Wieder ein spannender Beitrag des Reichenbachers Walter Koepff, seit 50 Jahren als "rasender Reporter" im Lautertal unterwegs. Klar, daß Koepff auch im Redaktionsteam zur Festchronik "50 Jahre Lautertal" mitarbeitet. Hier dokumentiert er die aktuellen Arbeiten am Kirchturm der evangelischen Kirche in Reichenbach:
Zwei Meter fehlten bis zur Kirchturmuhr
Mit einem lokalen Hubsteiger sollten die Zeiger der Reichenbacher Kirchturmuhr von der „Fesselung“ durch die vom Sturm verwehten Kabel der Taubenabwehr befreit werden. Seit einiger Zeit zeigte die weithin sichtbare Uhr nicht mehr korrekt an. Jetzt machte sich eine Fachfirma für Kirchturmuhren daran, den Schaden mit Hilfe eben dieser Steighilfe beheben. Dem Techniker fehlten jedoch gut zwei Meter bis zur Uhr, was aus der Perspektive vom Erdboden aus nicht ganz nachvollzogen werden konnte. Der umlaufende Sims verhinderte ein näheres Heranfahren der Arbeitsbühne. Ein Herunterreißen der ähnlich wie ein Weidezaun funktionierenden Taubenabwehr hätte nur noch größeren Schaden an der Zeitanzeige zur Folge gehabt. Jetzt sollte ein zweiter Versuch mit einem höheren Hubsteiger unternommen werden.
Spannend wurde auch der zweite Versuch, mit einem größeren Hubsteiger die Reichenbacher Kirchturmuhr von den vom Sturm verwehten Drähten der Taubenabwehr zu befreien. War vor 14 Tagen der eingesetzte Hubsteiger zu kurz, um an das Zeigerwerk zu gelangen, so wollte die jetzt eingesetzte Arbeitsbühne sich zunächst nicht nach oben bewegen. Erst als man die eingeschaltete Transportsicherung lösen konnte, stand dem Aufstieg nichts mehr im Wege. Küsterin Tatjana Bauer war sichtlich erleichtert, als der Monteur die Kabel von den Zeigern entfernt hatte. Jetzt wird man hoffentlich in Reichenbach wieder sehen, was die Stunde geschlagen hat.
Text und Foto: Walter Koepff
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In den Onlinebriefen des Verschönerungsvereins Reichenbach erschien 2015 ein mehrteiliger Beitrag von Heinz Eichhorn über das Kriegsende in Reichenbach. Da die Onlinebriefe leider nicht mehr online sind, veröffentlichen wir an dieser Stelle diesen Beitrag.
Im letzten Kriegsjahr kam es in Lautertal zu mehreren Abschüssen von Militärflugzeugen oder zu Notlandungen, wie hier auf der Höhe zwischen Lautern und Brandau. Repro Heinz Eichhorn
Lesen Sie dazu auch: Der Lancaster-Absturz im Neunkircher Wald und Tagebuch: Kriegsende in Gronau
Zwei Tote gab es vor dem Einmarsch der amerikanischen Armee vor 70 Jahren in Beedenkirchen. Wie der evangelische Pfarrer Rudolf Wintermann in seinem jetzt wieder entdeckten Tagebuch schreibt, wurden ein
amerikanischer Soldat auf der Flucht sowie der Schmal-Beerbacher Bürgermeister Beutel erschossen.
Eigentlich wollte Pfarrer Wintermann am Palm-Sonntag 1945 in Darmstadt predigen. Aber er kam nicht in die Stadt, „die Partei hatte sie verbarrikadiert“, schreibt er. Außerdem wollte er gerade jetzt die Gemeinde nicht verlassen. „Die Leute waren überall in Unruhe, die tollsten Gerüchte gingen um“. Deshalb hatte er auch zwei Tage vorher für diesen Tag in Beedenkirchen Konfirmation angesetzt. Am Freitag, 23. März, wurde der Volkssturm einberufen, mit ihm auch der Vater des Konfirmanden Willi Reimund. „Aber der Volkssturm war am Abend schon zurückgekehrt, weil keine Uniformen da waren, sie seien gestohlen worden‟.
