand
Herr setze dem Überfluß Grenzen
und lasse die Grenzen überflüssig werden
Lasse die Leute kein falsches Geld machen
und auch Geld keine falschen Leute
Nimm den Ehefrauen das letzte Wort
und erinnere die Ehemänner an ihr erstes.
Schenke meinen Freunden mehr Wahrheit
und der Wahrheit mehr Freunde
Gib den Regierenden ein besseres Deutsch
und den Deutschen eine bessere Regierung.
Herr sorge dafür daß wir alle in den Himmel kommen
Aber nicht sofort.
Mühle in der Mordach im Mühltal
Die Mühlen an der Weschnitz
Unten der große Speicher der Unteren Hildebrand Mühle Weinheim, deren Gründung noch im Dunkeln liegt, aber schon Zeuge des Industriezeitalters. Darunter die Kinscherfsche Mühle an der Weschnitz, eine alte Mühle, die zudem auch noch Wasserrechte aus zwei Herrschaftsbereichen hatte. Die Weinheimer Mühlen versorgen 300 Haushalte = 0,4% aller kWh in Weinheim (viel Industrie)!
Die Kinscherfsche Mühle im Weschnitztal
Die Nieder-Beerbacher Mühlen
Die vier Nieder-Beerbacher Mühlen gehörten alle nicht zur Zunft der Nieder-Ramstädter und Traisaer Müller und Bäcker, dadurch fehlten ihnen wichtige Handelsvorteile.
Die Waldmühle, die unterste der vier Nieder-Beerbacher Mühlen, wird erstmals Ende 18. Jahrhundert in Dokumenten als Gerber-, später als Walkmühle erwähnt. Zur Mahlmühle wurde sie 1850 umgebaut und umfaßte auch eine größere Landwirtschaft. Von 1924 bis in die 1960er Jahre gab es hier eine beliebte Ausflugswirtschaft. Nachdem man hier mit einer Turbine zur Wasserkraft-Unterstützung keine befriedigenden Leistungen erzielte, stellte man 1928 wieder auf reinen Wasserrad-Antrieb um. Das Mühlrad mit über 8 Meter Durchmesser ist noch erhalten, es trieb außer der Mühle auch einen Generator zur Stromversorgung an. 1960 kam das Aus für die Waldmühle.
Die Dorfmühle ist mit Ersterwähnung 1484 als Eigentum der Herren von Frankenstein die älteste Nieder-Beerbacher Mühle. An der Geibelsmühle (18. Jh.) findet sich in einem Sandsteinwappen ein Mühlrad mit Krone, was auf eine herrschaftliche Mühle hinweist. Diese stand im Eigentum des Landesherrn und wurde als Lehen oder Erbpacht vergeben. Mit Wasserkraft wurde hier Ölsaat durch Stampfen oder im Kollergang aufgebrochen und durch Keilpressen ausgequetscht.
Die Mühlen auf der Mordach
Landgraf Ernst-Ludwig hatte 1698 auf der Scheuerwiese eine Glashütte mit Stampfwerk gegründet. Hier wurden Spiegelscheiben und Butzenfenster, Trinkgläser und Flaschen hergestellt. In der Schleifmühle an der Modau wurden die Spiegel anschließend weiterbearbeitet. Jedoch bestand die Glashütte nur zehn Jahre und wurde an einen Müller verkauft und zur Mahlmühle umgewandelt, zweihundert Jahre später brannte sie ab.
1701 wurde die Mahlmühle "Neue Bohlenmühle" gegründet, der später eine Sägemühle angebaut wurde. Außerdem gab es auf der Mordach die Zehmühle, die zur Müllerzunft Nieder-Ramstadt gehörte, die Frankenberger und die Engelsmühle.
Die Alte Mühle in Schlierbach
1398 wurde die Mahlmühle des Pfalzgrafen Ruprecht erstmals urkundlich erwähnt, später (1488) wurde sie zum Lehensgut des Grafen von Wamboldt, später des Grafen Ullner zu Dieburg. Die Zehntabgabe der Frohnmühle betrug nach Quellen von 1568 jährlich sieben Malter Korn und eine Mastung. 1720 wurde die Mühle mit drei Mahlgängen ausgebaut und ging in bäuerlichen Besitz über. 1869 wird das Recht zum Betreiben einer Holzschneidemühle erteilt, 1898 das Backrecht mit Betrieb einer Mehlhandlung. Bis 1955 war die Mühle als Mahl- und Holzschneidemühle in Betrieb.
