Willi Reimund, Bäckermeister im Ruhestand aus Brandau übergab kürzlich Fritz Ehmke, Müllersohn von der ehemaligen Talmühle in Allertshofen ein Brotkärtchen. Daraufhin erinnerte man sich gemeinsam an die Zeit der Brotkärtchen in den 60er Jahren.

Wieder ging ein Schuljahr mit zwei wundervollen ersten Klassen zu Ende, und Montag für Montag habe ich Märchen erzählt: von den Brüdern Grimm, von Hans Christian Andersen, aus den Märchen aus 1001 Nacht (oder auch nicht), eine Geschichte aus der Bibel und einige selbsterdachte Märchen.

Die Mappe mit allen Märchen findet ihr im Anhang!

Eine schöne Sommerferienzeit wünsche ich euch allen
Marieta Hiller

 

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Einst trug es sich zu, daß ein junger Ritter auf der Suche nach Abenteuern in einen finsteren Wald kam, wo er eine noch viel finsterere Höhle entdeckte. Aus dem schwarzen Schlund der Höhle kräuselte sich blauer Rauch und zog in wunderschönen Ringen gen Himmel.

Der Ritter, Ottokar der Hübsche genannt, schüttelte seine schwarzglänzende Lockenpracht und sprach „wer wohl in dieser Höhle solch kunstfertigen Rauch ausstößt? Ich muß es wissen!“ Und er schnallte sich Taschen, Mantel und alle Bedenken ab und ließ sie mit seinem treuen Roß im Wald zurück. Ein bißchen allein fühlte er sich schon, so ganz ohne seine Tiegel und Töpfchen, seine Salben und Duftwässerchen. Aber „Nur wenn du auf Abenteuersuche gehst, wirst du eine Prinzessin finden, die dich heiraten will!“ hatte seine Mutter gesagt. Ottokar wollte gar keine Prinzessin, aber davon wollte seine Mutter nichts hören. Mit gebieterischer Miene hieß sie ihn, Vorbereitungen für das Abenteuer zu treffen und wies ihm schließlich den Weg zum Burgtor hinaus. Was sollte Ottokar da anderes tun, als zu gehorchen?

Vorsichtig schlich er die ersten Schritte hinein in die dunkle Höhle, den Rauchringen entgegen. Um eine Biegung herum - es wurde dunkler, um eine zweite Biegung herum - Ottokar mußte seine Laterne entzünden, um eine weitere Biegung herum - und Ottokar blieb die Luft weg. Doch nicht der Rauch ließ ihm den Atem stocken, nein: eine unermeßlich große, unermeßlich schuppige, und offenbar auch unermeßlich übellaunige Kreatur blickte ihm entgegen.

Ganz ohne Zweifel starrte dem Ritter Ottokar hier ein Drachen entgegen, einer von der grimmigen Sorte. Zornig rollten aus seinem tiefen Schlund böse Worte, Worte die Ritter Ottokar die Schamesröte ins Gesicht trieben.

„Ei Drache, warum fluchst du denn so gotteslästerlich?“ fragte er erstaunt und strich sich dabei durch seine Lockenpracht.

„Ach, wenn du wüßtest! Aber mit dir scheint ja auch nicht alles zum Besten zu laufen,“ stellte der Drache fest und begutachtete Ottokar den Hübschen von allen Seiten. „Seidene Kleider, silberne Schnallen an den Schuhen, Sammetbänder hier und Sammetbänder da, ein Glitzern wie von Sternentau in den Haaren, sag an, was für ein Ritter bist du denn? Und was, so verrate mir, hast du in deinem hübschen rosa Perlentäschchen?“

„Oh nein, mein Täschchen zeige ich dir nicht. Und ja, es läuft nicht alles zum Besten. Ich soll das Abenteuer suchen, und dann muß ich eine Prinzessin heiraten. Ich will keine Prinzessin heiraten!“ Und damit stampfte Ottokar mit dem Fuß auf. Der Drache schüttelte sacht den Kopf und sagte nachdenklich: „nein, eine Prinzessin ist wohl nichts für dich, und auch für Abenteuer bist du nicht gemacht. Aber ich will sehen, was ich für dich tun kann.“

Ritter Ottokar wunderte sich ein wenig, denn ihm waren bislang nur bösartige Drachen die wegen jeder Kleinigkeit Feuer spuckten, bekannt. Dieser hier aber wollte ihm sogar helfen!

„Nun“, sprach der Drache, „ich habs. Du wirst einfach bei mir bleiben. So brauchst du keine Prinzessin zu heiraten, aber deine Leute werden dich in ehrenvoller Erinnerung halten, denn du bist heldenmütig in die Drachenhöhle gezogen.“

„Und was“, so fragte Ritter Ottokar ganz verdattert, „was muß ich hier bei dir tun? Wirst du mich etwa fressen?“

„Nein, ich pflege keine Ritter zu fressen - die Rüstung, du weißt schon, sie macht mir Verdauungsprobleme. Aber du hast da solch einen hübschen Spiegel. Laß mich doch mal hineinsehen, auf daß ich meine Rauchringe noch schöner ausstoßen kann!“ Und der Drache nahm den silbernen Spiegel des Ritters, hielt ihn sich vor den Rachen und formte die allerliebsten Rauchringe. Kein Fluch kam mehr über seine Lippen, und ans Feuerspucken dachte der Drache überhaupt nicht mehr. Ottokar aber war es zufrieden und führte dem Drachen fortan den Haushalt. Und wenn sie nicht gestorben sind, so werden wohl noch heutigentags aus dem Wald, dort wo er am finstersten ist, hübsche Rauchringe aufsteigen.

Marieta Hiller, 2010

Es gibt - ihr wißt es bereits - ungezählte Elfen auf der Welt.

Eine jede Pflanze ist Wohnung für zahlreiche Elfen, in Felsgrotten und Moospolstern huschen sie umher, und im Mondlicht tanzen sie. Ihr wißt sicher auch, daß Elfen bei Vollmond auf einem Mondstrahl von der Erde zum Mond klettern, um dort ihren ganz geheimen Elfengarten zu bewässern.

Denn Wasser gibt es keins auf dem Mond, das muß von der Erde hinaufgebracht werden, und das geht nur bei Vollmond, wenn die Mondstrahlen stabil genug sind, eine Elfe mit Wasserkelch zu tragen. Was ihr nicht wißt: auf dem Mond wachsen die Zauberkräutlein, die auf der Erde verschwunden sind. Als die Menschen nämlich begannen, sie Unkraut zu nennen und auszurotten, da flohen die Kräutlein - und vor allem die zauberkräftigen! - hinauf auf den Mond.

Dort harren sie sieben mal vier Tage aus, bis wieder eine Elfe hinaufkommt und ein Kelchlein Wasser bringt. Schon lange lebten hier oben das Tausendgüldenkraut (das echte, versteht sich, das güldene Gülden hervorzubringen versteht), das Blümlein "rühr mich nicht an", das dem Menschen seine kindliche Unschuld bewahrt, Frau Amanita die Pilzdame, die schaudernd flüchtete als sie sah, mit welch chemischen Mittelchen die Menschen neuerdings ihre Gesundheit ruinieren, und viele Kräutlein mehr.

Und gerade beim letzten Vollmond kam ein neues Kräutlein hinzu: Anethia mit ihrem fedrigen gelbduftenden Hut verkroch sich hier. Denn die Menschen hatten sie graveolens, übelriechend genannt! Sie, die Duftende! Kaum schien die Sonne warm genug, hatte sie ihre zarten Dolden ausgebreitet, und ihre Fiederblättchen verbreiteten betörenden Duft! Ach, immer dünner war das Elixier geworden, das Anethia brauchte: lockeren sandigen ungedüngten Boden an einem sonnigen Plätzchen.

Scharf war die Erde, kaum daß die Menschen ihre Zeugs darauf gestreut hatten, scharf und ungenießbar, und es kribbelte Anethia überall, sie mußte niesen und bekam welke Blattspitzen. Schließlich wisperte sie ihrem persönlichen Elf zu, daß sie es nicht mehr aushielte, und daß sie zum Mond auswandern wolle. „Gut,“ sprach der Elf, Dilldapp mit Namen, „so geh. Ich will dich stets zu Vollmond mit frischem Wasser versorgen“.

Doch ach, der Dilldapp war ein ungeschickter Elf, und so mußte er entdecken, daß es gar nicht so leicht war, mit einem Kelch voller Vollmondwasser beladen auf einem Mondstrahl weit weit hinauf ins Sternenzelt zu klettern. Auch wurde es kalt unterwegs, denn die Sonne schlief ja. Dem Dilldapp klappterten die Zähne, und schließlich zitterte er so vor Anstrengung und Kälte, daß er die Hälfte des Wassers verschüttete. Die Wassertropfen aber gefroren sogleich zu spitzen Eisnadeln und schossen über den samtschwarzen Himmel dahin, daß die Menschen auf der Erde glaubten, es seien Sternschnuppen.

Der Dilldapp mußte niesen, und bei jedem Nieser versprühte er wieder ein paar Tropfen Wasser, die als Sternschnuppen über den Himmel schossen. Früher einmal, als die Menschen den Dill - denn genau das ist unsere Anethia! - noch zu schätzen wußten und stets ein Plätzchen für ihn in ihrem Hausgarten bereithielten, da wußten die Menschen auch noch, daß es eigentlich Sternschnupfen heißen muß. Aber das ist lange her.