Morgens um halb sieben Uhr zog Wintermann von Reichenbach los nach Beedenkirchen. Der erste, der ihm in Beedenkirchen über den Weg lief, war Glöckner Roß: „Herr Pfarrer, es ist keine Konfirmation. Das ganze Pfarrhaus ist voll Soldaten. Die Frau Pfarrer Haugen hat's auch gesagt.‟ Ich brüllte ihn an: „Herr Roß, wer ist hier der Pfarrer, Sie oder Frau Haugen oder ich? Ich bestimme, ob Konfirmation ist oder nicht. Kommen Sie mit!‟ Im Pfarrhaus ließen sich zwölf Soldaten verpflegen, die aber wohl kaum mehr an Kampf dachten. „Die Frau Pfarrer, eine tapfere, resolute und feine Frau, Witwe, deren Mann im Juli 1943 gefallen war, eine Frau, die Herz hat und wirklich Pfarrfrau ist, hat nichts gesagt. Nur ihrem Jungen, Helmut, der mich empfängt mit den Worten: „Aus unserm Keller wird geschossen‟, hat sie eine Ohrfeige herunter gehauen. Ich sage dem Glöckner: „Also, Herr Roß, es wird konfirmiert.‟
„Herr Pfarrer, ich laufe nach Haus zu meiner Familie.‟
„Laufen Sie nur, Sie Bankschisser, dann läute ich selbst.‟ Ich war dann noch bei zwei Konfirmanden-Eltern, ruhige Leute. Sie waren ganz meiner Meinung. Ich habe dann noch einmal vorgeläutet. Mit einer Viertel-
stunde Verspätung begann ich das eigentliche Läuten. Frau Schwinn, eine feine, tapfere Bauernfrau, nahm es mir ab. Talar angezogen und dann durch die Kirche eingezogen. Allgemach spazierten dann auch noch unsere zwei Kirchenvorsteher, die sich aufgerafft hatten, heran. Schließlich auch noch der Glöckner, während der Bälgetreter ausblieb. Auch Gemeindemitglieder waren wenig da. Außer den Konfirmanden mit Angehörigen und wenige tapfere und gläubige Seelen. Aber dann verlief die Konfirmation ungestört in aller Ruhe. Die Kinder und die Gemeinde waren wirklich dabei. Und vielleicht schreibt sich das Erleben dieses Tages tiefer in ihre Seelen, als wenn es eine „Friedenskonfirmation‟ gewesen wäre mit dem, was alles an Unnötigem ganz dazugehört.“
Nach der Konfirmation hörte die Kirchengemeinde die ersten amerikanischen Panzer, die eine Rundfahrt von Ober-Ramstadt über Nieder- und Ober-, sowie Schmal-Beerbach, Wurzelbach, Allertshofen, Hoxhohl, Ernsthofen, wieder nach Ober-Ramstadt gemacht hatten. Sie sah auch den Staub, den sie aufwirbelten, und dachte, dass sie jeden Augenblick nach Beedenkirchen kämen, doch sie ließen es bei dieser Demonstration bewenden.
Gruppe, die sich auf dem Rücken zwischen Reichenbach und Beedenkirchen gesammelt hatte und suchten nach den Amerikanern. Sie fanden ihren Panzer in Wurzelbach, sprengten ihn, fanden dann auch die Amerikaner, einen nahmen sie gefangen, den anderen, der flüchtig ging, erschossen sie.“
Abends, als es dunkel war, kam Pfarrer Wintermann ungehindert zurück nach Reichenbach. Dort war alles noch „ruhig‟. Die US-Amerikaner sollten erst am Dienstag, 27. März, nachmittags in Reichenbach einmarschieren.
in Gadernheim starben neun Zivilisten und drei Soldaten einen sinnlosen Tod.
Doch am Steinmetzbetrieb Dassel kurz vor Wilmshausen holten ihn die Truppen ein. Der Lenker des vorausfahrenden Jeeps hielt ihn an und fragte nach dem Woher und Wohin. Als er in seinem noch nicht
ausgereiften Schulenglisch sein Problem schilderte, durfte er sich mit dem Fahrrad an den Jeep hängen. Doch am Ortsausgang von Wilmshausen kam es zu einem „Scharmützel“ mit einigen versprengten deutschen Soldaten. Rheinfurth suchte mit seinem Fahrrad hinter dem ersten amerikanischen Panzer Deckung vor deutschen Kugeln.
