Die Römer in Germanien, das ist ein mindestens so spannendes Thema wie die Römer in Gallien - ganz Gallien? Nein, ein kleines Dorf.... - wer kennt nicht diese Einleitung aus Asterix und Obelix!

Daß die Spuren der Römer, ihre Kultur, ihre Bauwerke und ihr Wissen nicht mit langweiligem Lateinunterricht in der Schule abgehandelt sind, das beweist der Odenwald als alter römischer Lebensraum in vielfältiger Weise. Der Limes im Osten, eine 80 km lange Spur aus der Zeit vor über 1900 Jahren, die römische Villa Rustica Haselburg und die mißglückten Werkstücke im Felsenmeer bei Reichenbach laden ein zu interessanten Ausflügen in die Hügel des Odenwaldes. Und wenn das Wetter mal nicht zu einem Ausflug lockt, dann gibt es ringsum zahlreiche Museen, in denen römische Funde dargeboten werden. Was uns ganz besonders freut, ist die Tatsache daß die Römer einst den Apfel in den Odenwald brachten. Wer weiß was wir sonst heute als Stöffche trinken müßten!

Doch wie kam es, daß die alten Römer uns den Apfel brachten?

Die römische Hochkultur (das war bevor sie zuviel Blei in ihren Wasserrohren verarbeiteten!) zeichnete sich durch hervorragende Organisation aus, alles war durchstrukturiert und es gab eine klare Hierarchie. Überall wo die römischen Legionen ihren Adler in den Boden rammten, sorgte die Provinzverwaltung dafür, daß neue Speisen und Gerichte ihren Weg zum Bauch der Welt, nach Rom, fanden. Doch auch umgekehrt fanden einige kulinarische Errungenschaften der Römer ihren Weg auf unsere Tische hier im rauhen Barbarenland. Der Apfel gehört dazu.
Das Wildobst in seiner Urform entwickelte sich bereits vor 65 bis 70 Millionen Jahren in Südostasien, allerdings mit Früchten in Walnußgröße. Im Laufe der Zeit entstanden aus den Urformen zahlreiche Mutationen mit größeren und sehr wohlschmeckenden Früchten. Sobald der Mensch auf der Bildfläche erschien und den entscheidenden Schritt vom herumziehenden Jäger und Sammler zum seßhaften Landwirt getan hatte, kultivierte er auch diese Obstsorten. Die Perser hatten bereits im 6. Jh v. Chr. Obstbäume, und über die Griechen kam das Wissen schließlich zu den Römern. Die entwickelten die Veredelung (Okulieren) und erhielten besonders gute Sorten über lange Zeiten sortenrein. Die Römer gaben den verschiedenen Obstsorten auch ihre Namen. Um 800 v. Chr. verehren die Römer die Göttin Pomona als Herrin des Gartens, des Obstes und des Obstbaus. Ihr wird auch die Erfindung des Okulierens zugeschrieben, und in heutigen Zeiten gab sie ihren Namen der Wissenschaft vom Obstbau, der Pomologie. 455 v. Chr. bringt Konsul Appius Claudius die Apfelsorte "Api" von Griechenland nach Italien, 300 Jahre später verfaßt Marcus Porcius Cato das wohl erste Werk über Feldbau "De Agricultura". Um 100 v. Chr. brachten die Römer schließlich ihre Kenntnisse und auch verschiedene Obstsorten nach Gallien und Germanien. 25 Jahre später konnte der römische Feldherr, Politiker und Gourmet Lucius Licinius Lucullus bereits kultivierte Kirschen aus Kleinasien nach Rom bringen. Diese erste Hochkultur des Obstbaues ging dann schließlich mit den Römern unter und geriet in den Wirren der nachfolgenden Jahrhunderte in Vergessenheit. Im 5. Jahrhundert n. Chr. gab es jedoch in unseren Regionen die falischen und bayerischen Gesetze, die Strafen für die Beschädigung von Obstbäumen und Obstdiebstahl festlegten. Karl der Große soll danndem Obstbau wieder zum Aufschwung verholfen haben mit seiner Verordnung „Capitulare des Villis“ infolge der großen Hungersnot Ende des 8. Jahrhunderts n. Chr. Die ältesten deutschen Apfelnamen gehen auf diese Verordnung zurück. Danach ging das Wissen nie mehr verloren, sondern wurde vielmehr in den Klöstern gepflegt und weiterentwickelt.

