Sind die Lärmfeuer römischen Ursprungs?
Ob die Römer tatsächlich mit Lärmfeuern Informationen über große Strecken weitergaben, ist wissenschaftlich nicht belegt. Die Belege für Lärmfeuer im Odenwald stammen aus späterer Zeit. Daß die Römer aber diese Methode kannten und anderswo auch einsetzten, ist gesichert. Und so ist es recht wahrscheinlich, daß sie hier im Odenwald - in dieser für römische Gemüter rauhen und unsicheren Gegend mit den tiefen Wäldern, in denen feindliche Barbaren lauern konnten - ganz unbedingt eine Signalkette aufrecht erhielten, mit der sie im Falle von Gefahr schnell die Truppen alarmieren konnten.
Zur Warnung vor dem Feind, der aus dem Westen drohte, haben die Römer während der Zeit der germanischen Provinz (1.-4. Jh. N. Chr.) aller Wahrscheinlichkeit nach eine bemannte Signalkette vom Rhein bis zum Limes unterhalten. Der Limes verläuft im östlichen Odenwald, er zieht sich von der Wetterau über den Main bei Obernburg und über den Höhenzug von Lützelbach im Norden bis Schloßau im Süden und weiter Richtung Bad Wimpfen. Er war jedoch nur von ca. 110 bis 160 n. Chr. besetzt und wurde dann weiter nach Osten verlegt. Mit großen Feuerstapeln auf Anhöhen konnte die Besatzung bei Gefahr Alarm geben, entweder mit einem gut sichtbaren Feuer oder mit Rauch. Das Wort Alarm ist im Begriff Lärmfeuer enthalten, dieser hat nichts mit Geräuschentwicklung zu tun, wenngleich das Wort Lärm sich ebenfalls von Alarm (= französisch all’armes, zu den Waffen) ableitet. Feste Stationen lagen auf den Hügeln in Sichtweite und konnten die Warnung so sehr schnell nach Osten weitergeben, wo die Besatzungen der Limeswachttürme die dort in Kastellen stationierten Soldaten in Bereitschaft setzen konnten. Bis der Feind aus dem Westen die Durchquerung des Odenwaldes bewältigt hatte, erwarteten ihn im Osten die römischen Kohorten bereits in Kampfbereitschaft. Das Ende der römischen Provinz und damit auch des Limes begann ebenfalls mit Feuer: im Jahr 254 n. Chr. überrannten die Germanen aus der anderen Richtung den Limes in der rätischen Provinz, viele dortige Kastellorte gingen in Rauch auf. Im Bereich des Odenwaldes fielen die Germanen sogar schon im Jahr 233 n. Chr. ein. Kaiser Aurelian löste 274 das „Gallische Sonderreich“ auf, womit vermutlich auch die germanische Provinz weitgehend aufgegeben wurde. Eine römische Quelle von 297 n. Chr. spricht das Land zwischen Rhein und Donau zweifelsfrei als Barbarenland an. Dennoch nutzten die Römer dieses Land auch noch zu Anfang des 4. Jahrhunderts, als die römische Residenzstadt Trier mit Granit aus dem Felsberg im Odenwald versorgt wurde.
Friedrich Höreth: Heimatforscher mit Weitblick
Ob die Lärmfeuer im Odenwald bereits zu römischer Zeit in Betrieb waren, kann laut Heimatforscher Friedrich Höreth nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden, dokumentiert sind sie jedoch für die Zeit des 30jährigen Krieges in alten Unterlagen. Diese Unterlagen verbrannten leider in der Bombennacht vom 11. September 1944, als Darmstadt und das Hessische Landesarchiv in Flammen aufgingen. Glücklicherweise nahm Höreth, der dort als Archivar tätig war, seine persönlichen Notizen mit nach Hause, und diese enthielten auch eine Skizze der mittelalterlichen Lärmfeuer im Odenwald. Diese zogen sich in zwei Linien von West nach Ost: von Worms über Lorsch, Heppenheim, Spessartkopf, Sensbacher Höhe und Krähberg zum Limes, von Gernsheim über Hohenstein und Schönberg, die Neunkircher Höhe, Morsberg, Otzberg, Hohe Straße und Zellerkopf zum Breuberg, wo das Signal vom Limes aus gesehen werden konnte. Aufgrund der straff durchstrukturierten Organisation der Römer sowohl im militärischen als auch im zivilen Leben kann man jedoch davon ausgehen, dass eine solche Signallinie bereits in den ersten Jahrhunderten n. Chr. unterhalten wurde. Während die Wachttürme des Limes stets in Sichtweite voneinander standen, waren die Warnstationen gen Westen von exponierten Hügeln abhängig und hatten daher größere Abstände, die mit Feuersignalen wesentlich schneller als durch reitende Boten überbrückt werden konnten.
