Biologin Annette Modl-Chalwatzis stellte mir dankenswerterweise die Informationen zur Verfügung, die sie bei der Exkursion des NABU Beedenkirchen im Oktober 2022 erläuterte.
Bergsträßer Wald: Ist unsere natürliche Klimaanlage ist in Gefahr? Bedeutung des Waldes für den Menschen
An einem heißen Tag kann jeder die Klimafunktion von Laubwäldern fühlen. Unter dem Schatten der Laubbäume ist die Hitze erträglicher. In einem dichten Laubwald ist es nicht so heiß, denn Blätter geben ständig kühlenden Wasserdampf an die Umgebung ab. Dadurch sind Temperaturschwankungen wesentlich geringer als in Städten auf betonierten Flächen.
Wälder sind artenreiche Ökosysteme einerseits und andererseits haben sie einen großen ökonomischen Nutzen, als Holzlieferanten und durch ihren hohen Erholungswert für Waldbesucher. Jedoch der größte Nutzen und Wert der Laubwälder beim derzeitigen Klimawandel ist die ausgleichende Klima-Wirkung durch die Wasserdampfabgabe der Blätter. Weiterhin kommt dem Wald eine besondere Bedeutung, bei der Rückhaltung des Wassers im Boden und bei der Bindung von Kohlenstoffdioxid durch die Fotosynthese, zu.
Wälder können ihre Klima-Aufgabe nur erfüllen, wenn die Laubbäume dicht stehen und eine geschlossene Kronendecke aufweisen, damit kaum Licht auf den Boden fällt. Bereits vor über 50 Jahren schreibt der Vegetationsforscher Professor Heinrich Walter von der Universität Hohenheim: „Jede Veränderung der Baumschicht durch den Menschen wirkt sich auch auf die Krautschicht aus. Schon die Entfernung von alten hohlen Bäumen und der am Boden verwesenden Stämme ist ein schwerer Eingriff in das Ökosystem“. Daher sind alte Bäume besonders wichtig für das gesamte System und für das Waldinnenklima.
Totholz im Wald ist nicht tot.
Das Totholz im Laubwald ist Lebensraum für viele Tiere, Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen und trägt somit zur Artenvielfalt bei. Totholz hält das Wasser im Wald wie ein Schwamm. Wir alle kennen das modrige Holz, das immer etwas feucht ist. Beim Abbau durch zersetzende Organismen, wie Pilze entstehen Kohlenstoffdioxid, Wasser und Humus. Der Humus wiederrum bindet Wasser und Kohlenstoffdioxid. Wegen dieser positiven Eigenschaften sollte Totholz im Wald verbleiben.
Totholz im Nadelwald: Nadelwälder insbesondere Douglasienforste enthalten leicht entflammbares Harz und sind daher brandgefährlich. Bei hohen Temperaturen kann es sogar zur Selbstentzündung dieser Forste kommen. Somit ist dieses Totholz bei Trockenheit gefährlich.
Waldschutz ist Bodenschutz
Natürliche Waldböden haben eine vielfältige Funktion im System Wald. Ein gesunder Wald kann nur auf intakten Böden gedeihen. Böden bilden die Grundlagen für unterschiedliche Waldtypen. Bodenverletzungen wie die Störung des Oberbodens und Bodenverdichtungen führen zur Erosion und zu einem erhöhten Wasserabfluss. Das wiederrum führt zur Destabilisierung des Waldes, da das Wasser nicht im Boden gebunden werden kann und abläuft. Schneller Wasserabfluss bedeutet Hochwassergefahr in niederen Lagen.
Buchenwaldschutz ist Klimaschutz
Zwei Drittel der Fläche Mitteleuropas würden natürliche Buchenwälder einnehmen, wenn es keine Abholzung für Siedlungsflächen und Landwirtschaft gegeben hätte. Die noch vorhandenen Reste haben eine derart wichtige Klimafunktion, da sie durch die starke Transpiration ihrer Blätter für Luftfeuchtigkeit sorgen und somit unsere Wohngebiete vor zu starken Temperaturschwankungen schützen. Das kann kein Nadelwald leisten. Auch aus diesem Grund ist der Schutz aller noch vorhandener Laub- und Buchenwälder in unserem Interesse zwingend notwendig.
Buchenwälder in Deutschland stehen unter Schutz - UNESCO Weltnaturerbe
Buchenwälder sind heute weltweit betrachtet seltene Pflanzengesellschaften. Deshalb stehen bereits einige Buchenwälder unter dem Schutzmantel des UNESCO-Weltnaturerbes. Jeder dieser UNESCO-Buchenwälder hat einen typischen Charakter. So ist der Kellerwald in Nordhessen bekannt für seine Urwaldrelikte, der Hainich in Thüringen stellt sich als typischer-Kalk-Buchenwald dar, der Buchenwald Grumsin in Brandenburg verknüpft Seen-, Marsch- und Moorgebiete.