Doch zurück zu den alten Römern: auf sie gehen vor allem die Apfelsorten mit dem Namen Api zurück, sie wurden von den Römern in Deutschland eingeführt. Api stammt vom griechischen to apion, was Kulturbirne bedeutet. Die Römer übernahmen to  apion für ihre Apfelsorten, während sie aus der Birne pirum machten. Unsere Namen Birne von pirum und Apfel von Api rühren noch aus jener Zeit. Ein römisches Sprichwort besagt: „Ex ovo usque ad malum“ - vom Ei zum Apfel. Den ersten Gang bildete also immer eine Eierspeise, den Abschluß Früchte, vorzugsweise Äpfel. Auf einem römischen Feinschmeckermarkt zu Cäsars Zeiten wurden nach alten Quellen 38 Birnensorten und 23 Apfelsorten feilgeboten, dazu Granatäpfel aus Ägypten, Gewürze aus Indien, Äthiopien, Arabien und Illyrien und lebende Austern in Salzfässern.
Was die Römer am liebsten aßen, läßt sich heute nachvollziehen aus alten Quellen des Apicius, des Lucullus und anderer, wobei die Quellenlage teilweise sehr schwierig ist, denn die alten Rezeptbücher mußten schließlich viele Jahrhunderte überdauern.
Steinerne Spuren der Römer finden sich wesentlich sicherer in den Landschaften unserer Region. Da ist zunächst der Limes, eine Grenze, die sich von Obernburg am Main bis nach Bad Wimpfen am Neckar zieht. Entlang dieses Bodendenkmals, das an vielen Stellen nicht mehr sichtbar ist, wurden in den letzten Jahren viele Informationstafeln aufgestellt, einzelne Bauwerke - das Römerbad in Würzberg, Kastelle in Schloßau oder Lützelbach wurden teilweise restauriert und damit der Öffentlichkeit sichtbar gemacht, und in der Nähe von Vielbrunn wurde in diesem Sommer ein hölzerner Wachturm nach Originalvorlage (Darstellung auf der Trajanssäule) errichtet. Der Turm ist ganz aus Holz, auch die Verbindungen kommen ohne Metall aus. Lediglich die Eingangstür, aus touristischen Gründen im Erdgeschoß, ist mit Hilfe von Metall gesichert. Die Römer hatten den Eingang ihrer Wachtürme aus Sicherheitsgründen im ersten Stock und konnten nur mithilfe einer Leiter hinein und hinaus. Das Erdgeschoß war meist aus massivem Stein und innen mit Steinen und Erdreich ausgefüllt. Trotzdem fielen etliche der über 80 Wachtürme - errichtet in Abständen von etwa 800-1000 Metern mit Sichtverbindung - dem Feuer zum Opfer.
Da es keine alten unzerstörten Wachtürme aus der Römerzeit mehr gab, mußte man die Höhe der Bauwerke übrigens künstlich ermitteln: man nahm zwei sicher belegte Turmstellen, zwischen denen sich eine Kuppe befand, und probierte aus, ab welcher Höhe man über die Kuppe sehen konnte. So kam man darauf, daß die Türme 7,6 Meter hoch sein mußten. Auch wie das Dach ausgesehen hat, kann man nachvollziehen: es hatte einen sehr knappen Überstand, so daß die Wachtposten auf ihrer Balustrade rings um den Turm nicht vor Regen geschützt waren. Das ergab sich aus der Bautechnik, ebenfalls zu sehen auf der Trajanssäule: breite Holzdielen wurden schräg zugeschnitten und von der Mitte des Turmdaches nach außen verlegt. So war den Dachsegmenten durch die maximale Breite der Holzbretter eine Grenze gesetzt, und hätte man das Dach mit großem Regenschutz gebaut, hätte man ein Gewichtsproblem bekommen, denn der Schwerpunkt der einzelnen Schrägdielen hätte dann außerhalb der tragenden Mauer gelegen. Und so kam es, daß die römischen Legionäre des öfteren mal naß wurden.

Ob sie dann, wenn sie sich im Dienst erkältet hatten, ein warmes Bad im Caldarium nehmen durften? Römische Bäder, bestehend aus Umkleideraum (apodyterium), Warmbad (caldarium) mit Warmwasserwanne, einem lauwarmen Bad (tepidarium) und einem Kaltbad (frigidarium), gab es im römisch besiedelten Bereich relativ oft. Man badete von Warm nach Kalt, und der Rest diente als Spülung der Toilette.. Selbst eine Fußbodenheizung (hypocaust) hatten die Römer. Eine Villa rustika war eine große Einrichtung, die der Versorgung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen diente und den im Lande weilenden Herren und Damen aus Rom ein gewisses Maß an Komfort bot. Aber auch einfache Soldaten kamen in den Genuß eines  regelmäßigen Bades.

