2017: das Jahr (fast) ohne Äpfel - der Förderverein Odenwälder Apfel e.V. informiert

Bis zu 80 % Ernteausfall müssen die hessischen Apfelbauern 2017 finanziell schultern, während die Äpfel zugleich das Lieblingsobst der Deutschen sind. 20 Kilo pro Kopf und Jahr werden verzehrt. Dabei sind es nur zu oft die paar allgegenwärtigen Sorten aus dem Supermarkt. Viel besser dagegen schmecken die Streuobst-Äpfel, darüber informierte der Förderverein Odenwälder Apfel e.V. während des Groß-Umstädter Bauernmarktes im September. Hier wurde der Odenwälder Apfelherbst mit Ap-felwein-Blindverkostung, Apfelausstellung und Sortenbestimmung eingeläutet.

Apfelallergie: alte Sorten sind oft verträglicher

Am Stand stellten die Besucher viele Fragen, die zweithäufigste fiel dabei besonders auf: "Welche Sorten kann man als Allergiker essen?" Jeder Fünfte in den westlichen Ländern hat eine Nahrungsmittelunverträglichkeit - und es werden täglich mehr. Besonders unschön ist die Apfelallergie - heißt es doch „ein Apfel am Tag vertreibt Kummer und Plag“ oder „an apple a day keeps the doctor away“. Wie kann etwas so Gutes wie ein echter Odenwälder Apfel schädlich sein und krank machen? Keine Sorge: die Odenwälder Äpfel sind nicht die Schuldigen!

Es sind die Neumodischen Geschmacklosen. Ihnen wurden die Polyphenole abgezüchtet, damit sie gefälliger schmecken.  Leider entstehen dadurch häufig Allergien. Diese Erfahrung machten unzählige Freiwillige, die sich am Projekt „Allergiker helfen Allergikern“ beteiligen. Schnell stellten sie nämlich fest, daß einige der alten einheimischen Sorten, die auf den Obstwiesen wachsen, keine Reaktion auslösten - außer einem genußvollen Aaaaah!

Es ist eine ganz bestimmte Anordnung der Aminosäuren, die für eine Allergie verantwortlich sind. Diese können oft durch Kochen so verändert werden, daß das Lebensmittel verträglich wird. Auch der Kauf von Obst aus ökologischem Landbau hilft, denn die Pestizide, die wir unwissentlich mit dem Obst essen, belasten das innere Milieu.

„Moderne“ Äpfel enthalten wenig Polyphenole. Das ist der Stoff, aus dem das Knackige, Fruchtige, Säuerliche der Äpfel gemacht ist. „Die Großen Fünf“ - Golden Delicious, Braeburn, Granny Smith, Jona-gold und Cox Orange - wurden für die sogenannten 70%-Leckermäulchen gezüchtet: nicht zu sauer, nicht zu herb, nicht zu kräftig. Sondern einfach gefällig, angenehm, langweilig. Und polyphenolarm.

Der Gegenspieler ist der Boskoop: er hat viel Polyphenol, und damit auch viel Charakter - man muß ihn mögen, muß ihn sich erobern.

Allergiker helfen Allergikern: welche Sorten kann ich essen?

Der BUND Lemgo hat die Frage der Apfelverträglichkeit sehr ausführlich erforscht. Demnach sind die alten Sorten Altländer Pfannkuchenapfel, Goldrenette, Freiherr von Berlepsch, Gravensteiner, Jo-nathan, Landsberger Renette, Minister von Hammerstein, Roter Berlepsch, Roter Boskoop, Schöner aus Boskoop, Weißer Klarapfel und Wintergoldparmäne für Allergiker gut verträglich. Dort entdeckte man zugleich viele für Diabetiker gut geeignete Apfelsorten: Alkmene, Champagner Renette, Gelber Edelapfel, Idared, Lanes Prinz Albert und Ontario; länger gelagerte Äpfel sind für Diabetiker besser geeignet, weil der Zuckergehalt während der Lagerung abnimmt.

In Lemgo entstand das Projekt „Allergiker helfen Allergikern“, da vorher kaum Informationen zu gut verträglichen Apfelsorten vorlagen. Selbsttestberichte von Betroffenen (in Absprache mit dem Haus-arzt!) füllten in den letzten Jahren eine nützliche Datenbank für Apfelfreunde. Aktuell sollen die Ergebnisse zur Studie Verträglichkeit von Apfelsorten in Kooperation mit dem Allergiezentrum der Ber-liner Charité erscheinen, hier konnte der Zeitplan der Veröffentlichung im Frühjahr 2017 aufgrund der Verzögerung eines zugesagten Sponsorenbeitrages nicht ganz eingehalten werden. Interessante Er-kenntnis aber vorweg: eine Probandin berichtete, daß beim Verzehr der als verträglich eingestuften Äpfel in den ersten Wochen noch geringe allergische Reaktionen auftraten, die im Laufe der Stu-dienzeit abnahmen. Gegen Ende stellte sie keinerlei Reaktionen mehr fest und konnte problemlos und mit Begeisterung Äpfel essen. Das läßt hoffen!

