Nur mal angenommen: Sie hätten über zwei Ecken Kontakt zu einem Covid-19-Positiven
Sie hätten am 19.10. Kontakt zu jemandem gehabt, der am 17.10. länger Kontakt zu einem zwischenzeitlich positiv Getesteten hatte, dessen Ergebnis erst freitags spätabends eintraf. Nun denken Sie: ich sollte mich wohl testen lassen, bevor ich das Virus weiter übertrage.
Freitagabends 22 Uhr erreichen Sie die 116 117 relativ schnell, und es ist ein sehr netter Berater am Telefon.
Er folgt dem gesunden Menschenverstand und empfiehlt bis zum Montag zu warten und beim Hausarzt einen Test zu machen. Vom sofortigen Testen in einer der wochenends aktiven Einrichtungen riet er ab, da man dort mit Sicherheit Kontakt zu Erkrankten bekäme.
Also sagen Sie alle Wochenendtermine (es sind ja sowieso nicht mehr viele) ab und rufen montags früh beim Hausarzt an. Dort ist verständlicherweise stundenlang besetzt, aber nach längerer Warterei mit Wahlwiederholung schaffen Sie es endlich. Die Sprechstundenhilfe erklärt aber, daß Sie keine Symptome nicht getestet werden können, und das obwohl in Ihrem Haushalt eine Person mit erhöhtem Risiko lebt.
Sie sollen also beim Gesundheitsamt anrufen. Dort ist jedoch das komplette Telefonnetz zusammengebrochen. Auf eine Mail, mangels Ergebnis am 26.10. hingeschickt, erhielten Sie bis heute keine Antwort. Das Amt war und ist völlig überlastet. Also schauen Sie auf der Internetseite des Gesundheitsamtes nach, um zu erfahren, wie Sie sich verhalten sollten. Dort steht zu lesen: "Wer den Verdacht hat, sich mit dem Coronavirus angesteckt zu haben, möge zunächst - telefonisch! - den Hausarzt kontaktieren. Falls die Praxis geschlossen ist, bekommt man Hilfe beim Ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der bundesweit einheitlichen Telefonnummer 116 117". So schließt sich der Kreis, ohne daß Ihnen und Ihren Mitmenschen geholfen werden konnte.
Es wird jetzt endlich Zeit, daß Sie sich als mündiger Bürger selbst um die notwendigen Maßnahmen kümmern! Gehirn einschalten und Verantwortung übernehmen:
die Inkubationszeit liegt bei ca. 5 Tagen, nach ca. 11,5 Tagen bricht die Krankheit aus. Also: für 14 Tage alle persönlichen Kontakte vermeiden, Schutzmaske tragen, Hände desinfizieren und ein Kontakt-Tagebuch führen. Auch wer symptomfrei ist kann Überträger sein.
Und hören Sie endlich auf zu behaupten, daß es überhaupt keine Pandemie gibt!
Pestnase und Lepraklapper
Unsere moderne Gesellschaft war nicht richtig gut auf eine Pandemie, sprich Seuche, vorbereitet. Inzwischen werden die Kreisgesundheitsämter durch Militär unterstützt, Mitschüler von Infizierten werden oftmals nicht getestet und müssen doch zum Präsenzunterricht kommen. Wie ging man in früheren Jahrhunderten mit Seuchen wie Pest und Lepra um und was hat sich im Gegensatz dazu heute verbessert?
Einen langen Schnabel schnallten mittelalterliche Pestärzte vor die Nase, der das ganze Gesicht bedeckte, mit lichtdurchlässigen Augenschlitzen. In der langen Nase steckte ein Kräuterpaket, durch das der Arzt einatmete. So schützte er sich vor Aerosolen, aber nicht vor der tatsächlichen Ursache der Pest.
Noch unbekannt war der Übertragungsweg der Krankheit, und füllten die Pestdoktoren Theriak in ihre Schnabelmasken. Dieses Universalheilmittel des Mittelalters setzte sich aus einer Vielzahl von Kräutern zusammen, angereichert mit pulverisiertem Schlangenfleisch, Zimt, Myrrhe und Honig. Man glaubte, die Pest würde durch verseuchte Luft verursacht, die die Körpersäfte aus dem Gleichgewicht bringen kann.
Darüber hinaus begann man aber schon früh, die Kranken zu isolieren und die Toten schnell wegzuschaffen und zu verbrennen. Der Arzt schützte sich zusätzlich durch mehrere gewachste Stofflagen, oftmals aus grob zusammengenähten bunten Flicken. Er durfte nicht zu Gesunden gehen, sondern hielt sich im Quarantäneviertel auf.
