In seiner Einweihungsrede zur Wieder-Inbetriebnahme des Alten Rathauses in Reichenbach nach abgeschlossener Sanierung im Jahr 2013 beschrieb Bürgermeister Jürgen Kaltwasser die lange Tradition dieses Gebäudes mitten im Dorf: am 21. August 1601 wurde das Vorgängergebäude feierlich eingeweiht.

Pfarrer Martin Walther hielt damals die Einweihungsrede bei dem Volksfest, „bei dem eine große Mahlzeit abgehalten wurde“. Dazu hatte die Gemeinde von ihrem Korn Brot backen lassen und „teilte auch den Kindern zum Gedächtnis Weck aus“.

Reichenbach von Osten betrachtet

Das „schöne alte Rathaus“ mußte 1840 einem Neubau weichen. Mit dem Bau der Provinzialstraße Bensheim-Lindenfels veränderte sich das Dorf radikal. Die alte Pflasterstraße wurde zum Teil mehrere Meter höher gelegt. Dies machte meterhohe Einfassungsmauern für die Lauter notwendig und erhöhte auch den Zugang zum „Eck“. Dort baute die Gemeinde das Gebäude für Bürgermeister und Gemeinderat sowie für die Schule.

Die beiden Rathäuser - alt und neu

Zuvor wurden die Reichenbacher Schüler in einem „Schulsaal mit vier schmalen Tischen, sechs schmalen Bänken, vor zwei tannenen Schreibtafeln und einem eisernen Ofen“ unterrichtet, sage und schreibe 216 Schüler an der Zahl, mit einem Lehrer. Das war selbst für ein armes Odenwalddorf nicht mehr tragbar, und so baute die Gemeinde trotz großer Geldnot zwei neue Schulsäle und stellte einen zweiten Lehrer ein. Die Schulräume waren fortan im Alten (damals neuen) Rathaus unten rechts und oben links (heute Diakonie und Bauamt). Links unten war der Rathaussaal, oben eine Schulverwalterwohnung und eine Küche untergebracht. Die Eintragung im Grundbuch lautete „Rathaus und Schulhaus, drei Schweineställe und vier Abtritte“. Finanziert wurde der Neubau, sowie die anteiligen Kosten für den Ausbau der Provinzialstraße über einen Kredit bei der Witwe Merck in Darmstadt: man verpfändete für 10.000 Gulden 153 Morgen Felsbergwald.

Die Drachenlampe am alten Rathaus, von (Joh.) Peter Weyhrauch V. aus dem Jahr 1937/38, Foto W. Koepff

Mit der Gebietsreform 1972 erwies sich trotz Auslagerung der Schulsäle auch das neue Rathaus als zu klein. Den Architektenwettbewerb für das moderne Verwaltungsgebäude gewannen 1984 Florian Fink und Jörg W. Reinwald. Im August 1989 erfolgte der erste Spatenstich, 1991 wurden dann die neuen Räume offiziell in Betrieb genommen. Die Sanierung des alten, die Teil der Auftragsvergabe für das neue Rathaus war, zog sich aus Geldnöten hin bis ins letzte Jahr. Die Sanierungskosten wurden aus verschiedenen Zuwendungstöpfen zusammengetragen. (he)