2023 wurden aus ca. 20.000 Bürgerinnen und Bürgern per Zufallsprinzip die Mitglieder des Bürgerrates Ernährung der Bundesregierung ausgewählt. Davon erklärten sich 10% bereit mitzuarbeiten. Aus diesen setzte ein Algorithmus 1000 Vorschlagslisten mit je 160 Teilnehmern zusammen, und aus diesen Vorschlägen zog Bundestagspräsidentin Bärbel Bas dann per Los die Liste, deren Teilnehmer nun also zuständig sind, die wichtigen Fragen im Ernährungssektor zu thematisieren. Die Auswahl durch Künstliche Intelligenz berücksichtigte alle Aspekte wie Alter, Geschlecht, Herkunft aus Stadt oder Land, Bildung, und ob sich die Person vegan, vegetarisch oder gemischt ernährt. So entstand ein Querschnitt der Gesellschaft. Seit dem 29. September 2023 beraten die 160 Teilnehmer des Bürgerrates. Zunächst legten sie ihre Schwerpunkte fest, diese wurden im Januar vorgestellt und sollen Ende Februar den Mitgliedern des Deutschen Bundestages übergeben werden. Unterstützt werden die Bürgerräte durch eine Gruppe Wissenschaftler anerkannter Forschungseinrichtungen. Auch eine Anhörung von unterschiedlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Perspektiven floß mit ein. In mehreren Sitzungen wurden die Vorschläge erarbeitet, die nun präsentiert wurden.

Unter dem Motto "Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben" wurden neun wichtige Empfehlungen ausgearbeitet:

  • Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder an Kitas und Schulen als Schlüssel für Bildungschancen und Gesundheit
  • Verbraucher: in drei Sekunden erkennen ob ein Lebensmittel unbedenklich ist - Bewusstes Einkaufen leicht gemacht durch ein verpflichtendes staatliches Label
  • Gegen Verderb - und gegen Hunger: Verpflichtende Weitergabe von genießbaren Lebensmitteln durch den Lebensmitteleinzelhandel
  • Tierwohl: Lebensbedingungen und Herkunft von Tieren transparent darstellen
  • Abschaffung der Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel: Fördern statt Fordern – neuer Steuerkurs für Lebensmittel
  • Entkoppelung der Ernährungskosten von den Verwaltungskosten: Gesunde, ausgewogene und angepasste Gemeinschaftsverpflegung in Krankenhäusern, Reha-, Senioren- und sonstigen Pflegeeinrichtungen
  • Höhere Preise für Fleisch: Verbrauchsabgabe zur Förderung des Tierwohls
  • Jugendschutz: Altersgrenze für Energydrinks
  • Bessere Kontrolle: Mehr Personal für Lebensmittelkontrollen und bessere Transparenz der Ergebnisse für die Öffentlichkeit

Die detaillierte Beschreibung der neun Empfehlungen inklusive Vorschlägen zu ihrer Finanzierung ist auf den Seiten des Bundestages zu finden.
Durch dieses Papier zieht sich der Wunsch, daß es einheitliche staatliche Label oder Siegel gibt - auch als QR-Code. Dies gibt zum einen Verbrauchern eine leichtere Beurteilung ihrer Einkäufe an die Hand, zum anderen wirkt es als Anreiz für Produzenten und Handel, höherwertige Lebensmittel anzubieten. Der Bürgerrat sieht darin einen Wettbewerbsvorteil für die einheimische Landwirtschaft. "Diese Maßnahmen sind notwendig, damit landwirtschaftliche Betriebe unterstützt werden und einen Anreiz haben, auf höhere Haltungsformen umzusteigen. Dies soll für landwirtschaftliche Betriebe eine langfristige Planungs- und Rechtssicherheit gewährleisten".
Für unverarbeitetes und tiefgefrorenes Obst und Gemüse in Bioqualität, für optisch der Klasse 2 angehörendes Obst und Gemüse, für Grundnahrungsmittel wie Hülsenfrüchte, Nüsse und Vollkorngetreide sowie für Mineral- und Tafelwasser soll die Mehrwertsteuer auf Null gesetzt werden. Zucker dagegen soll mit 19% besteuert werden. Fleisch der Haltungsform 1+2 soll mit 19%, der Haltungsform 3, 4 und Bio sowie Fleischersatzprodukte mit 7% besteuert werden.

Die Haltungsformen für Fleisch:
1: Stallhaltung
2: Stallhaltung Plus (mehr Platz)
3: Außenklima - offener Stallbereich
4: Premium - Auslauf im Freien; inklusive BIO-Haltung

Nach Auffassung der Verbraucherzentralen stehen einzig die Haltungsformen 3 und 4 für eine deutlich verbesserte Tierhaltung.
Bürgerrat: "Eine Tierhaltung auf einem höheren Tierwohlniveau nützt langfristig auch dem Klima- und Umweltschutz."

Aufklärung und Bildung als Fundament für alle Empfehlungen des Bürgerrats: unabhängig politischer Zuständigkeiten hat sich der Bürgerrat für eine eigenständige, übergreifende Empfehlung entschieden. Staatlich initiierte Aufklärung müsse die Empfehlungen begleiten. Kampagnen und Kooperationen, zum Beispiel mit den Krankenkassen, Verbraucherzentralen und der Deutschen Lebensmittelgesellschaft sollen unterstützen. Verbraucher sollen über die Folgen falscher Ernährung, über Herkunft und Lieferketten und zu bezahlbaren gesunden Lebensmitteln informiert werden.
"Bildung und Aufklärung legen den Grundstein für gesunde Ernährung.
• Bürgerinnen und Bürger brauchen einen einfachen Zugang zu Informationen über ihre Lebensmittel und deren gesundheitlichen, ökonomischen und ökologischen Folgen.
• Aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger tragen zu ihrer eigenen und zur allgemeinen Gesundheit bei und reduzieren Gesundheitskosten nachhaltig.
• Erst gut informierte, mündige Konsumentinnen und Konsumenten können ausgewogene und rationale Kaufentscheidungen treffen.
Bildung und Aufklärung tragen dazu bei, dass Bürgerinnen und Bürger ihr Bewusstsein für gesellschaftliche, generationenübergreifende und globale Verantwortung erweitern."

https://www.bundestag.de/parlament/buergerraete/buergerrat_th1

https://www.bundestag.de/presse/pressemitteilungen/2024/pm-240114-empfehlungen-buergerrat-986122

https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/lebensmittelproduktion/staatliche-tierhaltungskennzeichnung-kommt-25484

M. Hiller, im Januar 2024