1958 brachte der Hessische Rundfunk eine Hörfunksendung (Fernsehen hatte da noch fast niemand) mit Kindern aus Lindenfels. Die Kinder mit ihrem Lehrer Philipp Bickelhaupt sangen Lieder zum Osterfest. Der Sprecher ließ sich von den Kindern einiges über das Osterfest und die Bräuche, die damit zusammengingen, erklären.

Und völlig unverfälscht sprachen die Kinder, heute alle um die 65 Jahre alt, breiten Odenwälder Dialekt - in der Schule und im Radio. Von Nestern aus Moos, einem Hasengärtchen und dem Nebel über Waldwiesen erzähen sie. Das ist gar kein Nebel, sondern Rauch aus der Werkstatt der Osterhasen. Es müssen nämlich soviele Ostereier bemalt werden, das kann unmöglich nur ein einziger Osterhase schaffen. Seine ganze Familie hat viel zu tun vor Ostern. Man darf ihnen aber nicht zu nahe kommen, sonst sind sie schwupps verschwunden.

"Woher weißte’n des?" fragt eines der Kinder den Sprecher. Der erzählt weiter: Glück und ein gutes Herz für die Tiere muß man haben, dann darf man vielleicht sogar mit in die Osterwerkstatt und alle Geheimnisse erfahren. Aber wer schon dort war, darf niemandem etwas verraten. Ein Häschen habe ihm aber erzählt, daß die Leute im Odenwald immer sehr hilfsbereit und nett sind.

Die Kinder bauten einen Hasenwagen aus Zweigen, der mit Moos gepolstert wird. Der Wagen hat „koa Räädschen“ und den Brauch gab es schon 1500, denn er ist auf einem Bildnis von Lucas Cranach zu sehen. Wagen ohne Räder, Schlitten also, gibt es schon in der Bronzezeit, und wer weiß - vielleicht ist der Brauch des Ostereiersuchens auch schon so alt. Die Kinder suchten Hoasebabbelchen (Waldsimse, auch Hoasebrot genannt) und Moos für den Hasenwagen. Sie glaubten daß der Osterhase das Hoasebabbelchen besonders gern mag.

Aber leider wußten die Kinder auch 1958 schon, wo die Ostereier wirklich herkommen. Färben, mit Speckschwarte einreiben, all das machte die Mutter heimlich - aber eben nicht heimlich genug:

»De Ouschdehaas, des konn uns kaaner weißmache, isch waaß was isch waaß.
Des Hinkel is de Haas, die Modder is de Färweschwanz (Färberschwanz) die läigt die Aaie in die Pann, läigt se dann ins griine Gras un säigt es wär de Ouschdehaas.«

oder wenn die Kinder dem Osterhas „guck dort dort hinten rennt er“ ganz schnell Salz auf den Schwanz streuen sollten, weil er dann stehen bleiben muß:

„Ewwe kriggd häww isch en nie. In dere Zeit wou isch em nochgerennd bin hott die Modder schnell die Aaie ins Gras gläigt.“

Gefärbt hat die Modder die Eier mit Zwiebelschalen (rotbraun), mit Brennessel (gelb), Brombeerblätter (gelbgrün), Korn- oder Grasspitzen (grün), Labkraut (rot). Labkraut heißt in Kreidach oder in Mittershausen auch Osterwurzel.

Die Originalsendung des Hessischen Rundfunks aus dem Jahr 1958 wurde von Fritz Ehmke aus Modautal restauriert und auf ein neues Medium gespeichert. Die CD ist bei ihm erhältlich:  www.gebabbel-suedhessen.de   Telefon 06254 2830

Lehrer Philipp Bickelhaupt schrieb das Manuskript für die Sendung, spielte Zither und übte die Osterlieder mit den Kindern ein. Marieta Hiller, April 2017