Der Job des Pestdoktors war alles andere als unterhaltsam, trotzdem wurde diese Figur mit dem langen Schnabel und den farbigen Lumpen in der Commedia dell'arte verewigt. Der Doktor Schnabel oder „medico della peste“ zeigt sich beim Karneval in Venedig (2020 aufgrund der Corona-Pandemie abgebrochen) in allen Straßen.
Übrigens legt eine aktuelle Studie (Fachzeitschrift PNAS) aus dem Jahr 2018 nahe, daß menschliche Parasiten wie Läuse und Flöhe primäre Überträger des Pestbakteriums während der Ausbrüche vom 14. bis zum 19. Jahrhundert waren. Pest wird durch Bakterien übertragen auf einem oft komplizierten Weg (Ratten, Flöhe).
Leprakranke wurden in sogenannten Gutleuthäusern isoliert, die sich weitgehend selbst versorgten. Ging ein Lepröser in die Öffentlichkeit (schwach Erkrankte durften das Gutleuthaus zum Betteln verlassen), mußte er mit einer Klapper auf seine Krankheit aufmerksam machen und Handschuhe tragen. In Heidelberg beispielsweise wurde ein Ratsmitglied zum Au-Pfleger (das Gutleuthof lag "in der Au" in Heidelberg-Schlierbach) bestimmt. Für ein Jahr galt er als Stadtapotheker und betreute das Siechenhaus. Für die ökonomische Seite der Anlage war der Spitalmeister zuständig. Die Kranken durften den Gutleuthof nicht verlassen und arbeiteten solange es ihnen möglich war in der Landwirtschaft mit. In einem spannenden Aufsatz in der Vierteljahresschrift "Der Odenwald" des Breubergbundes (Heft 3/2020) hat Arnold Schwaier Urkunden, bildhafte Darstellungen und historische Karten zusammengestellt.
Wer an der Lepra erkrankte, war zum Tod verurteilt. Allerdings wurde er schon nach der Diagnose der Aussätzigenschau für tot erklärt. Wer Symptome zeigte, war verpflichtet, sich untersuchen zu lassen. Nach der Totenmesse wurde der Kranke neu eingekleidet und mit Handschuhen, Klapper und Bettelstab ausgerüstet. Danach wurde er feierlich zum Gutleuthaus begleitet, worin er auf Nimmerwiedersehen verschwand und nach klösterlichen Regeln leben mußte. Als Aussätzige wurden Leprakranke bezeichnet, weil sie ausgesetzt wurden, in ein eigenes Haus vor den Toren der Stadt ziehen mußten.
Die heilige Barbara, Schutzpatronin nicht nur der Bergleute und Artilleristen, sondern auch der Totengräber und der Sterbenden und Gefangenen, sowie die heilige Margarete, Schutzpatronin unter anderem der Gesichtskrankheiten und Wunden, zieren eine Wandmalerei in der Gutleuthofkapelle in Schlierbach.
Zahlreiche weiterführende Informationen zur Lepra und den Gutleuthäusern finden sich auf den Seiten des Lepramuseums in Münster-Kinderhaus. Als Kinderhus wurde vor Jahrhunderten das dortige Gutleutviertel bezeichnet, heute führt der ganze Stadtteil diesen Namen. Die Gesellschaft für Leprakunde e.V. unterhält übrigens eine eigene Zeitschrift namens "die Klapper". Noch heute erkranken etwa 250.000 Menschen weltweit jährlich an der Lepra, die jedoch zuverlässig heilbar ist. Wichtig für die Heilung ist jedoch eine gute Infrastruktur, um als Langzeitziel eine flächendeckende Eliminierung der Lepra zu erreichen. Eine Infektion erfolgt über das Mycobacterium leprae (Ähnlichkeiten mit Tuberkulose-Erreger) über das Nasensekret Kranker. Das Immunsystem kann die Bakterien meist unschädlich machen.
Heute haben wir es mit einer Pandemie zu tun, die durch Viren übertragen wird. Das ist wesentlich gefährlicher und breitet sich sehr viel schneller aus. Trotzdem muß niemand klappern, aber er müßte auch kein großes Getöse veranstalten, weil er unter dem Maskentragen leidet. Was soll da das medizinische Personal sagen??!
M. Hiller