In Reichenbach sah Else Roth aus ihrem Haus am Dorfeingang die US-Truppen kommen. Die heute (2015) knapp 92-jährige, die kürzlich noch ein Folk-Konzert ihres Sohnes in Winterkasten besuchte, erinnert sich noch genau an diesen Dienstag, auch weil sie viele Details fein säuberlich in ihrem Tagebuch festgehalten hat.
„Es waren lange Tage, als wir wussten, dass sie kommen und doch nicht wussten, was wird“, beschrieb sie die Zeit vor dem Einmarsch. Dieser kündigte sich durch Artilleriebeschuss an.
Zum Glück für die Reichenbacher zielten die Amerikaner nicht so genau. Nur das Elternhaus zweier Gründungsmitglieder der örtlichen NSDAP in der „Straße der SA“ wurde stark beschädigt.
Das war in Gadernheim nicht so. Dort leistete eine Gruppe von Soldaten Widerstand. Um den zu brechen, zogen die Amerikaner sechs Artillerie-Kanonen auf der Nibelungenstraße, dem TSV-Sportplatz, Falltorweg und Kernberg auf. Die US-Soldaten wurden in den besetzten Häusern der Familien Roth, Mink, Knaup, Pappert, Dr. Baunach und Laut einquartiert. „Wir haben es gut getroffen“, schrieb Else Roth in ihr Tagebuch, „vier Mann schlafen in der Scheune auf Stroh und auch sonst können wir nicht klagen.“
Nach dem Beschuss Gadernheims die Nacht hindurch war am nächsten Morgen der Widerstand gebrochen, neun Menschen starben, die amerikanischen Truppen zogen weiter in den Odenwald. Wenige Tage später kam dann die Nachhut „mit vielen Fahrzeugen und Soldaten“. Auch jetzt wurden wieder die ersten Reichenbacher Häuser besetzt, ihre Bewohner mussten sie verlassen und bei Verwandten oder Bekannten unterkommen.
eine „Großbürgermeisterei Reichenbach“ eingerichtet. Sie war in den Anfangsjahren verantwortlich für die einzelnen Dörfer, deren Zusammensetzung nahezu identisch war mit der späteren „Großge-
meinde Lautertal.“
Dierk Haase aus Beedenkirchen hat 2012 und 2013 zum Thema Familienstammbäume die Quellenlage studiert. Verblüfft war er, wie viel Informationen im Internet verfügbar sind. Es gebe wahrscheinlich nur wenige Orte in Deutschland, die u.a. aufgrund der ungeheuren Fleißarbeit eines Odenwälder Namensforschers so gut erschlossen sind wie Beedenkirchen.
Parallel zu dessen Arbeit liegen bereits vollkommene Familienstammbäume schriftlich vor aufgrund privater Initiativen einiger Bürgerinnen und Bürger von Beedenkirchen. Die Grundlage aller Stammbäume ist in den Kir-chenbüchern niedergeschrieben, die u.a. von Heimatforscher Kunz vor Jahrzehnten aufgearbeitet wurden und heute im Archiv der Kurpfalz Bibliothek Lorsch verfügbar sind. Auch Sekundärquellen über Konfessionshürden hinaus sind weitgehend erschlossen.
Die aktuellen Familienregister, heute sorgfältig vom Datenschutz blockiert, sind bis zur Neuzeit recherchiert, die letzten 2-3 Generationen sind in den Beedenkirchener Familien jedoch gut aus dem Gedächtnis nachzutragen. Wie schon bei der 975 und 1000 Jahrfeier praktiziert, lohnt es sich diesen Familien-Erinnerungsschatz zu heben und den direkten Nachkommen für die Zukunft zu konservieren.
Weitere Informationen zu Familienstammbäumen sind unter www.online-ofb.de zu finden. Dort ist auch der Kontakt zum Bearbeiter der Beedenkirchener Eintragungen möglich: Ulrich Kirschnick aus Brandau hat für alle Modautaler Ortsteile sowie für Beedenkirchen, Schmal-Beerbach, Staffel und Wurzelbach die Ortsfamilienbücher erstellt mit der Gesamtliste der Familien-namen, Geburtsorten auswärtiger Personen und Sterbeorten weggezogener Personen, aus Datenschutzgründen nur bis ca. 1950.
Informationen zu Beedenkirchener Familien finde man, so Haase, etwas mühsam und aufwändig auch im Staatsarchiv Darmstadt sowie im Bürgerregister ab 1822 der Gemeinde Lautertal und im umfangreichen Nachlaß von Rudolf Kunz (Jugenheim) in der Kurpfalz-Bibliothek in Lorsch.
