Wenn heutzutage die Frage gestellt wird: "wie seid ihr eigentlich früher ohne Computer und Handy ins Internet gekommen?" fühlt man sich erstmal alt. Eigentlich ALT.
Aber wie abhängig wir alle davon sind, daß die Infrastruktur funktioniert, zeigt diese Glosse, die ich 2015 geschrieben habe:
Donnerstag der 19. Februar 2015, 19.45 Uhr in Lautern.
Die Daten des März-Durchblick waren gerade durch das Kabel nach Beedenkirchen gekrochen, da flackerte es und dann wars dunkel. Da sitzt man dann ziemlich ratlos bei Kerzenlicht vor dem schwarzen Bildschirm und hat obendrein grade ein so verstörendes Buch wie Blackout gelesen. Kommt der Strom wieder oder war es das jetzt?
„Eine Stromtrasse durch ganz Deutschland wollen wir nicht“ tönte es gestern noch aus dem Radio - Sie wissen schon, die Monsterstromtrasse, die Deutschland spaltet, regenerativen Offshore-Strom in unsere Steckdosen bringen soll. „Wir wollen lieber regionale Energiequellen nutzen“ - ich traute meinen Ohren nicht.
Regionale Energiequellen? Aber nicht aus Windkraft! Zum Glück gibt es doch Wasserkraft, Kuhfürze und Erdwärme als Energiequellen! Aber halt: Rückgang der Landwirtschaft! Müssen wir uns unsere eigene Furzkuh ins Nebenzimmer stellen, damit es im Haus schön warm ist?
Oder Wasserkraft, Mühlen als Ursprung menschlicher Energiegewinnung! Wo gerade der Odenwald als besonders wasserreich bekannt ist. Oder Erdwärme: ruck zuck durch den Granit wie durch Butter in die Erdkruste, pfeif auf die paar Erdbeben!
Interessant was einem so alles durch den Kopf geht, wenn man bei Kerzenlicht drüber nachdenkt, wie unser Leben eigentlich funktioniert - und plötzlich funktioniert nichts mehr.
24 Stunden hält der Gefrierschrank durch, sechs Stunden bleibt die Wärme im Haus. Wie lange reichen Kerzen und Taschenlampenbatterien? Denn hell wird es morgen früh nicht: dafür sorgen die elektrischen Rolläden, die uns durch ihre Zuverlässigkeit schon manchen Euro an Heizkosten gespart haben. Einen Raum könnten wir heizen, mit Katalytofen und Gasflasche. Die steht aber auf dem Balkon, und da sind die Rolläden zu...
Wie lange funktioniert die Wasserversorgung? Fünf Liter Wasser stehen im Schrank als eiserne Reserve für überraschende Wasserrohrbrüche in der Nachbarschaft.
Ein Schlachtplan für die Lebensmittel muß her: zuerst essen wir die Kühltruhe leer. Es gibt also eine Woche lang aufgetaute Steaks von der letzten Familienfeier. Dazu Brot und TK-Gemüse, was halt so da ist. Frisches Brot backen? Fehlanzeige. Der Vorratsschrank ist zwar voller Getreide, aber die Mühle funktioniert elektrisch. Apropos Vorratsschrank: Hamsterkäufe sind völlig außer Mode, und so haben wir ein paar Päckchen Hülsenfrüchte, Getreide, fünf Dosen Leberwurst, ein Glas Wienerle und eine Dose Thunfisch im Schrank. Und die guten Äpfel aus dem Garten, die draußen auf dem Balkon lagern - aber auf den Balkon kommen wir ja nicht...
Weitergedacht: du brauchst jetzt Bargeld. All das schöne Geld auf der Sparkasse kommt ohne Strom ja nicht aus der Wand. Ist das Auto vollgetankt? Der Handyakku aufgeladen? Wie fängt man die Rehlein im Walde, und wie bereitet man sie zu - ohne Kernthermometer-Backofen, ohne Klöße und Preiselbeeren (die gibt unser Vorratsschrank leider nicht her...)
Die Schnapsvorräte! Gut, daß dieser Vorratsschrank voll ist - da kann man sich die Lage wenigstens schöntrinken, wenn nichts mehr hilft. Um 20.26 Uhr ging das Licht wieder an, unsere Augen hatten sich schon ans Höhlendasein gewöhnt und wir waren erstmal geblendet. Die Spülmaschine spülte, der Fernseher erzählte fröhlich weiter ohne Punkt und Komma, und der PC fuhr ordnungsgemäß wieder hoch.
Ich denke noch, ich habe doch eine externe Stromversorgung dranhängen - da fällt mir ein, daß daran noch der alte PC eingestöpselt war. Fürs Umstecken hatte ich noch keine Zeit gefunden, also jedenfalls keine Zeit mit höchster Priorität... Inzwischen ist der 17. März, und am Akkupack hängt immer noch der alte PC.
Marieta Hiller