- Zu sehen ist die von Höreth skizzierte die Karte mit der historischen Signalfeuerkette im Buch "Was uns der Odenwald erzahlt, Band I, Darmstadt 1952, S. 44.
Friedrich Höreth war Lehrer in Mümling-Grumbach und starb 1969 daselbst. Dr. Peter W. Sattler berichtet:
"Ich kannte ihn gut, auch der ehemalige Landrat Horst Schnur, er war Schüler von Höreth. Friedrich Höreth kam eines Tages zu meinem Vater ins Forsthaus in Mümling-Grumbach (er war dort Revierförster) und fragte ihn, wie alt eine Kiefer (im Odenwald heißen die Kiefern ja "Danne") werden könne. Ich erinnere mich noch genau daran und war damals schon an der Heimatkunde interessiert. Höreth sagte damals zu meinem Vater gesprächsweise weiter: man habe einen eisernen Ring an einem solchen Baum entdeckt (inzwischen hat sich herausgestellt, daß der damalige Fragesteller kein anderer als Helmut Mehling aus Miltenberg war!), der darauf hindeute, dass er im Dienst eines Signalbaums gestanden habe." Mehr dazu weiter unten...
Das Lärmfeuer am 26. März 2022 in Neutsch
Und Heimatforscher mit Zweifeln
Heimatforscher, ja selbst Gelehrte - wie Dr. Rolf Reutter aus Darmstadt in den Geschichtsblättern des Kreises Bergstraße formuliert - auch sie können sich irren. In seinem Beitrag zu einer Spielmanns-Ermordung 1726 schreibt Reutter eingangs, daß dieselben gerne auffällige Natur-Objekte in graue Vorzeiten verlegen, wohl um ihnen mehr spektakuläres Gewicht zu verleihen.
„Ebenso wird erst vor einigen Jahren kreiertes oder erneuertes Brauchtum als alt oder gar als römisch deklariert, wie es mit dem ‚Lärmfeuer‘ geschieht, dessen erstes im Jahr 2009 auf der Raidelbacher Höhe von dem dort ansässigen Kleinkunstverein Do-Guggschde e.V. entzündet wurde."
Als Quelle gibt er die Kartoffelsupp vom März 2018 an. Hierzu sind einige Anmerkungen erforderlich: richtig ist, daß DoGuggschde die Lärmfeuer wiederbelebt hat, gemeinsam mit der Bürgerstiftung Lautertal. Und dies auch tatsächlich zu dem Hauptzweck, in die Vorsaison ein bißchen touristischen Aufschwung zu bringen. Gedacht war die Aktion als Anregung für die Odenwälder Gastronomie, sich zu beteiligen mit einem Feuermenu, mit besonderen Lärmfeuerwochenendpauschalen. Kaum ein Gastronom hat diese Möglichkeit ergriffen. Dagegen waren die Feuerwehren an vielen Orten im Odenwald sofort dabei, ferner Geschichtsvereine, Brauchtumsvereine, Gemeinden. Und tatsächlich wurden die Lärmfeuer vielfach zu einem Anziehungspunkt, der aus dem gesellschaftlichen Leben nicht mehr wegzudenken ist. Dagegen ist der Ursprung der Lärmfeuer tatsächlich belegbar, und hätte Dr. Reutter nicht nur die Kartoffelsupp - die natürlich wie alle anderen Medien Beiträge stark kürzt, vielfach werden Internetquellen nicht mit abdruckt - sondern auch diese Seiten angesehen, wären ihm die Belege Friedrich Höreths aufgefallen, die die Lärmfeuer gewiß nicht einfach „als alt oder gar als römisch deklariert“:
- es gibt einen Berg namens Lärmfeuer bei Mossau. Warum sollte jemand einen Hügel ohne Grund so eigenartig nennen?
- Es gibt eine Darstellung auf der Trajansäule in Rom mit einer bemannten Lärmfeuerstation: ein Feuerstapel, daneben Anzündholz und ein Limesturm.
- Der Heimatforscher Friedrich Höreth beschreibt eine Lärmfeuerkette im Odenwald, mit Skizze. Entnommen hatte er diese Informationen alten Urkunden des Erbachischen Grafenhauses, wo er als Archivar arbeitete. Die Urkunden waren im Staatsarchiv Darmstadt aufbewahrt, das in der Bombennacht vom 11. auf den 12. September 1944 in Flammen aufging. Höreth aber hatte die Lärmfeuerdaten in den 20er Jahren abgeschrieben und - mit nach Hause genommen. So blieben die Kopien erhalten.