Um ausschließen zu können, daß Spritzmittel die eigentliche Ursache für die Apfelallergie sind, sollten nur Testergebnisse mit unbehandelten Äpfeln eingereicht werden. Eine lange Liste verträglicher Apfelsorten ist so bereits zusammengekommen. Die Basis bildeten die Apfelsorten aus dem Werk "Deutschlands Obstsorten", ergänzt um die Sorten aus der Lemgoer Streuobstwiese und von Allergikern gemeldete Apfelsorten. Die umfangreiche Internetseite des BUND-Lemgo will genauso erschlossen werden wie ein Boskoop: man schaut hinein, sucht und scrollt, klickt und liest - und nach und nach kommt man auf den Geschmack. Funktioniert ein Link nicht, kann sich der geneigte Leser oder die interessierte Apfelfreundin mit Fragen an die BUND-Ortsgruppe Lemgo wenden. Für alte Obstsorten gibt es hier eine Datenbank und unglaublich viele weitere Informationen.

Wo bekomme ich alte polyphenolreiche Apfelsorten?

Lemgo ist weit, auch wenn das Internet Nähe schafft. Am Stand des Fördervereins Odenwälder Apfel e.V. am Bauernmarkt Groß-Umstadt 2017 war die meistgestellte Frage: "kann ich diese alten Sorten hier kaufen?" Antwort von Martin Schaarschmidt, Streuobstwiesenretter aus Reichenbach: "Leider nein. Diese Ausstellung wurde mühsam im ganzen Odenwald zusammengetragen, um sie an vielen Orten den Menschen zeigen zu können. In diesem Jahr gab es vielerorts so wenige Äpfel, daß auf einem Teller dieser Ausstellung die gesamte Ernte eines Baumes liegen." Und Anke Braun, ebenfalls Mitglied im Förderverein, ergänzt: "eine Betroffene, die selber eine starke Apfelallergie hat, erzählte mir daß sie die Gewürzluike gut essen kann. Brettacher, Rambour, Goldparmäne, Boskoop, Ontario und Glockenapfel kann man bei Bauer Keil in Reichelsheim-Bockenrod kaufen, allerdings gibt es dieses Jahr fast keine Äpfel. Der Nabu Fischbachtal macht zum Apfelherbst 2017 eine Aktion mit Apfelsorten (3. Oktober). Auch unsere Nachbarn haben alte Sorten im Angebot, jeder kann einfach mal in die Runde fragen." (die Nachbarn wohnen in der Nähe der Kelterei Krämer in Reichelsheim-Beerfurth)

Doch wenn man sie bekommt, die guten alten Sorten - sind sie dann nicht aufwändig zu lagern? Sie sind es wert: Äpfel, die auf ihren Bäumen auf der Streuobstwiese wuchsen, die mühsam ohne Maschineneinsatz und meist auch ohne Chemie gepflegt werden, sollten mit Wertschätzung behandelt werden. Der Aufwand macht sie unrentabel und verschafft den langweiligen Großen Fünfen einen unverdienten Vorteil. Jeder Apfelliebhaber sollte also durch den Odenwald fahren und dort anhalten, wo handgeschriebene Tafeln an der Hoftür „Äpfel“ verheißen. Oft findet man dort wirklich charaktervolle Äpfel.

Wo bekomme ich Hochstämme alter Sorten?

Natürlich könnte man auch im eigenen Garten einen Apfelbaum pflanzen, das wird ja seit Martin Luther jedem empfohlen. Woher man alte Sorten bekommt, findet man daher natürlich auch beim BUND Lemgo, wo ein Link zu Bezugsquellen alte Obstsorten geschaltet ist. Aber Lemgo ist weit, und für einen Apfelbaum fährt niemand ins Westfälische. Es gibt ja schließlich hier vor Ort einige Baumschulen, die sich ganz gezielt auf alte Sorten spezialisiert haben. Die Mitgliedsbetriebe des Fördervereins Odenwälder Apfel e.V. helfen gerne weiter, auch die Obst- und Gartenbauvereine - und sie sind stets vor Ort zu finden. "Bei den Streuobstwiesenrettern gibt es unter ‘anlegen’ und ‘Obstbäume kaufen’ viele lohnende Kontaktadressen," ergänzt Florian Schumacher. Nach dem Motto „mer muß schwätze mit de Leit, dann kimmt mer aa ins Gspräch“ kommt man auch in dieser Frage am schnellsten weiter.