In Reichenbach hilft der Verschönerungsverein weiter bei der Wurzelsuche: immer mehr Menschen fragen die Heimatkundler des Verschönerungsvereins um Rat. Meist seien es die Nachfahren von einst aus dem Odenwald Weggezogenen, die Details über ihre Vorfahren oder auch über das Dorf wissen wollen, so Heinz Eichhorn vom VVR.
Im Jubiläumsjahr 2012 gingen solche Anfragen nahezu täglich ein. Von besonderem Interesse war im Herbst eine Anfrage aus München: dort hatte ein Antiquitätensammler Fotoplatten erworben mit einer Aufnahme des Gasthauses „Zur Traube“. Doch das vermutete Haus in der ehemaligen Kreyssmühle in der Reichenbacher Dorfmitte war es eindeutig nicht, und bald konnte man das Gebäude in Gronau lokalisieren, da es im Internet in der Stadtteildokumentation zu Gronau gezeigt wird. Heinz Eichhorn berichtet weiter, daß sich früher im Saal im Obergeschoß die Fußballer der Gastmannschaften vor und nach dem Spiel umzogen, da es weder Umkleidekabinen noch eine Dusche gab, so daß die Gasthäuser ihre Säle für die Kicker bereitstellten. Die Wirte kamen so auf ihre Kosten, denn anschließend wurde das Spiel ja kräftig begossen.
Marieta Hiller, Februar 2013
Dort, wo 1747 in einem einzigen Jahr die neue Kirche erbaut wurde, stand zuvor eine alte Kirche, die um 1430 erbaut worden war. Diese Vorgängerkirche war katholisch (1430-1747), die Reformation kam erst später in den Odenwald. Die "neue" Kirche mit ihren roten Kanten aus Sandstein aus dem östlichen Odenwald präsentiert sich als wichtiges Gotteshaus der damaligen Zeit: sie ist die erste große Kirche, wenn man aus Westen kommt: eigentlich ist sie für Reichenbach zu groß. Ihre Mauern sind 1,2 m dick und aus Granit gebaut.
Bei Restaurierungsarbeiten an der Evangelischen Kirche im Jahr 2000 entdeckte man eine fantasievolle Bemalung der Deckensegmente zwischen den Balken.
Etwa 1,5m unter der bis dahin verborgenen Decke in der Evangelischen Kirche Reichenbach wurde ein Gerüst eingezogen, um die wunderschöne Bemalung aufzufrischen.
Die - jetzt - Evangelische Kirche Reichenbach, die übrigens exakt auf der - natürlich längst verschwundenen - Quarzader steht, die als Reichenbacher Gold bekannt ist, war 1749 eingeweiht worden.

Eine Kletterpartie auf dem Gerüst unter der bislang verborgenen Decke präsentierte mir zahllose florale Motive, eine Eule, eine Ente, einen Igel...
Zu ihrem 250. Geburtstag im Jahr 1998 sollte sie von Grund auf renoviert werden und in neuem Glanz erstrahlen. Doch daraus wurde nicht gleich etwas, denn - wie Pfarrer Gattermann meinte: "gut Ding will Weile haben".
Das ehrwürdige Alter des Gotteshauses erforderte eine gründliche Sanierung. Gebäude, Statik, Glockengeläut, elektrische Anlagen und neue Fenster im Glockenturm waren fällig, auch gegen den Holzwurm mußte vorgegangen werden.

links: ältere Deckenbemalung von 1870, rechts üppige Ornamentik von 1910
Das kostete viel Geld und auch Zeit, und der Kirchenvorstand bat in einem Spendenrundbrief um finanzielle Unterstützung.
Bei den Renovierungsarbeiten kam dann der verborgene Schatz zum Vorschein: wunderschöne Deckenbemalungen aus dem Jahr 1910 von Kunstmaler Amann aus Bensheim. Ihre Restaurierung nahm weitere Finanzmittel in Anspruch, auch die Deckenbalken und die kunstvoll gedrechselten Verzierungen wurden durch die Reichenbacher Schreinerei Mink erneuert.