Hauptsache ist doch, daß es allen Spaß macht! M. Hiller, Januar 2019 - Lit: Rolf Reutter: Geschichtsblätter Kreis Bergstraße Bd. 51, S. 73.
Oben: das Lärmfeuer am 26. März 2022 in Neutsch
Neues über die alten Römer aus dem Jahr 2012
- »Leben im römischen Reich« - Sonderausstellung in den Erbacher Museen bis zum 15. Januar 2012.
Das römische Imperium, so fern Rom auch sein mochte, war stets dort, wo römische Bürger lebten. So auch im Odenwald. Man brachte Kultur, Bräuche und Götter mit, und einiges davon blieb auch nach dem Abzug in diesen wilden Hügeln zurück. Manches wurde erst in der Neuzeit ans Tageslicht befördert. Einer der wichtigsten Männer, was Römerfunde im Odenwald betrifft, ist Graf Franz I zu Erbach-Erbach, der in seinem Schloß eine sehenswerte Sammlung zusammentrug. Wie die Römer hier lebten, fern von Rom, und wie sie dort ihr Alltagsleben gestalteten, beides wurde gezeigt im Deutschen Elfenbeinmuseum in Erbach.
- Bei den Märchen- und Sagentagen in Reichelsheim Ende Oktober 2011 stellte Larissa Anton ihren neuesten Film vor: "Limes germanicus" dreht sich um die Relikte aus dem Leben der Römer im Odenwald entlang des Limes von Osterburken bis Miltenberg und auf dem ehemals römischen Gebiet zwischen Dieburg und Michelstadt. Gedreht mit echt Odenwälder Darstellern und angereichert durch einige spannende Sagen zeigt der Film, wie das Leben der Römer hier im Barbarenland einstmals wohl gewesen sein kann. Die DVD ist für 12,90 Euro erhältlich in Reichelsheim: Buchungs- & Informationszentrum
- »Cursum nullius cuius quam causa tardamus« steht, hübsch auf ein Holztäfelchen geritzt, am Heck des Römerschiffes Victoria zu lesen, das im Jahr 2008 im Rahmen einer experimental-archäologischen Studentenarbeit in Krefeld vom Stapel lief. Über die Victoria, Nachbau eines römischen Kriegsschiffes, wie sie auf Donau, Rhein, Lippe, Ems, Weser und Nordsee gefahren sind, gibt es eine DVD, die Ausgrabungen dokumentiert und zeigt, wie das Schiff entstand. Erhältlich zu 12,50 Euro hier. Was aber bedeutet der lateinische Spruch? Im Film wird er etwas umständlich mit „wir werden in keinem Falle unseren Kurs ändern“ übersetzt, was aber falsch ist. Wörtlich übersetzt bedeutet der Spruch „we brake for nobody“, Zitat aus der amerikanischen Science-Fiction-Komödie „Spaceballs“ (1987), die Filme wie Star Wars, Star Trek, Alien und Planet der Affen parodiert. Man erkennt leicht, womit sich Archäologiestudenten in ihrer Freizeit beschäftigen, man erkennt aber auch, daß fundierte Lateinkenntnisse sich an jedem Platz bezahlt machen.
Blick vom sprühenden Lärmfeuer in Hilsenhain hinunter in das Lichtermeer der Rheinebene! Foto Norbert Elfner
Wie haben die Römer Feuer gemacht?
Es gab ja noch keine Feuerzeuge und keine Brandbeschleuniger zu jener Zeit, in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt. Harry Haarstark (Infos: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Tel. 069-39048100) kann ein "römisches Feuerzeug" vorführen: Feuerstahl, Feuerstein und Zunder. Und wenn der Zunder in der Sonne schön getrocknet ist, kann es mit der "experimentellen Archäologie" losgehen: wer kann sein Feuer wohl so entzünden ?
Verschwisterung macht Warnfeuer überflüssig...
... Heute haben wir in Deutschland unzählige Verschwisterungen zwischen deutschen und französischen Ortschaften. Solche engen Freundschaftsbande sichern den Frieden in Europa, denn es gilt heute wie früher: mit wem wir schon gemeinsam gefeiert, gegessen und getrunken haben, mit dem führen wir keine Kriege. Diese Freundschaftsbande sollen auch in der Idee der Lärmfeuer wiederzufinden sein. Deshalb laden einige Organisatoren ihre jeweiligen Partnergemeinden zum Lärmfeuer ein. So wird der Verschwisterungsgedanke immer weiter ins Land getragen, vielleicht erreichen unsere Lärmfeuer eines Tages sogar das ferne Rom...