Nicht zuletzt können wir hier in unserer Odenwald-Region dazu beitragen, daß es Allergikern besser geht und daß sehr viele von ihnen sich endlich wieder trauen, herzhaft in einen knackigen kräftigen Apfel zu beißen - und es nicht zu bereuen.

Dazu brauchen wir jedoch die kleinen Apfelbauern, die ihre Ernte auf Bauernmärkten oder auf ihrem Hof verkaufen, oft über Mundpropaganda.      

Kontaktadressen und Links:

Förderverein Odenwälder Apfel e.V.: www.odenwaelder-apfel.de Adressen von Direktvermarktern, Obst- und Gartenbauvereinen,  Baumschulen (Rubrik Handwerksbetriebe)
BUND Lemgo: www.bund-lemgo.de/apfelallergie.html
ca. 4000 potentielle Allergene: www.alles-zur-allergologie.de
Deutscher Allergie- und Asthmabund e.V. (DAAB) www.daab.de
Allergieportal www.aktionsplan-allergien.de
Bundesamt f. Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) www.bvl.bund.de
Alte Obstsorten erhalten! www.pomologen-verein.de Informationsblatt des Pomologenvereins e.V.
NABU - Goldparmäne statt Granny Smith: www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/streuobst/sorten/15184.html
Streuobstwiesenretter: www.streuobstwiesenretter.de
Hofladen Keil Bockenrod: http://hofladen-keil.de/ Tel. 06164-3596

Marieta Hiller, September 2017

2017: das Jahr (fast) ohne Äpfel Teil II - Infos des Fördervereins

Inzwischen sind fast wöchentlich Berichte über Obstdiebstahl und fehlendes Angebot an regionalem Obst in den Medien.

Bis zu 80 % Ernteausfall sind vor allem dem Nachtfrost vom 20. auf den 21. April 2017 mit bis zu 9 Grad minus zu verdanken. Die Blüten der Obstbäume wurden dabei flächendeckend fast überall vernichtet.

Hinzu kommt ein Pilz: der Rindenbrand (Diplodia mutila), der die Bäume zum Absterben bringt. Er befällt besonders ungepflegte Obstbäume und nistet sich gern in Brennholzstapeln auf Obstwiesen ein. Das Lagern von Brennholz in der Natur ist vom Gesetzgeber verboten.

Rindenbrand taucht seit dem heißen trockenen Jahr 2003 verstärkt auf, in dem die Bäume durch Trockenstreß geschädigt wurden. Er zeigt sich in scharfen Braunstellen direkt unter der Borke, vor allem am Stamm und an starken Ästen. Wo Risse entstehen, können sie oftmals nicht wie bei widerstandsfähigen Bäumen durch Überwallung geschlossen werden. Hier oder in Verletzungen durch unsachgemäßen Schnitt oder durch Insektenfraß dringt der Pilz ins Kambium (Schicht zwischen Borke und Leitgefäßen) ein und breitet sich aus.

Wichtig ist daher, die Obstbäume gesund zu erhalten, damit sie den Pilz abwehren können. Bei anhaltender Trockenheit muß bewässert werden, bis zu 100 Liter pro Baum. Die Baumscheiben sollen krautfrei gehalten werden, denn hier verstecken sich auch gerne Wühlmäuse. Eventuell muß der Nährstoffgehalt des Bodens geprüft und aufgebessert werden.

Wenn Schnittflächen versiegelt werden, nur mit einem fungizidhaltigen Mittel. Wo Rindenbrand auftritt, muß Schnitt- und Altholz entfernt und vernichtet werden.

Faltblatt der Hochschule Geisenheim www.hs-geisenheim.de
Gartentelefon der Hessischen Gartenakademie 0180-5729972 im Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH)
Fachwarte der Obst- und Gartenbauvereine oder der Verbände

Mistel: steht nicht unter Naturschutz und ist ein Schädling

Auch wenn die Mistel von den Druiden unserer Vorfahren zum Schutz vor Feuer und bösen Geistern über Türen und an Hauswände gehängt wurden, ist die uralte Zauberpflanze doch ein Schädling für Obstbäume.

Ausführliche Infos hierzu: www.nabu.de Suchwort „Mistel“.

Bei starkem Mistelbefall ist ein Absterben der Bäume zu befürchten.

Wer gerne Mitglied im Förderverein Odenwälder Apfel werden möchte, kann sich jederzeit über www.odenwaelder-apfel.de anmelden. Es gibt die reine Fördermitgliedschaft oder auch eine Präsenzmitgliedschaft mit Logonutzung und vielen weiteren Vorteilen. M. Hiller, Oktober 2017