Bis der Dilldapp endlich frierend und mit roter Nase bei Anethia auf dem Mond ankam, hatte er nur noch einen einzigen Tropfen klares Wasser in seinem Kelch, und den trank Anethia auf einen Zug aus. „Aaaach, das war gut! Beim nächsten Mal darf es aber gern ein bißchen mehr sein!“ meinte sie. Der Dilldapp nickte ergeben, und weil er ein gutmütiger und hilfsbereiter Elf ist - wie alle Elfen eigentlich - so hat er sich seither bemüht, das Wasser im Kelch zu bewahren, bis er es glücklich hinauf zu Anethia geschafft hatte. Und bei jedem Vollmond gelang es ihm ein bißchen besser, und wenn ihr noch ein paar hundert Jahre Zeit habt, so werdet auch ihr vergessen, daß es einst so etwas wie Sternschnupfen gegeben hat...  

Marieta Hiller, Ostervollmond 2013

Die märchenhaft geschmückte Bühne der Reichenberghalle, wo das Literaturprogramm der Märcheninsel 2021 stattfand


Einst verbot der Padischah das Märchenerzählen und Singen. Bald aber wurde er sehr krank. Erst als ein Märchenerzähler gerufen wurde, konnte er wieder gesund werden. Dies ist der Inhalt eines von zahlreichen wunderschönen Märchen aus aller Welt, die Angelika Schreurs aus Düsseldorf während der 25. Reichelsheimer Märcheninsel erzählte. Märchen zum Nachdenken, voller tiefer Weisheiten, und doch fröhlich und leicht vorgetragen.

„Schlösser, Schlüssel, Spiegel - verborgene Botschaften um Märchen“ war das Motto 2021.
Sehr kurzfristig mußte das ganze Programm von den Organisatoren auf die Beine gestellt werden, denn die Pandemie fordert täglich neue Anpassungen. Tatsächlich gelang das Unterfangen, es wurde eine sehr harmonische und rundum märchenhafte Veranstaltung. Mit viel Mut und Engagement schaffte das Team einen kleinen Schritt zurück zu altem Glanz (2020 war die Veranstaltung komplett ausgefallen).
Da sich insgesamt nur jeweils 1000 Besucher auf dem Festgelände aufhalten durften, geriet verständlicherweise das Verhältnis zwischen Mittelaltermarkt und Literaturprogramm etwas ins Ungleichgewicht.

Traditionell zweigeteilt ist die Reichelsheimer Märchenveranstaltung, die vor Corona - und hoffentlich später auch wieder - Reichelsheimer Sagen- und Märchentage heißt. Es gibt einen bunten Mittelaltermarkt mit Handwerkern, Gauklern, Musik und Märchenzelt für Kinder, und natürlich viel Leckeres für Leib und Magen. Aber es gibt auch ein hochkarätiges Literaturprogramm: die lange Nacht der Märchen und einen Büchertisch, der übervoll ist mit Märchenbüchern und Büchern über Märchen. Früher wurde der Büchertisch von der Brensbacherin Ellen Schmid organisiert, als sie noch Buchhändlerin war, seit einigen Jahren hat das die Buchhandlung Valentin in Fürth übernommen.

DAS Alleinstellungsmerkmal für die Märchenhauptstadt Reichelsheim: das hochkarätige Literaturprogramm!

Für mich ist der Mittelaltermarkt draußen ein „nice to have“, das Literaturprogramm aber ein „must have“. Über viele Jahre wurden die Reichelsheimer Sagen- und Märchentage für mich zu einem Fixpunkt im Jahresverlauf.
Sind sich die Organisatoren der Veranstaltung bewußt, daß es genau dieses Literaturprogramm ist, das für Reichelsheim DAS Alleinstellungsmerkmal darstellt?

Mittelaltermärkte gibt es schließlich viele.

Aber wo kann man an einem Wochenende herausragenden Märchenerzählern wie Angelika Schreurs, Odile Néri-Kaiser, Heike Berg, Michaele Scherenberg, Katharina Ritter, Carola Graf, in früheren Jahren auch Sigrid Früh, Hannelore Marzi und Paul Maar lauschen!

Wo kann man den Märchenillustratoren Reinhard Michl, Albert Schindehütte, Klaus Ensikat oder Werner Holzwarth beim Zeichnen über die Schulter sehen! Und damit nicht genug: literarische Märchenbearbeitungen, Forschungsergebnisse zu Märchen aus aller Welt, vergleichende Betrachtung von Märchen ganz unterschiedlicher Herkunft, Rezeptionsästhetik (die Wissenschaft vom Senden-Empfangen-Verstehen) und tiefenpsychologische Erläuterungen von der Creme de la creme der Märchenforschung werden in einem kleinen Ort im Odenwald vorgetragen, der sich mit Recht „deutsche Märchenhauptstadt Reichelsheim“ nennen darf. Prof. Dr. Heinz Rölleke, Prof. Dr. Wilhelm Solms, Dr. Barbara Gobrecht, Prof. Dr. Kristin Wardetzky, Prof. Dr. Rosemarie Tüpker präsentieren ihr Fachwissen hier so anschaulich und unterhaltsam, daß ich mir gewünscht hätte, meine einst während des Studiums besuchten Vorlesungen wären ähnlich mitreißend dargebracht worden.

In Reichelsheim wird seit 1996 jährlich der Träger/die Trägerin des Wildweibchenpreises gekürt, und viele bekannte Schriftsteller reihen sich ein: Geschichtenschreiber und Geschichtsschreiber, Forscher und Erzähler. Mit Willi Fährmann (Kinder- und Jugendbuchautor aus Xanten) begann es, es folgten Hans-Christian Kirsch, Otfried Preußler (die kleine Hexe, Räuber Hotzenplotz, Krabat) und Michail Krausnick („Beruf: Räuber“ und viele weitere Werke z.B. über die Sinti und Roma). Cornelia Funke erhielt den Wildweibchenpreis im Jahr 2000 für ihr Gesamtwerk („Die wilden Hühner“), das damals jedoch noch längst nicht komplett war: mit Tintenherz, Tintenblut und Tintentod (2003-2007) landete sie das deutsche Pendant zur Welt Harry Potters, diese Trilogie begeistert vor allem Jugendliche und Erwachsene. Ich mußte ein ganzes Jahr warten, bis ich auf der Warteliste meiner Nichte „drangewesen“ wäre und habe mir die Trilogie logischerweise selbst gekauft...
Paul Maar (das Sams und Lippels Traum), Christine Nöstlinger (das „wilde und wütende Kind“, Kinder- und Jugendbuchautorin aus Österreich), Sigrid Früh (eine der bekanntesten Märchen- und Sagenforscherinnen Deutschlands mit wunderbar alemannischem Akzent) und Heinrich Pleticha (Literaturforscher aus Leidenschaft) folgten. Ehrhard Dietl aus München wurde 2005 für „Otto der kleine Pirat“ geehrt, Heinz Rölleke (Germanist und Erzählforscher), Sabine Friedrichson (Kinderbuchillustratorin) und Kirsten Boie (Kinderbuchautorin und Literaturwissenschaftlerin) kamen. Die Orientalistin Hannelore Marzi, Märchenerzählerin und Übersetzerin, wurde 2009 geehrt. Es folgten Reinhard Michl (Kinderbuchillustrator) und Wilhelm Solms (Germanist und Kunstwissenschafter), 2012 der Hamburger Illustrator Albert Schindehütte und 2013 die Märchenerzählerin aus Himmelstadt, Carola Graf. Andreas Steinhöfel („Rico, Oscar und...“, Drehbuch für Käpt‘n Blaubär und Urmel aus dem Eis u.a.) folgte 2014, Lisbeth Zwerger (Kinderbuchillustratorin) 2015. Prof. Kristin Wardetzky folgte 2016, Prof. Hans-Jörg Uther 2017, Dr. Barbara Gobrecht 2018 und Prof. Dr. Rosemarie Tüpker 2019. 2020 entfiel die komplette Veranstaltung aufgrund der Pandemie, und im Oktober 2021 wurden daher zwei Wildweibchenpreisträger geehrt: der Buchillustrator Klaus Ensikat (2020) und Werner Holzwarth 2021. Letzterer ist übrigens der Schöpfer des kleinen Maulwurfs mit dem Hundehaufen auf dem Kopf („hast du mir auf den Kopf gemacht? Nein, ich mache so“). Dieser Comic, der für die Sendung mit der Maus zu einem Film umgearbeitet wurde, hat mich so fasziniert, daß ich für die Kinder die an meinen Felsenmeerführungen teilnahmen ein AA-Memory erdacht habe. Erwachsene scheiterten oft daran, Kinder nicht. Denn ich hatte einen „geheimen Anker“ als Hinweis in die Kärtchen eingebaut.
Während der Vorträge im Literaturprogramm der Märcheninsel 2021 war man ziemlich unter sich, da leider im Vorfeld das interessierte Zielpublikum nicht erreicht wurde. Dies ist der Corona-Problematik geschuldet, und es bleibt sehr zu hoffen, daß der vermeintliche Mangel an Interesse nicht zum Tod des Reichelsheimer Märchenliteraturprogramms führen wird. Ich drücke ganz fest die Daumen daß dieses Programm weiterlebt!