Alle Texte: M. Hiller
Die historische Mühle in Brombach bei Hirschhorn
Brombacher Mühle
Hier geht es zur Brombacher Mühle und dem Prinzip der Wässerwiese
Längst nicht so geschäftig geht es in der Lohmühle zu: ruhig läßt sie die Herbstwinde an sich vorüberziehen, still liegt sie im winterlichen Mondlicht. Die mühevolle Arbeit beginnt hier erst im Frühjahr. Und es ist auch kein Müller, der hier arbeitet, sondern der Gerber. So geruhsam der Winter für ihn ist, so anstrengend wird es im Frühjahr, wenn die Lohe hergestellt werden muß. Der Lohgerber und seine Lohmühle - die beiden sind eng mit dem tiefen Wald verbunden, denn beide brauchen die Rinde der Bäume.
Im Februar und März zogen in früheren Zeiten Kinder, Alte und Erwachsene in die Wälder, um von den dünnen Eichenstämmen im Niederhackwald abgeschälte Rinde ins Dorf zu schleppen. Dort trocknet die geschlissene Eichenrinde erst einmal bis in den frühen Sommer hinein, bevor sie zur Mühle gebracht wurde. Hier wurde sie dann so lange zerkleinert und gewalkt, bis sich Gerbsäure herauslöste.
Der Wald aber war damit nicht zerstört: die Baumstrünke konnten wieder austreiben, man baute auf den abgeholzten und abgebrannten Waldflächen zunächst Roggen, dann Buchweizen an, und danach zeigten sich schon wieder die ersten Stämme, die nach einigen Jahren dick genug zum Räumen waren. Diese alte Form der Waldwirtschaft nannte man Haubergwirtschaft.
Märchen künden uns von uralter Menschenkultur - und Dichter besangen sie
Was aber geschah mit der getrockneten Rinde in der Lohmühle? Nun, etwas sehr Wichtiges, denn seit alters her ist der Mensch im Gegensatz zu den Tieren nicht mit einer wärmenden Hülle ausgestattet, er muß sich mit fremden Häuten und Fellen schützen. Eichenrinde - auch Fichten- oder Kastanienrinde - enthält viel Gerbsäure, und das ist ein wichtiges Mittel um aus Häuten haltbares Leder zu machen. Mit Alaun machten das die Weißgerber, mit Gerbsäure die Rotgerber, mit der Gerbsäure die aus Lohe gewonnenen wurde. Weiß- und Rotgerber waren einst „anrüchige“ Berufe, die draußen vor den Toren der Dörfer und Städte ausgeübt werden mußten. Kurz gesagt: es stank. Und so gibt es noch viele Orte, die Lohmühle heißen - von alters her eine Erinnerung an ausgestorbene Waldberufe. Oft findet man heute dort Ausflugslokale!
Mit der Gerbsäure aus der Lohmühle ließ sich nun Leder gerben, auch Fischernetze, Taue und Segel machte man damit haltbar. Deshalb wurde die Lohe seit dem Mittelalter als wichtiges Handelsgut mit dem sogenannten Stapelrecht belegt. Sie mußte von durchreisenden Händlern in Städten gehandelt werden. Das war also eigentlich kein Marktrecht, sondern eine Marktpflicht.
Die älteste Lohmühle wird bereits 1311 in Siegen beurkundet, 1455 gab es dort eine starke Gerberzunft mit über 30 Mitgliedern, dreißig Jahre später waren es bereits fast fünfzig.
Der berühmte Dichter Hans Sachs reimte im 16. Jahrhundert:
“Die Heuwt die henck ich in den Bach
Werff sie in den Escher darnach
Dargleich die Kalbfel auch also
Darnach wirff ich sie in das Loh
Da sie jr ruhe ein zeit erlangn
Darnach henck ichs auff an die Stangn
Wüsch darnach ab mit einem Harwüsch
Und habs feyl auff dem Leder Tisch”
Eine Lohmühle im Betrieb: vor fast zwanzig Jahren kaufte Familie Hummel ein einsturzgefährdetes Gebäude mit seltsamem Innenleben, einem verfallenen Wasserrad, Resten vom Transmission, Walkfaß und Lederwalze. Mühsam bauten die Hummels das technische Kulturdenkmal wieder auf, zuguter Letzt stellten sie auch die Rindenmühle, das Herzstück einer Lohmühle, wieder auf. Das Museum, inzwischen längst vom Förderverein „Gerbermuseum Lohmühle e.V.“ betreut, gibt seit zehn Jahren Einblick in ein uraltes Handwerk. (Weitere Infos: www.Frickingen.de. Bei Führungen werden die Maschinen natürlich durch das oberschlächtige Wasserrad betrieben, wie es sich für eine ordentliche Mühle gehört.