Ente im Deckengemälde
Pfarrer Gattermann erklärte: daß eine festlich geschmückte Kirche der Ehre und dem Lobpreis Gottes dient und somit finanzielle Opfer rechtfertigt. Das Landesdenkmalscchutzamt stellte keine Mittel zur Verfügung, und die Landeskirche gewährte nur begrenzte Zuschüsse. Der Spendenaufruf war erfolgreich, denn seit vielen Jahren zeigt sich die Evangelische Kirche Reichenbach wieder als Schmuckstück, wie Architekt Karl Schattenfroh es versprochen hatte.

Eule in der Bemalung

Amsel in der Deckenbemalung

Die alte Kath. Kirche St. Andreas stand genau dort, wo heute die Ev. Kirche steht. Sie hatte einen zentralen Turm und stand mitten im Gräberfeld. Das Kirchenschiff war ziemlich genau in Richtung der uralten Quarzader "Reichenbacher Gold" ausgerichtet - lesen Sie dazu auch Das Reichenbacher Gold und Die Grimmkarte von 1763 mit Legende und Johann Wilhelm Grimm: unbekannte Grabstätte
Was es mit den vier Evangelisten auf sich hat
Die vier Evangelisten haben im Neuen Testament das Leben Jesu niedergeschrieben. Das Wort Evangelium kommt aus dem Griechischen und bedeutet „frohe Botschaft“. In Kirchen findet man die Evangelisten seit dem 4. Jahrhundert oft mit ihren Symbolen dargestellt, doch haben sie uralte Wurzeln: schon in der babylonischen Mythologie, lange vor dem Christentum, gab es vier männliche Planetengötter mit auffälligen Ähnlichkeiten.
An der Seite des Evangelisten Markus zeigt sich ein Löwe, im Altbabylonischen Verkörperung des Kriegs- und Unterweltgottes Nergal.
Der Stier ist das Symbol des Evangelisten Lukas und des babylonischen Stadtgottes Marduk.
Der Adler, Symbol für den babylonischen Windgott Ninurta, zeigt sich bei dem Evangelisten Johannes.
In seiner Einweihungsrede zur Wieder-Inbetriebnahme des Alten Rathauses in Reichenbach nach abgeschlossener Sanierung im Jahr 2013 beschrieb Bürgermeister Jürgen Kaltwasser die lange Tradition dieses Gebäudes mitten im Dorf: am 21. August 1601 wurde das Vorgängergebäude feierlich eingeweiht.
Pfarrer Martin Walther hielt damals die Einweihungsrede bei dem Volksfest, „bei dem eine große Mahlzeit abgehalten wurde“. Dazu hatte die Gemeinde von ihrem Korn Brot backen lassen und „teilte auch den Kindern zum Gedächtnis Weck aus“.

Reichenbach von Osten betrachtet
Das „schöne alte Rathaus“ mußte 1840 einem Neubau weichen. Mit dem Bau der Provinzialstraße Bensheim-Lindenfels veränderte sich das Dorf radikal. Die alte Pflasterstraße wurde zum Teil mehrere Meter höher gelegt. Dies machte meterhohe Einfassungsmauern für die Lauter notwendig und erhöhte auch den Zugang zum „Eck“. Dort baute die Gemeinde das Gebäude für Bürgermeister und Gemeinderat sowie für die Schule.

Die beiden Rathäuser - alt und neu
Zuvor wurden die Reichenbacher Schüler in einem „Schulsaal mit vier schmalen Tischen, sechs schmalen Bänken, vor zwei tannenen Schreibtafeln und einem eisernen Ofen“ unterrichtet, sage und schreibe 216 Schüler an der Zahl, mit einem Lehrer. Das war selbst für ein armes Odenwalddorf nicht mehr tragbar, und so baute die Gemeinde trotz großer Geldnot zwei neue Schulsäle und stellte einen zweiten Lehrer ein. Die Schulräume waren fortan im Alten (damals neuen) Rathaus unten rechts und oben links (heute Diakonie und Bauamt). Links unten war der Rathaussaal, oben eine Schulverwalterwohnung und eine Küche untergebracht. Die Eintragung im Grundbuch lautete „Rathaus und Schulhaus, drei Schweineställe und vier Abtritte“. Finanziert wurde der Neubau, sowie die anteiligen Kosten für den Ausbau der Provinzialstraße über einen Kredit bei der Witwe Merck in Darmstadt: man verpfändete für 10.000 Gulden 153 Morgen Felsbergwald.