Im Einzelnen brachten die Vorträge vielfach Neues, Interessantes, Überraschendes zu Tage:

  • Prof. Dr. Solms referierte über das Leben im Schloß - ein Traum, der bei genauerem Hinsehen ein Alptraum ist: Solms glaubt nicht, daß die Königstöchter (die entweder umworben werden und dann auf dem Schloß des Gemahls leben oder die sich mit den berühmten drei Aufgaben einen ebenbürtigen Partner suchen) fürderhin glücklich bis an ihr Ende lebten.
    Solms kann aus eigener Erfahrung berichten: es sei ein Unglück, als Kind auf einem Schloß großzuwerden, zusammengefaßt im Aphorismus „Macht macht blöd“.
  • Frau Dr. Prof. Tüpker stellte ein Märchen aus Birma vor und warf die interkulturelle Frage auf, was das Fremde mit dem Vertrauten, was das Vertraute mit dem Fremden macht. Wie ist das erste Hören eines Märchens aus einem fremden Kulturkreis?
    Zum Verständnis mit Herz und Verstand benötigt der Hörer Anker, vertraute Elemente, die einen Bezug zur Erzählung herstellen können. Das Märchen „der Junge mit der Harfe“ aus Birma hat viele Ankermöglichkeiten, um Zuhörer aus einem fremden Kulturkreis einzubinden. Am Schluß aber steht eine kulturelle Dissonanz, die in Europa nicht von einem Märchen erwartet wird. Der Protagonist kehrt nicht heim und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage, sondern er wird von der Schatzgöttin in der Anderswelt behalten, und man kann sein Harfenspiel im Rauschen des Meeres hören, wenn man aufmerksam lauscht. Alelrdings geschieht dies, indem zunächst die Teile des toten Körper des Jungen eingesammelt und neu zusammengefügt werden mußten zu einem neuen Wesen. Das ist für unsere Vorstellungswelt fremd.
  • Der Märchenforscher Hans-Jörg Uther - eine Koryphäe auf dem Gebiet der Grimmforschung, der inzwischen in der Bezeichnung der Grimm-Klassifizierung ATU auftaucht  (ATU nach den Forschern Aarne, Thompson, Uther) - Uther nimmt das „Schloß“ im Märchen als sehr schemenhaft wahr, als Stereotype. Während es im Märchen um ein Schloß geht, spielt sich die Handlung in einer Sage eher auf einer Burg ab, im Schwank schließlich oft in einem Luftschloß. Das Leben auf dem Schloß zeigt das soziale Milieu des Feudalismus. Den Begriff Schloß gab es im Althochdeutschen nicht, erst im Mittelhochdeutschen mit der Bedeutung Befestigte Anlage. Später bezeichnet es nur das Repräsentative des Gebäudes.
    Das Schloß im Märchen ist für den Protagonisten ein Weg, sich über festgelegte Standesgrenzen hinauszuträumen, eine Wunschdichtung voller Optimismus. Und es ist Symbol für Macht und Luxus: der soziale Aufstieg führt zwangsläufig ins Schloß.
    Eine lustige Frage wurde aus dem Publikum gestellt: wird im Märchen jemals gesagt, wie das Schloß beheizt wurde? Nun ja... Das alles war vor langer langer Zeit, und wo im Märchen ein Ofen erwähnt wird, da ist es oft eine Art Seelentelefon (der Eisenofen). Ob man damit auch heizen konnte?
  • Die Schweizer Professorin Barbara Gobrecht beleuchtete die böse Stiefmutter im Märchen Schneewittchen und die sieben Zwerge. Nach Max Lüthi bedeutet Stief in Stiefmutter „stehlen, rauben“, und die Urfassung des Märchens - auch die Grimm-Ausgabe erster Hand stellt die Mutter des Mädchen als diejenige dar, die ihm nach dem Leben trachtet, 1819 wird daraus die Stiefmutter, die es bis zur Ausgabe letzter Hand 1857 bleibt. Das Zwergenhaus sei Biedermeier in Reinform, seine Bewohner befinden sich in der Regression (nach Drewermann). Gobrecht stellte die provokante Frage: Gibt es eigentlich Zwergenfrauen?
  • Sehr aufschlußreich war der Vortrag von Prof. Kristin Wardetzki: sie beschrieb die Rezeption einer 800 Jahre alten persischen Dichtung, die noch heute im arabischen Kulturkreis überall präsent ist: Leyla und Madschnun (von Dschinnen Besessener), Ein Märchen mit Romeo & Julia Thema. Wardetzki regte an: fragen Sie mal einen Geflüchteten, ob er Leyla und Madschnun kennt - Sie werden überall auf glänzende Augen stoßen!
    Der Dichter stammt aus Aserbeidschan, sein Name ist Nizami. Er verfaßte seine Dichtungen im 12. Jahrhundert und nannte sie „die fünf Schätze“. Selbst Papst Franziskus zitierte schon aus seinem Werk.

Der Bogen, den die Vortragenden während der 25. Reichelsheimer Märcheninsel schlugen, umfaßte das Märchenspektrum zahlreicher Kulturen auf der ganzen Welt, es wurde mitreißend erzählt und glasklar analysiert. Beides geht nur unter einer Bedingung zusammen: es braucht lebhaftes Interesse an der Märchenforschung, zugleich aber auch die Bereitschaft, sich auf ein Märchen einzulassen.
Für Kinder war diese Veranstaltung daher nicht geeignet, denn nie nie darf man einem Kind ein Märchen erklären. Kinder brauchen Märchen (Bruno Bettelheim), aber Kinder wissen auch selbst, welches Märchen gerade jetzt gut ist. Ärgern Sie sich nicht, wenn Ihr Kind dasselbe Märchen Abend für Abend hören möchte. Es ist gut so. Wenn Sie Ihrem Kind das Märchen erklären, töten Sie es - auch so ein Aphorismus, ich weiß nicht mehr wo ich ihn gelesen oder gehört habe...
Marieta Hiller, November 2021

Unser Wort Haus kommt von Hube, ebenso wie das Wort Hof. Ein Hof konnte im Lauf der Geschichte verschiedene Ausprägung haben: im Amorbacher Urbar (1395/97) werden als Klosterbesitz curiae et areae genannt. Areae bezeichnete Fronhöfe.
Sogar das Wort Hafen kommt ursprünglich von Hube. Hube (ahd huoba, mhd huobe) bezeichnete das für die Ernährung einer Familie erforderliche Flächenmaß an Acker- und Weideflächen. Unser Wort Nachbar kommt von 'der nahe Bauer'.

Und mit Haus und Hof sind wir auch schon bei unseren - mehr oder weniger - beliebten Mitbewohnern: Hunde und Katzen wurden im Zuge der Seßhaftwerdung zu unseren geschätzten Haustieren, ebenso wie Rinder, Schafe, Schweine, Ziegen, Hühner, Gänse.

Wen wir nicht so gerne mögen, sind Ratten und Mäuse. Aber die es fanden damals ganz paradiesisch, als wir anfingen Getreide und Kohl anzubauen und über Winter zu lagern.
So trug es sich zu, daß anno 1284 zu Hameln eine große Rattenplage herrschte, weil die Bewohner nachlässig mit ihren Kornspeichern geworden waren. Nachlässig waren sie dann auch mit der Bezahlung für den dämonischen Pfeifer, der ihnen versprach für ein paar Goldstücke die Ratten aus der Stadt zu führen. 1816 wurde die Rattenfängersage als Nr. 244 in Grimms Sagen aufgenommen. 10 Quellen gaben die Brüder Grimm an, meist aus dem 16. + 17. Jahrhundert. In der Sage entführte der unbezahlt gebliebene Rattenfänger aus Rache die Kinder, angeblich seien diese in einem Berg verschwunden und erst in Siebenbürgen wieder herausgekommen sein.

Für diese Entführung gibt es verschiedene Erklärungsversuche: die Kinder wurden zur Ostkolonisation verschleppt nach Pommern, Masuren oder Siebenbürgen. Oder sie wurden für einen Kinderkreuzzug rekrutiert. Eine weitere Erklärung wäre ein Ausbruch der Pest. Dafür spricht die Flöte des Rattenfängers (= Pestnase) und die bunten Kleider bis zum Boden (= Fetzen zum Schutz vor Kontakt zu Erkrankten), dagegen spricht, daß die Ratten als Erzählmotiv erst im 16. Jahrhundert in die Sage kamen. Ob die Pest schon Jahrzehnte vor der großen Pandemie 1349 in Hameln war, ist unklar. Laut neuesten Forschungen kam der 1349er Erreger schon im 13. Jahrhundert aus Ostasien nach Europa.  

Die Brüder Grimm haben übrigens nicht nur Märchen gesammelt, sondern auch Volksüberlieferungen. Auch aus dem Odenwald wurden einige Figuren bei ihnen verewigt: der Rodensteiner (Hans von Rodenstein 1418-1500) oder der Krischer (Amt Reichenberg:  er erschreckte des Nachts die Leute die im Wald arbeiten mußten; Köhler, Viehhüter, Betreiber von Wässerwiesen) oder die feurigen Wagen (Gammelsbach). Spannende Details dazu berichtet Heidi Banse im Beitrag "Odenwälder als Hauptpersonen in den Sagen der Brüder Grimm"
in: Gelurt Band 14. M. Hiller

Vom wilden Wolf und dem treuen Hund, von der Schönen Lau und von der blutroten Rose - zum Abschluß ein Wolfsmärchen...

Einst vor uralten Zeiten, als die Stücke der Welt noch nicht zueinandergefügt waren, da lag gerade dort, wo der Wald am tiefsten war, eine Quelle von grünfunkelndem Wasser. Des Abends kam alle Tage ein wilder Wolf dorthin um sich zu laben. Doch wenn er trank schaute er nachdenklich ins unergründliche Wasser. Er war schon ein älterer Wolf, der viel nachzudenken hatte.

Eines Abends erklang plötzlich ein wunderschönes Lied an der Quelle, gesungen von einer zarten Stimme, und als der wilde Wolf aufblickte, da saß auf einem Stein bei der Quelle eine Nymphe mit goldglänzendem Haar. Sie sang so ergreifend schön, daß dem Wolf ganz warm ums Herz wurde. Viele Abende lauschte er nun der Nymphe, die bald keine Scheu mehr vor dem wilden Wolf hatte und ruhig dort sitzen blieb. Und so geschah es, daß die beiden sich ineinander verliebten.

Weil nun aber Wölfe und Nymphen nicht zusammenkommen können, wurden sie traurig. So traurig, daß die kleine Quellnymphe heiße Tränen auf den Stein fallen ließ und der wilde Wolf schaurig dazu heulte. Auf einmal aber, gerade dort, wo Nymphentränen auf den Stein perlten, begann eine zarte Pflanze emporzuwachsen. Sie rankte sich um den Stein, und schon erklomm sie die Vogelbeerbäume ringsum.

