Vom Plastikfasten bis zum Energie-Embargo: warum Einsparen das Wichtigste ist

Wir Verbraucher haben vieles in der Hand: wo wir einkaufen, was wir einkaufen und wieviel. Wer regional einkauft und bei Lebensmitteln auf die richtige Saison achtet, wird nach einiger Zeit feststellen, daß das Haushaltsbudget geschont wird. Zusätzlich braucht - bei richtiger Planung - nicht mehr soviel weggeworfen werden.

Wichtig dabei ist, sich objektiv zu informieren. "Klinisch getestet" oder "laut wissenschaftlicher Studie vom XY-Institut" hat praktisch keinerlei Aussagewert. Tatsächlich sollte man wissenschaftlichen Studien erst einmal mißtrauen: eine derartige Studie ergab - wen wundert's? - daß Fett eines der gesundheitsschädlichsten Lebensmittel ist. Finanziert war die Studie durch die Zuckerindustrie. Eine andere Studie - von der Margarinelobby finanziert - ergab daß Butter ungesund ist.

Trau, schau wem! Glaubwürdige Quellen für die Beurteilung solcher Werbesprüche bzw. unlauterer Forschungsergebnisse sind TV-Sendungen wie Quarks (ARD-Mediathek) oder Maithink X (Wissenschaftsshow von Dr. Mai Thi Nguyen-Kim, ZDF-Mediathek).

Regional einkaufen bei Strom, Öl und Gas - da wird es schwierig...

Was wir alle beim Radieschen oder der mikroplastikfreien Kosmetik steuern können, wird schwierig bei größeren Strukturen. Das aktuell heiß diskutierte Energie-Embargo gegen Rußland läßt sich nicht so leicht umsetzen, auch weil uns Alternativen fehlen. Eine Umsetzung Schritt für Schritt ist langwierig und kostet Tag für Tag weitere Menschenleben in der Ukraine.

Und letztlich sind wir selbst schuld, daß wir noch immer abhängig sind von Lieferungen: die Energiewende hin zu dezentraler Versorgung wurde in den letzten Jahrzehnten zuerst massiv behindert und schließlich durch entsprechende Gesetzgebungen verhindert. Das Verzeichnis der deutschen Windkraftanlagenhersteller liest sich wie eine Trauerrede: von globalen Konzernen übernommen, insolvent oder in Liquidation befindlich, reduziert sich die Zahl der WKA-Hersteller in Deutschland inzwischen so stark, daß eine Energiewende - sollte sie jetzt endlich auf den Weg gebracht werden - an Lieferengpässen scheitern wird. Kaufen wir jetzt die Anlagen in China, rutschen wir gleich in die nächste Abhängigkeit hinein. Zudem geistern seit Jahren Gerüchte durch die Welt, denen zufolge China durch staatliche Industriespionage mittelständige Unternehmen bei uns übernommen habe. Wer als ausländische Firma mit China Geschäfte machen will, müsse intimste Betriebsgeheimnisse offenlegen, oder das knowhow sei schlicht gekapert worden.

Aus Erzählungen Älterer weiß ich, daß Schulkinder im 2. Weltkrieg Kohle oder wenigstens einen Klotz Holz zum Heizen mit in die Schule bringen mußten, damit der Unterricht im Warmen stattfinden konnte. So praktisch läßt sich das Problem heute nicht mehr lösen. Was ein Gas-Embargo für unsere Gesellschaft bedeutet, muß sich zeigen. Eine Milchkanne voll Öl oder Gas mitbringen funktioniert leider nicht.

Was aber jeder Einzelne von uns tun kann: Energie sparen!

Energie ist nicht unendlich verfügbar. Das Wunderheilmittel Elektromobilität wurde kürzlich ad absurdum geführt, als Elon Musk verkündete, daß das neue Werk Brandenburg pro Jahr bis zu 500.000 Fahrzeuge auf den Markt werfen soll. Das bedeutet letzten Endes, daß eine halbe Million E-Autos jährlich zusätzlich herumfahren oder daß Verbrennungsmotor-Fahrzeuge zu früh und vor Erreichen des ökologisch optimalen Zeitpunktes verschrottet werden. In jedem Fall wird dies mit einer Steigerung des Energieverbrauchs einhergehen.

Wir werden unseren Energiebedarf nicht decken können, indem wir einfach auf eine andere Energieform umsteigen. Auch Strom muß irgendwie produziert werden. Aus den Kohlelieferungen aus Rußland ist die EU bereits ausgestiegen, was dann im Herbst endlich umgesetzt sein wird und voraussichtlich einige Unternehmen in Deutschland beeinträchtigen wird - bis hin zur Insolvenz und infolgedessen steigender Arbeitslosigkeit. Sehr viel stärker wird sich der Ausstieg aus Öl und Gas aus Rußland auswirken.
Apropos Kohle: ein "Industriezweig" der schon lange über den Ausstieg aus der Steinkohle nachdenkt ist gar keiner: es sind ehrenamtliche Museumsbahnfreunde. Die Dampfzug-Lokführerin einer Museumsbahn erzählte schon lange vor der aktuellen Situation, daß ihr Team intensiv darüber nachdenke, wie man von Steinkohle (die für die Museumsbahnen immer schwieriger zu beschaffen ist) auf andere Energiequellen umsteigen kann. Zu vermuten ist, daß der Technologieschub eher aus den Reihen der Museumsbahnfreunde kommen wird, als aus der Forschungsabteilung der Bahn...

Neue Maßeinheit: das Brot

Immer mehr Fahrzeuge belasten die Umwelt, immer mehr Betriebsstoff wird dafür benötigt - gleich ob es Sprit oder Strom ist. Wer Biodiesel tankt, ist fein raus: das klingt nachhaltig und sauber, bekräftigt durch die staatliche Förderung.
Aber Biodiesel wird auf dem Acker angebaut und blockiert Flächen, die zur Ernährung wichtiger wären. Und so spricht die Verbraucherorganisation foodwatch in einem ihrer letzten Newsletter von "umgerechnet 15 Millionen Broten", die in Europas Autotanks landen.
Sind das Vierpfünder Bauernbrote oder das gute 500g-Campingplatz-Lädchen-Schnittbrot (mit Propionsäure)?
15 Millionen Brote wandern in den Tank: das ist schön plakativ, sagt aber nicht viel aus. Foodwatch präzisiert dann doch noch: weltweit wird auf 1,9 Millionen Hektar Land Rohstoff für "grüne" Kraftstoffe angebaut. Aber dann kommt wieder ein Vergleich: diese Fläche sei siebenmal so groß wie das Saarland.
Brauchen wir wirklich solch plakativen Vergleiche? Gern wird auch in Fußballplätzen oder Badewannen gemessen, aber wer weiß schon, wieviel das ist?
Wenn schon plakativ, dann könnte man als Maßeinheit die Anzahl verhungerter Menschen je Hektoliter Biodiesel nehmen, das wäre wenigstens drastisch.

Müssen wir wirklich Mehl, Sonnenblumenöl und Klopapier hamstern?
Geradezu lächerlich erscheinen die Hamsterattacken auf Supermarktregale. Sollte tatsächlich eine Versorgungskrise eintreten, dann sind Mehl, Sonnenblumenöl und Klopapier vermutlich unsere kleinsten Probleme...
Lange bevor unsere Vorräte ranzig werden, wird unsere Wasserversorgung zusammenbrechen, die Abwasserentsorgung wird versagen, und unsere Smarthomes werden stumm um uns herumstehen und nichts wird mehr funktionieren.

M. Hiller, im April 2022