Eine Sommerausstellung in Reinheim zeigte Gemälde und Zeichnungen von Frauen des 19. und 20. Jahrhunderts.
Von ihren männlichen Kollegen wurden sie gern als "Malweiber" bezeichnet, denn es war ungewöhnlich und paßte nicht ins männliche Weltbild, daß Frauen sich mit Malereien, Radierungen oder Papierzeichnungen beschäftigten. Küche, Kinder, Kirche war die Devise.


Eine Frau, die sich der Kunst widmen wollte, mußte aus begüterten Verhältnissen kommen, zugleich ein bildungsbewußtes Elternhaus haben. Sie mußte besser sein als ihre männlichen Kollegen, und tatsächlich erhielten die Frauen, deren Werke in der Ausstellung gezeigt wurden, eine bessere Ausbildung als die zeitgenössischen männlichen Künstler. Dabei standen ihnen nur Privatschulen offen, zu  staatlichen Akademien hatten sie keinen Zugang. Viele Malerinnen jener Zeit waren geschieden, weil sie sich verwirklichen wollten, manche konnten jedoch ihre Werke auch nur unter dem Namen des Ehemannes verkaufen, weil niemand bei einer Künstlerin gekauft hätte.
Der bekannte Kurator Dr. Benno Lehmann stellte die Situation der Malerinnen und ihre Werke während der Finissage vor. Frauen bevorzugen neben Porträtmalerei auch Stilleben, die wiederum den Männern etwas zu leichtfüßig waren. Und so führte das Museum Reinheim unter Leitung von Rosemarie Töpelmann einen Versuch unter den Ausstellungsbesuchern durch: diese wurden aufgefordert, aus einer Reihe von Gegenständen ein Stilleben zu arrangieren. "Schatz, willst du das machen?" hörte man da oft aus Männermund. Aber viele machten mit, das Ergebnis wurde fotografiert und wird vielleicht Gegenstand einer folgenden Ausstellung werden. Der unterschiedliche Blickwinkel bei Männern und Frauen besteht offenbar noch heute: Frauen haben Freude daran, wenn etwas schön arrangiert ist, Männer wollen eher einen tieferen Sinn darstellen.

Aus dem gesellschaftlichen Kontekst der Zeit bis ca. 1960 erklärt sich leicht, warum Frauen es vorzogen, Landschaften, Blumen und Tiere zu malen. Es war 1977, als gesetzlich zugestanden wurde, daß Frauen ohne die Erlaubnis ihrer Ehemänner eine Arbeit aufnehmen durften. Arbeiten durften sie auch vorher, auch während der Schwangerschaft und gleich nach der Geburt. Aber eine eigene Meinung war ihnen versagt.

Es gibt einen Ausstellungskatalog zu den Kunstwerken und ihren Schöpferinnen, der bei Frau Töpelmann bestellt werden kann: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Die Ausstellung in der Galerie des Hofgutes Reinheim wurde vom 10. Juli bis 8. August 2021 gezeigt.
M. Hiller