Ist der Einzelhandel ein veraltetes Konzept?

Immer wieder hört man diesen Spruch bei Preisanfragen in den Einzelhandelsgeschäften vor Ort. Und immer mehr dieser Geschäfte mit ihrer großen Angebotstiefe schließen eines Tages für immer. Denn was nutzt es, wenn Miete, Heizung, Lagerhaltung (totes Kapital) und freundliche und kompetente Beratung nicht ausreichen, um den Kunden vor einem Internet-Schnäppchen zu  bewahren. Noch gibt es etliche Einzelhandelsgeschäfte, die in ihrer jeweiligen Produktsparte ein Sortiment vorhalten, das kein Supermarkt jemals bieten kann. Es ist absolut möglich, den gesamten Bedarf an Einkäufen im Lautertal zu tätigen, ohne einmal über die Gemeindegrenzen hinausfahren zu müssen.

Doch wie lange ist das noch so? Oftmals merkt der Kunde erst nach Jahren, daß ein bestimmtes Angebot nicht mehr im Lautertal zu haben ist - etwa wenn ihm samstags beim Werkeln irgendetwas ausgegangen ist und er keine Lust hat zu Obi zu fahren.

Doch die Nachfrage regelt das Angebot, und was nicht gekauft wird, fliegt irgendwann aus dem Sortiment. Und nach einer Weile ist wieder ein ganzes Geschäft weg, weil der Kundenbesuch die Kosten nicht mehr deckt.

Sobald ein Großmarkt mit möglichen Gewerbesteuern winkt, bekommt die Gemeinde natürlich glänzende Augen (auch wenn sich dann herausstellt, daß bei vielen Märkten die Gewerbesteuern am Sitz der Firma und nicht vor Ort zu zahlen sind). Manche Kommunalpolitiker geben einem Großmarkt - welcher Sparte auch immer - mit den zu erwartenden Gewerbesteuereinnahmen den Vorzug vor dem Erhalt der zahlreichen Einzelhandelsgeschäfte und ortsansässigen Handwerksbetriebe. Der Trend sei eben so, hört man dann.

Schon seit Jahren gibt es den Abbau kleiner Betriebe zugunsten sogenannter  Kompetenzzentren. Wer bisher seinen eigenen Laden führte, kann froh sein, wenn er dann in schreiend buntem Kittel als Verkäufer in einem solchen Super-, Hyper- oder Megamarkt Arbeit findet. Das wird auch bei uns auf dem Land kommen. Aber muß man das so einfach hinnehmen?

Einiges könnte schon getan werden, aber auf der anderen Seite war die Mitglieder-Mitarbeit in der Wirtschaftsvereinigung Lautertal (WVL) so schwach, daß diese 2014 ihre Arbeit einstellte. Lesen Sie dazu auch: Wirtschaftsvereinigung Lautertal: Geschichte einer Interessenvertretung

Gemeinsamkeit macht stark - das war das Motto der WVL - aber sie muß schon auch vorhanden sein, die Gemeinsamkeit. Und zwar die von Anbietern und von Verbrauchern.

Die Jagd nach Sonder- und Billigangeboten und die Marktübernahme durch Supermärkte, Fisch- und Kaffeeläden hat 2008 dafür gesorgt, daß ein Einzelhandels-Fachgeschäft im Lautertal geschlossen hat: der Papiertiger, das Schreibwarengeschäft der Durchblick-Redaktion. Bestimmte Artikel wird der Kunde im Lautertal jetzt nicht mehr finden, denn auf den Wühltischen der Nation gibt es eben nicht die komplette Angebotspalette. Wer Rosinen pickt, wird irgendwann auch mal die trockenen Krümel nehmen müssen.

Wenn Sie lieber Kunde das nächste Mal Preisvergleiche zwischen Einzelhandel und Internet ziehen, dann denken Sie auch daran, daß sowohl das Warenlager als auch der Verkaufsraum der Internetanbieter kostenlos auf der Autobahn liegt, wo Ihnen die freie Fahrt blockiert wird. Manch einer, den man darauf einmal aufmerksam macht, denkt dann anders über den Internethandel und kauft lieber wieder vor Ort, wo man sich kennt und wo es gemütlich zugeht. (Marieta Hiller)