Sprechen wir mal übers Wetter ohne daß etwas anderes gemeint ist*

"Das Jahr 1847 war ein schlimmes Jahr für fast die gesamte Bevölkerung im Großherzogtum Hessen." So beginnt der Absatz über die Mißernten im Heimatbuch von Herrmann Bauer "Schannenbach - Ein Dorf im Odenwald" aus dem Jahr 1997. Feldfrüchte verfaulten auf dem Acker, die Preise stiegen, ärmere Familien litten Not. Man organisierte Brot für die Bevölkerung und stellte die Bezahlung zurück. Saatgut und Setzkartoffeln für das kommende Frühjahr fehlten und mußten finanziert werden, das war die sogenannte "Kartoffelschuld" der Kleinbauern. Sie wurde wegen fortgesetzter Zahlungsunfähigkeit letztlich niedergeschlagen. Ein paar Jahre später, 1852/53 folgte bereits die nächste Hungersnot aufgrund von Mißernten. 1893 sorgte eine große Dürre für Mißernten bei Getreide und Kartoffeln.
Drastische Beispiele für "Wetterkapriolen" in vergangenen Zeiten - die Mißernte von 1893 war vermutlich eine der letzten, die nicht direkt durch den Menschen verursacht wurde.

*Oscar Wilde: "wenn jemand mit mir über das Wetter sprechen möchte, habe ich immer das Gefühl es geht um etwas anderes"

Aktuelle Krisen infolge Wetters

Die aktuelle schlechte Situation in der Landwirtschaft und damit der Lebensmittelversorgung beruht auf der großen Hitze und Trockenheit im Frühsommer und der im Juli / August folgende Kälte mit großen Regenmengen. Während wir nur unter Schlechtwetter leiden und uns mit Spammails wie "Domainname Wetterschutzhalle ist frei" herumschlagen müssen, liegen den meisten Kommunen inzwischen Fließpfadkarten vor, die im Falle von Hochwasser und Starkregen von entscheidender Wichtigkeit sind.

Fließpfadkarte Kreuzhof Kuralpe


Fließpfadkarten zeigen Gefährdung

Seit der Flutkatastrophe im Ahrtal am 14. Juli 2021 weiß man, worauf es ankommt. Das HLNUG schreibt dazu: "Fließpfade entstehen erst durch Taleinschnitte. Wenn keine Hangneigungen vorhanden sind, muss auch die Aussagekraft der Fließpfade gering bleiben. Zudem muss geprüft werden, ob das Kanalnetz einen wesentlichen Einfluss auf die Fläche hat. Wenn das Kanalnetz einen erheblichen Teil des Wassers auch im Fall von Starkregen ableiten kann, ist auch hier die Aussagekraft der oberirdischen Fließpfade gering. Fließpfadkarten sind daher vor allem in ländlichen Gebieten sinnvoll, die durch größere Geländeunterschiede geprägt sind." Fließpfadkarten zeigen straßengenau die Gefährdung durch Überflutung bei Starkregenereignissen.

Fließpfadkarte Elmshausen

Fließpfadkarte Reichenbach

Legende der Fließpfadkarte

 

 Eine Starkregen-Hinweiskarte für Hessen liegt in hochaufgelöster PDF vor und zeigt auch die Verhältnisse an der Lauter, der Modau und ihrer jeweiligen Seitenbäche. Rote und violette Flächen weisen auf erhöhte bis hohe Gefährdung bei Starkregen hin.

Die  Starkregen-Karte des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) Stand August 2023 - Direktlink siehe weiter unten im Infokasten


Doch das Wetter betrifft nicht nur akut Landwirte und Einwohner, es schlägt sich auch in der Literatur nieder.

Dichtung und Wahrheit: das Wetter

Der Saarländische Rundfunk organisierte im Sommer 2023 eine Ringvorlesung zum Thema "Wetterbeobachtungen und Klimawandel in der Literatur". Phänomene des Klimawandels auf ästhetischer Ebene: um Ambivalenz, Schönheit im Untergang und um Bedrohlichkeit geht es darin. Von einer "Poetik des katastrophischen Wetters bei Wilhelm Raabe" bis zu Oskar Wilde und Georg Trakl rankten sich acht Vorlesungen um Wetterereignisse.
Zahllose weitere Beispiele lassen sich in der Literatur finden. In Homers Odyssee (8./7. Jh. v. Chr.) ist das Wetter noch göttergemacht. Und das bleibt für lange Zeit so, denn die Meteorologie als Wissenschaft mit verlässlichen Wettervorhersagen entwickelte sich erst um 1850. Bis dahin geschahen klimatisch Dinge, die völlig unberechenbar, unbeherrschbar und unerklärlich waren und somit nur durch göttlichen Willen erklärt werden konnten.
Dies gab Dichtern Gelegenheit, auch Menschen als Erzeuger von Wetterphänomenen darzustellen: Shakespeare nutzt in "the tempest" von 1611 einen Sturm, den einer seiner Protagonisten erzeugte. Der Magier Prospero und sein Luftgeist Ariel erschufen, was wir heute mittels Gedankenlosigkeit oder auch Gier mit einem Fingerschnippen erledigen können.
Beobachtet und aufgezeichnet wird Wetter schon seit der Steinzeit. Die biblische Sintflut läßt sich zeitlich und räumlich genau bestimmen.                     

