Vor der Pfarrscheuer in Beedenkirchen:

neu ist er und ganz rot ist er. Schon den ganzen Winter über steht er in der Ecke des Wartehäuschens im Pfarrhof von Beedenkirchen und füllte sich peu à peu mit Büchern. Er wünscht sich aber einen ganz vollen Bauch - mit ganz vielen Büchern - dicke oder dünne, alte oder neue, gelesene oder nicht gelesene, für Kinder oder für Erwachsene, und … und … und. Die Menschen sollen seine Tür öffnen, hineinlegen, was sie übrig haben und rausnehmen, was sie interessiert. Sie können die gelesenen Bücher behalten oder wieder zurückstellen, oder ein andres dafür reinstellen. Nur eins noch: Von Pornos und rechtsradikalem (Lese-)Futter wird ihm schlecht, das spuckt er wieder aus. Hochoffiziell wurde der rote Bücherschrank mit Buchstaben zum Trinken und Essen eingeweiht nach dem Gemeindegottesdienst am 9. Februar 2014.

Überragt wird das Dorf Beedenkirchen von der Kirche aus dem Jahr 1669 - der ältesten Kirche der Gegend.

Seit 1854 verfügt sie über eine Orgel, viel später als andere Kirchen in der Nähe. Sie wurde von dem gefragten Mainzer Orgelbauer Bernhard Dreymann für umgerechnet Euro 30.000 (damals 800 Gulden) gebaut und war eine starke Leistung für die so kleine Gemeinde. Bernhard Dreymann hatte Orgeln in Beerfelden, Lindenfels, Schlierbach und Gronau gebaut.

Da der Aufstellungsort der Orgel in der Kirche nicht optimal war und auch eine große Orgelbühne notwendig war, entstanden weitere nicht unerhebliche Anschaffungskosten. Die zusätzlichen Gelder dafür konnte der Pfarrer Kaiser bei deutschen Kaufleuten auf einer Reise nach England in Manchester und London holen. Obwohl die Orgel dann nicht durch die Kirchentür paßte und es zur Weihe am 2. Advent heftig schneite, konnte sie ab diesem Tag ihren Dienst in der Kirche tun.

Gespielt wurde sie an jenem Wintertag von einem Schulvikar aus Allertshofen mit wenig Orgelspielerfahrung, der Orgelanstrich war nicht fertig, sondern sogar noch naß, und so mag die Stimmung der anwesenden Kirchengemeinde nicht ganz der festlichen Angelegenheit entsprochen haben. So verlief die ganze Geschichte ziemlich ereignisreich für die Gemeinde.

Aber am Ende ging sie trotz allem gut aus und die Kirche behielt ihre Orgel bis heute.

1973 wurde sie grundrenoviert und 2004 gereinigt. Die kleine Kirche im Ortskern von Beedenkirchen mit ihrer ländlich-barocken Ausstattung aus dem Jahr 1728 enthält Reste einer gotischen Vorgängerin.

Vermutlich existierte schon im vierten Jahrhundert zur Zeit des römischen Granitabbaus am Felsberg auf dem Beedenkirchener Kirchberg eine Kultstätte. Heute bildet die Kirche mit dem Pfarrwäldchen und dem über 250 Jahre alten Pfarrhaus sowie der als modernes Gemeindehaus wiederhergestellten Alten Pfarrscheuer ein denkmalgeschütztes Ensemble.

Urkundlich erwähnt wurde Beedenkirchen zum ersten Mal im Lorscher Kodex im Jahr 1012 als Betenkiricha. Schon vor der Reformation wurde Beedenkirchen zu einer Mutterkirche erhoben, da ab 1452 Pastoren im Ort ansässig waren. Die Reformation fand in Beedenkirchen wohl um 1550 statt, da der erste evangelische Pfarrer Wenzel von 1551 bis 1569 verzeichnet ist.

Seither gibt es hier immer eine eigene Pfarrstelle. Zur Zeit ist Beedenkirchen mit etwa 500 Mitgliedern in den Außenorten Felsberg, Kuralpe, Schmal-Beerbach, Staffel und Wurzelbach die kleinste Kirchengemeinde des Dekanats Bergstraße, pfarramtlich verbunden mit der größeren Kirchengemeinde Reichenbach, deren Pfarrstelle II  jetzt ihren Sitz in Beedenkirchen hat. Es gibt Gottesdienste am 2. und 4. Sonntag im Monat, einen Kindergottesdienst und besondere Abendgottesdienste. Ein kleiner singbegeisterter Projektchor bereichert das Gottesdienstleben ebenso wie die Beiträge der Kindergruppen an den regelmäßigen Familiengottesdiensten. Im rührigen Gemeindeleben der kleinen Pfarrei bildet neben der Kindergruppenarbeit die über 40- jährige Partnerschaft mit behinderten Menschen aus den Bruckberger Heimen (Diakonie Neuendettelsau) einen besonderen Schwerpunkt. Mehrmals jährlich sind die Freunde aus Bruckberg zu Besuch; im Sommer verbringen sie einige Tage lang  hier ihre Ferien, was mit dem „Bruckbergfest“ den Höhepunkt des Jahres im Gemeindeleben darstellt. Die KonfirmandInnen verbringen im Gegenzug ihr Konfirmanden-Seminar in Bruckberg. Vorurteile und Fremdheit abzubauen, stattdessen gegenseitiges Verstehen und Freundschaft zwischen ganz verschiedenen Menschen zu fördern, ist in Beedenkirchen wesentliches christliches Anliegen.

Grenzgang im März 2018: die nordöstliche Grenze von Beedenkirchen

Die Beedenkirchener zogen beim Grenzgang 2018 mit Hartmut Krämer vom Grillplatz Allertshofen entlang der Dietzenbach die nordöstliche Grenze hinauf. Durch die Stegwiesen, den Engelgrund und die Tannäcker ging es zum Col de Beerbach, wo die Hutzelstraße die Grenze quert. Die Hutzelstraße hat ihren Namen von den Hutzelweibern, die im Spätherbst gedörrte Früchte in großen Körben zum Markt brachten. Zu Weihnachten und in der Winterszeit wurden diese dann als Energie- und Vitaminlieferanten gegessen. Die Hutzelstraße gehört zum Altstraßensystem, das z.B. Weinheim mit Dieburg verband. An dieser Verbindung stand auch das hübsche Fachwerkhäuschen zwischen Kolmbach und Gadernheim.


Der Beedenkirchener Grenzgang führte am Gehöft Kohlwiese und dem Krämerhof vorbei weiter zur Kuralpe. Während Beedenkirchen und Schmal-Beerbach eine eigene Gemarkung haben, gehört Wurzelbach zu Beedenkirchen. Das Jagdrevier reicht übrigens von Wurzelbach über die Kuralpe und den Felsberg bis zum Lauterner Knorz, wobei der Jagd weniger Tiere zum Opfer fallen als dem Straßenverkehr.

Marieta Hiller, 2018