Zarte weiße Blüten öffneten sich, violett geädert und wohlduftend. So kam die erste Waldrebe in die Welt. Erstaunt schaute die Nymphe zu, streckte ihre zarten Hände aus und streichelte die wunderhübschen Blüten. Es war jedoch eine besondere Waldrebe: denn sogleich drehte sie ihre Blüten zu Wolf und Nymphe und hub zu sprechen an.

„Wildes Tier und Zauberwesen, wollt zusammen ihr euch tun, so ists um eure Freiheit flugs geschehn! Seid denn fortan aufeinander angewiesen, dann will ich euch mit Namen jetzt versehn.“

Da ließ der wilde Wolf ein herzzerreißendes Heulen hören, und ebenso traurig klang der Gesang der Nymphe.

„Nun, so soll es denn sein:“, sprach da die Waldrebe. „So heißest denn du fortan Eisengrimm Wolfhart zu Wulfenstein, du wilder Wolf! Und Schöne Lau vom Blauen Topfe sollst nun du dich nennen, liebe Nymphe. Ich will euch zueinanderführen. Doch bedenkt: sobald einer einen Namen hat, bekommt ein höheres Wesen Macht über ihn. Nicht länger ist die Freiheit euer!“

Schon lagen sie sich in den Armen, herzten und drückten sich, daß die Waldrebe verschämt ihre Blüten wegdrehte. Lange noch saßen Wolf und Nymphe eng umschlungen dort an der Quelle, so lange, bis der neue Tag anbrach. Da wollte Lau, wie es Nymphenart war, flugs in der Quelle untertauchen, um bis zur blauen Stunde des Abends den Tag zu verschlafen. Eisengrimm dagegen eilte durch den tiefen Wald zu seinem Rudel. Doch wie verwundert war er, daß die Seinen ihn kaum beachteten!

Ihn, den mächtigsten Wolf im Rudel, der Wege und Weisen ebnet und alle führt! Nicht so an diesem Morgen: das Rudel beriet seine Pläne, und er blieb ausgeschlossen. Zugleich mußte Lau erfahren, daß sie unter Wasser gar nicht atmen konnte! Wieder und wieder mußte sie ihr goldglänzendes Köpfchen aus dem Wasser strecken, vorsichtig auf der Hut vor den Sonnenstrahlen. Am Abend berichteten beide atemlos wie es ihnen den Tag ergangen war.

Die Waldrebe aber sprach:

„das ist der Preis für euren Namen. Und so werdet ihr nun beide aufeinander angewiesen sein! Über Jahr und Tag soll es sich erweisen, ob ihr euch euren Namen wohlverdient habt!“

Damit schloß die Waldrebe ihre Blüten, und fortan mußte Lau sich bei Tage im tiefen Wald verbergen, so daß kein Sonnenstrahl ihr goldnes Haar entzünden konnte. Eisengrimm aber schlich um sein Rudel und wußte nicht wie ihm geschah. Wohl griff ihn niemand an, doch galt er nicht mehr als Leitwolf. Wie froh waren beide, daß sie sich hatten! An jedem Abend zur blauen Stunde saßen sie an der Quelle beisammen und berichteten was sie erlebt hatten. Lau kraulte das dichte Eisengrimms Fell und der konnte gar nicht genug von ihren goldenen Haaren bekommen.

Und übers Jahr war dort, zwischen all den Vogelbeeren, ein Apfelbäumchen gewachsen. Der Herbst war da, und die wohlduftende Waldrebe ließ sich vernehmen, es war gerade der Tag nach einem vollendeten Jahr:

„Nun, so habt ihr euch bewährt und euren Namen wohlverdient. Nehmt nun was euch der Apfelbaum zu geben hat und lebt Wohl!“

Am nächsten Abend war die Waldrebe verschwunden, aber am Apfelbäumchen hing ein großer rotbackiger glänzender Apfel. Die schöne Lau pflückte ihn erfreut, biß herzhaft hinein - denn in ihrem früheren Nymphenleben gab es ja nichts zu essen! - und reichte ihn an Eisengrimm weiter. Der aber hatte bisher nur Fleisch gefressen, doch der Apfel schmeckte ihm vorzüglich.

Nun hub der Apfelbaum zu sprechen an:

„hütet meine Äpfel, sie werden euch Nahrung sein. Sobald sie geerntet sind, werdet ihr euch ein Haus bauen müssen und du schöne Lau wirst dir ein Kleid weben müssen. Du aber Eisengrimm mußt bei ihr leben, zuvor jedoch mußt du eine Prüfung bestehen: geh zu deinen Wölfen, laß die Deinigen schwören, nicht mehr auf Menschenjagd zu gehen. Verpflichte sie auch, die Schafe der Menschen nur in der größten Not zu reißen. Heimlich im Wald sollen sie leben, die Feuer der Menschen nur scheu von ferne umringen.“

Und so geschah es.

So schwer es Eisengrimm ankam, schließlich gelang es ihm: sein Rudel gewährte im Gehör. Und weil er früher ihnen ein guter und weiser Leitwolf gewesen war, faßte das Rudel nach langer Beratung diesen Beschluß: „Du Eisengrimm, sollst einsam als wilder Wolf durch die Wälder streifen, denn du bist uns zu seltsam geworden. Wir aber wollen dir versprechen, den Menschen und ihren Tieren aus dem Wege zu gehen, weil es ein Mensch ist den du liebst. Sie sollen in ihren Dörfern bleiben, wir verbergen uns in der Wildnis. So leb denn wohl du seltsamer Eisengrimm.“

Und so schlich der Wolf zurück zur Quelle, wo die Schöne Lau emsig an einem Hemdchen aus Zauberwolle webte. Sie fröstelte, und sie litt unter der Kühle und Feuchtigkeit rings um die Quelle. Beide fühlten sich sehr einsam. Wie froh waren sie da, daß sie einander hatten!

So vergingen viele Jahre, die schöne Lau hüllte sich im Herbst in wunderhübsche Gewänder und hielt ihr Häuschen sauber und warm. Im Herbst wurden die roten glänzenden Äpfel reif, und Lau trug sie in ihre Hütte, vor der sich der alte Eisengrimm in den letzten Sonnenstrahlen ausgestreckt hatte. Schon längst war seine Schnauze weiß geworden, und die Schöne Lau trug Silberfäden im Gold ihrer Haare. Doch kein Herbst verging, in dem es nicht genügend Äpfel für beide gab. Und kein Winter verging, in dem es kalt in ihrer Hütte wurde.

Denn wie die Schöne Lau seit jenem Abend an dem sie ihren Namen erhielt, die Sonne nicht mehr fürchten mußte, so brauchte Eisengrimm seit ebenjenem Abend das Feuer nicht mehr zu meiden. Der Wolf war zum zahmen Freund und Begleiter geworden, und die Quellnymphe zu einer Menschenfrau. Einträchtig saßen beide abends am Kaminfeuer und wärmten ihre alten Knochen. Draußen vor dem Fenster plätscherte die kleine Waldquelle, und der Apfelbaum stand starr im Frost.

Aber kein Frühling ohne duftende Apfelblüten verging. Eines Tages aber, nach unzähligen Apfelherbsten, Winterfeuern und Frühlingsdüften war am Apfelbaum eine Rose emporgeklettert. Gerade an dem Tag, als die Apfelblüten zu duften aufhörten und kleine grüne Knubbel wurden, da öffnete die Rose ihre blutroten Blüten, und ein Duft entströmte ihnen, daß die beiden Alten vor der Hütte ganz betört davon wurden. Vor Freude perlten der Schönen Lau ein paar Tränen aus dem Auge, und Eisengrimm witterte vergnügt in die Luft.

Da sprach die Rose, und dabei legte sie allerliebst ihre blutroten Blütenblätter zurecht:

„Alt seid ihr geworden, einsam seid ihr gewesen, doch zueinander habt ihr gehalten. Deshalb soll Eure Liebe für alle Zeiten währen. Das ist mein Geschenk an euch. Doch eine Bedingung sei daran geknüpft: du Eisengrimm, und all die Deinen, ihr werdet fortan dem Menschen dienen. Werdet treu und unerschütterlich an seiner Seite sein und euren Hunger könnt ihr nur stillen, wenn er euch etwas gibt. Die Deinen werden früh sterben, doch sei gewiß: die Menschen werden um sie trauern. Du Schöne Lau, bist in vielen Wintern zu einer alten Menschenfrau geworden. Du und Deinesgleichen sollt Eisengrimms Nachfahren beherbergen als Mitgeschöpfe, die euch zur Sorge übergeben sind. Doch bedenke: wie auch eine Rose Dornen hat, so haben diese Tiere Zähne, und sie verstehen sie einzusetzen. Behandelt sie also gut, so werden sie es euch danken.“

Und seit jenem einzigen Tag, als die Rose sprach, sprach sie nimmermehr.

Eisengrimm und die Schöne Lau aber lebten glücklich und zufrieden in ihrer einsamen Hütte beim Apfelbaum, und wer weiß - vielleicht leben sie dort heute noch. In jedem Frühsommer besiegelt eine blutrote Rosenpracht die Liebe, die beide einst begründeten. 

Marieta Hiller, Winter 2013

Mühlen sind die Keimzelle maschinenbaulicher Ingenierskunst und zugleich der erste Ort von Gastlichkeit.

Die Brombacher Wassermühle bei Hirschhorn: hier ist die uralte Kultur der Wässerwiese noch sichtbar...