Die Drachenlampe am alten Rathaus, von (Joh.) Peter Weyhrauch V. aus dem Jahr 1937/38, Foto W. Koepff
Mit der Gebietsreform 1972 erwies sich trotz Auslagerung der Schulsäle auch das neue Rathaus als zu klein. Den Architektenwettbewerb für das moderne Verwaltungsgebäude gewannen 1984 Florian Fink und Jörg W. Reinwald. Im August 1989 erfolgte der erste Spatenstich, 1991 wurden dann die neuen Räume offiziell in Betrieb genommen. Die Sanierung des alten, die Teil der Auftragsvergabe für das neue Rathaus war, zog sich aus Geldnöten hin bis ins letzte Jahr. Die Sanierungskosten wurden aus verschiedenen Zuwendungstöpfen zusammengetragen. (he)
Zwischen Bensheim und Reichenbach lagen zehn Tage, und doch wieder nicht...
„Zwischen den Jahren“ - in der Zeit nach Weihnachten und vor dem Dreikönigstag - hielt man innere Einkehr, faßte gute Vorsätze für das kommende Jahr, die Knechte und Mägde wechselten ihre Herrschaft. Für diesen Umzug übrigens wurden einst die Plätzchen erfunden: haltbares Kleingebäck für unterwegs. Zwischen den Jahren, auch Rauhnächte oder Zwölfnächte genannt, hatte man Zeit, um über die Zeit nachzudenken. Und was ist ein Kalender, wenn nicht niedergeschriebene Zeit? Kalender gibt es schon seit der Steinzeit. Stonehenge, die Maya-Knotenkalender, die Pyramiden, Kirchenfenster durch die das Licht zu einem bestimmten Tag auf ein bestimmtes Bild fällt.
Man strukturierte die Zeit, um die optimalen Tage für die vielfältigen landwirtschaftlichen Tätigkeiten nicht zu versäumen. Die Römer führten anno 45 v. Chr. den Julianischen Kalender ein, mit elf Monaten zu 30 bzw. 31 Tagen und einem 28tägigen Monat. Damit wurden sie nicht glücklich: einmal hatten sie ein Jahr mit 445 Tagen, und im Laufe der Zeit ging der julianische Kalender arg nach. 1582 n. Chr. war es dann soweit: zehn Tage hinkte der Kalender hinter dem draußen spürbaren Jahr hinterher, und so kam Papst Gregor XIII auf die Idee, dem Kalender einen Schalttag zu verpassen. Dieser Schalttag synchronisiert seither alle vier Jahre die Zeit und die Zeitmessung.
Die Reichenbacher, seit 1430 n. Chr. im Genuß einer eigenen Kirche, waren aber gerade seit einigen Jahren reformiert und wollten Gregors „papistisches Teufelswerk“ nicht mitmachen.
In weiten Teilen Europas wurde 1582 der Gregorianische Kalender eingeführt, und auf den Donnerstag, den 4. Oktober kam gleich der Freitag 15. Oktober.
In Reichenbach aber konnte es vorkommen, daß ein Bauer am Freitag den 5. Oktober 1582 sein Schwein zum Verkaufen nach Bensheim trieb, auf dem Markt dort am Freitag den 15. Oktober mit dem Käufer ein Schnäpschen aufs Geschäft trank und doch nach wenigen Stunden am 5. Oktober wieder in Reichenbach eintraf.
Heute wäre Weihnachten nach dem julianischen Kalender erst am 7. Januar, und tatsächlich feiern einige Orthodoxe Kirchen ihr Weihnachtsfest erst am 7. Januar: in Jerusalem, Rußland, Serbien und Georgien, ebenso die altorientalischen Kirchen der Syrer, Kopten und Äthiopier.
Was es mit den vier Evangelisten auf sich hat
Die vier Evangelisten haben im Neuen Testament das Leben Jesu niedergeschrieben. Das Wort Evangelium kommt aus dem Griechischen und bedeutet „frohe Botschaft“. In Kirchen findet man die Evangelisten seit dem 4. Jahrhundert oft mit ihren Symbolen dargestellt, doch haben sie uralte Wurzeln: schon in der babylonischen Mythologie, lange vor dem Christentum, gab es vier männliche Planetengötter mit auffälligen Ähnlichkeiten.
