Hier geht es um die Frage, ob wir heutigen Bewohner Tourismus brauchen und wollen. Im 19. Jahrhundert wurden Straßen und Hotels gebaut, die erste Blütezeit des Odenwaldtourismus lag um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert. Zum zweiten Mal sorgte Tourismus für Aufschwung und Erschließung nach dem 2. Weltkrieg, doch bald zog es Urlauber in die Ferne, vor allem nach Italien. Der Süden lockte, und im Odenwald ging der Tourismus immer stärker zurück.

Weltberühmt: die Riesensäule im Felsenmeer, Anziehungspunkt für 160.000 Gäste pro Jahr

Sagenumwittert: das Wildfrauhaus bei Lützelbach

Konkret behandelt dieser Artikel den Tourismus im Lautertal und im Modautal. Es stellt sich die Frage: ist Tourismus eine wirtschaftliche Entwicklungschance oder sind wir damit zufrieden, in einer Schlafgemeinde zu wohnen? Hier sind einige Antworten.

Während immer wieder alteingesessene Gasthäuser schließen, meist weil sie für die unbeliebten Arbeitszeiten kein Personal finden oder weil sich keine Nachfolge fand, gibt es klare Befürworter, warum wir Tourismus brauchen und fördern sollten.

Hans Seeger (Beedenkirchen) legt in seinen HS.Briefen Zukunftsperspektiven für Lautertal dar, speziell bezogen auf das Felsenmeer als unbezahlbares Alleinstellungsmerkmal. Dabei läßt er gern auch den Naturschutz links liegen, indem er eine Rodelbahn im Felsenmeer anregt. Lesen Sie mehr zu Hans Seegers Zukunftsperspektiven auf Seite 20. Das Felsenmeer-Informationszentrum ist seiner Meinung nach erst der Grundstein, muß jedoch viel präsenter werden und aktiv mit Anregungen für die Region werben.

Für den Tourismus in Modautal bricht Ernst Wege (Lützelbach) eine Lanze: gerade trotz der Schließung des Birkenhofes müsse man Gäste in die Region holen und ihnen etwas bieten. Die einladenden Plätze und Wanderwege in und um Lützelbach sprechen für sich. Mehr dazu auf Seite 21!

Die Bürgermeister von Modautal und Lautertal wurden zum Thema Tourismus ebenfalls um Antworten befragt.

Modautal: welche wirtschaftlichen Vorteile hat die Gemeinde Modautal direkt durch touristische Aktivitäten? Wo liegt der touristische Schwerpunkt der Gemeinde? Alleinstellungsmerkmal?

Antwort Bürgermeister Jörg Lautenschläger: „Durch Gäste und Übernachtungen wird das örtliche Gewerbe  und die Wirtschaft gestärkt. Wichtige Arbeitsplätze im ländlichen Raum werden gesichert. Direkte Steuereinnahmen hat die Gemeinde durch Besucher, Touristen und Übernachtungen nicht. Nichtsdestotrotz ist der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die Gemeinde Modautal kann bei Besuchern mit ihrer schönen Landschaft und unberührten Natur punkten. Eine Besonderheit sind sicherlich die atemberaubenden Fernblicke von der Neunkircher Höhe. Hierzu wurden übrigens zwei Panoramatafeln in Neunkirchen installiert. Auch wenn der Kaiserturm in der Lautertaler Gemarkung liegt, steuern viele Gäste den Ort Neunkirchen an, um diesen schönen Aussichtspunkt zu besuchen. Modautal verfügt über ein ausgezeichnetes Wanderwegenetz. Im Gemeindegebiet gibt es 16 Schutzhütten und 2 Grillhütten, was sicherlich auch eine ungewöhnlich hohe Zahl ist. Der überregional qualifizierte Wanderweg „Alemannenweg“ durchquert 2 mal die Gemeinde. Dieser Weg soll zukünftig noch stärker durch den Touristikservice Odenwald-Bergstraße beworben werden. Ein weiterer bedeutender Streckenwanderweg ist der „Hugenotten und Waldenserpfad“. Gemeinsam mit dem Odenwaldklub wurde der Modautaler „Uferwanderweg“ und der Modautaler „Weitblickweg“ angelegt. Beide Wege sind zertifiziert und werden nachhaltig überprüft. Sie gehören zu dem Wegenetz „Wanderbarer Odenwald“. Im Bereich der Neunkicher Höhe könnte ich mir für die Zukunft noch Geopunkte zu den Quellen der Bäche und Flüsse vorstellen, die dort entspringen (Modau, Lauter, Gersprenz, Fischbach, Steinbach).“

Lautertal: Welche wirtschaftlichen Vorteile hat die Gemeinde Lautertal direkt durch das touristische Alleinstellungsmerkmal Felsenmeer?