Mühlen - Infos, Fotos, Veranstaltungen:

70 Mühlen an einem Bach: keine Seltenheit

  • das Mühltal zwischen Ober-Ramstadt und Eberstadt
  • Die Pulvermühle im Mühltal
  • Die Mühlen an der Weschnitz
  • die Nieder-Beerbacher Mühlen und auf der Mordach
  • die alte Mühle in Schlierbach
  • die historische Mühle in Brombach bei Hirschhorn

 

Wasser: Beginn des Lebens...  mit zahlreichen Beiträgen zum Thema Wasser

Lautern: Vom Mühlendorf zum Gewerbezentrum
 die Die Erbacher Mühlordnung von 1769 Es klappert die Mühle am rauschenden Bach...  
Das Wirtshaus: Nicht nur im Spessart...  Der Ursprung der Mühle als Ort der Gastlichkeit Geheimnisvolle Untersee-Wanderung  unter dem Marbach-Stausee
Woher das Wort Mahlzeit kommt Mühlen in Heppenheim: der Heppenheimer Mühlenrundweg  

Dinkel, Emmer und Einkorn - Nibelungenkorn

Getreide: alte und neue Sorten

Warum der Müller stets verdächtig war...
https://www.deutsche-muehlen.de/deutscher-muehlentag/

https://www.wasserkraft-in-hessen.de/

www.milldatabase.org
http://www.vvrothenberg.de/wassermotor

https://www.hessischermuehlenverein.de/de/
Eine besondere Mühle, die im Waldwinter ruht: die Lohmühle  

 

Deutscher Mühlentag auf Tag des offenen Museums verlegt

Bislang fand der Deutsche Mühlentag immer am Pfingstmontag statt, in Zeiten der anhaltenden Pandemie wurde die bundesweite Veranstaltung auf den Tag des offenen Denkmals verlegt. Im Juni 2021 wurde die Veranstaltung "Der Deutsche Mühlentag" patentiert. Nachdem sie 2020 zum ersten Mal seit 1994 bundesweit abgesagt werden mußte, haben sich nun Mühlenvereine, -eigner und -freunde wieder bundesweit ein attraktives Programm für Besucher einfallen lassen.
Unter www.milldatabase.org findet man weltweit alle verschiedenen Mühlen mit Typ, Antrieb und heutiger funktion, außerdem eine ganze Reihe von Mühlenwanderwegen.  
Sie finden alle Mühlen, die am Tag des offenen Museums öffnen, indem Sie aufmilldatabase die gewünschte Region auswählen und im Feld Teilnahme Mühlentag 1 das Datum anklicken. Dann sehen Sie, wo es etwas zu erleben gibt.
Mühlen bilden einen Schwerpunkt in der Denkmal-Landschaft, die sich am Tag des offenen Denkmals für Besucher öffnen mit Führungen, Vorträgen und Ausstellungen. 2021 findet der Tag wieder an vielen Orten statt, zugleich aber auch virtuell auf https://www.tag-des-offenen-denkmals.de/programm/.  Der Hessische Mühlenverein e.V. (HMV) und die Arbeitsgemeinschaft Hessischer Wasserkraftwerke (AHW) setzen sich für den Erhalt der Mühlen ein. "Nur was man kennt, kann man auch schützen"  ist das Motto des HMV, und die AHW sieht zudem als Ziel die Förderung von Wasserkraft im Sinne der Energiewende. Beide Internetseiten laden zum Stöbern ein.

Marieta Hiller, Im August 2021

Tympanon des Straßburger Münsters

Kaum ein historischer Beruf ist so geheimnisvoll wie die Steinmetzkunst: eigene Sprache, eigene Zeichen, eigene Figuren, die zu lesen sehr spannend ist - wenn man erfährt, wie es geht. An dieser Kunst ließ uns Dietmar Wolf, seines Zeichens Steinhandwerksgeselle in Straßburg und pädagogischer Ausbildungstrainer im europäischen Bildungszentrum für Steinhand-werksgeschichte UFWG, teilhaben. „Mit Gunst und Erlaubnis“ - so lautet die Eingangsformel im Wanderhandwerk der Steinmetzgesellen. Mit Berufsfremden sprachen sie nur das Nötigste, untereinander hatte die Bruderschaft der Straßburger Steinmetze fest definierte Regelzeichen, ihre Symbole.

So war der Novize, der um Aufnahme in die Bruderschaft bat, das Rindvieh. Als Hase lernte der Lehrling, „wie der Hase läuft“, doch zu sagen hatte er noch nichts: „mein Name ist Hase“. Wird er zum Gesellen, beginnt er mit der ältesten Tätigkeit der Welt: er buckelt nach oben und tritt nach unten. Der Fuchs wird fuchsteufelswild, kann aber auch gut ducken und schmeicheln.

Hat ein Geselle kein Geld mehr, dann sagt man, er sein »auf den Hund geraten«. In solch einem Fall kann er vom Meister oder auf der Herberge um Unterstützungsgelder bitten, welche er in der Regel auch erhält. Denn der Hund, das ist der Meister. Treu den Gesetzen der Natur und Gott, überwacht er alle Arbeiten und die Schar der Hasen und Füchse, ist am Abend hundemüde, fühlt sich dann hundsmiserabel und muß dennoch bei jedem Hundewetter hinaus zur Arbeit. Der Fuchs dagegen ist ein falscher Hund, einer der sich die größte Kompetenz anmaßt. Über Hund, Fuchs, Hase und Rindvieh steht der Affe, der Werkmeister. Er gab Begriffen wie Affenschande, dich sollte der Affe lausen, affenstark, affengeil ihren Inhalt.

Berufsfremde, die kein Handwerk ausübten, wurden als Hornickel bezeichnet, hinzu kamen die „unehrlichen“ Gewerke: Müller, Gerber, Prostitution. Die Steinhandwerksbruderschaften (11.-15. Jh.) grenzen sich gegen die unfreien Maurerzünfte aus weltlichen städtischen Steinhandwerkern ab als Freie-Maurer und Steinmetze, ihr Werkmeister war immer zugleich auch Kleriker. Bauwissen war ein wohlgehütetes Gut, es wurde in der Loggia, der Bauhütte, gelehrt und durfte weder schriftlich noch mündlich an Nichthandwerker weitergegeben werden, Wandergesellen hießen daher „diskret“. Man sprach „kochemer loschen“, die geheime Sprache, die noch heute von Wandergesellen gesprochen wird und aus dem 11. Jahrhundert stammt. Später nimmt diese Sprache Elemente aus dem Jiddischen, Rätoromanischen, Französischen und Intalienischen auf und wird unter anderem auch zum Rotwelsch oder Jenisch der Räuberbanden um 1800. Zinken, Kluft, Stenz, Walz, Beiz, Kohldampf, Penne, Kaff und Hornickel sind solche uralten Begriffe.

Gesellen erhielten keinen Gesellenbrief, sondern ihr persönliches Steinmetzzeichen. In der Freisprechungszeremonie mußte er schwören, alles was man ihm anvertraute bezüglich seines Handwerkes, „als nemlich der steinmetzehaimlichkeit, grueß und schenck sampt anderen was darzue gehörig“ niemals einem anderen zu erzählen oder niederzuschreiben.

Schaut man genau hin, so entdeckt man an den wundervoll ornamentierten Fassaden vieler großer Kirchen besondere Figuren, die sich oftmals hoch oben am Turmgesims oder versteckt in opulenten Tympanons oder Innenfriesen zeigen: Rindvieh, Hase, Fuchs, Hund und Affe. Betrachten Sie die nächste Kirche mal daraufhin, es ist erstaunlich! Nach Abschluß der fünfjährigen Lehrzeit durfte der Steinmetzgeselle ein eigenes Zeichen entwickeln, und diese Zeichen ziehen sich durch ganz Europa. Fast jeder Stein an jeder Kathedrale, jedem Münster, zeigt ein solches Zeichen. Daran läßt sich die Walz, die Wanderschaft des Gesellen termingenau nachvollziehen, denn die Bauzeiten der Gebäude sind dokumentiert. Und wenn Sie jetzt schon die ganze Zeit an Freimaurerlogen denken, dann haben Sie nicht unrecht, denn diese Logen entwickelten sich aus den Loggien, den Bauhütten. Aus der Zeit der Bruderschaften haben sie als ethische Prinzipien die Grundideale Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität übernommen. Kommt Ihnen 1-3 auch bekannt vor?

Freimaurer übten die sogenannte Königliche Kunst aus und verstanden sich daher als ethischen Bund freier Menschen. Ihre Überzeugung besagte, daß man durch ständige Arbeit an sich selbst zu menschlicherem Verhalten kommen kann. Unser Begriff Loge bedeutete im Ursprung Fremdenzimmer.

Noch heute ziehen Wandergesellen auf die Walz, ohne Bankkarte, Handy, Schlüssel, sie unterwerfen sich nur den Regeln ihrer Zunft und bleiben über (2-3) Jahr und Tag außerhalb der Bannmeile ihrer Heimat.
Und noch heute tragen Angehörige der Freimaurerlogen ein Vergißmeinnicht im Knopfloch, als Erinnerung an die Zeit des Dritten Reiches, als die Freimaurer verboten waren und im Untergrund lebten. Hase, Fuchs, Hund und Affe sitzen in Stein gemeißelt auf den Zinnen des Straßburger Münsters und künden von den strengen Regeln der Steinmetzbruderschaft. Etwas abseits ist auch ein steinerner Rindvieh-Kopf zu sehen. Er stellt eines der ursprünglichsten Steinmetzzeichen dar. Unzählige Steinmetzzeichen aus ganz Europa und aus vielen Jahrhunderten sind seit ein paar Monaten auf dem großen Platz im Süden des Münsters zu sehen, und beim nächsten Ausflug nach Straßburg lohnt sich die Ausschau, ob vielleicht auch das moderne Innungszeichen des Steinmetzhandwerks dort zu finden ist. Marieta Hiller - im Februar 2018

Interessanter Ausflugstipp zur Tag-Nacht-Gleiche: 19.-22. März - der grüne Lichtstrahl im Straßburger Münster!