Der christliche Evangelist Matthäus wird in bildhaften Darstellungen mit einem Mensch als Symbol gezeigt (siehe Wehrkirche Nieder-Beerbach). Parallele zum alten Mesopotamien: Nabu der Gott der Weisheit.
An der Seite des Evangelisten Markus zeigt sich ein Löwe, im Altbabylonischen Verkörperung des Kriegs- und Unterweltgottes Nergal.
Der Stier ist das Symbol des Evangelisten Lukas und des babylonischen Stadtgottes Marduk.
Der Adler, Symbol für den babylonischen Windgott Ninurta, zeigt sich bei dem Evangelisten Johannes.
Die altorientalischen Hüter der Weltecken und Träger des Himmelgewölbes aus Mesopotamien scheinen also noch immer gegenwärtig zu sein in den christlichen Evangelisten. Besonders kunstvoll sind diese dargestellt in der historischen Kirche in Ober-Beerbach. In dieser 1280-1380 erbauten Kirche ließen vermutlich Zisterzienserinnen aus dem Kloster Patershausen bei Heusenstamm die Wandfresken aufbringen, unter anderem auch die vier Evangelisten mit ihren jeweiligen Symbolfiguren.
Die Malereien in der Reichenbacher Kirche dagegen sind moderner: die Kirche selbst wurde in nur einem einzigen Jahr neu erbaut. Die alte Kirche (katholisch und unter dem Schutz des hl. Andreas) sah etwas anders aus, aber 1747 baute man an ihrer Stelle die neue Kirche, viel größer - zu groß für Reichenbach, das kommt daher, daß diese Kirche die erste im Odenwald ist, wenn man von Westen kommt. Ihre Wichtigkeit betonen die Sandsteinkanten, von weither aus dem Odenwald geholt, obwohl Granit doch vor der Haustür lag. Die Mauern der Kirche sind aus 1,2 Meter dicken Granitsteinen. Von der Kirche gibt es keine Bauunterlagen, und so mußte der Kirchturm vom Fotoamateurclub Reichenbach eingemessen werden: er ist 34,46 Meter hoch, dabei etwas schief.
M. Hiller, Winter 2015
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Vor 32 Jahren, im Jahr 1989, feierte die Reichenbacher Natursteinfirma DESTAG ihr 100jähriges Bestehen. In diesem Beitrag soll die lange Betriebsgeschichte von ihrem Anfang bis heute beleuchtet werden. Dazu sprach ich mit Philipp Degenhardt, der von Anbeginn seines Berufslebens 1949 bis ins hohe Rentenalter in der DESTAG tätig war. Über die aktuelle Betriebssituation informierte mich Prokurist Markus Mayer, er führte mich durch das Betriebsgelände.
Das Gelände von oben, Repro von Heinrich Stock, Reichenbach
Weiterlesen: Natursteinindustrie in Reichenbach: die DESTAG (Jahrbuch 2022)
Wer weiß etwas über die Grabstätte von Johann Wilhelm Grimm?
Einer der ersten Geometer in unserer Region war Johann Wilhelm Grimm. Er wurde 1703 geboren und zog im Laufe seines Lebens nach Reichenbach, wo er 1778 verstarb.
In den Jahren zwischen 1729 und 1750 erfaßte er die Fluren unserer Region erstmals mit der exakten meßtechnischen Methode der Dreiecksvermessung.
Bevor Grimm sich um 1730 herum aufmachte, die Landschaft unserer Dörfer exakt zu vermessen und zu kartieren, arbeitete man nicht mit Karten. Es genügten Einträge ins Gemeindebuch, um die Besitzverhältnisse zu klären. In Grimms Zeit fiel auch der Reichenbacher Kirchenneubau im Jahre 1747. Somit wurde Grimm auf dem neugestalteten Reichenbacher Friedhof beerdigt. Von seinem Grab ist heute jedoch nichts mehr bekannt.
Für viele ältere Mitbürger weckt das ehemalige Reichenbacher Schwimmbad schöne Erinnerungen an erfrischende Abkühlung und nette Erlebnisse. Ab dem 19.Mai 1927 bis in die 60er Jahre war das kleine Freibad im Höllacker der Freizeitspaß Nummer eins im Lautertal. Für viele bot das Bad erst einmal die Gelegenheit schwimmen zu lernen. Leider musste die Freizeiteinrichtung nach einem Todesfall durch Herzversagen geschlossen werden.