Ein Wald, in dem sich Hänsel und Gretel wohl nicht verirrt hätten...
Seit der Eisenzeit veränderte der Mensch den Wald weg vom undurchdringlichen Dickicht und hin zum traditionellen Niederwald. In unseren Mittelgebirgen findet man in vielen Regionen der Eifel, des Siegerlandes und des rheinischen Schiefergebirges Lohhecken, Hauberge oder Hackberge. Sie sind eine ganz besondere Waldform, aus der stets auf Holzkohleherstellung - Holzkohle wurde zur Erzverhüttung gebraucht! - und Lohegewinnung geschlossen werden darf.
Hainbuche, Linde, Ahorn, Esche und Hasel, vor allem aber Eiche kultivierten die Alten in der Niederwaldwirtschaft, und später wurde daraus oft die Allmende, die Gemeindeweide. In vielen Märchen liest man über die vielen einsamen Waldberufe, wie sie in früheren Zeiten ausgeübt wurden. Der Schweinehirt mußte des Morgens die Schweine aus den Ställen des Dorfes zusammentreiben und mit ihnen hinauf in die Wälder ziehen, wo es sich die Schweine an Eicheln, Bucheckern und anderen Leckereien gutgehen ließen, währen der Schweinehirt Muße hatte, über dies und das nachzudenken oder in den Tag hinein zu träumen... Sauwohl fühlen sich die Schweine im Hutewald in Basdorf am Edersee auch heute noch, während ihre Artgenossen in hochtechnologischen Ställen ausharren müssen. Früher zogen die Schweine mit ihrem Hirten wochenlang durch die Herbstwälder und taten sich gütlich an Eicheln, bevor sie beim winterlichen Schlachtfest ihr Leben ließen.
Der Hirte - das ar so ein alter Waldberuf. Noch heute zeugen uns Worte wie Hütte von seiner Arbeit, dem Hüten im unergründlichen undurchdringlichen Wald. Kehrte der Hirte nach Hause, so kam er in den Ort - auch das ein altes Wort, das von Hort kommt und eine Umfriedung meint, gerade wie im Garten Eden. Denn auch das Wort Garten kommt von Hort.
So leben in unseren Wörtern noch immer die Erfahrungen der Alten, wie sie in Märchen erzählt werden, weiter. Auch Ortsnamen zeugen noch von der Waldwirtschaft: gerodete Wälder klingen durch in Rodenkirchen, Wernigerode, Rott, Reutlingen und Bayreuth, Rath, Reutte, Ried und Rüti. Namen auf Stock, Stubben, Horst wiederum weisen auf Niederwaldwirtschaft hin, ebenso wie auch Schlag, Hau, Schwende und Schwand.
Wenden wir uns der modernen Welt zu, die ja bekanntlich im 19. Jahrhundert begann, als die erzählten Märchen den gedruckten Nachrichten weichen mußten: Waldgenossenschaften gab es in den Dörfern, die gemeinsam mit Lohe, Brenn- und Kohlholz, Roggenbau und Schweinehutung wirtschafteten: so konnten sie aus einem Hektar Hauberg durchaus innerhalb knapp 20 Jahren gut 800 Mark erwirtschaften und so im Jahr einen Gewinn von knapp dreißig Mark pro Hektar erzielen, und den größten Teil des Geldes erbrachte die Gerblohe. Ein übliches Tagewerk dagegen war 3 Mark wert, ein Lehrer etwa verdiente das Gleiche in zwei Wochen, was ein Haubergbauer in einer Woche bekam. War der Eichenschälwald dann abgeerntet, zogen Kinder, Alte und Erwachsene müde und erschöpft hinunter ins Dorf und gönnten dem Wald eine ganze Generation lang Ruhe: 15 bis 30 Jahre dauerte es, bis er bereit war für die nächste Ernte. Allzu alt ließ man die Bäume nicht werden, damit ihre Rinde nicht trocken wurde. Immerhin brauchte man für 50 kg Leder 200 kg Lohe - ein wichtiges Gut, um Häute zu robusten Schuhen und schützender Kleidung zu verarbeiten. Und vielleicht - irgendwo in einem Wald hinter den sieben Bergen, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, irgendwo dort könnte es sein, daß auch heute noch - wenn es Frühling wird und die Säfte zu steigen beginnen - jemand hinauszieht, um Rinde zu schleißen, und die Lohmühle bekommt tüchtig zu tun.
Marieta Hiller, Mai 2019