Während der Tag- und Nachtgleiche vom 19.-22. März zeigt sich im Münster zu Straßburg ein interessantes Phänomen: ein grüner Lichtstrahl, durch eines der Hochfenster im Mittelschiff der Kathedralensüdseite fallendes Sonnenlicht, berührt fünf Figuren auf der Nordseite. Um ca. 11.38 Uhr scheint die Sonne im grünen Licht auf Jesus am Kreuz
um 11.40 Uhr auf Johannes den Evangelisten
um 11.43 Uhr auf Simon Petrus mit Schlüssel
um 11.45 Uhr auf Andreas mit Kreuz
um 11.45 Uhr auf einen schlafenden Pilger

Das Sonnenlicht fällt durch das grüne Glas im Fensterbild mit der Ahnenreihe Jesu. Genauer durch den linken Fuß des Judah, Gründungsvater des Israelitischen Volksstamms Judah oder Jehudah. Die angestrahlten Figuren sind auf der spätgotischen Meyger-Kanzel zu sehen. Hans Meyger war vorsitzführender Stuhl-Meister der Bruderschaft der Steinmetzen und Maurer zu Straßburg 1485-1490 und 1510-1519. An den genannten Tagen findet eine Erklärung der Symbolik statt in der deutschen Handwerkssprache Kochemer Loschen. Informationen gibt es beim Europäischen Bildungszentrum für Steinhandwerksgeschichte, 0033-388356398.

Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts...

Warum eigentlich weiß der Hase von nichts? Wenigstens zu Ostern sollte man sich einmal auf diese Frage einlassen.

Die Erklärung ist simpel, auch wenn sie überraschend klingt und kaum jemandem bekannt ist: landläufig glaubt man, daß die Redensart von dem Studenten Victor von Hase stammt, der 1855 einem Freund, der sich duelliert hatte, seinen Ausweis gab, damit er über die Grenze nach Straßburg fliehen konnte. Als die Sache aufflog, wurde Victor von Hase vorgeladen und vernommen. Dabei sagte er "Mein Name ist Hase, ich verneine alle Fragen, ich weiß von nichts". Allerdings findet man in Straßburg noch eine andere Erklärung: auf den Zinnen der Pfeiler sind steinerne Figuren von Hase, Fuchs, Hund und Affe zu sehen. Bei einer Münsterführung unter Steinmetz-Blickwinkel erfährt man, daß diese Figuren eine ganz weltliche Bedeutung haben und keineswegs verborgene religiöse Hintergründe. Handwerks-Kulturführer Dietmar Wolf erklärte, daß es in den Bruderschaften der Wandergesellen, die von Dombauhütte zu Dombauhütte unterwegs waren und dort zusammenarbeiteten, auch ohne daß alle die gleiche Sprache sprachen, eine klare und einheitliche Terminologie gab: die „koschemer Loschen“ - zu deutsch „die kluge Sprache“. 

Seit Menschen seßhaft wurden, läßt sich das Wohnen - und damit verbunden das Bauen - nicht mehr aus ihrem Alltag wegdenken. Am Beginn stand das Feuer am Lager; es bot Sicherheit, Wärme und Behaglichkeit. Das Feuer bildete die Mitte der Gemeinschaft, die umgeben war von einer schützenden Wand aus Dunkelheit, undurchdringlich für gefährliche Tiere oder Geister. Lebte man in einer Höhle, so vermittelte gerade das

„Aus-der-Höhle-Herausschauen“

ein besonderes Behaglichkeitsgefühl. Wer in die Höhle hineinschaute, der sah bestenfalls nichts. Das Wort Behaglichkeit ist für uns moderne Menschen untrennbar mit einer wohligen Heizquelle verbunden, der Wortstamm kommt jedoch von Hag, der Hecke. Mit Hecken - ganz ähnliches Wort wie Hege - umgaben wir unseren allerersten Besitz.

Auf Höhle, Feuer und Hecke folgte der Herd in der Hütte, wir waren inzwischen vom Jäger und Sammler zum Bauern geworden. Noch heute klingt im Wort für Hütte das Hüten mit.

Hütte aus dem Histotainment Park Adventon

Älteste Wohnformen wie Flecht-Lehm-Bauweise schufen für uns ein trockenes Dach über dem Kopf, schützende Wände - und eine Türschwelle, die fortan von großer Symbolkraft für uns wurde. Ebenso die Fenster: Friedensreich Hundertwasser sagte einmal „die einen behaupten, Häuser bestehen aus Mauern. Ich sage, Häuser bestehen aus Fenstern“.

Denn aus Fenstern schauen wir hinaus (siehe aus-der-Höhle-schauen!) und zugleich schützen sie unseren privaten Raum.

So schön können Fenster sein: historisch in Büdingen und modern in Gelnhausen...

 

Schilf oder Schieferplatten dienten als Dach, das Regen und Kälte abhielt, jedoch zu Beginn noch einen offenen Rauchabzug hatte. Schilfdächer müssen sehr steil sein, damit das Regenwasser gut abläuft, so daß nur die oberste Schicht von etwa 3 Zentimeter feucht ist. Stein- oder Ziegeldächer dagegen sind flacher, damit die Deckung keine abwärtsgehende Eigendynamik entwickelt. Ziegel lassen sich einfach herstellen, sofern man Ton in der Nähe hat. Das Wort Ziegel kommt von lateinisch tegula, was in unserem „Deckel“ nachklingt. Wer kein Geld für ein Dach hatte, der machte sich Holzschindeln.

Inzwischen ist aus unserer einfachen Hütte ein ordentliches Haus mit Schornstein geworden, in der Stube wärmt uns vom Kanonenofen bis zum zimmergroßen Kaminofen alles, was feuerfest ist und abstrahlt, auf dem Herd wird die Suppe niemals kalt.

Aus drei vier Hütten wurden Dörfer und Städte. Ihre Herkunft läßt sich oftmals aus den Namen der Vorstädte erkennen: der äußere Ring um eine große alte Stadt hat oftmals Namen, die auf -rod enden, der innere Ring dagegen hat „Gries“ oder „Ried“ im Namen. Rod klingt durch in Haurod, Herchenrode, Rodau, Riedrode, Rodgau, Hummetroth, Bayreuth, Reutte in Tirol...

Die unzähligen „Griesheims“ in Deutschland weisen auf eine sandige Fläche mit Gewässer hin, und Ried zeigt feuchte Wiesen an, wie sie oftmals am Siedlungsrand auf Rodungen entstanden sind. Hier weidete das Vieh, später betrieb man Landwirtschaft rings um die neu entstandenen Städte. Die Dörfer der Gürtel wuchsen mit der Kernstadt zusammen, es bildeten sich Ballungsräume wie das Rhein-Main-Gebiet oder das Ruhrgebiet. Die Industrie verlagert sich an die Peripherie der Städte, es entstanden Industriegebiete abseits der reinen Wohnviertel.

Doch die Geschichte des Wohnens geht noch etwas weiter: wo eine Industriebrache entsteht, wo also Fabriken schließen, dort stirbt auch das Leben der Dörfer. Historische Dampfzugfahrten durch manche Gegenden führen uns durch ein surreales Märchen: die industrielle Revolution ist hier längst Geschichte, der Zug rattert durch einen flächendeckenden Friedhof aus vor 30 Jahren stillgelegten Fabrikanlagen.

Hat uns die Geschichte des Wohnens nun von der Höhle bis zur Industrieruine geführt? Mitnichten! Verlagert hat sich die Art der Erwerbstätigkeit - wieder einmal. Vom Sammeln und Jagen über das Hüten und Ackern zu den Gilden und Zünften bis in den schwärzesten Industriekapitalismus und weiter in das digitale Zeitalter, in dem mit Information gehandelt wird.

Mitentwickelt haben sich auch unsere Häuser: auch sie vernetzen sich, versenden Informationen, kommunizieren mit uns wenn wir nicht zuhause sind. Gesundes Raumklima, klimaneutrale Heizung, intelligente Haustechnik, smart home.

Aber wenn mein Kühlschrank mich unterwegs über mein Handy anplärrt, daß ich gefälligst Bier mitbringen soll, dann ist es mit der Behaglichkeit schnell vorbei...

Marieta Hiller, im Februar 2018

 

Legendär waren die Christstollen meiner Schwiegermutter Elisabeth:

sie nahm 4 Pfd Mehl, 900 g Fett (500 Mararine + 400 Rinderfett), 350gr Zucker, 100gr Zitronat 100 gr Orangeat, 150 gr Hefe, 1 Backin, 15 gr Salz, Rum (!!!), 1/2 ltr Milch, 700g Mandeln 100 g Nüsse, 500g Sultaninen 125g Korinthen, Buttter zum Pinseln und Puderzucker zum Bestreuen. Leider gibt ihr handschriftliches Rezept keine Backzeit und Temperatur an, doch das ist sowieso bei jedem Backofen anders.

Schon Anfang Oktober fuhr sie nach Bensheim zu Aldi (den gab es damals in Reichenbach noch nicht), um die Dauervorräte fürs Stollenbacken einzukaufen. Denn sie hatte Panik, daß später nicht mehr alles verfügbar sein würde. Spätestens Anfang November wurden die Stollen gebacken und danach in mehrere Schichten Alufolie fest eingewickelt und auf dem Schrank im Schlafzimmer zur Ruhe gebracht. Erst an Weihnachten durfte der erste Stollen angeschnitten werden, er war dann auch schon sehr gut durchgezogen und schmeckte köstlich.

Dank der klugen Vorratshaltung meiner Schwiegermutter gab es die letzten Stollen im Sommer, kurz bevor der Einkaufsstreß wieder losging...