Antwort Bürgermeister Andreas Heun: „Der wirtschaftliche Vorteil für die Gemeinde Lautertal ist deutlich höher als die Einnahmen aus dem Felsenmeer-Informationszentrum und dazugehörigem Parkplatz (siehe Kasten), kann allerdings nicht genau beziffert werden. Bei ca. 160.000 Besucherinnen und Besucher im Jahr ist davon auszugehen, daß diese in Lautertal und in der Umgebung weitere Ausgaben im Gastronomiebereich sowie im Einzelhandel tätigen.“

Gibt es aktuelle Übernachtungszahlen?

Modautal: „In Modautal gab es zum Jahresende 2017 ein Bettenangebot von 236. In dieser Statistik werden allerdings nur Betriebe mit mehr als 10 Betten erfaßt. Es gab 22.720 Übernachtungen im Jahr 2017. Das ist eine Steigerung um 4 % gegenüber dem Vorjahr. Die durchschnittliche Verweildauer liegt bei 2,6 Tagen. Neben touristisch motivierten Übernachtungen sind in den Zahlen natürlich auch Übernachtungen von Handwerkern und Monteuren enthalten.“

Lautertal: „01.01.2018 bis 11.09.2018 wurden uns 9135 Übernachtungen mitgeteilt.“

Haben Sie einen persönlichen Platz in Ihrer Gemeinde, an dem Sie gerne Ihre Freizeit verbringen?

Bürgermeister Heun: „Es gibt nicht nur einen sondern sehr viele schöne Plätze in Lautertal. Derzeit favorisiere ich die Ruhebank auf dem Hochbehälter in Gadernheim. Von dort gibt es einen schönen Ausblick über das Tal und auf Gadernheim mit seiner evangelischen Kirche im Ortskern.“

Bürgermeister Lautenschläger: „Ich persönlich kann sehr gut im Wald beim Wandern oder Arbeiten entspannen. Besonders schöne Plätze sind natürlich Waldränder mit atemberaubenden Aussichten (z. B. Sieben-Türme-Blick in Allertshofen, Pano-ramaweg in Neunkirchen). Die oft sehr abgelegenen und wieder von der Natur zurück eroberten alten Steinbrüche mit ihren unterschiedlichen Formen und Ansichten des Odenwälder Granits finde ich auch sehr spannend.“

Fazit: wir leben mit dem Tourismus, ein Teil der Bevölkerung lebt sogar vom Tourismus. Der Wandel in der Gesellschaft wird ein angepaßtes Angebot für Gäste nach sich ziehen: es ist fraglich ob das Gasthaussterben der letzten zwanzig Jahre aufzuhalten ist. Arbeitsplätze in der Gastronomie sind unbeliebt, zugleich wird der Kalkulationsspielraum für Gastwirte immer geringer. Als die Brauereien sich auf das Supermarktgeschäft verlegten, wurde das Bier im Ladengeschäft zu einem viel günstigeren Preis verkauft als an die Gastwirte, die es aufwändig mit einer Zapfanlage frisch servieren. Ein Gastronom muß für sein „SchniPoSa“ (Schnitzel Pommes Salat) etwa dreimal soviel verlangen wie das Lebensmittel kostet, um die laufenden Kosten zu bestreiten. Es ehrt daher die guten Gastwirte, wenn sie bewußt regional und saisonal einkaufen und kochen und auf gute Qualität achten. Das nämlich sucht man bei den Online-Lieferportalen oft vergeblich.

Die Touristen konnten viele Gasthäuser nicht retten, die Einwohner schon gar nicht. Nun sind kreative Ideen gefragt, wie landschaftlich passende Angebote für Besucher präsentiert werden können, die bezahlbar und leistbar sind.

Bedenken müssen wir dabei, daß alle touristischen Angebote und Einrichtungen auch uns Bürgerinnen und Bürgern zugute kommen - denken Sie an das 19. Jahrhundert! Ohne Tourismus hätten wir vielleicht noch immer Holperwege statt eines guten Straßennetzes.

M. Hiller, November 2018