6. Mai: Inzwischen haben wir vier Monate Corona-Erfahrung. Acht Wochen nach dem Beginn des shutdown wird die Pandemie zur Routine. Wird sie das wirklich?

Der ARD-Faktenfinder hat alle Daten zur Ausbreitung zusammengestellt: so beobachtete die WHO am 6. Januar 2020 eine neue Viruserkrankung in China. In der chinesischen Stadt Wuhan traten im Dezember die ersten Erkrankungen auf, offenbar infizierte sich auch bereits im Dezember die erste Person in Frankreich. China isolierte am 22. Januar die Region Wuhan, aber am 28. Januar trat der erste Fall in Deutschland auf. Flughäfen und Kreuzfahrtschiffe sind wohl hervorragende Kontaktbörsen für das Virus.

Noch am 4. Februar sah die WHO keine Anzeichen einer Pandemie, inzwischen gibt es in Wuhan 500 Tote. Außerhalb Chinas gibt es am 20. Februar 1000 Infektionen.
Am 22. Februar stirbt der erste Coronakranke in Italien, der italienische Norden wird abgeriegelt.
In Deutschland sind am Ende Februar 70 Infizierte erkannt, am 6. März sind es schon 500. Am 11. März bezeichnet die WHO das Virus als Pandemie. Die Länder machen ihre Grenzen dicht, Geschäfte schließen.
Am 18. März hält Angela Merkel ihre denkwürdige Rede an die Nation. Erstaunlich, wie der eindringliche Appell der Kanzlerin an die Bundesbürger*innen ankommt: Merkels Wort hat Gewicht. Ihr sachlicher Ton, ihr wissenschaftlicher Hintergrund und die Tatsache, daß sie nicht wegen jedem Kinkerlitzchen Reden an ihr Volk hält, wirken.

Als wirtschaftliche Auswirkung stellen wir zu allererst fest, daß es zuwenig Klopapier gibt. Daran sieht man deutlich, wo wir unsere Prioritäten setzen...

Jetzt, Anfang Mai, gibt es nach und nach Lockerungen. Darüber vergißt man leicht, daß das Virus nach wie vor die gleiche Virulenz - die gleiche Kraft - hat. Die gleiche Ansteckungsgefahr besteht, und es gibt nach wie vor kein Gegenmittel, keinen Impfstoff. Das Tragen von Stoffmasken schützt nicht vor Ansteckung, es schützt nur unser Gegenüber vor einer Tröpfcheninfektion durch uns selbst. Wir greifen uns deutlich öfter ins Gesicht, ständig fingern wir an den Masken herum. Das Berühren von Mund, Nase und Augen können wir nicht bewußt unterbinden, das ist natürlich. Aber mit Maske geschieht das umso öfter, denn die Maske sitzt nicht richtig, man zupft und zerrt, faßt den Stoff innen und außen an - egal wo die Finger vorher waren. Händewaschen und Abstandwahren bleibt noch immer der einzige Schutz, darüber muß man sich im Klaren sein. Das Maskentragen kann zu Nachlässigkeit und Leichtsinn führen.

Bisher haben wir an dieser Stelle wöchentlich die Zahlen aus den Kreisen Darmstadt-Dieburg und Bergstraße sowie Hessen aktualisiert. Aufgrund sinnvoller und sorgfältiger Maßnahmen der Regierung und der Kreise stiegen die Zahlen an Neuerkrankten, Genesenen und Todesfällen immer langsamer an. Unten sehen Sie die letzten Zahlen.

Aber: diese Zahlen spiegeln - weltweit - nur, wie oft getestet wurde und wird. Erkrankungen können nur festgestellt und in Statistiken gefaßt werden, wenn die Person getestet wurde. Ungetestete Verdachtsfälle bleiben unberücksichtigt. Wir können daher zu keinem Zeitpunkt behaupten: "in der Region XY gibt es 78 Erkrankte". Wir können ausschließlich sagen: "In der Region XY wurden (beispielsweise) 200 Personen getestet, von denen 78 das Coronavirus haben und erkrankt sind". Das ist ein großer Unterschied. Das Kuriose daran ist nämlich, daß die Fälle ansteigen, sobald breitgestreut getestet wird. Es entsteht der Eindruck "je mehr Tests desto mehr Erkrankungen. In Deutschland sind die Labore in der Lage, täglich 70.000-200.000 Tests durchzuführen. Wir sind 80 Millionen. Wer rechnen kann stellt fest, daß man über ein Jahr bräuchte um alle Bundesbürger*innen zu testen. Länder wie Spanien und Italien, die wenig getestet haben, wurden von der Pandemie sehr stark betroffen. In Deutschland wurde und wird viel getestet, und die Ausbreitung verläuft sehr gemäßigt. Das verführt dazu, zu glauben daß wir das Virus im Griff haben.