Vor einigen Jahren begann ich mit dem Rezept zu experimentieren:

- ich nahm statt Weißmehl Dinkel, der in unserer Getreidemühle fein gemahlen wurde;
- den Zucker ersetzte ich durch wesentlich weniger Honig;
- ich wußte, daß die in 80% Stroh-Rum (meine Schwiegermutter neigte nicht zu halben Sachen) eingeweichten Rosinen einen Ackergaul umwerfen konnten, trotzdem legte ich sie drei Tage lang ein - das Ergebnis war köstlich!
- beim ersten Mal wurden die Stollen bei 150 Grad 85 Minuten im Umluftbackofen gebacken, das war aber zu lange, sie waren etwas trocken. Also reduzierte ich im Jahr darauf sowohl Backzeit als auch Temperatur auf 140 Grad und 75 Minuten. Aus Angst, daß die Stollen nicht ganz durchgebacken sein könnten, mußte ich dann leider einen sofort anschneiden und probieren. Der erlebte dann kein Weihnachten mehr...
- ich ersetzte die Alufolie (die setzt man schließlich besser als Hut auf den Kopf) durch Butterbrotpapier und zwei Schichten Gefriertüten, danach fror ich die gut verpackten Stollen ein. Und so kann auch ich jetzt Christstollen genießen, wenn die Mandeln an der Bergstraße blühen, und wenn es Zeit für die Stolleneinkäufe wird.

M. Hiller, November 2017

HS.Briefe: Beiträge von Hans Seeger zu Themen der Zeit

Der Beedenkirchener Altunternehmer Hans Seeger (*1929, gest. 2019) hat sechs „Denkschriften“ herausgegeben: 1. Vom Felisberg zum Felsberg im Odenwald
2. Steinbrüche am Felsberg - Felsberg-Granit = Melaquarzdiorit
3. Im Wandel der Zeit - Auf und Nieder der Grabstein-Industrie
4. Geschichte - Zeitgedanken - Frieden in der Welt
5. Beedenkirchner und Odenwälder Geschichten, überwiegend in Mundart
6. Ich bin ein Odenwälder Der vordere Odenwald und speziell der Felsberg war für gut 100 Jahre Schauplatz zahlreicher Steinbrucharbeiten. Es gab etliche Betriebe, die hier Rohblöcke gewannen und sie verkauften oder weiterbearbeiteten. Steinarbeiter waren gläubige Menschen, doch waren sie auch von einem gewissen Trotz beseelt:

Zu Ehren der Steinbrucharbeiter:
hart ist der Stein,
schwer war die Arbeit,
rau unser Leben.
Hatten andere Leut auch leichteres Brot,
er mußte es uns  doch geben.
Inschrift auf einem Granitstein im Heidenberg bei Gadernheim

Über ihre Arbeit und ihr Leben hat Hans Seeger aus Beedenkirchen zusammengestellt, was er in seinem Leben erfuhr. Sein Credo:

Der Mensch als lebendige Schöpfung ist berufen, sich die Erde untertan zu machen, indem er der Natur gehorcht.

Dieser entscheidende Nebensatz ist gültig nicht nur für Steinarbeiter.

Ein Steinunternehmer im Unruhestand: die HS.Briefe von Hans Seeger, Beedenkirchen

Für 100 Jahre prägte die Steinindustrie das Gesicht der Lautertaler Ortsteile: 1879 bis 1979. Der Odenwald war mit dem Fichtelgebirge und einem kleineren Gebiet in der Oberlausitz bis zur Wende Zentrum der Grabmalherstellung. Heute gibt es nur noch wenige Betriebe in Reichenbach, Beedenkirchen, Elmshausen, Gadernheim, Lindenfels, Rodau, Groß-Bieberau, Heppenheim und Bensheim. Sein Leben lang hat Hans Seeger aus Beedenkirchen in der örtlichen Steinindustrie gearbeitet, nun zieht er Bilanz. Der gelernte Steinmetz - und nebenbei auch Schmied - hat viel erlebt und viel zu sagen.

Sein wichtigstes Anliegen, nach Papst Pius XII: der Mensch soll sich die Erde untertan machen, indem er der Natur gehorcht. Würdiger Umgang mit Natur und Mensch fordert er immer wieder - seine HS.Briefe sind Gelegenheitstexte, die sich immer wieder um dieses Thema bewegen. Daher sind sie - am Stück von 1-6 gelesen - oftmals etwas redundant, aber Wiederholungen tun diesem Thema gut: man kann es nicht oft genug wiederholen, daß z.B. Bildung die Grundlage für ein gutes Leben ist. Brandaktuell wirkt diese Mahnung angesichts von Boko Haram, was nichts anderes heißt als „Bildung ist verboten“. Einiges in den HS.Briefen liest sich etwas sperrig, auch aufgrund der häufigen Wiederholungen, doch auch die Themen sind ja meist sperrig.

Immer wieder setzt er menschliches Verhalten in Relation zur Erdgeschichte - schließlich hat er sich ein Leben lang mit Stein befaßt, und dies läßt ihn - und auch uns - demütig und nachdenklich werden. Um so mehr, als Hans Seegers Hauptgeschäft die Grabmalherstellung war und er ständig Berührung mit Ewigkeit, mit Verstorbenen und Hinterbliebenen hat. Seine Gedanken zur Bestattungskultur faßte er im zweiten HS.Brief zusammen. Dabei setzt er sich an vielen Stellen mit dem christlichen Glauben auseinander, nimmt Bezug auf den kritischen Theologen Hans Küng, der es wagte die päpstliche Unfehlbarkeit in Frage zu stellen und dem daraufhin postwendend die Lehrbefugnis aberkannt wurde.

„Ohne Religionsfrieden kein Weltfrieden“ - das ist Hans Küngs Credo, und auch das von Hans Seeger. „Wenn ich Energien aus der Erde hole und ohne Kreislauf nutze, entweichen sie in Umwelt und Atmosphäre“: der zweite Satz der Thermodynamik könnte besser nicht formuliert werden. Darin geht es um die Entropie: alles strebt immer zum niedrigeren Energieniveau, oder aber: ich muß viel Energie investieren um auf ein höheres Niveau zu kommen - von nix kommt nix. Den Kreationisten hält Seeger das Bibelzitat Moses Psalm 90 entgegen, wonach sich das Alter der Erde mit gut 2 Mrd. Jahren ansetzen läßt, was nicht ganz dem aktuellen Forschungsstand entspricht, aber weit entfernt ist von den im Kreationismus postulierten 6000 Jahren!

Die Mächtigen dieser Welt, allen voran  Donald Trump und Georg W. Bush, erhalten eine entschiedene Abfuhr, denn für Hans Seeger sollte die Welt - ganz gleich wie alt sie ist - von einer sozialen Gesell-schaft regiert werden, nicht von Kapital und Wirtschaft. Sie sollte sich um die Welternährung kümmern anstatt um Waffen, die „fanatische Weltunordnung“ durch eine freiheitliche Weltordnung ablösen. Spannend liest sich der HS.Brief Nr. 3, in dem es konkret um die Odenwälder Steinindustrie der Region Lautertal geht.

Hier beschreibt Seeger die Ansiedlung der ersten Steinbruchunternehmer, ihre Entwicklung und die seines eigenen Betriebes, den er von Vater und Großvater übernommen hatte. Kurioses berichtet er etwa über den Unternehmer Johann Wilhelm, der in den Jahren 1926-1930  Granitfindlinge für den Tierpark Hagenbeck in Hamburg lieferte und „manchmal .. in der Woche ein(en) Fünfhunderter übrig (hatte)“. Daß dieser oft überraschende Wohlstand vielfach auch noch in den 80er Jahren vorkam, kann ich selbst aus meiner Jugend bestätigen. Ich arbeitete als Kellnerin im Gasthaus „Zum Kaiserturm“ in Winterkasten, in „de Funzel“. Dort trafen sich die „Steinkerle“ Montags und Donnerstags, wenn Hansi aufspielte, und ließen es sich so gut wie richtige Ölbarone gehen. Letztlich hat die Odenwälder Steinindustrie so mein Studium finanziert. In dieser wilden Zeit traf man in der Funzel oft den „Gold-gräber“ und den „dicken Helmut“, aber auch Unternehmer aus Reichenbach. Hans Seeger dagegen war schon immer ein Familienmensch, der sich lieber in der Steinmetzinnung engagierte und sein Geld zusammenhielt. 1953 wurde er Schriftführer der Innung. Gut funktionierende Betriebe konnten damals pro Mitarbeiter einen Jahresumsatz von 100.000 DM erzielen. Das Ende kam mit dem Strukturwandel: mit Urnengräbern und anonymen Bestattungen.  M. Hiller, Nov. 2017

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Ist Magie das Kuriositätenkabinett der Zauberkunst?  Die Schreckenskammer der Kulturgeschichte? Mystisch-hermetische Geheimlehre am Rande legitimer Glaubensbekenntnisse? Wie paßt Magie zu unserer rationalistisch-aufgeklärten Weltsicht? Wunder, Gebete, Beschwörungsformeln? Ist das Aberglaube? Stehen wir auf einer Stufe mit Dr. Faustus, nur weil wir „toi toi toi“ sagen und mit den Knöcheln auf Holz klopfen?