Den römischen Soldaten, die weiter entfernt von diesen Annehmlichkeiten stationiert waren, nutzte das jedoch nichts. Zum Beispiel den Mitgliedern der Vexillatio, einer technischen Truppeneinheit, die im Felsberg im vorderen Odenwald für die Gewinnung von Bausteinen für die neuen römischen Städte in Germanien zuständig war.  Sie waren weit weg von allen römischen Kulturangeboten, genau in der Mitte der Wildnis zwischen Mainz (Moguntia, wo die 22. Legion stationiert war) und der Villa Haselburg mit ihren warmen Badewannen. Doch nicht nur römische Soldaten sowie der Magister (Werkmeister), der Nominator mit seinem Librum de Inventuribus (der „Lagerist“), die Feldschmiede, Wagner, Zimmerleute und Holzfäller waren im Felsberg eifrig, auch viele einheimische Hilfsarbeiter wurden hier eingesetzt. Die Verpflegungshütten hatten etwa 800 hungrige Mäuler zu stopfen, denn die Arbeit war schwer.Zwölf Stunden am Tag wurde gearbeitet, und bis ein Werkstück aus einem der großen Rohblöcke der Felsenmeere gewonnen war, mußte viele Tage Schweiß investiert werden. Dabei waren die Römer sehr anspruchsvoll: gab es an einem Werkstück auch nur einen kleinen Makel, wurde es aufgegeben und blieb im Felsberg liegen. Über 400 Werkstücke mit römischen Arbeitsspuren (Keilspaltung und Sägetechnik) sind hier deshalb heute noch zu finden und laden ein zu einer Erkundungstour in atemberaubender Umgebung.
Daß den Römern ihre Sicherheit im Barbarenland sehr wichtig war, zeigen Straßenanlagen. Sie bevorzugten freies übersichtliches Gelände, die hügeligen Waldlandschaften des Odenwaldes waren ihnen unheimlich. In der Rheinebene dagegen liebten sie es, auf einer 40 Meter breiten schnurgeraden Straße von der Gegend um Trebur nach Ladenburg (Lopodunum) und weiter nach Heidelberg (Palatina, entspricht Pfalz!) und zu den süddeutschen Römerzentren  zu ziehen. Einen großen Fehler machte der Legionsführer Varus und mit ihm alle römischen Feldherren bis zu diesem Tag im Jahr 9 nach Christus: stets rekrutierten sie Einheimische als Hilfstruppen (auxiliarii), doch nach der verhängnisvollen Schlacht im Teutoburger Wald stationierten sie diese niemals mehr in der Nähe ihrer Heimat. Vielmenr wurden beispielsweise Balkantruppen nach Nordwestgermanien verlegt und gallische Truppen in den vorderen Orient. So konnte vermieden werden, was dem germanischen Volkshelden Arminius gelang: als Doppelagent beriet er die Römer auf ihrer Routenplanung, als guter Germane verriet er alles an seine Familie. Daß er letztendlich wohl doch noch von seinen eigenen Leuten umgebracht worden ist, zeigt, daß sich Verrat nicht auszahlt. Doch auch für die Römer war die Lektion schmerzlich, wurden ihre Kohorten doch in einem schmalen unzugänglichen Waldstück aufgerieben.
Wer die berühmte Schlacht gerne bildhaft ansehen möchte, der kann dies an etwa 15000 Mini-Römern tun. Bekannt aus der Sendung mit der Maus, die vor einigen Jahren die Schlacht am Teutoburger Wald mittels  marschierender von Playmobilfiguren nachstellte, warten diese geduldigen Kunststoffsoldaten jetzt im Römermuseum in Haltern, ganz in der Nähe des Ortes der römischen Niederlage.

Hier noch eine kleine Liste mit weiteren Informationen:
- Kochen wie die alten Römer -200 Rezepte nach Apicius, für die heutige Küche umgesetzt von Hans-Peter von Peschke und Werner Feldmann, Artemis & Winkler Düsseldort, Zürich 1998, ISBN 3-76081118-3
- Walter Hartmann: Farbatlas Alte Obstsorten. Ulmer, ISBN 3-8001-4394-1
- Egon Schallmayer, der Odenwald-Limes. Entlang der römischen Grenze zwischen Main und Neckar. Theiss-Verlag Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8062-2309-5
- Andreas Thiel: die Römer in Deutschland. Theiss-Verlag Stuttgart, ISBN 978-3-8062-2067-4
- Marieta Hiller: Abenteuer Felsberg, Felsenmeere und Römersteine. Lautertal 2007, (Bezug: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
Histotainment Park Adventon bei Osterburken: hier flanieren an bestimmten Tagen Cicerones in den Rüstungen von Auxiliar- und Legionstruppen sowie Bürger in den Gewandungen der Popularees durch das historische Dorf.
Lärmfeuer: eine historische Signalkette vom Rhein bis ins Herz des Odenwaldes  Jedes Jahr Anfang April  werden an vielen Orten im Odenwald und den umgebenden Landschaften die Lärmfeuer entzündet. Im Jahr 2011 wird das am  9. April sein. Nicht nur die Feuerkette, sondern viele Veranstaltungen zum Thema Römer im Odenwald werden an diesem Tag geboten.
Villa Haselburg bei Hummetroth im Odenwald

Römermuseum Osterburken Die Legionen des Varus im Römermuseum Haltern Archäologischer Park Xanten Zum Thema Geschichte des Apfels

von Marieta Hiller, erschienen in "Typisch Odenwald", Apfelweinbeilage des Darmstädter Echo im Sept. 2010.