Im Grunde sagen uns die Zahlen jedoch wenig, denn ihre Erfassung basiert auf einem "System loser Rollen", wie ich es für mich nenne. Aus dem Physikunterricht (verhaßt weil unverständlich) in der Schule weiß ich immerhin, daß die Bewegung einer losen Rolle recht unberechenbar* ist. Zieht man am Faden, der über eine feste Rolle läuft, so hebt sich das andere Ende ganz vorhersehbar. Läuft der Faden aber über mehrere lose Rollen, so hebt sich das andere Ende nach Regeln, die manch einer sicher berechnen kann. Ich nicht. Da hilft auch keine Lebenserfahrung.

*Natürlich ist sie berechenbar im Sinne von Rechnen, nur nicht für mich. Ich meine "unberechenbar" im Sinne von überraschend.

So schmerzhaft es für unser soziales Leben und für die Wirtschaft ist: nichts wird mehr so sein wie vor Corona. Im Augenblick hilft uns in gesundheitlicher Hinsicht nur Händewaschen und Abstandhalten. Was in wirtschaftlicher Hinsicht aus uns werden wird, läßt wenig Hoffnung aufkommen. Viele Unternehmen haben eine Drei-Monats-Fettschicht. Das heißt, nach drei Monaten shutdown geht es an die Substanz. Was mich unglaublich ärgert ist, daß gleich als Erste die Deutsche Bank um Nothilfe gebettelt hat, und daß große Ketten jetzt ihre Mieten nicht zahlen müssen. Das Schlimmste ist aber, daß Firmen wie amazon als "Kriegsgewinnler" aus der Pandemie hervorgehen. Die örtlichen Geschäfte mußten schließen, der Internethandel blühte auf. Nebeneffekt: Paketdienstfirmen kommen an ihre Grenzen, suchen händeringend Fahrer. Die aber werden nach Mindestlohn bezahlt und oft zu unbezahlten Überstunden gezwungen, sind oft 14 Stunden am Tag unterwegs und können doch nicht von ihrem Einkommen leben.
Viele wissen nicht, daß auch die örtlichen Geschäfte vielfach über Online-Bestellmöglichkeiten und Lieferdienst arbeiten. Gut, wenn man weiß wer was anbietet und wie man es bekommen kann. Hier sehe ich unsere Aufgabe als Durchblick-Redaktion: im Durchblick lesen Sie, wo Sie einkaufen können ohne auf unpersönliche Internetanbieter mit ausbeuterischen Paketdiensten zurückgreifen zu müssen. Machen Sie es wie ich: informieren Sie sich über Warenangebote im Internet und kaufen Sie diese dann lokal. Es ist weder teurer noch aufwändiger.

In diesem Sinne: bleiben Sie gesund und handeln Sie lokal! Marieta Hiller

Hier noch die letzten Zahlen:

Kreis Darmstadt-Dieburg: https://perspektive.ladadi.de/index.php?id=137
26. April 350 Erkrankte 13 Tote 239 Genesene
5. Mai 365 Erkrankte 16 Tote 283 Genesene

Kreis Bergstraße: https://www.kreis-bergstrasse.de/magazin/magazin.php?menuid=473&topmenu=467
26. April 300 Erkrankte 0 neue Fälle  - in Lautertal Erkrankte unverändert 6 Personen, inzwischen alle 6 genesen
5. Mai 315 Erkrankte 3 neue Fälle - 263 Genesene - in Lautertal unverändert


Hessen: 26. April 7965 Erkrankte, 5. Mai 8585 Erkrankte, 384 Tote.
Deutschland: 5. Mai 163.860 Erkrankte, 6831 Verstorbene.