Sturmfluten, Überschwemmungen und Dürren finden sich in allen Zeitaltern der Literatur.
Sie schlugen sich auch in den noch heute beliebten Bauernregeln nieder. Dabei muß man im Blick behalten, daß der 100jährige Kalender seine Vorhersagen nur für das eng begrenzte Gebiet seiner Aufzeichnung treffen kann. Der Abt des Klosters Langheim Mauritius Knauer hatte ihn 1652 bis 1658 für Bauern und Mönche der Region Oberfranken erstellt.

Systematische Wetteraufzeichnung

Das Aufkommen systematischer Wetterbeobachtung ab 1800 wurde von der Dichterzunft nicht nur mit Spannung verfolgt und literarisch verarbeitet, sondern sogar durch eigene Forschungen wie etwa jene von Johann Wolfgang von Goethe vorangetrieben.
Ab 1781 begannen die regulären Wetteraufzeichnungen am Observatorium Hohenpeißenberg in Bayern durch die Societas Meteorologica Palatina. Bis heute werden diese ununterbrochen weitergeführt. Mittels Wetterballons begann man die Stratosphäre zu erforschen, seit 1950 gibt es Wetterradar. Kurze Zeit später konnte man das Wetter geostationär und global durch polarumlaufende Wettersatelliten erfassen, und heute wissen wir sogar, welches Wetter gerade auf dem Mars herrscht.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) stellt Wettervorhersagen für Tagesschau, Schifffahrt, Landwirtschaft oder Wissenschaft zur Verfügung. Aus den Daten zu Wind, Luftdruck und Temperatur, die im  globalen Beobachtungsnetz auf über 11.000 Bodenstationen sowie  auf Wetterbojen im Meer, Schiffen und Flugzeugen und von 1400 Wetterballons und Wettersatelliten gesammelt werden, stellt der DWD eine Prognose zusammen.
Heute gibt es Wetterwarnungen per App aufs Handy: vom DWD, NINA (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe), KATWARN (Fraunhofer-Institut), und auf den Seiten der Unwetter-Zentrale findet man aktuelle Gewitter- oder Sturmwarnungen, aber auch Warnungen vor großer Hitze.

Wo heute das Wetter "gemacht" wird:

In Darmstadt kann man bei EUMETSAT im Rahmen einer Führung Einblick hinter die Kulissen der europäischen Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten erhalten. Dabei werden Satelliten-Modelle in Originalgröße gezeigt: https://www.darmstadt-tourismus.de/besuch/stadtfuehrungen/esa-und-eumetsat.html#/

Weitere Infos zum Thema Wetter

Fließpfadkarten: https://www.hlnug.de/themen/klimawandel-und-anpassung/projekte/klimprax-projekte/klimprax-starkregen/fliesspfadkarten

Starkregenhinweiskarte: https://www.hlnug.de/fileadmin/dokumente/klima/klimprax/starkregen/Aktualisierung_Starkregen_Hinweiskarte.pdf

Deutscher Wetterdienst (DWD): https://www.dwd.de/

Wetterbeobachtungen und Klimawandel in der Literatur: w https://www.ardmediathek.de/video/wir-im-saarland-kultur/wetterbeobachtungen-und-klimawandel-in-der-literatur/sr/Y3JpZDovL3NyLW9ubGluZS5kZS9LVS1XSU1TXzEyNzgzMS9zZWN0aW9uLzM

Wildes Wetter podcast: https://podcasters.spotify.com/pod/show/literaturarchivsaarlorlux  dort: Wildes Wetter 26. Mai

https://www.uni-saarland.de/fileadmin/upload/forschen/literaturarchiv/PDFs_Dateien/230331_Ringvorlesung_Wildes_Wetter_Ansicht.pdf

Weitere iInhaltliche Erläuterungen zu diesen Vorträgen:
www.uni-saarland.de/forschen/literaturarchiv/veranstaltungen/ringvorlesungen.html

Was macht das Wetter in der Literatur?

29./30. November: Öffentlicher Workshop „Literarische Meteorologie/Meteopoetologie“ am Peter-Szondi-Institut der Freien Universität Berlin
https://www.fu-berlin.de/campusleben/forschen/2018/181121-wetter-literatur/index.html

Mundartgedicht "Es Gießkennche"

Aus dem Buch "Trachtengruppen in Hessen" des HVT aus dem Jahr 1986 stammt das folgende Gedicht, das mir mein persönliches Wikipedio Ernesto zukommen ließ - inklusive persönlicher Anmerkungen!
Wer weiß, von wem das Gedicht ist: bitte Zuschrift an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! - den Ernesto wirds freuen!

Marieta Hiller, im August 2023