Magie hat eine sehr lange Geschichte: seit der Mensch das Feuer gebändigt hat, wurde er seßhaft, entwickelte Sprache, erschuf sich den geistigen Raum der Religion. Geister oder Götter besaßen Macht über Menschen und forderten ihre Rituale. Daraus entwickelte sich im Laufe der Jahrtausende unsere heute bekannte Religion, sei es Christentum, Islam, Buddhismus, Hinduismus oder Judentum*. Rituale begleiten jede Religion, und Rituale sind zugleich auch wichtige Elemente der Magie. Am Beginn standen magische Rituale als Schutz vor böswilligen Göttern. Dazu gehörten die Vampire, Dämonen und die Pest. Rituale dienten der Besänftigung und der Weissagung, denn die Zukunft war und ist etwas, was Menschen naturgemäß stark interessiert. Älteste Quellen aus Mesopotamien und Persien berichten von einem Ritual, das uns heute noch vielfach begegnet: abgeschnittene Haare und Fingernägel dürfen nicht in die Hände der bösen Mächte geraten. Noch heute gilt dieser Brauch in vielen Häusern während der Rauhnächte (25.12.-6.1.). Auf das zoroastrische Persien (7.-4. Jh. v. Chr.) folgte das Judentum. Dessen Hauptwerk, die Bibel, entstand etwa 1200 v. Chr. und sprach von Magie als unzweifelbarer Wirklichkeit. Von Erscheinungen wie dem

Mene mene Tekel - dem Zeichen an der Wand, das dem König Belsazar sagt „gezählt sind deine Tage!“

- ist die Bibel voll. Noch heute gilt die Bibel sowohl Christen als auch Juden als auch Muslimen als Buch der Bücher. Doch wie es scheint, haben wir mit abergläubischen Elementen weniger Probleme als mit der grundlegenden Glaubensbotschaft der Nächstenliebe. Alle Religion ist aber in ihrem Ursprung ein Regelwerk, um die Gemeinschaft zu stärken, um Altruismus zu fördern. Zentrale Botschaft der Christen ist die Bergpredigt, aber der brennende Dornbusch und die Teilung des roten Meeres fasziniert uns viel stärker: DAS wollen wir auch können! Oder jemanden kennen, der das kann... Sehr wichtig war Magie auch den Ägyptern, den Griechen und Römern. Später folgte die Alchemie mit Hermes Trismegistos, dem dreimagischen Meister, der versuchte Gold zu destillieren und Homunculi zu schaffen. Den Höhepunkt fanden Aberglauben und Magie zur Zeit der Hexenverfolgungen: tausende unschuldiger Frauen und Männer wurden zu Tode gefoltert im Auftrag des Herrn. Martin Luther forderte, die Hexen - die ihm zufolge Schäden an Mensch, Vieh und Ernte anrichteten - durch das Feuer zu töten.  Gleichzeitig aber war er überzeugt, daß Schadenszauber durch Hexen von Gott gesandte Prüfungen seien. Er sagte:

„Wehrt euch nicht gegen diesen Schadenszauber. Denn ihr wißt gar nicht, was Gott damit vorhat. Ihr kennt nicht den großen göttlichen Plan, der dahinter steckt.“

Luther führt Hiob an, dem ein Unglück nach dem anderen geschah. Aber Hiob blieb fest in seinem Gottvertrauen, und schließlich belohnte Gott ihn mit Vieh und Kindern. Zu Luthers Zeit kündigte sich bereits die Entstehung von Geheimbünden an: Rosenkreuzer, Templer, Freimaurerlogen. Zunächst aber prophezeite ein Zeitgenosse Luthers, Theophrastus Bombastus von Hohenheim (auch als Paracelsus bekannt), daß

„Gott eine Entdeckung von größter Bedeutung zulassen wird; sie muß aber bis zum Erscheinen des Künstlers Elias verborgen bleiben“.

Wer auch immer der Künstler Elias sei: Luthers Reformation schien Paracelsus kein Wendepunkt, denn seiner Meinung nach befaßte sich Bruder Martin nicht ausreichend mit Magie und Kabbala. Vielmehr erwartete Paracelsus diesen Wendepunkt mit dem Erscheinen des Kometen 1572, einer Supernova, die Tycho Brahe und seine Schrift über den „neuen, nie zuvor gesehenen Stern“ unter Astronomen in ganz Europa berühmt machen sollte. Aus heutiger Sicht war das leider auch kein Wendepunkt, obwohl: das Jahr 1572 brachte mit der Pariser Bartholomäusnacht vom 23./24. August vielen Hugenotten den Tod. Einer der ersten Kriege zwischen Katholiken und Reformierten, der eine lange Reihe weiterer Glaubenskriege nach sich zog. Und so zieht sich die Frage, ob der Mensch frei ist in seiner Entscheidung, durch die Jahrhunderte. Zieht man die Schärfe in Betracht, mit der kanonische Glaubensrichtungen auch nicht vor Mord und Massen-mord zurückschrecken, erscheint ein bißchen Magie doch fast tröstlich. M. Hiller, Oktober 2017

Buchtipp: Kurt Seligmann, Das Weltreich der Magie - 5000 Jahre Geheime Kunst, Bechtermünz Verlag 1988

*Wikipedia nennt:
Die folgenden fünf existierenden Religionen werden im Allgemeinen als Weltreligionen bezeichnet (Anhänger nach Encyclopædia Britannica 2010):

Erdspiegel: magische Formel zum Schatzfinden

Beschwörungsformel mit den magischen Namen wurde in einem Holzkästchen mit Erde angewandt, um z.B. verborgene Schätze zu finden. Dazu mußte man jedoch ganz still sein. Beim ersten Wort - auch einem Überraschungsausruf, wenn tatsächlich ein Schatz auftaucht! - versank dieser und konnte niemals mehr gehoben werden.

Der Erdspiegel aus dem Alten Schloß in Büdiingen hat folgende Erläuterung:

"Vorliegendes Zeichen ist ein Geheimzeichen der Alchimie - ein sog. Erdspiegel - der zur Hebung verborgener Schätze oder Edelmetalle verwendet wurde. Es stammt aus dem 16. Jh. um 1530 und ist in Dr. Faustens Kunst- und Wunderbuch abgedruckt. Auch der schwarze Rabe genannt. Das Zeichen hat nur am Michaelstag Wirkung. Deshalb ein Hinweis .d. Rückseite des Blattes."

Weitere Erdspiegel und das Brauchen und Bannen finden Sie unter der Knodener Kunst

Der Stein der Weisen

Die Alchimisten versuchten, Metalle in andere Metalle umzuwandeln. Vor allem aber wollten sie Gold schaffen. Eine solche "umgekehrte Entropie" war mit mittelalterlichem Kenntnisstand noch vorstellbar. Eine sehr große Energiequelle war erforderlich dazu, und diese ist - nein, nicht das ZPM, sondern der Stein der Weisen. Er vereinigt in sich alle Farben (moderne Farbenlehre: weißes Licht ist die Summe aller Farben!) und kann Metalle verwandeln, Krankheiten heilen, das Leben verlängern.

"Ich könnte ganze Meere verwandeln, wenn es nur so viel Quecksilber gäbe!"
Mare tingerem si Mercurius esset.
Raimundus Lullus (14. Jahrhundert)

Quecksilber ist dem Planeten Merkur zugeordnet, wie Gold der Sonne, Silber dem Mond, Eisen dem Mars, Kupfer der Venus, Blei dem Saturn, Zinn dem Jupiter. Der Stein der Weisen war - wie alle Metalle und Erden - beseelt wie Tiere und Pflanzen. Folglich mußte man den "Samen" der Metalle finden, um eines ins andere verwandeln zu können. Man glaubte, daß alle Metalle Schwefel und Quecksilber enthalten. Schwefel als Symbol für die Hölle und den Teufel, Quecksilber als flüchtiger Bestandteil, der gerne wandert - siehe Hermes, der auch Merkur heißt. Merkurius ist der Name für Quecksilber, es ist bei Zimmertemperatur flüssig. Das mußte den Alchemisten als etwas ganz Besonderes erscheinen. Deshalb waren sie überzeugt, daß man nur die Zusammensetzung der beiden ändern mußte, um ein anderes Metall zu bekommen. So sollte Gold aus einem großen Anteil Quecksilber und wenig Schwefel bestehen. Kupfer beispielsweise sollte beides in gleicher Menge enthalten. Den Philosophen zu Agrippa von Nettesheims Zeit (1486-1535) schien es logisch, daß die Welt und alle Himmelskörper eine Seele und auch Verstand haben müssen. Denn alles folgt einem wohlüberlegten Plan, nichts gleitet ab ins Chaos - es sei denn der Mensch greift allzustark ins Geschehen ein. Die Welt läßt sich berechnen, das stellten die Forscher jener Zeit fest. Die vier Essenzen Feuer Wasser Erde und Luft sowie das fünfte Element, die Quintessenz, spielten in einem fein geregelten Ablauf miteinander. Die Quintessenz (bei Bruce Willis und Milla Jovovich1997 war es schlicht: DIE LIEBE) belebt alle Körper, die Welt-Geistseele, die nie allein für sich existieren kann oder sichtbar wäre. Aber sie ist allgegenwärtig. Heute könnte man sagen, es ist die feinstoffliche Ebene, auf der ganzheitlichen Betrachtungsweisen zufolge alles mit allem in Verbindung steht. Wer aber die Quintessenz von der Materie der vier Essenzen zu lösen vermag, der besitzt die schöpferische Kraft Gottes (!). Dieser Stein der Weisen besitzt Zeugungskraft, und althistorische Göttinnen wie Isis, Demeter (Ceres), Hestia (Vesta) waren seine Sinnbilder. Hier noch ein passender Spruch:

Gott schläft im Stein
träumt im Tier
atmet in der Pflanze
und wacht im Menschen

In diesem Sinne: seid wach und geht sorgsam mit eurer Mitwelt um! Marieta Hiller, Oktober 2017

Zaubersprüche: uralte Magie der Zaubermärchen

Einst brauchte man starke Zaubersprüche, um Kontakt zu einem Drachen aufzunehmen. Solche Zaubersprüche kommen von ganz innen aus unserer Seele, wo es sehr wohl Drachen gibt! Deshalb begegnen wir den Drachen auch oft in Zaubermärchen. Das sind die ältesten Märchen die wir haben. Hatte man den richtigen Zauberspruch, oder ein Wünschelding, so konnte man jederzeit mit seinem Drachen sprechen und er beschützte uns! Zaubersprüche gehören zu unseren ältesten Ritualen, so gibt es die Merseburger Zaubersprüche aus dem 8. Jahrhundert, aber auch aus der Antike schon gibt es Zaubersprüche von Plinius d.Ä., von Marcellus und Pelagonius.