Die Buchenwälder des Vorderen Odenwaldes
An der Bergstraße haben wir besondere wärmeliebende „Buchenwaldausprägungen“. Die wärmeliebende „Ausprägung“ des Bergbuchenwaldes ist so einzigartig, dass er von Botanikern, bereits vor siebzig Jahren als Fagetum melibocense (Melibokus-Bergbuchenwald) bezeichnet wurde. Aufgrund ihrer genetischen Flexibilität haben diese sehr natürlichen Buchenwälder die vergangenen trockenen Jahre überstanden. Während der ehemals angepflanzte Fichtenforst an den Hängen weitgehend abgestorben ist.
Der natürliche heimische Buchenwald hat selbst in trockenen Jahren eine hohe Regenerationsfähigkeit durch die Vielzahl an Keimlingen, die aus den Früchten, den Bucheckern entstehen. Aufgrund des großen genetischen Potentials, können die am besten angepassten Keimlinge wachsen.
Schutznotwendigkeit der Buchenwälder des Vorderen Odenwaldes
Durch die Vernetzung von Biotopen (Feldholzinseln, Saumbiotope…) könnten die wärmeliebenden Buchenwälder des Vorderen Odenwaldes, aufgrund ihrer Einzigartigkeit, eine sinnvolle Ergänzung sein. Deshalb sollten unsere Buchenwälder auch zum UNESCO-Weltnaturerbe gehören.
Wie könnte der Buchenwaldschutz aussehen?
- Naturverjüngung (Sukzession) zulassen
- Geschlossenes Kronendach bewahren
- Vernetzung unterstützen
- Totholz im Wald belassen
- Störungen vermeiden
- Forstliche Maßnahmen nach dem Minimalprinzip durchführen
- Bodenverdichtung und Erosionen vermeiden
Damit der Buchenwald eine Chance hat, sich zu regenerieren, wäre eine temporäre Herausnahme des Buchenwaldes aus der Nutzung notwendig.
Keine Anpflanzung gebietsfremder Arten
Durch die Anpflanzung der Spätblühenden Traubenkirsche Prunus serotina hat man in der Rheinebene großen Schaden angerichtet. Man hat die Auswirkung der Anpflanzung dieser gebietsfremden Art, von ungefähr hundert Jahren, nicht richtig eingeschätzt.
Mensch und Natur
Wichtig dabei ist das Erkennen und das Verständnis der vielfältigen ökologischen Zusammenhänge und deren Berücksichtigung. Deshalb ist Umweltbildung für alle zwingend notwendig. Wir sind abhängig von der Naturnutzung, und darum müssen wir die Natur unterstützen, sich im ökologischen Gleichgewicht zu halten.
Alle die oben genannten Maßnahmen dienen dem Erhalt und der Förderung der Klimafunktion des Buchenwaldes. Der Schutz des Waldes hat für unsere Existenz eine sehr große Bedeutung und soll ein attraktiver Erholungsort bleiben. Dabei erfolgt die Waldnutzung, insbesondere für waldtypische Gefahren, auf eigene Gefahr.
Trotz aller kritischen Anmerkungen besteht noch Hoffnung: „Der Wald erst dann tot, wenn langfristige Regeneration ausgeschlossen ist“. Zitat aus dem Bericht des Runden Tisches zum Stadtwald Darmstadt.
Autoren des Textes: Mitglieder BVNH und NABU Bergstraße/Südhessen
Stattgefundene Termine zum Thema:
Erste Buchenwald-Exkursion der BVNH und NABU: Sonntag, 4. September 2011, 16:00 Uhr Parkplatz Höllberg, verlängert Ernst-Ludwig-Promenade bzw. Zufahrt zum Auerbacher Schloss
Vortrag “Artenschutz in der Biodiversitätskrise“. Vom Individuum zum Biotop mit Dr. Markus Sonnberger, BVNH: Land - und Forstwirtschaft überfordern vielerorts die Regenerationsfähigkeit der Natur. Biotope werden zu Inseln, Populationen zu Relikten. Der Vortrag stellt einmal mehr Ursachen und Wirkungen sowie die verbliebenen Handlungsoptionen im regionalen Kontext dar. Mittwoch, 05. Oktober 2022, 19:00 Uhr, im Naturschutzzentrum Bergstraße, An der Erlache 17, in Bensheim.